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Munafa ebook

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Read Ebook: Die Brüder Wright Eine Studie ueber die Entwicklung der Flugmaschine von Lilienthal bis Wright by Hildebrandt A Alfred

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Ebook has 188 lines and 20835 words, and 4 pages

DIE BR?DER WRIGHT

Eine Studie ?ber die Entwicklung der Flugmaschine von Lilienthal bis Wright

Von Hauptmann a.D. A. Hildebrandt

Vormals Lehrer im K?niglich Preussischen Luftschiffer-Bataillon

Mit 44 Abbildungen

BERLIN 1909

Vorrede.

Der Prophet gilt nichts im Vaterlande! Dieses alte Sprichwort will andeuten, dass infolge der Unvollkommenheit der menschlichen Natur das Verdienst hervorragender M?nner oft nicht so gew?rdigt wird, wie es seiner Bedeutung nach sein m?sste. Die meisten Menschen k?nnen sich eben nicht ?ber das Allt?gliche erheben und dem Gedankenfluge weitausschauender Zeitgenossen folgen. Neid und Missgunst stellen sich den Grossen dieser Erde entgegen, und die Rivalit?t der Konkurrenten, die alles verkleinern und herabziehen. Im Kampfe um die Eroberung der Luft haben wir zwei hervorragende F?lle daf?r gehabt, wie sich die Bahnbrecher nur m?hselig zu Anerkennung durchzuringen verm?gen. Wir haben aber hier gleichzeitig ein seltenes Beispiel, wie zwei M?nner noch bei Lebzeiten die gr?sste Anerkennung ihrer Zeitgenossen gefunden haben. Der Gedanke an die Eroberung der Luft ist so bestechend, dass er in den weitesten Schichten der V?lker ganz aussergew?hnlichen Anteil findet. Bislang beherrschte der Mensch nur zwei Dimensionen. Jetzt hat er auch begonnen, sich die dritte Dimension, die Luft, zu erobern. Zeppelin und Wright sind die K?nige der Luft. Ihnen beiden ist es zu danken, dass wir anfangen, die Luft sowohl mit Fahrzeugen, "leichter als die Luft", als auch mit solchen, die "schwerer als die Luft" sind, zu beherrschen. Beide haben lange arbeiten m?ssen, bis sie der Welt die Richtigkeit ihres Gedankenfluges beweisen konnten. Beide sind sie viel geschm?ht und mit Schmutz beworfen worden. Der Name Zeppelin ist heute nicht nur dem deutschen Volke bekannt, er hat ?berall ausgezeichneten Klang. Ueberall widmet man dem greisen Forscher eine Verehrung, wie man sie den gr?ssten Helden aller Zeiten kaum entgegengebracht hat. Auch an Wright haben wir Europ?er viel ges?ndigt. Man ging sogar soweit, die beiden Br?der, die bereits im Jahre 1905 die gr?ssten Erfolge erzielt hatten, in Umpr?gung des Wortes "die fliegenden Br?der"--"die l?genden Br?der" zu nennen. Erst im Jahre 1908 konnten sie, die auch bei ihren Landsleuten in Amerika wenig Glauben gefunden hatten, beweisen, welch gewaltigen Fortschritt sie in ernster Arbeit gemacht hatten. Verfasser folgt der Anregung, eine allgemein verst?ndliche Abhandlung ?ber die Gebr?der Wright zu schreiben, mit um so gr?sserer Freude, als er ziemlich der einzige war, der unentwegt die beiden genialen Erfinder in Wort und Schrift verteidigt und niemals an dem Wert ihrer Mitteilungen gezweifelt hat. Bei der Abfassung der kleinen Schrift kommt es dem Verfasser sehr zu statten, dass er bei einem Besuch in Amerika sowohl den Lehrer der Br?der Wright, den jetzt 77 Jahre alten hervorragenden Ingenieur Chanute, und dessen Assistenten Herring, wie die St?tten, an denen die Flugmaschine geboren wurde, kennen lernte. Besonders zu Dank verpflichtet ist er dem in Gross-Lichterfelde lebenden Baumeister Gustav Lilienthal, der ihm in fr?heren Jahren authentisches Material ?ber seinen Bruder Otto Lilienthal, den Altmeister der Fliegekunst ?bermittelt hat, ferner dem in New York lebenden Ingenieur Herring, sowie auch Ingenieur Chanute in Chicago, der umfangreiches Material der ersten Flugversuche in Amerika zur Verf?gung gestellt hat; endlich dem Bischof Milton Wright zu Dayton in Ohio, der sowohl beim Besuch des Verfassers eingehende m?ndliche Angaben gemacht hat, als auch jetzt in bereitwilligster Weise altes Material ?ber seine Familie und seine S?hne zur Verf?gung stellte. Orville Wright ist nun nach Berlin gekommen, wo er auf Veranlassung des "Lokal-Anzeigers" sein bis jetzt un?bertroffenes K?nnen vorf?hren will. Noch sind wir erst im Anfangsstadium des Kampfes um die Eroberung der Luft, und viel Arbeit ist n?tig, ehe wir einigermassen sicher die Luft beherrschen. M?gen die Vorf?hrungen von Wright f?r unsere deutschen Erfinder und namentlich f?r diejenigen, die sie finanziell unterst?tzen wollen und m?ssen, ein Ansporn zur weiteren F?rderung sein.

A. Hildebrandt.

Die Familie Wright.

Die Wrights f?hren ihren Stammbaum bis in das 14. Jahrhundert zur?ck. Viele hervorragende Leute, deren Namen auch in der Geschichte verewigt sind, haben der Familie angeh?rt. Von grossm?tterlicher Seite stammen sie aus Holland, wo die ersten Aufzeichnungen bei Lord Afferden Ende des 14. Jahrhunderts beginnen und bis in die heutige Zeit vollst?ndig fortgef?hrt sind. Die Nachkommen des Lords wanderten sp?ter nach Amerika aus und siedelten sich um das Jahr 1650 in Long Island an. Die Grossmutter Katherine Reeder war verwandt mit dem Gouverneur Andrew H. Reeder, der in Kansas im Jahre 1854 die Z?gel der Regierung inne hatte. V?terlicherseits k?nnen die Vorfahren zur?ckgef?hrt werden bis zu John Wright, der im Jahre 1538 das Gut Kelvedon Hall im Kreise Essex in England erwarb. Sein und seiner Frau Olive Nachkomme im vierten Grade, Samuel Wright, wanderte im Jahre 1630 nach Amerika aus und siedelte sich 6 Jahre sp?ter als Farmer in Springfield in Massachusetts an. Hier wurde er bald zum Diakon der ersten puritanischen Kirche und sp?ter zum Pfarrer der Gemeinde erw?hlt. Nach segensreichem Wirken entschlief er sanft im Jahre 1665 zu Northampton. Seine Nachkommen blieben in Neu-England und manche ber?hmten Leute sind aus ihnen hervorgegangen. Zu nennen sind Edmond Freeman, Reverend Joshua Moody, Reverend John Russell, John Otis und John Porter in Windsor. Durch den letzten sind die Wrights verwandt geworden mit dem ber?hmten amerikanischen General Ulysses S. Grant und mit dem Pr?sidenten Grover Cleveland; ferner mit dem bekannten General Joseph Warren in Bunkerhill. Der Grossvater Wrights, Silas Wright, war Senator der Stadt New York und sp?ter Gouverneur des Staates New York. Er besass umfangreiche G?ter, um deren Bewirtschaftung er sich selbst k?mmerte. Seine Kinder wurden gleichfalls zu Landleuten erzogen. Er starb in New York im Jahre 1847.

Wir Deutschen haben den Ruhm, den ersten fliegenden Menschen, der mit einer Flugmaschine ohne Motor die Luft durchsegelte, unsern Landsmann nennen zu d?rfen. Uns verbindet aber auch ferner Verwandtschaft mit den K?nigen der Fliegekunst, mit Wrights. Der Grossvater m?tterlicherseits, John G. Koerner, war geboren in einer kleinen Ortschaft in der N?he von Schleiz im F?rstentum Reuss j?ngerer Linie. Die Frau dieses im 86. Lebensjahre verstorbenen Koerner, eine geborene Fry, war Amerikanerin, aus Landen deutschen Sprachgebiets, wahrscheinlich der Schweiz, stammend; n?here Angaben fehlen. Ihre Tochter wurde am 30. April 1831 in Hillsborough in Virginia geboren. Im Jahre 1859 verm?hlte sie sich, die inzwischen mit ihrer Familie auf eine Farm zu Union County in Indiana verzogen war, als j?ngstes von 5 Kindern mit Milton Wright, dem Vater der beiden Luftschiffer. Dieser ist am 17. November 1828 in Rush County in Indiana geboren. Er folgte dem Berufe seiner ?ltesten Vorfahren und hielt mit 22 Jahren seine erste Predigt am 17. November 1850. Infolge einer ausgezeichneten Erziehung, die ihm sein Vater hatte zuteil werden lassen, brachte er es bald im geistlichen Stande zu hohen W?rden. Er wurde reisender Minister der lutherischen Br?dergemeinde, Pr?sident des Kirchenrats, und amtiert bereits seit 24 Jahren als Bischof. Die Erf?llung seines Berufes brachte es mit sich, dass er viele und grosse Reisen zur Inspektion der verschiedenen ihm unterstellten Kirchengemeinden ausf?hrte; hat er doch nicht weniger als 200 000 Meilen in amtlicher Eigenschaft auf der Eisenbahn durchmessen. Auf seinen Reisen erwarb er sich einen praktischen Blick und grosses Verst?ndnis f?r die verschiedensten Lebensstellungen; seinen Kindern liess er eine ausgezeichnete Erziehung und Schulbildung zuteil werden. Leider starb seine Frau bereits am 4. Juli 1889 zu Dayton in Ohio. Der Tod hatte sie von einem langen und schweren Leiden erl?st. Besonders Wilbur Wright hatte sich bem?ht, seiner Mutter die letzten Lebensjahre zu erleichtern, so dass ihm deswegen auch eine besondere Anerkennung seines Vaters zuteil geworden ist.

Milton Wright hatte sieben Kinder, von denen gegenw?rtig noch f?nf am Leben sind. Wilbur, am 16. April 1867 in Henry County geboren, ist der dritte Sohn. Ihm folgten am 19. August 1871 Orville und am 19. August 1874 Katherine, die beide in Dayton geboren wurden.

Eigenartig ist die Angabe des alten Bischofs, dass gerade die Erfinder keine so gute Erziehung genossen haben wie seine anderen Kinder. Keiner von beiden besuchte eine Hochschule, beide haben sich durch ihre eigene Intelligenz in der Technik zu bedeutender Stellung emporgearbeitet. Wilbur berechtigte anscheinend in seiner Jugend zun?chst nicht zu grossen Hoffnungen, obgleich er sehr intelligent war und eine rasche Auffassungsgabe besass.

Das erste Interesse f?r die Flugtechnik wurde bei den Br?dern im Sommer 1878 geweckt, als ihr Vater eines Tages nach Hause kam und pl?tzlich aus seinen H?nden ein Spielzeug in die Luft fliegen liess, das auch heute noch unter dem Namen Helicoptere--Schraubeflieger--bekannt ist. Dieses kleine Ding war aus einem Rahmenwerk von Kork und leichtem Bambus gefertigt und mit Papier ?berklebt. Die Schrauben wurden durch ein starkes Band von Kautschukschn?ren in Bewegung gesetzt, das eng zusammengedreht wurde. Nur kurze Zeit blieb das zerbrechliche Spielzeug in den H?nden der Knaben erhalten; aber die Erinnerung an diese ersten Flugversuche haftete fest im Ged?chtnis beider. Einige Jahre sp?ter begannen sie selbst ihr altes Spielzeug nachzubilden, wobei sie das eine immer gr?sser als das andere fertigten. Aber sie machten die eigent?mliche Erfahrung, dass die gr?sseren Maschinen immer schlechter flogen. Schliesslich wurden sie in ihren weiteren Experimenten entmutigt und wandten ihr Interesse dem Drachensteigen zu, ein Sport, der in Amerika durch die Franklinschen Drachenaufstiege zum Studium elektrischer Erscheinungen besonders weite Verbreitung gefunden hat. Als sie ?lter wurden, gaben sie auch diesen Sport auf, der, wie sie selbst sagten, nicht mehr f?r Jungen in ihrem Alter passte.

Erst die Versuche Lilienthals und besonders das Nachdenken ?ber seinen tragischen Tod weckten in ihnen die alte Passion zur Flugtechnik wieder. Sie studierten mit grossem Interesse die Werke von Chanute, Marcy, Langley, Mouillard und anderen ?ber die Fortschritte und Untersuchungen des flugtechnischen Problems, und bald gingen sie zu praktischen Versuchen ?ber.

Die Mitb?rger von Dayton, die irgendwie in n?here Ber?hrung mit Wilbur und Orville Wright gekommen sind, haben seinerzeit dem Verfasser gegen?ber das ?usserst bescheidene Wesen der beiden ger?hmt. Besonders auch hoben sie hervor, wie sich die Erfinder aus einfachen Verh?ltnissen emporgearbeitet h?tten und mit grossem Fleiss ihrer Fahrradfabrik einen Ruf weit ?ber ihre Heimatstadt hinaus gesichert h?tten. Ihre vielseitige Bildung wurde ebenfalls anerkannt, und man konnte sich in ihrer Gesellschaft davon ?berzeugen, wie gut sie beschlagen waren in der Literatur, in der Musik, Kunst und selbst in der Malerei. Sie sind nicht einseitige fanatische Flugtechniker, sondern verfolgen alle Fortschritte der Luftschiffahrt und brechen keineswegs etwa den Stab ?ber die Konkurrenten, die auf dem Gebiete der aerostatischen Luftschiffahrt t?tig sind.

Sie haben in ihrer eigenen Fabrik auch wie gew?hnliche Arbeiter gelernt, und die Franzosen waren ?berrascht, als sie sahen, wie Wilbur Wright in Le Mans eigenh?ndig und ohne jede fremde Hilfe im Arbeiterkittel seine Maschine zusammensetzte. Allerdings besass er ein gewisses Misstrauen, das sich auf mancherlei schlechte Erfahrungen st?tzte. So zum Beispiel wollte er als Klaviersaitendraht nur das Material verwenden, das er sich aus Amerika mitgebracht hatte. Er war sich eben auch bewusst, dass es bei einer so heiklen Maschine, wie es ein Drachenflieger ist, auch auf das Unwesentlichste ankommt, wenn man Erfolg erzielen will.

Die P?nktlichkeit der Br?der ist ebenfalls ganz hervorragend. Allen Verabredungen folgen sie zur Minute, und nie braucht ein bestellter Arbeiter auch nur eine Sekunde auf ihr Erscheinen zu warten.

In den Ein?den bei Kill Devil hatten sie gelernt, ein ?usserst einfaches Feldleben zu f?hren. In Le Mans schlief Wilbur Wright in einem einfachen Bett, eigentlich nur in einer grossen Kiste, die bei Tage mittels einer Leine an die Decke gezogen wurde und bei Nacht auf dem Fussboden neben seinem Flieger Platz fand. Dabei bestand der Fliegerschuppen nur aus roh zusammengezimmerten Brettern, und der Raum war keineswegs behaglich, da der Wind ?ber die Ebene des Schiessplatzes zu Auvours mit ungeschw?chter Kraft dahinbrausen kann. In Pau bewohnten sie allerdings schon ein komfortableres Quartier, jedoch immer noch gegen das einfachste Zimmer eines einfachen Hotels bescheiden zu nennen.

Beide Br?der sind von grosser Zur?ckhaltung; sobald sie jedoch jemand bei n?herer Bekanntschaft sch?tzen gelernt haben, so tauen sie etwas mehr auf. Man hat das Gef?hl, dass man Leute vor sich hat, auf die man sich in jeder Beziehung und in allen Lagen des Lebens verlassen kann. Ihre Schweigsamkeit ist ja gen?gend bekannt geworden. Ihre Physiognomie ist meistens sehr ernst; aber bei n?herem Verkehr hellt sich das freundliche Auge Wilbur Wrights lebhaft auf. Ihre Ruhe verlieren sie nie. Ob auf den Feldern Tausende von Zuschauern auf einen Flug warteten, ob Prinzen oder Gesch?ftsleute, die ihre Patente zu erwerben gedachten, sich unter ihnen befanden, nie liessen sie sich zu etwas dr?ngen, das sie nicht wollten; nie liessen sie sich verleiten, einen Flug-Versuch zu wagen in einem Wetter, das ihnen ung?nstig war. Die Statur der beiden ist mittelgross. Wilbur ist mit 1,80 Meter etwas gr?sser als sein Bruder Orville. Beide sind sehr schlank und zeigen nur Muskeln und Sehnen. Man sieht ihnen an, dass sie sich ihr ganzes Leben lang mit einem Sport besch?ftigt haben, bei dem es haupts?chlich auf ein sicheres Auge und grosse Geistesgegenwart ankommt. In ihrer Lebensweise sind sie stets ?beraus n?chtern und enthaltsam gewesen. Auch bei den feierlichsten Anl?ssen waren sie nicht zu bewegen, Alkohol zu sich zu nehmen. Sie sind fromm, nicht ?usserlich vor den Augen der Leute, sondern aus innerem Gef?hl. Dies ist leicht verst?ndlich, wenn man an den alten Bischof Wright, der als Priester h?chstes Ansehen geniesst, denkt. So haben sie, die heute doch nicht mehr jung sind, in ihrem Leben noch nie eine Andachtsstunde vers?umt und es als selbstverst?ndlich erachtet, die Sonntage von jeder Art Arbeit freizuhalten.

Die Entwickelung des Gleitfluges.

Zum n?heren Verst?ndnis der ersten praktischen Arbeiten der Br?der Wright ist es erforderlich, die Entwickelung der Flugtechnik in Deutschland ins Auge zu fassen. Hier war es dem Ingenieur Otto Lilienthal gelungen, als erster Mensch die Luft mehrere 100 Meter weit zu durchfliegen. Weiteren technischen Kreisen ist er auch bekannt geworden als Erfinder eines ausgezeichneten Kleinmotors, der seinerzeit f?r Luftschiffahrtszwecke besonders geeignet erschien, leider jedoch nicht in der richtigen Weise gew?rdigt wurde. Auf die Arbeiten dieses hervorragenden Mannes m?ssen wir deshalb im folgenden etwas n?her eingehen.

Otto Lilienthal wurde am 24. Mai 1848 zu Anklam in Pommern geboren. Schon als Junge von 13 Jahren hat er im Verein mit seinem noch jetzt in Gross-Lichterfelde bei Berlin lebenden Bruder Gustav das Fliegen mit den primitivsten Mitteln versucht. Die ersten Fl?gel, die sich die Br?der bauten, bestanden aus Klappen, welche an die Arme gebunden wurden. Die Versuche wurden meist bei Nacht ausgef?hrt, weil die Knaben den Spott ihrer Schulgenossen f?rchteten. Sie versuchten, schwebend in die Luft zu gelangen, indem sie mit ihren Klappen einen H?gel herabliefen. Lange Jahre wurden dann die Fliegeversuche aufgegeben. W?hrend des Studiums an der Berliner Gewerbe-Akademie fertigte sich Otto Lilienthal in den Jahren 1867/68 seinen komplizierten Apparat an, der vier kleine und zwei grosse Fl?gel besass, die abwechselnd auf- und niederschlugen. Es gelang ihm bei den Experimenten durch seine Beinbewegung ein Gewicht von 40 Kilogramm zu heben.

Durch einige Studiengenossen hatte der Mathematik-Professor von den Arbeiten Lilienthals geh?rt und unterliess nicht, ihm sagen zu lassen, es k?nne ja nicht schaden, wenn er sich mit flugtechnischen Berechnungen die Zeit vertriebe, er m?ge aber um himmelswillen nicht Geld f?r solche Sachen ausgeben! Damals war von Staats wegen durch eine besondere Gelehrten-Kommission gerade festgestellt worden, dass der Mensch ein f?r allemal nicht fliegen k?nne; es war daher sehr begreiflich, dass man diejenigen, welche sich mit dem Flugproblem besch?ftigten, direkt f?r Narren hielt.

Nach dem Kriege 1870/71, in dem Otto Lilienthal als Einj?hrig-Freiwilliger des Garde-F?silier-Regiments--Maik?fer genannt--die Belagerung von Paris mitmachte, wurden die Flugversuche mit besseren technischen Hilfsmitteln nach den eingehendsten Experimenten und Studien wieder aufgenommen, wobei sein Bruder Gustav ihn tatkr?ftigst unterst?tzte. Die Maschinen bestanden aus ganz einfachen gew?lbten Segelapparaten, die den ausgebreiteten Fittichen eines schwebenden Vogels glichen. Als Gestell diente Weidenholz, als Bezug mit Wachs getr?nkter Schirting. Festgehalten und gehandhabt wurde der Apparat dadurch, dass man beide Unterarme in entsprechende Polsterungen des Gestelles legte und zwei Handgriffe anfasste. Die Fl?gelfl?chen waren anfangs 10, sp?ter 8 Quadratmeter gross bei einer Klafterung von 7 Metern und 2 Metern gr?sster Tiefe. Auch 14 Quadratmeter grosse Fl?gel kamen gelegentlich zur Verwendung; ihr Gewicht betrug 20 Kilogramm, dazu kam das Gewicht von Lilienthal mit 80 Kilogramm, so dass also insgesamt 100 Kilogramm zum Schweben gebracht werden mussten.

Den einfachen Segelfl?chen f?gte Lilienthal sp?ter Steuerfl?chen hinzu, um eine bessere Einstellung gegen den Wind zu erreichen. Die ganze Bauart der Flugsegel glich in allen Teilen einem Sprengwerk, dessen einzelne Glieder nur auf Zug und Druck beansprucht wurden. Gr?sste Festigkeit wurde hierdurch mit gr?sster Leichtigkeit verbunden. Oft st?rzte er sich mit diesen Segeln von beliebigen H?hen in die Luft und erreichte stets sicher wieder den Boden.

Um den Transport des Apparates zu erleichtern und ihn vor einem eventuell eintretenden Unwetter zu sichern, wurde die Maschine so eingerichtet, dass sie in einer halben Minute zusammengeklappt werden konnte. Das Auseinanderlegen dauerte ebenfalls nur zwei Minuten. Unter den ausgebreiteten Fl?geln konnte man sogar Schutz vor dem Regen finden; 20 Personen hatten unter der sch?tzenden H?lle Platz.

Eingeleitet wurde das Fliegen durch Abschweben gegen den Wind von einem erh?hten Standpunkt. Bei den ersten Spr?ngen betrug die H?he des Sprungbrettes einen, sp?ter zwei Meter. Sechs bis sieben Meter weite Spr?nge von f?nf Metern H?he wurden mit Anlauf erzielt. Das Landen vollzog sich schon ausserordentlich leicht. Der Gleit- und Segelflug, der auch in neuester Zeit in den Mitgliedern des Schlesischen Flugsportklubs wieder eifrige Anh?nger gefunden hat, muss nach den Angaben Lilienthals, wie folgt, ausgef?hrt werden:

"Man l?uft mit gesenkten Fl?geln dem Winde bergab entgegen, richtet im geeigneten Augenblick die Tragefl?che um Weniges auf, so dass sie ann?hernd horizontal zu liegen kommt, und sucht, nun in der Luft dahinschwebend, durch die Schwerpunktslage dem Apparat eine solche Stellung zu geben, dass er schnell dahin schiesst und sich m?glichst wenig senkt. Anf?nger werden gut tun, eine Berglehne zu w?hlen, ?ber welcher sie in geringer H?he dahingleiten. Die erste Regel ist, die Beine nach vorn ausgestreckt zu halten und sich beim Landen mit dem Oberk?rper hinten?ber zu werfen, so dass der Apparat sich aufrichtet und die Bewegung verlangsamt. Das Auffliegen und das Niedersteigen muss stets genau gegen den Wind gerichtet sein. Das vertikale feststehende Steuer sorgt schon daf?r, dass in der Ruhe sich der Apparat genau gegen den Wind einstellt. Die liegende Steuerfl?che verhindert, wie man dieses an jeder sich setzenden Kr?he sehen kann, dass der Apparat nach vorn sich ?berschl?gt, was gew?lbte Fl?chen sonst gern tun. Beim Landen aber darf das liegende Steuer das schnelle Aufrichten des Apparates nicht hindern, es muss sich durch den von unten kommenden Luftdruck um seine Vorderkante drehend aufrichten k?nnen, darf also nur eine Hubbegrenzung nach unten haben.

"Besonders zu warnen ist vor folgendem Fehler: Der Uebende schwebt in der Luft und f?hlt sich pl?tzlich vom Winde angehoben, wie gew?hnlich ungleichm?ssig; beispielsweise der linke Fl?gel mehr als der rechte. Die schiefe Lage treibt ihn nach rechts hin?ber. Unwillk?rlich streckt der Neuling nach rechts auch seine Beine aus, weil er den Anprall zur Erde nach rechts voraussieht. Die Folge ist, dass der schon tiefer liegende rechte Fl?gel noch mehr belastet wird, und der Flug schnell nach rechts sich senkt, bis die rechten Fl?gelspitzen im Erdreich sitzen und zerknicken. F?r Leib und Leben ist weniger Gefahr vorhanden, denn der Apparat bildet nach allen Seiten ein wirkungsvolles Prellwerk, welches die Wucht des Stosses abf?ngt."

Abweichungen von der geraden Richtung werden durch Verlegen des Schwerpunktes nach der einen oder andern Seite durch Ausstrecken der Beine bewirkt, wodurch die Flugrichtung abgelenkt wird.

Mehrfach gelang es Lilienthal auf diese Weise sogar, eine vollkommene Drehung auszuf?hren, so dass er wieder auf seinen Abflugspunkt zuflog. Der Einfluss des Windes zeigte sich bei den Fliegeversuchen frappant. Sobald ein etwas lebhafterer Wind kam, schwebte er hoch ?ber den K?pfen einer staunenden Menge fort, unter Umst?nden sogar momentan in der Luft auf einer Stelle schweben bleibend.

Sehr unangenehm empfand Lilienthal bei seinen Fl?gen st?rkere, pl?tzlich auftretende Windst?sse, weil bei ihnen die Gefahr vorlag, dass sie--wenn auch nur einen Augenblick--den Apparat von oben treffen k?nnten, wodurch er unfehlbar in die Tiefe gest?rzt und zerschellt worden w?re.

Bei den gr?ssten Fl?chen--14 Quadratmeter--b?sste Lilienthal die Stabilit?t ein. Gleichzeitig wurde ihm auch die Landung bei st?rkeren Winden und gr?sseren Fl?chen sehr bedenklich. Wie er selbst sagt, hat er oft in der Luft einen f?rmlichen Tanz auff?hren m?ssen, um, vom Winde hin und her geworfen, das Gleichgewicht zu behaupten; aber stets gelang es ihm, gl?cklich zu landen. Er wurde hierdurch jedoch notgedrungen zu den Versuchen gef?hrt, die Lenkbarkeit und leichte Handhabung zu verbessern.

Anfangs hatte er die Lenkung durch einfache Verlegung des Schwerpunktes mit seinem K?rper bewirkt, die um so g?nstiger vonstatten ging, je kleiner die Fl?gelfl?chen w?ren. Da nun bei st?rkerem Winde die Anwendung kleinerer Fl?chen keinen besonderen Nutzen gew?hrte, vielmehr sich die Notwendigkeit herausstellte, eine gr?ssere Fl?che zum Heben zu gewinnen, so versuchte er zwei parallele Fl?chen ?bereinander anzubringen. Es gelang dies ?berraschend gut. Der Doppelapparat hatte nur 5-1/2 Meter Spannweite bei zwei Tragefl?chen von je 9 Quadratmetern, deren obere etwas ?ber der unteren lag.

Die erreichte H?he wurde ganz bedeutend gr?sser, oft wurde der Abfliegepunkt um ein erhebliches St?ck ?berflogen, sobald die Winde bis ?ber 10 Meter in der Sekunde stark waren.

Beim Landen bei geringem Winde musste der Apparat vorn durch Zur?cklegen des K?rpers gehoben und dann unmittelbar ?ber dem Boden die Beine wie beim Sprunge, schnell vorgeworfen werden, da sonst der K?rper einen sehr unangenehmen Stoss erhalten h?tte. Bei etwas st?rkerem Winde dagegen senkte der Apparat sich sehr sanft zur Erde.

Bei den aufgef?hrten Uebungen hat Lilienthal stets die hebende Kraft des Windes deutlich gesp?rt, und er sagt ausdr?cklich, dass der Wind auch eine Bewegung ?hnlich dem Kreisen der V?gel h?tte einleiten und den Apparat nach links oder rechts drehen wollen; aber infolge der N?he des Berges, von dem er abgeflogen sei, h?tte er sich nicht darauf einlassen d?rfen.

Als Uebungsplatz hatte sich Lilienthal 1891 einen g?nstigen Platz zwischen Werder und Gross-Kreuz ausgesucht, wo sich auf grossen freiliegenden H?hen ein Absprung von 5 bis 6 Metern erzielen liess. Hier machte er seine Versuche gemeinschaftlich mit einem Techniker seiner Maschinenfabrik, Hugo Eulitz. Der jetzige Professor im Meteorologischen Institut zu Berlin, Dr. Kassner, hat seinerzeit zahlreiche vortreffliche Aufnahmen Lilienthals und seines Assistenten angefertigt, die auf der Frankfurter Luftschiffahrts-Ausstellung ausgestellt sind. Die Flugweite wuchs hier auf 20-25 Meter. 1892 suchte er sodann die 10 Meter hohen Abh?nge bei Steglitz und S?dende auf. Im Anfang des folgenden Jahres baute er auf der Maih?he bei Steglitz einen Schuppen, so dass er eine Absprungh?he von 10 Metern erzielte. Ende desselben Jahres zog er dann fort nach den Rhinower Bergen zwischen Rathenow und der Dosse, wo sich H?gelketten bis zu 60 Meter H?he befinden. Auf dem St?ller Berge fand er sogar eine Absprungh?he von 80 Metern. Die Senkung der H?gel betrug etwa 10 bis zu 20 Grad.

Als Lilienthal zuerst hier ?bte, war er sehr ?ngstlich. Er sagte selbst: "Als ich in diesem Jahre zum erstenmal an diesem Bergabhange mein Flugzeug entfaltete, ?berkam mich freilich ein etwas ?ngstliches Gef?hl, als ich mir sagte: Von hier ab sollst du nun in das tief da unten liegende, weit ausgedehnte Land hinaussegeln! Allein die ersten vorsichtigen Spr?nge gaben mir bald das Bewusstsein der Sicherheit zur?ck, denn der Segelflug ging hier ungleich g?nstiger vonstatten, als von meinem Fliegeturme. Der Wind b?umte hier nicht so auf wie vor dem letzteren, wo ich jedesmal beim Passieren der Absprungkante einen ungleichm?ssigen Windstoss von unten empfing, der mir oft verh?ngnisvoll zu werden drohte."

Hier hat sich der einzige, allerdings gl?cklich verlaufene Unfall ereignet, der bei den zahlreichen Fl?gen vorgekommen ist, sowie auch der sp?tere Todessturz. Die erste Havarie fand auf dem St?llen-Berge 1895 statt. Der dabei benutzte Apparat hatte ein genaues, mit der Kreislinie fast zusammenfallendes Parabelprofil, bei dem der Pilot sich mit dem Hinterk?rper bedeutend hinten?ber legen musste, um in der Luft mit dem Apparat nicht vorn?ber zu schiessen. Lilienthal schildert seinen Unfall in der "Zeitschrift f?r Luftschiffahrt" vom Jahre 1895, wie folgt: "Bei einem von grosser H?he ausgef?hrten Segelfluge gab dies--Hinten?berlegen des K?rpers--die Veranlassung, dass ich bei gestreckten Armen in eine K?rperlage geriet, bei welcher der Schwerpunkt zu weit nach hinten lag, w?hrend es mir bei der bereits eingetretenen Erm?dung nicht m?glich war, die Oberarme wieder vorzuziehen. Als ich so in 20 Metern H?he mit etwa 15 Metern Geschwindigkeit dahinsegelte, richtete sich der hinten zu sehr belastete Apparat immer mehr auf und schoss schliesslich durch seine lebendige Kraft senkrecht in die H?he. Ich hielt mich krampfhaft fest, sah nichts als den blauen Himmel mit weissen W?lkchen ?ber mir und erwartete den Moment, wo der Apparat hinten?berschlagen w?rde, um meine Segelversuche vielleicht f?r immer zu beenden. Pl?tzlich jedoch hielt der Apparat im Ansteigen inne und ging r?ckw?rts aus der H?he wieder herab, lenkte in kurzem Kreisbogen durch den schr?g aufw?rts gerichteten Horizontalschweif mit dem Hinterteil wieder nach oben, stellte sich hierbei auf den Kopf und sauste nun mit mir aus etwa 20 Meter H?he senkrecht zur Erde hinunter. Mit klarem Bewusstsein, die Arme und den Kopf voran, den Apparat immer noch an den Handhaben festhaltend, st?rzte ich dem gr?nen Rasen zu.--Ein Stoss, ein Krach, und ich lag mit dem Apparat auf der Erde. Eine Fleischwunde an der linken Seite des Kopfes, mit dem ich auf das Apparatgestell geschlagen war, und das verstauchte linke Handgelenk waren die einzigen schlimmen Folgen dieses Unfalles. Der Apparat war, so wunderbar es klingt, ganz unversehrt. Ich selbst sowohl wie mein Segelzeug waren gerettet worden, durch den elastischen Prellb?gel, den ich wie durch eine h?here F?gung gerade zum ersten Male vorn am Apparat angebracht hatte. Der aus Weidenholz hergestellte Prellb?gel selbst war vollkommen zersplittert, seine einzelnen Teile hatten sich fuss-tief in die Erde eingebohrt, so dass sie nur mit Anstrengung herausgezogen werden konnten."

Dieser Unfall gab zu einigen Ver?nderungen Veranlassung: Der Angriffspunkt der H?nde wurde mehr nach hinten ger?ckt, und es wurde daf?r gesorgt, dass der Oberk?rper nicht mehr ganz hinten?berfallen konnte. Lilienthal schloss aus seinen fr?heren und sp?teren Versuchen, dass man die Profilfl?che, trotz ihrer vorz?glichen Tragewirkung bei freien Segelfl?gen, nicht bis zu ein Zw?lftel der Fl?gelbreite ausdehnen d?rfe, sondern nur bis zu ein F?nfzehntel oder ein Achtzehntel.

Um nicht mehr von der Windrichtung abh?ngig zu sein, errichtete er sich schliesslich im Jahre 1894 in Gross-Lichterfelde eigens einen kegelf?rmigen H?geln von 15 Metern H?he und 70 Metern Grundlinie, der oben zur Aufnahme der Flugapparate ausgebaut war. Die H?he dieses H?gels wurde sp?ter auf 30 Meter vergr?ssert. Hier vermochte er nach allen Himmelsrichtungen abzufliegen. Viele Hunderte von Fl?gen hat Lilienthal mit grosser Sicherheit ausgef?hrt, so dass er schliesslich seine Versuche ?ber den Gleitflug als abgeschlossen betrachten konnte. Er wollte nunmehr einen grossen Schritt weiter gehen und zum Bau einer Motor-Flugmaschine schreiten, die ein Gewicht von 40 Kilogramm erhielt bei einer Leistung von 2 1/2 Pferdest?rke. Auf dem St?llenberge bei Rhinow hatte er am 9. August wieder einen Gleitflug ausgef?hrt und dabei die Steuerung eines horizontalen Schweifes, der durch Kopfbewegungen bet?tigt wurde, versucht. Bei einem zweiten Fluge, der zun?chst bis zur halben L?nge in gerader Richtung vorw?rts ging, neigte sich nach den Angaben eines Augenzeugen der Apparat pl?tzlich nach vorn und schoss pfeilschnell aus der H?he von 15 Metern zur Erde, sich dabei ?berschlagend. Mit gebrochenem Genick wurde Lilienthal aus den Tr?mmern hervorgezogen, und am 10. August erlag er seinen schweren Verletzungen.

Dieser tragische Ungl?cksfall schreckte in Deutschland f?r die kommende Zeit ab, weitere Flugversuche zu unternehmen. Auch der Bruder Lilienthals befasste sich, von anderen Arbeiten in Anspruch genommen, nicht mehr mit der Flugfrage. Erst jetzt hat er das Studium wieder aufgenommen und ist im Begriff, einen Flugapparat zu erbauen.

Man vergass ?ber den Todessturz vollkommen die begeisterte Schilderung, die Lilienthal selbst 1894 von seinen Flugversuchen gegeben hat:

"Man braucht bei diesem Segeln keine Kraftleistung und hat nur durch die Schwerpunktslage den Apparat zu steuern. Nebenbei ist es ein grossartiges Vergn?gen, von den Bergen und H?geln weit in das Land hinauszuschweben, so dass f?r die Laien wie f?r die Fachleute ein solcher Fliegesport ebenso unterhaltend wie lehrreich als auch kr?ftigend sich zeigt. Es ist keine einzige Belustigung im Freien denkbar, welche mit soviel Uebung in der Gewandtheit des K?rpers, mit so viel Sch?rfung der Sinne und F?rderung der Geistesgegenwart verbunden w?re, als dieses schwungvolle Dahingleiten durch die Luft. Wir k?nnen uns minutenlang in der Luft aufhalten, auf Strecken von mehreren hundert Metern mit Kurierzuggeschwindigkeit die Luft durchschneiden und dennoch sanft und gefahrlos uns wieder zur Erde niederlassen."

Nachfolger Lilienthals in England und Amerika.

In England und Amerika hatte man sich inzwischen eifrigst mit der Verfolgung der Lilienthalschen Gedanken besch?ftigt. In England war es besonders der Marine-Ingenieur Percy Sinclair Pilcher, der bereits im Jahre 1894 sich von Lilienthal einen Flugapparat kaufte, mit dem er zahlreiche Versuche anstellte. Naturgem?ss kam er hierbei auch zur Entwickelung selbst?ndiger Ideen, und er konstruierte sich, nachdem er verschiedene Versuche mit dem amerikanischen Kastendrachen von Hargrave angestellt hatte, mehrere eigene Apparate, die sich namentlich durch gr?ssere Stabilit?t auszeichnen sollten als ihr deutsches Vorbild. Die Versuche mit Drachen f?hrten Pilcher dazu, seine Apparate an einer Schnur auszuprobieren. Er liess eine 300 Meter lange Leine an dem Drachenflieger befestigen und durch galoppierende Pferde unter Benutzung einer Flaschenzug-Uebertragung gegen den Wind anziehen. Sobald nun der Flieger unter der Drachenwirkung hoch in der Luft schwebte, legte der Luftschiffer seinen K?rper langsam vor, schnitt die Halteleine durch, um alsbald, in sanft absteigender Bahn gleitend, wieder zur Erde niederzukommen. Auch eine mit einem 4 PS. Petroleummotor versehene Flugmaschine hatte er gebaut. Am 30. September 1899 wurden zu Stanfordpark bei Market Harborough verschiedene Angeh?rige des englischen Aeroklubs, dessen Mitglied er 1907 geworden war, auch der bekannte Flugtechniker Major Baden-Powell, zu Versuchen eingeladen. In der geschilderten Weise liess er seinen Flugapparat durch die Pferde in Bewegung setzen, die Leine wurde zerschnitten, und der Luftschiffer glitt wie ein grosser Vogel in sanftem Gleitfluge zur Erde. Nachdem die Startvorrichtung schnell wieder in Ordnung gebracht war, begann der zweite Versuch. Der Flieger kam, durch Regen beschwert, erst langsam in die erforderliche Geschwindigkeit und stieg dann bis auf eine H?he von 10 Metern. Pl?tzlich brach das Schwanzruder mit lautem Krachen zusammen, der Apparat kippte, ?hnlich wie bei Lilienthal, nach vorn ?ber und fiel, sich ?berschlagend, zur Erde. Unter den Tr?mmern lag Pilcher bewusstlos und wimmernd. Mit M?he konnten ihn zuf?llig anwesende Aerzte aus dem Tr?mmerhaufen herausziehen und nach Hause transportieren. Zwei Tage darauf starb er jedoch, ohne vorher das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Man vermutet, dass durch den Regen sich die Stricke verk?rzten und das Ger?st des Hintersteuers durch gleichzeitige starke Beanspruchung brach. In England hat dann haupts?chlich Baden-Powell weitere Versuche in der Flugtechnik angestellt, die namentlich dazu f?hrten, dass er f?r Kriegszwecke Drachen erbaute, mit Hilfe deren man Menschen in die Luft zu heben vermochte.

In Amerika haben die Lilienthalschen Versuche besonders bei dem Ingenieur Octave Chanute Verst?ndnis geweckt. Am 18. Februar 1832 in Paris geboren, kam er bereits als 6j?hriges Kind nach Amerika. Chanute hat sich in seiner neuen Heimat einen bedeutenden Namen als Ingenieur im Eisenbahnwesen gemacht, wo er beim Bau von Bahnen eine sehr fruchtbare T?tigkeit entwickelt hat; manche gute Erfindung verdankt ihm ihre Existenz. Durch das Vertrauen seiner Landsleute wurde er seinerzeit zum Pr?sidenten des Vereins amerikanischer Ingenieure erw?hlt. Sein Interesse f?r die Luftschiffahrt ist auf die Jahre 1876 und 1878 zur?ckzuf?hren. Zu jener Zeit sammelte er alle Projekte ?ber Luftschiffahrt, deren er habhaft werden konnte. Da er aber durch seine Berufst?tigkeit ausserordentlich in Anspruch genommen war, steckte er das neue Studium eines Tages wieder auf, band alle Schriftst?cke zu einem B?ndel zusammen und legte sie beiseite.

Erst 11 Jahre sp?ter gewann er wieder Zeit, sich mit seiner alten Lieblingsidee zu besch?ftigen. Er machte eine Studienreise nach Europa, deren Ergebnis er nach seiner R?ckkehr in verschiedenen Vortr?gen und Artikeln niederlegte. Damals schrieb Chanute das in Luftschifferkreisen weltber?hmte Buch: "Progress in Flying Machines"--Fortschritte auf dem Gebiete der Flugmaschinen--, in dem er eine kritische Uebersicht aller bis dahin gemachten Experimente gab. Er war zu der Ansicht gekommen, dass namentlich der Gleichgewichtsmangel ein Haupthindernis aller Fortschritte sei. Sein Streben ging deshalb dahin, diesen Mangel zu beseitigen. Er machte unz?hlige Versuche mit den verschiedensten Formen von Fl?chen und kam zu dem Resultat, dass sein Leiter-Drachen, bei dem die Tragezellen durch ein Diagonal-Rahmenwerk in jeden beliebigen Winkel zur Luftstr?mung eingestellt werden konnten, die besten Resultate ergab. Der einer Trittleiter sehr ?hnlich sehende, aus drei kastenf?rmigen Hargrave-Drachen zusammengesetzte Flieger erwies sich als ausserordentlich stabil. Chanute erbaute alsdann einen Gleitflieger in einer solchen Gr?sse, dass ein Mann durch die Fl?che getragen werden konnte.

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