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Read Ebook: Der Mann im Nebel by Falke Gustav
Font size: Background color: Text color: Add to tbrJar First Page Next PageEbook has 1743 lines and 42730 words, and 35 pagesDer Mann im Nebel Roman von Gustav Falke Hamburg 1916 Seinen lieben Freunden Karl Ernst Knodt und Frau K?the herzlichst zugeeignet Erstes Buch Liebster Doktor! Wie vermisse ich Sie, Sie Ausreisser. Nach wie vor f?hrt mich mein Berufsweg zweimal in der Woche an Ihrem alten Heim vor?ber, und ich werfe betr?bte Blicke nach dem Eckfenster hinauf. Wie sch?n war's da oben: ich auf Ihrem breiten etwas eingesessenen Sofa, Sie mir gegen?ber auf dem Stuhl, zwischen uns auf dem b?cherbeladenen Tisch eine Tasse Kaffee, ein Glas Bier oder ein Aquavit. Und dann ging's los, ?ber Literatur, Kunst und tausend Sachen. Und Ihre alte Wirtin, die Frau Obersteuerkontrolleurswitwe, der man diesen imponierenden Titel nicht ansah, mit ihrem roten Gesicht, ihrer etwas waschfrauenm?ssigen Hausuniform und ihrer hastigen, stossenden Sprechweise. Und das einzige Lik?rglas, das kleine blaue Henkelglas, worin sie einer ganzen Korona Aquavit kredenzte, von Mund zu Mund: "Is nich'n h?bsches Glas? Is aus Travem?nde. Hab ich selbst mitgebracht. H?bsches Glas. Ist es nich? Aus Travem?nde. Hab'n Schwester da, wissen Sie. Ja, 'n Schwester." Sie l?sst bestens gr?ssen. Sie hat jetzt ihre beiden Zimmer an einen Z?llner vermietet, einen jungen "soliden" Menschen. Sie wissen, die Frau Kontrolleur gibt viel auf das Solide. Na, in Punkto Solidit?t. Unsolide waren wir nicht. Aber der Z?llner wird uns ?ber sein. Ich vegetiere nun schon eine ganze Zeit lang so hin. Kein Vers, keine Zeile. Lyrisch alles tot. Was Sie ?ber meinen letzten Roman schrieben, hat mich sehr erfreut. Ja, es steckt viel Beobachtung darin. Aber es ist doch nichts mit diesem n?chternen Realismus. Ich m?chte nun endlich mal schreiben, was Sie meinen Pan-Roman nennen. Mich auch mal lyrisch ausgeben. Stimmung. Psychologie. Alles m?gliche. Solche Dreiecksnatur, Sie brauchten den Ausdruck einmal, so ein Portr?t von Ihnen, Liebwertester, ein Individuum, das sich zwischen den drei Punkten Weib, Kunst und Natur aufreibt, seine Ringk?mpfe mit sich auff?hrt. Ihre gef?hrlichen Anlagen potenziert, so dass ein Ungeheuer daraus wird. Aber geben Sie mir einen freundschaftlichen Stoss, dass ich kopf?ber in die Tinte schiesse, sonst wird's doch wieder nichts damit, und es bleibt alles beim guten--Willen darf ich's gar nicht mal nennen, denn wie gesagt, es sind tote Tage bei mir, Nebeldruck, M?digkeit, Stumpfsinn, wie immer, wenn ich eine Arbeit hinter mir habe und eine neue sich erst heimlich vorbereitet wie das Saatkorn unter der Wintererde. Pan, ja Pan! Sie sitzen nun mitten drin, haben alles, was ich ersehne, liegen auf dem R?cken und h?ren die Mittagsmusik des bocksbeinigen Gottes, w?hrend ich hier Staub schlucke, Federn kaue und Kindergeschrei anh?re. Hier etwas, was ich aus dem Papierkorb f?r Sie wieder ausgrub, weil es gerade hierherpasst. Etwas B?cklin-Nietzsche mit einem Stich ins Scheerbartsche. Nichts Urgeborenes, also der Vernichtung geh?rig. Herzlichst Ihr Gerd Gerdsen. Tanz. Pan bl?st. Lass uns tanzen, du und ich. Auf der Sommerwiese, in der Morgensonne lass uns tanzen, wo die weichen Winde sich deines wehenden Blondhaares freuen werden. Komm auf die Wiese! Blumen werden sich unter unsere F?sse dr?ngen und aufgescheuchte Schmetterlinge unsern Tanz umtanzen, weisse und gelbe Schmetterlinge, leuchtend in der Helligkeit des wachsenden Lichtes. Pan lockt. Wir wollen tanzen zu diesen T?nen. Und die Wiese tanzt, und der Wald tanzt, die schwarzen Fichten mit dem roten Morgenkleid aus Sonne und die br?utlichen Birken mit den jungfr?ulichen Gew?ndern aus Silberseide. Und die weissen L?mmer auf der blauen Himmelswiese werden h?pfen, umeinander h?pfen, leichtwolliges Sommervolk, zu der Fl?te des Hirten. Und die Sonne wird tanzen, die lachende Sonne, dass ihre Strahlen auseinander wirbeln, uns umwirbeln, ein flimmernder, blitzender, glitzernder Schleier, in dem wir uns im Kreise drehen, du und ich in unserer nackten Sch?nheit und in unserer nackten Freude. Komm, komm! Pan bl?st. Die Bocksf?sse ?bereinandergeschlagen, hockt er im Fichtenschatten, Zottelbart, Waldschreck den Furchtsamen. Wir aber tanzen vor ihm, nackt, ?ber Blumen, zwei weisse Schmetterlinge, trunken in Lust, trunken in nackter Lust. Lieber Gerdsen! Herzlichen Dank f?r Ihren liebensw?rdigen Brief. Ja, schreiben Sie, Ihr Plan ist vorz?glich. Ich stelle mich Ihnen ganz zur Verf?gung, Eigentlich Pan-Roman, wie ich es meinte, wird es vielleicht nicht. Aber einerlei. Sie haben recht: ab von dem Realismus Ihres letzten Romans. Sie wissen, wie sehr ich ihn sch?tze, hochwerte, diesen Realismus: k?nstlerisch, aufrichtig, schlicht, ohne weitere Absichten als die des treuen Bildners und Darstellers. Und dann der Humor, den Sie haben, und ohne den es nicht gehen w?rde. Aber selbst dieser Humor macht diese misera plebs, diese Kellerleute, K?sekr?mer und Ladenm?dchen nicht auf die Dauer geniessbar. Lassen Sie diese Nullen, die kein Genie zu Zahlen machen kann. Natur! Natur! Aristokratie!! H?henmenschen. Was wollen Sie D?nger karren, statt uns Edelgew?chse zu ziehen. K?nnt ich's nur, wie Sie. Aber bei mir ist alles nur Wollen, ohnm?chtiges Wollen. So muss ich mich denn mit der Natur begn?gen, dem einzigen, was Ersatz f?r mangelnde Produktivit?t gibt, die Natur, die uns erhebt, indem sie uns vernichtet. Die grosse Natur, die Herrscherin, die Zerst?rerin, die am gr?ssten ist, wenn sie t?tet. Das ist es, was ich an der Natur so liebe: ihre Grausamkeit! Oder besser ihre Gleichg?ltigkeit! ihre v?llige Verachtung des Menschen! Das Meer! Nordsee! Sylt! Skagen! Nach Skagen m?ssen wir mal zusammen. Hier ist es mir zu friedlich. Diese ewigen Wald- und Kornlandschaften, diese sanften H?gel. Alles riecht hier nach Arbeit, nach Schweiss. Unser t?glich Brot gib uns heute. Amen. Ich will die Natur gross, frei, und den freien Menschen darin, nicht den Sklaven. Brot, Speck und Gotteswort. Und ?ber allem der Gendarm. Und doch kann ich hier nicht wegfinden, liege hier so in einer Art Halbschlaf, der alle Energie lahmt und keine Entschl?sse aufkommen l?sst, Hans der Tr?umer! Ich gehe mit dem Plan um, Einsiedler zu werden. Ich brauche nicht viel; was ich von meiner Grosstante geerbt habe, reicht aus f?r zehn, zwanzig Jahre; so lange wird die Maschine wohl aushalten. H?lt sie l?nger vor als das ?l, so muss man sie zerschlagen. Das ist das beste am Leben, dass wir's wegwerfen k?nnen. Sie kennen mein Ideal: einige Jahre Blockhauseinsamkeit am Meer, zwischen den Sch?ren Norwegens, am Amazonas oder irgendwo insulares S?dseeparadies. Und ein Weib, das Chopin spielt und Saint Sa?ns. Danse macabre. Und draussen orgelt der Sturm und die M?ven schreien, oder die Affen. Schreiben sie bald, meine Adresse ist bis auf weiteres die hiesige. Ihr Randers. Acht Tage war Randers schon in diesem Waldwinkel, statt an die See zu gehen, wie es seine Absicht war. Wenn ihm jemand vorhergesagt h?tte, er w?rde eine ganze Woche zwischen Feld und Wald in einem einsamen Schulhause leben, w?rde er ihn ausgelacht haben. Er war kein Idylliker. Er liebte weite Horizonte, Gr?sse, Erhabenheit in der Natur. Er liebte das Meer. Was hielt ihn nur hier fest unter dem langgestreckten Ziegeldach des niedrigen Schulhauses mit dem kleinen b?uerischen Vorgarten voll greller Astern und plumper Georginen? Das sah ja von der Landstrasse aus ganz traulich und anheimelnd aus. Aber auf die Dauer war doch alles so eng, kleinlich, so muffig. Dazu die zwei langen Blitzableiter auf dem Dach, die dem ganzen so einen offiziellen Anstrich gaben: Dies ist eine Schule. Und dann die Familie des Lehrers! Doch die gefiel ihm, er hatte wirklich nichts gegen sie. Gute, brave, einfache Leute, und voller Aufmerksamkeit gegen ihren Sommergast. Sie hatten einen solchen gesucht. Er hatte es unterwegs im Provinzboten gelesen. Dann war er ihnen gleich vor die T?r gefahren. Auf ein paar Tage. Sie hatten ihn erst auf so kurze Zeit nicht aufnehmen wollen. Aber er versprach zu r?umen, wenn sie das Quartier besser vermieten k?nnten. Mit weicher Neugier hatten sie ihn ausgefragt. Nicht auf einmal, aber so nach und nach. Sie mussten doch wissen, was er eigentlich war. Ja, was war er? Eigentlich nichts. Aber das h?tten sie nicht verstanden, er f?hlte instinktiv, dass diese Leute von seiner Jugend irgend eine n?tzliche T?tigkeit verlangen w?rden. Freilich, er war ihnen ja keine Rechenschaft schuldig. Aber es genierte ihn doch. Und so wollte er sich denn als Journalist vorstellen, besann sich aber und sagte Schriftsteller. "Sie schreiben wohl f?r Bl?tter?" "Ja, f?r Bl?tter." Add to tbrJar First Page Next Page |
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