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Munafa ebook

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Read Ebook: Eine vornehme Frau by Heiberg Hermann

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Ebook has 1509 lines and 61747 words, and 31 pages

Eine vornehme Frau.

von

Hermann Heiberg.

Seiner theuren Mutter,

Asta, geb. Gr?fin von Baudissin

gewidmet.

Grosse, kleine St?dte!

Wir sind in einer mittleren Stadt von kaum zwanzigtausend Einwohnern, immer noch winzig genug, dass alles, was nicht diente, h?mmerte oder ackerte, eine grosse Familie bildete, in der man sich kannte und sich miteinander befasste.

Und doch trennte sich die gebildete Gesellschaft in verschiedene Klassen: und wie stets und ?berall hielt die eine sich aus besserem Teig gebacken als die andere.

Als der Krieg von 1866 beendet war, empfing die nunmehr preussische Stadt eine Garnison; es wurden, neben Infanterie, einige Schwadronen Husaren nach C. verlegt. Aber die Offiziersfamilien sonderten sich, zumal da sie noch Fremdlinge waren, g?nzlich ab, und nur zu den h?heren Beamten und dem Adel nahmen sie diejenige F?hlung, welche ihnen gleichsam vorgeschrieben war. Im ?brigen konnte die B?rgerschaft mit der stehenden Einquartierung wohl zufrieden sein, denn unter den Husaren befanden sich wohlhabende, sogar reiche Leute, welche das Geld nicht in die Schublade versteckten.

Die neuen Verh?ltnisse waren dem St?dtchen g?nstig. Der Gesch?ftsgeist regte sich, und besonders die Baut?tigkeit erwachte. Die B?rger verdienten Geld und fanden sich rascher in die neuen Dinge, als man erwartet hatte.

Und so verging die Zeit mit ihrem Wechsel, und so lebte die Einwohnerschaft mit ihrem Spott, ihrer Neugierde und ihrem Gerede ?ber ihre Nebenmenschen wie allerorten in dieser unvollkommenen Welt.

Eines Tages ward die Stadt C. durch eine Annonce ?berrascht, welche sich in dem t?glich erscheinenden Bl?ttchen, scharf umr?ndert und gross gedruckt, auf der letzten Seite befand: ,,Gesucht sofort eine grosse Wohnung von zw?lf bis f?nfzehn Zimmern mit Stallung und Nebengelassen. Eventuell wird auf ein ganzes Haus reflektiert. Man beliebe sich--" u.s.w.

Die Neugierde, welche sich zun?chst an den Stammtischen der Ressourcen kundgab, ward nicht sogleich befriedigt. Selbst der Redakteur der C.schen Zeitung wusste keine Auskunft zu geben. Endlich l?sten sich die Zweifel. Einer der Husarenoffiziere war vor einiger Zeit versetzt worden, und in dem Wohnungssuchenden entdeckte man den neuen Rittmeister.

Zu gleicher Zeit verbreiteten sich allerlei Ger?chte ?ber die Ank?mmlinge, welche geeignet waren, die Gem?ter zu besch?ftigen. Von ihm wurde behauptet, dass er zwar ein vollendeter Kavalier und ein gerechter Vorgesetzter sei, aber von einer so finsteren Schwermut beherrscht werde, dass er den Umgang mit Menschen ?ngstlich meide, w?hrend man ihr neben grosser frappanter Sch?nheit Verschwendungs- und Vergn?gungssucht, ja sogar einen leichtfertigen Lebenswandel nachsagte. Erhebliche Erbschaften sollten schon durch ihre Finger geglitten sein, und es ward als ein Gl?ck bezeichnet, dass sich der ?brigens grosse Reichtum des Grafen auf unantastbare Fideikommisskapitalien st?tze. Die Frau Gr?fin gliche, hiess es, einer heissbrennenden Sonne, vor welcher der eisigste und umfangreichste Goldh?gel zerschmelzen m?sse.

In jedem Fall war man sehr gespannt auf die neue Bekanntschaft, und in Offizierskreisen ward eifrig ?berlegt, welche Stellung man zu einer Frau einnehmen solle, der ein solcher Ruf voranging.

Sehr angenehm ward von diesem Wechsel ein Bauunternehmer ber?hrt, der eine von einem park?hnlichen Garten umschlossene grosse Villa gleich vor der Stadt besass und nun um einen hohen Preis einem Mieter fand. Der Graf liess sich Zeichnungen und genaue Beschreibungen einsenden und bewilligte eine ganz erhebliche Summe zur Versch?nerung der inneren, urspr?nglich f?r einfachere Anspr?che berechneten R?ume.

So wurden beispielsweise s?mtliche Gesellschaftszimmer in mattgr?ner und blauer Seide tapeziert, und das ganze Haus erhielt einen genau im Muster ?bereinstimmenden, hellen Teppich in Flur und s?mtlichen Gem?chern. Aber auch sonst wurden Ver?nderungen getroffen, welche das Besitztum zu einem fast f?rstlichen Aufenthalt umwandelten. Die Th?ren mussten ebenholzdunkel gemalt und mit Arabesken in Gold versehen werden. Die ?fen wichen zum Teil Kaminen aus schwarzem oder rotem Marmor, und die Aussenw?nde der Villa wurden durch eine zartgraue ?lfarbe versch?nt, wodurch sich das ,,Schl?sschen" reizend von den umgebenden gr?nen B?umen abhob.

Geradezu Bewunderung erregten aber die Pferdest?lle. Es erschien zum Zweck ihres Ausbaues ein Lieferant aus Berlin, der rasch alles ausmass und in k?rzester Zeit das Innere derartigen Ver?nderungen unterwarf, dass die Einwohner von C., und unter ihnen besonders alle Sportfreunde, neugierig herbeigeeilt kamen, um diesen Musterstall in Marmor, Mahagoni und Gusseisen in Augenschein zu nehmen. Es hiess, die ganze Einrichtung sei auf einer der letzten Weltausstellungen pr?miiert worden. Und dann trafen endlich auch die M?bel und sonstigen Einrichtungsgegenst?nde ein.

Der Tapezierer berichtete Wunderdinge von den Gem?lden, Bildern, ausgelegten Schr?nken, Bronzen und sonstigen kostbaren Kunstsachen. Die Porti?ren und Gardinen waren meistens aus gebl?mtem chinesischem Seidenstoff gefertigt, und kein Tisch, kein Stuhl befand sich in der Sendung, der nicht h?tte als ein Musterst?ck gelten k?nnen. Aber--und das erf?llte den Handwerksmeister mit gerechtem Erstaunen--fast nichts war heil und ganz, mit Ausnahme der ohne Zweifel dem Gebrauch des Grafen dienenden M?bel. Eine solche Besch?digung konnte nicht durch den Umzug entstanden sein, sie war sicher das Ergebnis einer grenzenlosen Unordnung und Vernachl?ssigung.

Auf geschehene Meldung und Anfrage erfolgte keine Antwort, wohl aber erschien nach einigen Tagen der Haushofmeister, ein hagerer, ernst dreinblickender Mann, der erkl?rte, dass die gr?fliche Familie ihm auf dem Fusse folge und jetzt keine Zeit mehr f?r Reparaturen vorhanden sei. Diese m?ssten sp?ter vorgenommen werden.

An einem Maitage des Jahres 1867 traf die Familie ein. In ihrem Gefolge befand sich eine grosse Dienerschaft und neben zahlreichen edlen Pferden, auch ein paar herrliche Hunde, die beim Abladen der schier unz?hligen Koffer einen gewaltigen L?rm anstimmten und von der grazi?sen Frau, die mit sechs schlanken Kindern dem Wagen entstieg, wie nach langer Trennung geh?tschelt und geliebkost wurden. Sie vergass dar?ber das Haus und den Eintritt, bis sie die Augen aufschlug und bei dem Anblick der Villa und des Parkes ihrer frohen ?berraschung in lebhafter Weise Ausdruck verlieh. Dabei redete sie auch ihre Dienerschaft an und ermunterte diese, in ihre Bewunderung einzustimmen.

W?hrenddessen war der Rittmeister in das Haus getreten und rief aus einem Fenster des Hochparterre ungeduldig und streng:

,,Ange, komm nun doch und k?mmere Dich um die Kinder!"

Etwas Eigenartigeres als diese konnte man nicht sehen. Eins war sch?ner als das andere. Alle waren blond, aber das Haar hatte jenen goldig schimmernden Anhauch und die K?rperhaut jene unnachahmliche Farbe, welche wir an den Menschen des Nordens im Gegensatz zu den Bewohnern des S?dens bewundern. Wie schon ein Sonnenstrahl seine Spuren auf dem Milchweiss der Blonden zur?ckl?sst, so flammt auch sichtbarer, und durch den rosenfarbenen Schimmer reizvoller, das Blut durch die Wangen dieser von der Natur bevorzugten Gesch?pfe.

Wenn Mutter und Kinder beisammen standen, konnte man sie f?r Geschwister halten. Frau von Clairefort glich einem menschgewordenen Engel; sie trug mit Recht ihren Namen. Und sie ging auch mit ihren Kindern um, als sei sie selbst noch ein unselbst?ndiges Wesen. Sie blickte sie erstaunt und in ein pl?tzliches l?cheln ausbrechend an, sie tummele sich mit ihnen und lag spielend auf dem Teppich, auf welchem auch die Hunde umhersprangen. Fehlte dies oder das, so riss sie wohl ein T?chelchen von ihrem vornehm gebauten Hals, statt das fehlende Garderobest?ck herbeizuholen; und wenn die Kinder sie k?ssten und um Freiheit bettelten, statt nach der Anweisung der Gouvernante an die Schularbeiten zu gehen, lief sie gar mit ihnen fort und versteckte sich und jene vor den drohenden Stirnfalten der Erzieherin.

Morgens ruhte sie mit der ganzen herbeigeeilten Schar in einem spitzenbedeckten Bett und liess sich umhalsen und h?tscheln. Es war, als ob der eben erwachte Fr?hling seine Kinder um sich versammelt habe. Was so bezaubernd wirkte, war der naive, unbewusste Liebreiz aller dieser zartgearteten Menschen, und doch war die Gr?fin Ange so st?hlern abgeh?rtet, ward so wenig beeinflusst von jedweder Anstrengung, dass sie den Schlaf fast wie eine ?berfl?ssige Gewohnheit an sich herantreten liess.

Wo sie erschien, ward alles hell, denn ihr s?sses Gesicht, ihre klugen Augen, ihre anmutigen Geb?rden, ihr silberhelles Lachen und ihre durch keine K?nstelei beeinflusste lebhafte Fr?hlichkeit riss die Umgebung fort. Und doch war's niemals eine n?rrische Laune, von der sie sich leiten liess, und ihr nicht erst durch Gr?beln geweckter Verstand kleidete jeden Gedanken in eine grazi?se Form. Ihr Ernst war so tiefsinnig und ihr Urteil ?ber Menschen und Dinge oft so zutreffend, dass man es nicht f?r m?glich hielt, dieselbe Frau habe eben mit kindlich-hilfloser Naivet?t die tausend Unarten ihrer kleinen Schar ertragen, sich zuletzt machtlos in einen Winkel vergraben und bitterlich ausgeweint.

,,Bitte, bitte, sei artig, Carlitos," flehte sie, und trotzig warf Carlitos den stolzen Kopf in den Nacken und beging dieselbe Unart. Aber zornig gegen ihre Engelschar konnte sie ?berhaupt nicht werden, viel weniger hatte sich ihre Hand jemals zum Schlage gegen diese erhoben, obgleich Ange mit ihrem starken, gest?hlten Handgelenk das wildeste Pferd zu z?hmen imstande war. Reiten und Fahren war Ange Claireforts Leidenschaft. Sie hatte den edelsten Renner im Stall, und nicht minder z?rtlich klopfte sie den Hals von ,,Blitz", ihrem Lieblingspferd, als die schlanken Glieder ihrer beiden Windhunde.--

Carlitos, der ?lteste, war ein wilder, schlanker Bursche mit vielen impertinenten Sommersprossen auf der feingeschnittenen Nase und mit dunklem, gleichsam boshaft leuchtendem Haar in rotem Schimmer. Dann kamen Zwillinge, zwei M?dchen von einer solchen sanften Sch?nheit und so m?dchenhaft in der Erscheinung, dass die Menschen auf der Gasse stillstanden, um ihnen nachzuschauen.

Diesen folgten wieder zwei Knaben. Sie hatten lange, in der Mitte gescheitelte goldblonde Haare, waren tannenschlank gewachsen, lebhaft, ausgelassen, aber doch voll Herzensg?te und sch?chtern gegen Fremde. Wenn sie bisweilen mit ihren vornehmen Gesichtern so scheu dreinblickten, ward man unwillk?rlich an die S?hne Eduards erinnert.

Die kleine Ange war das Ebenbild der Mutter, nur erschien sie fast noch grazi?ser. Eine Elfengestalt, dabei tr?umerisch, f?r sich, und mit jenem vorwurfsvoll-ernsten Ausblick, der z?gern l?sst, sich solchen Kindern zu n?hern.

Nach vier Wochen redete man in C. von nichts anderem als von dem Grafen Clairefort und seiner sch?nen Gemahlin. Die b?sen Reden waren verstummt, nachdem man sie ein einiges Mal gesehen hatte. Der Graf entsprach dem Bilde, das man sich von ihm gemacht hatte. Er war nur noch zur?ckhaltender, als er geschildert ward. Man fand einen ?usserst aristokratischen, wortkargen, aber im Verkehr mit den feinsten Manieren ausstatteten Mann, der es mit seinen milit?rischen Obliegenheiten so streng nahm, dass diese Strenge an H?rte streifte. Nat?rlich zerbrach sich auch alle Welt den Kopf, wie wohl zwei so verschieden geartete Menschen miteinander lebten. St?rkere Gegens?tze waren nicht denkbar. Er ein ernster, pedantischer, kr?nklicher Mann, dem sich zu n?hern, ?berwindung kostete, und der in seinen Gedanken, Anschauungen und Lebensgewohnheiten v?llig von dem Durchschnitt der Menschen abwich. Sie dagegen ein frisches, gesundes, liebensw?rdiges, ein naiv-kluges Gesch?pf, mit einem hinreissenden Temperament und einer nicht minder hinreissenden, ja gef?hrlichen Sch?nheit; dazu sorglos, ganz von dem Eindruck des Augenblicks beherrscht und oft spottend allen Regeln der eingeb?rgerten Sitte.

Wenn sie etwas besonders anregte oder besch?ftigte, wenn sie zum Beispiel ausreiten wollte, vergass sie alles. Da gab's keine Innehaltung einer Zusage oder Verabredung. Da schwiegen alle gew?hnlichen h?uslichen Pflichten, da verfingen nicht die strengen Mienen des Grafen. Sie flog ihm an den Hals und herzte ihn.--,,Lass, lass, Schatz!--Sei gut, gieb mir meinen Willen.--Du weisst ja doch, dass Du mir nichts abschl?gst.--Weshalb mich qu?len?--Nein?--Du versagst mir die kleine Freude?--Dann k?sse ich Dich niemals mehr auf Deine treuen H?nde, auf Deinen verschwiegenen Mund!"--Und ehe er sich's versah, ehe er es hindern konnte, schlang sie sich zu ihm empor und liebkoste seine Wange.

Oft mussten die Kinder helfen, diese wilden, zarten, sanftm?tigen Gesch?pfe in ihrem seltsamen Gemisch. Und sie thaten alles, was sie w?nschte; immer nahmen sie f?r ihre Mama Partei und umringten den bleichen ernsten Mann, bis sich zuletzt ein L?cheln um den geschlossenen Mund stahl. Und dieses L?cheln war Zustimmung.

,,Wenn Du w?sstest, wie sch?n Du bist, wenn Du l?chelst," sagte Ange oft: ,,warum bist Du doch immer so ernst, so b?rbeissig, Lieber! Bin ich nicht um Dich, Ange Clairefort, geborene Butin, Herrin auf Schwarzensee und D?renfort?" Dazu lachte sie und stolzierte, ihm Kussh?nde zuwerfend und hinter sich schauend, als ob sie ihre Schleppe betrachte, von dannen. Er neigte dann schwerm?tig das Haupt und zog sich in seine Gem?cher zur?ck. Oft war's, als ob der strenge Soldat sich vor dem Kinderl?rm und der ausgelassenen Unart seiner Umgebung fl?chte, als ob jeder Nerv in ihm zucke, ihm Ruhe und Einsamkeit allein wohlthue.

In der That hatten Claireforts schon viel Herzeleid erfahren. Sie verloren beide fr?h ihre Eltern und standen ohne Verwandte in der Welt. Des Rittmeisters Stammvorfahr, ein Franzose, war nach Deutschland ?bergesiedelt, um seiner Gemahlin, einer Rheinl?nderin, zu folgen, und die Butins, wenn auch seit Menschengedenken in deutschen Gauen ans?ssig, stammten ebenfalls aus franz?sischem Blut. Gerade als Clairefort um die alleinstehende, blutjunge Baronin von Butin anhielt, starb ihr bisheriger Vormund, und dies veranlasste die sp?ter M?ndigwerdende, die Gutsbesitzungen zu ver?ussern; den Erl?s brachte sie ihrem Manne als Mitgift in die Ehe.

Claireforts hatten ihre Besuche gemacht und empfingen solche. Es nahm sehr f?r sie ein, dass sie ihre Visiten nicht auf den vornehmeren und engeren Kreis beschr?nkten, in welchem die ?brigen Familien verkehrten; sie gaben auch ihre Karten bei den angesehenen Einwohnern der Stadt ab und entz?ckten durch ihre Liebensw?rdigkeit alle Welt, mit der sie in Ber?hrung traten. Besonders lebhaft aber entwickelte sich der Verkehr zwischen den unverheirateten Offizieren der Garnison und den Neuangekommenen. Nach wenigen Wochen waren diese fast t?gliche G?ste der Villa, in der stets ein Fr?hst?ckstisch bereit stand und in der man--auch unangemeldet--immer eine vortreffliche Tafel mit auserlesenen Weinen fand. Es vollzog sich dort alles wie durch Zauberhand geschaffen, und doch war Ange die denkbar schlechteste Hausfrau.

Aber Ernst Tibet, der Kammerdiener, sorgte f?r alles. Dieser Haushofmeister war ein Mustermensch. So unruhig und wenig umsichtig, so ungleich und lebendig die Gr?fin, ebenso ernst, besonnen und zuverl?ssig war Tibet, ein Mann mit angeborener W?rde und h?flicher Zuvorkommenheit zugleich.

,,Tibet, bester, goldener Tibet, was beginnen wir? Eben haben sich zehn Personen angesagt! Die Uhr ist zwei! Um f?nf wollen wir speisen!"

,,Es wird alles nach Ihren W?nschen sein, Frau Gr?fin," erwidert Tibet, verbeugt sich und geht seiner Arbeit nach.

Und wenn Tibet das sagt, dann kann wohl eine kleine Welt einst?rzen, aber wenn sie nicht einst?rzt, ist alles auf die Minute, wie er versprochen.

Seltsamerweise bek?mmerte sich auch der Graf nicht um das Haus, wenig auch um die Kinder, ebensowenig um seine sch?ne Ange. Man fragte sich oft, was eigentlich ihn besch?ftige, wof?r er sich interessiere, welche Gedanken hinter seiner hohen Stirn auf- und abwandern m?chten. Niemand vermochte darauf eine zutreffende Antwort zu geben. Es blieb ihm ausser seiner dienstlichen Besch?ftigung noch viel Zeit, aber man fand ihn weder h?ufig lesend noch schreibend. Er sass meistens zur?ckgelehnt in einem alten Erbstuhl des f?nfzehnten Jahrhunderts, der vor seinem Schreibtisch stand, st?ubte die B?cher und die vielen kleinen Nippesgegenst?nde ab, rauchte, erhob sich wohl einmal, griff sich, wie um einen Schmerz zu bannen, an den Kopf, schaute in den bl?henden Garten und gr?belte weiter ?ber etwas, was keiner zu ergr?nden vermochte.

Tibet war jeden Tag eine Stunde, oft l?nger bei ihm. Er legte Rechnungen vor, holte sich Anweisungen, empfing Geld, brachte solches, musste auch wohl Briefe schreiben, Telegramme besorgen und G?nge machen, ?ber die er nie Auskunft gab. Tibet war alles in allem, auch bei dem Grafen, und niemandem begegnete dieser so h?flich wie seinem Kammerdiener, wenn er auch ihm gegen?ber die Formen beiseite liess.

Unter den Offizieren, die im Clairefortschen Hause verkehrten, befand sich ein Rittmeister mit Namen von Teut. Alle Welt war erstaunt, dass dieser allem Familienverkehr abholde, nur seinem Dienst, dem Pferdesport, der Jagd und starken Gelagen geneigte, keineswegs mehr junge Mann das Haus des Grafen aufgesucht hatte. Ange war die Veranlagung gewesen. Bei einem Diner, welches der Oberst gab, zwang sie ihn, sich mit ihr zu besch?ftigen, wies ihm scherzend nach, dass sie vom Urgrossvater her ein wenig verwandt seien, und fesselte ihn in solchem Masse, dass er beim Nachhausegehen gegen seine Umgebung in die Worte ausbrach: ,,Sch?n wie eine Rose, klug wie ein Pferd, naiv wie ein Kind, zudem eine Dame--ein vollendetes Gesch?pf!"

Von Teut war ein seltsamer, unberechenbarer Mensch im Verkehr, aber nach ?bereinstimmendem Urteil ein Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle. Sein Reichtum erlaubte ihm die Aus?bung der kostspieligsten Liebhabereien. Zu diesen geh?rten vor allem Jagd und Pferde. Und dieser Umstand gen?gte allein schon, sich Ange Clairefort zu n?hern.

Oft schlug er eine Kleinigkeit ab, war unduldsam gegen seine Umgebung, und dann, wenn ihn Laune oder Herzensdrang trieben, verschenkte er grosse Summen. So hatte er einmal einem Kellner im Kasino, der sich selbst?ndig machen und heiraten wollte, ein nicht unbedeutendes Kapital darlehensweise ?berlassen, und als der erste kleine Weltb?rger erschien und jener ihn als Pate einlud, sandte er ihm den quittierten Schuldschein und schrieb darunter:

,,Axel von Teut sendet Axel Dorn diese Patengabe und hofft, dass er einst ein braver B?rger und--kommt Zeit und Anlass--auch ein treuer K?nigssoldat sein wird."

Als dies bekannt wurde, sah sich Teut mit Bittschriften ?bersch?ttet. Da las man eines Tages in der Zeitung:

,,Fortan lasse ich alle Bitt- und Bettelbriefe uner?ffnet zur?ckgehen. Man spare sich die M?he! Wer meint, ich s?h's ihnen nicht an, irrt sich. Eine solche ?bung, wie ich sie habe, macht erfahren.

Baron von Teut-Eder,

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