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Read Ebook: Aus Kroatien: Skizzen und Erzählungen by Achleitner Arthur
Font size: Background color: Text color: Add to tbrJar First Page Next PageEbook has 704 lines and 35618 words, and 15 pagesAus Kroatien Skizzen und Erz?hlungen von Arthur Achleitner Leipzig 1920 Inhalt. Zum Geleit Drei Regimentsbefehle Des Popen Meisterst?ck Waldkultur Kroatische Glanzkohlen Auf Forstinspektion Feuerstein und Schwefelfaden Sprachliches Durcheinander Von der Sann zur Korana Eine Wahl ohne Ochsen, ohne Wein Die tausendj?hrige Linde Zum Geleit. Der Gewissenhaftigkeit wegen war f?r die Studienreise durch Dalmatien und Montenegro usw. die kroatische Sprache erlernt worden. Mit der zur Verst?ndigungsm?glichkeit ausreichenden Kenntnis dieses auf heimatlichem Boden verspotteten, aber gar nicht ?bel klingenden Idioms ausger?stet, kam es zun?chst zu einer Automobilreise durch Kroatien bis zum s?dlichsten Zipfel dieses in manchen Bezirken m?rchensch?nen Landes, der K?ste entlang wieder herauf nach Fiume, worauf der Entschluss zu einem l?ngeren Aufenthalt auf kroatischem Boden gefasst wurde. G?tige Einladungen seitens des gastfreundlichen Adels f?hrten von Schloss zu Schloss; es begann ein Wandern von einer curia nobilis zur andern, von Dorf zu Dorf mit geschultem Blick f?r landschaftliche Sch?nheit und Wildbestand, mit rasch erweiterten Kenntnissen in der Geschichte des Landes, mit der sozusagen Sp?rnase f?r echtes Volksleben. Der beste Begleiter war jedoch das -- Fundgl?ck. Die s?dslavische Gastfreundschaft mutet m?rchenhaft an; das Sch?nste an ihr ist f?r den Forscher und Schriftsteller, dass sie willig gibt, was sie hat: die Chronik des Hauses. Wo das Geschriebene nicht hinreichte, half liebensw?rdige Aussprache, das Erz?hlen alter Familienglieder in Schl?ssern, Edelsitzen, D?rfern. Monatelang ein Sch?pfen, ein Sammeln fesselnder ,,Stoffe" mit verj?ngender Schaffensfreude. Als mit der Ausarbeitung begonnen wurde, vernichtete der Krieg alles. Mittlerweile hat der Federfuchser die Grenze des Greisenalters ?berschritten. Und Kroatien geh?rt jetzt nicht mehr zu Ungarn, sondern zur Dr?ava S H S, d. h. zum Staate Srbska Hrvatska Slovenska . Ob und wie lange die Verbindung dieser bedeutungsvollen drei Buchstaben w?hren wird, das zu untersuchen, ist nicht meine Aufgabe. ,,Z?rtliche Liebe" hat die drei -- nicht vereinigt. Auch das gegenseitige Sprachverst?ndnis ist nicht so innig, als man den Fernstehenden glauben machen will. Es hat das hintere S M?he, sich mit dem vorderen S zu verst?ndigen, weil der Dialekt ausschlaggebend und zu sehr abweichend ist; das H vergeht das vordere S gut, das hintere aber nur dann, wenn der Slovene nach der Schrift sehr rein spricht. Wobei politisch dem H nicht das vordere, sondern das hintere S sympathischer ist aus Gr?nden, die in der Vergangenheit wurzeln. Aus Kroatien haben Briefe den Weg in meine Arbeitsstube gefunden, allen Hindernden zum Trotz. Den Bitten lieber Freunde, wenigstens einen Teil des gesammelten ,,Stoffes" aus dem Kroatenlande verarbeitet der deutschen Leserwelt zu unterbreiten, komme ich umso lieber nach, als das treue Gedenken Freude bereitete, der Wunsch auf kroatischer Seite, dem Deutschen einen Blick in die alten und neuen Verh?ltnisse Kroatiens zu gew?hren, Beachtung verdient. Die ,,Stoffe" sind zu Skizzen und Erz?hlungen verarbeitet; ehrlich, gewissenhaft, ohne jede ,,Sch?nf?rberei". M?nchen, im M?rz 1920. Arthur Achleitner. Drei Regimentsbefehle. Im S?den Kroatiens, Lika , herrscht die Melancholie des Karstes. Das Gebiet ist zwar noch begr?nt, doch die wenigen schmalen Flusst?ler mit Wasserl?ufen, die pl?tzlich im Boden verschwinden, unterirdisch weiterlaufen und unvermittelt wieder zutage treten, sind tief eingerissen. D?ster und v?llig kahl ragen aus diesem Karstlande Felsberge auf, die den Eindruck der Traurigkeit noch steigern. Nur wenige T?ler und Mulden, Dolinen genannt, erweisen sich in der Lika als fruchtbringendes Ackerland. Um die Zeit zu Ende der dreissiger Jahre des vorigen Jahrhunderts mussten die Bauern als Soldaten der Likaner Milit?rgrenze von den Offizieren geradezu gezwungen werden, den Boden zu bearbeiten, wobei Ackerger?te aus uralter Zeit benutzt wurden. Die Bev?lkerung, besonders jene der serbisch-orthodoxen Konfession, verhielt sich trotz Androhung schwerer Strafen gegen jede Verbesserung im Ackerbau ablehnend. Besonders ,,bockbeinig" zeigten sich die Menschen im Gebiet der stahlblauen Korana, in der Umgebung des Kompagnie-St?dtchens S. Mager der Boden, daf?r blutgetr?nkt infolge der vielfachen r?uberischen Einf?lle der bosnischen T?rken. Freudlos die Gegend, ?d das St?dtchen in t?rkischer Bauart und mit vielen M?hlen einfachster Art und verfallenen Getreideschuppen aus napoleonischer Zeit. Die m?rchenhaftblaue Korana prahlt just hier mit hinreissender Sch?nheit in ?berraschenden Wasserst?rzen; doch kommt dieser Wasserzauber inmitten tiefer Melancholie nur bei hellem Sonnenlichte zur Geltung. Grauer Himmel und Regenschauer verwandeln diese Gegend in eine abschreckende ?de und Wildnis, die auf das Gem?t ersch?tternd wirkt. Des schlechten Ertrages aus dem Ackerbau wegen hatten die Offiziere des Likaner Grenzregimentes ihre stetige Not mit der m?nnlichen Bev?lkerung der oberen Lika; sch?n und hochgewachsen waren die M?nner, pr?chtige Gestalten und brauchbare, mutige Soldaten, aber f?r die Bodenbearbeitung hatten sie keinen Sinn, und nur unter Zwang liessen sie sich, stets je acht Mann, vor einen Pflug spannen, um an Stelle der fehlenden Ochsen die Feldbearbeitung vorzunehmen. Auf Schritt und Tritt mussten den Likanern der Profos und Unteroffiziere folgen. Zufolge Regimentsbefehles bauten die Kompagnie-Offiziere und Stationskommandanten auf den milit?reigenen Grundst?cken um jene Zeit Kartoffeln zum Zwecke, die b?uerlichen Grenzsoldaten mit dieser Frucht bekannt zu machen, die Leute zu veranlassen, den Kartoffelanbau in der Lika allgemein einzuf?hren. Auch die Kompagnie im St?dtchen S. hatte im Fr?hjahre den Regimentsbefehl zugemittelt erhalten, versch?rft mit der ,,gepfefferten" Bemerkung des zu Karlstadt residierenden Obersten K., dass die Offiziere zu S. ,,alles und mit Beschleunigung aufzubieten haben, den Kartoffelbau erfolgreich einzuf?hren". Gehorsam hatte der dienst?lteste Hauptmann Attilius Tonidandel, ein sehr b?rbeissig aussehender, doch gutm?tiger und witzig veranlagter Herr, im K?chengarten bei seinem Wohnhause ,,Krompir" anbauen lassen, im Dienstwege aber schriftlich beim Regimentskommando angefragt, ,,wie mit Beschleunigung erfolgreich" die Kartoffel bei den Grenzsoldaten ,,beliebt" gemacht werden solle. Diese ,,gehorsamste", in Wahrheit etwas boshafte Anfrage war ohne Antwort geblieben. Deshalb k?mmerte sich Hauptmann Tonidandel nicht weiter um den Befehl, noch weniger um die ,,gepfefferte" Bemerkung des Regimentskommandanten, und Herr Attilius liess die ,,Krompir" Stauden wachsen, wie sie wollten. In der Stabskanzlei des todlangweiligen Garnisonst?dtchens ,,mopste" sich eines melancholischen Herbsttages Tonidandel wieder ganz erschrecklich, als unerwartet und sehr aufgeregt sein Freund, der j?ngere Hauptmann Adolar Pegan, ein kleiner, dicker Mann, eintrat, atemringend gr?sste und f?rchterlich in einem Gemisch von deutschen und serbischen Worten ?ber die verdammten Grenzer fluchte. Und st?hnend erstattete Pegan Kapport, dass in den Ackern nicht eine einzige Grundbirne vorgefunden werden konnte; daher der gr?sste Teil der Kompagnie Stockpr?gel erhalten habe. Pfeifend und rasselnd holte Pegan, der einen Satthals hatte, Atem. Herr Attilius Tonidandel blieb ruhig auf dem zerrissenen Ledersessel sitzen, lachte vergn?gt und fragte, was denn die Teufelskerle mit dem gratis verabreichten ,,Kartoffelsamen" getan hatten. Herr Pegan rief erbost. ,,Schnaps wollten sie brennen, die Sramjes ! Das ist ihnen aber nicht gelungen!" ,,Glaub' ich gern! Kann es den Kerls auch nicht ver?beln, dass sie von ,Krompir' nichts wissen wollen! Mir pers?nlich ist ein knusperig gebratenes Spanferkel allemal lieber als der sch?nste Erdapfel!" Pfeifenden Atems schmetterte Pegan aus dem dicken Halse. ,,Aber Befehl ist Befehl! Regimentsbefehl dazu! Und der Oberst hat zuweilen den Teufel im Leib! Ganz totpr?geln kann ich die Kerle doch nicht lassen! Was aber machen, Herr Bruder?" ,,Ruhig abwarten, Herr Hauptmann und Bruder! Abwarten, bis es dem Chef beliebt, Antwort auf meine Frage vom Mai zu geben! Der Oberst hat sich seither Zeit gelassen, also tun wir desgleichen! Nur nichts ?berhudeln, Herr Bruder! Und nicht aufregen, lieber Pobratim ! Dar?ber, wie unsere Grenzer zu Liebhabern der Erd?pfel gemacht werden k?nnen, soll sich nur das Regimentskommando oder Exzellenz, der alles wissende und nie sichtbare General in Agram, den Kopf zerbrechen! Wir tun es nicht in dem ?den Nest ausserhalb der Welt!" Ein Posthornsignal wurde h?rbar. Die milit?rische Poststaffette aus Karlstadt war in S. angekommen, die t?glich einmal die Befehle des Regimentskommandos ?berbrachte. Und Tonidandel schickte den Kompagnieschreiber Jovo hinab, den Postbeutel in Empfang zu nehmen. Dann wandte sich Attilius gelassen zum Freunde Pegan und bewirtete ihn mit einem Gl?schen guten Pflaumenschnapses . Pegan dankte und leerte das Glas auf einen Schluck. Und mit seiner fetten Stimme beteuerte er. ,,Pobratim! Bleibt ewig wahr in Kroatien: ,Der beste Witz ist der -- Slibowitz.' Auf Dein Wohl, Herr Hauptmann!" ,,Weiss schon, wie es gemeint ist: repetatur! Ist das einzige lateinische Wort, das in meinem Ged?chtnisse haften geblieben ist! ?ivio pobratim! " Und Attilius schenkte das Glas abermals voll, mit so ruhiger Hand, dass kein Tropfen daneben floss. ,,Danke, Herr Hauptmann! Ich staune ?ber deine ruhige Hand. Noch mehr bewundere ich aber deine Gelassenheit. Wo doch die -- Wische von der Regimentskanzlei soeben angekommen sind! Sicherlich f?r uns im ,Exil' wieder unangenehme Befehle, l?stige Auftr?ge, Rackereien. Er aber, der solus altissimus sitzt bequem in Karlstadt!" ,,Still, Bruder! Nicht aufregen ?ber Dinge, die wir nicht ?ndern k?nnen, und f?r die wir die Verantwortung nicht zu tragen haben. -- Noch ein Stamperl gef?llig? Alle guten Dinge sind ihrer drei." Obwohl der Kompagnieschreiber Jovo die Posttasche hereinbrachte und ?ber ihre ,,Leibigkeit" etwas disziplinwidrig maulte, liess sich Tonidandel im Einschenken des dritten Gl?schens nicht beirren. Lediglich zu Jovo meinte er. ,,Maul halten, Schreiber, denn dich hat es nichts zu k?mmern, ob die Tasche dick oder mager ist! -- Prosit! Du sollst leben, Herr Hauptmann!" Jovo grinste und zog sich in seine anstossende Stube zur?ck. ,,So, nun wollen wir sehen, was uns das Regimentskommando mitzuteilen hat. Setz' dich, Bruder, auf dass du nicht hinfallst, so der Herr Oberst teufelt!" Gem?chlich nahm Attilius die Schriftst?cke heraus, eines nach dem andern, und legte sie auf den wurmstichigen Tisch. Beim Anblick eines Aktenst?ckes, dessen besonderer Umschlag mit drei roten Kreuzen als ,,eilig" bezeichnet war, meinte Attilius sarkastisch: ,,Ah, der Herr Oberst belieben zu pressieren!" Pegan dr?ngelte auf Bekanntgabe des eiligen Befehles. ,,Zeit lassen, Bruder! Nur nicht aufregen, nicht pressieren! Alles Unheil beim Milit?r kommt vom ?berhudeln." Langsam entfaltete Tonidandel das Schriftst?ck und las es durch. ,,Darf ich wissen, Herr Hauptmann?" rief Pegan neugierig und ?ngstlich. ,,Freilich! Also h?r' zu! Der gn?dige Herr Oberst belieben uns mitzuteilen: ,Nachdem das Generalat mit Dienstbefehl vom ... angeordnet hat, dass die Grenzsoldaten wenn n?tig unter Zwangsanwendung zum Erd?pfelbau angehalten werden sollen, ihnen Kartoffelsamen unentgeltlich verabreicht wurde, sieht sich das Regimentskommando veranlasst zu befehlen, dass s?mtliche Milit?rstationskommandanten in der Lika den jeweiligen Stare?ina unauff?llig zu einem Erd?pfelessen einladen. Des weiteren erfolgt andurch der Befehl, dass die Herren Offiziere den Grenzsoldaten bez?glich der reifen Erd?pfel Gelegenheit zum Verschaffen geben!' -- Unterschrift wie immer unleserlich, uns aber bekannt, lieb und teuer!" Tonidandel lachte trocken und f?gte dann die Frage bei, ob der Bruder Pegan den interessanten Regimentsbefehl verstanden habe. Schon w?hrend der Vorlesung des Schriftst?ckes hatte sich der zappelige Hauptmann Pegan erhoben. Nun stapfte er auf Tonidandel zu und bat um Ausfolgung des Schriftst?ckes. ,,Um den r?tselhaften Befehl zu verstehen, muss ich ihn schon selber lesen!" Hastig ?berflog Pegan den Ukas. Dann legte er das Schriftst?ck auf den wurmstichigen Tisch und st?hnte mit fettiger Stimme: ,,Dass wir den Stare?ina mit Krompir bewirten sollen, ist verst?ndlich und auch mir einleuchtend. Leicht durchf?hrbare Sache: Beeinflussung der Gemeindevorsteher durch Gaumenkitzel und Magenf?llung; einer sagt's dem andern, und so kommt's unter d' Leut! -- Was ich aber nicht verstehe, ist der dunkle Sinn des zweiten Befehlsteils: Gelegenheit zum Verschaffen geben! Was meint der Oberst mit diesen sonderbaren vier Worten? Mir ein R?tsel!" Tonidandel reichte dem Freunde Pegan abermals ein Stamperl Slibowitz mit den Worten. ,,St?rke dich, Bruder, auf dass dein milit?risches Gehirn erleuchtet werde! Apropos: Wie lange dienst du schon in der Grenze?" ,,Fragen der Herr Kommandant dienstlich?" ,,Nein! Privatim und als Freund und Bruder." ,,Na, dann wisse! Sechs Jahre diene ich auf -- halbasiatischem Boden mit der Sehnsucht nach R?ckkehr auf europ?ischen Grund!" Sarkastisch meinte Tonidandel. ,,Sechs Jahre! Hm! Da wundert es mich, dass du neben der Tapferkeit und Rauflust unserer Grenzer den Kern ihres Wesens, ihre Haupteigenschaft ausser Dienst noch nicht kennen gelernt hast!" ,,Wieso? Was meinst du, Bruder? Worin besteht die Haupteigenschaft der Grenzer?" Neugierig richtete Pegan den Blick auf den Freund und Vorgesetzten. ,,Die hervorstechendste Eigenschaft unserer Grenzer werde ich dir nicht nennen! Du sollst sie aus der Praxis kennen lernen, um sie dann f?r deine Lebenszeit in der Erinnerung zu behalten! Auf Wiedersehen heut' abend pr?zis sieben Uhr auf meiner Bude! Pr?zis sieben, ja nicht sp?ter! Laut Regimentsbefehl!" ,,Schon wieder ein R?tsel? Was ist los? Weshalb forderst du ,pr?zises Erscheinen' zu einer Stunde, die doch mit dem Dienst nichts zu tun haben kann?" ,,Will ich dir als Dienstgeheimnis anvertrauen! Wir zwei essen punkt sieben Uhr privatim eine gebratene Gans, um dreiviertel acht Uhr aber essen wir dienstlich milit?r?rarische Erd?pfel mit unserem Stare?ina laut Regimentsbefehl! Verstanden, Herr Bruder?!" Add to tbrJar First Page Next Page |
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