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Munafa ebook

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Read Ebook: Aus Kroatien: Skizzen und Erzählungen by Achleitner Arthur

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Ebook has 704 lines and 35618 words, and 15 pages

,,Will ich dir als Dienstgeheimnis anvertrauen! Wir zwei essen punkt sieben Uhr privatim eine gebratene Gans, um dreiviertel acht Uhr aber essen wir dienstlich milit?r?rarische Erd?pfel mit unserem Stare?ina laut Regimentsbefehl! Verstanden, Herr Bruder?!"

Lachend sicherte Hauptmann Pegan sein p?nktliches Erscheinen zum privaten Abendessen zu. Schluckte noch etwas Slibowitz und verabschiedete sich vom Vorgesetzten. --

Kompagniekommandant Tonidandel bewohnte ein kleines, einst?ckiges, verwahrlostes Haus im oberen Teile des St?dtchens S., bestehend aus drei engen und niederen Zimmern, einer finsteren K?che und einer Vorratskammer. Zu dem H?uschen, dass Attilius sp?ttisch nach kroatischem Brauch ,,curia nobilis" nannte, geh?rte ein K?chengarten, der sich bergan dehnte, etwas Gem?se und v?llig verwilderte Kartoffelstauden enthielt. Vor Jahrzehnten mochten die Wohnzimmer das letztemal weiss get?ncht, der Fussboden mit Holz belegt worden sein. Jetzt waren die Dielen vermorscht; in den feuchten Ecken gedieh der Hausschwamm. Doch der Fussboden war nach Brauch und Vorschrift mit weisslichgelbem Sand bestreut, der unter jedem Schritt knirschte. Dem Himmel allein konnte bekannt sein, von wo und von wem die M?bel stammten; der runde, schlecht polierte Tisch, die uralten, mit geschossenem Wollstoff ?berzogenen St?hle, ein blinder Spiegel in wurmstichigem Holzrahmen, ein gr?sslich geschweiftes, mit Stroh gef?lltes Sofa und davor ein ausgefranster Teppich.

Im engen Raume, den Tonidandel ,,Speisesaal" nannte, befand sich das einzige gediegene M?bel des Hauses: ein Auszugtisch. Dazu sechs wackelige St?hle, eine Kredenz mit Gl?sern, Geschirr von Steingut und Zinn.

In diesem, von vier Unschlittkerzen ,,feenhaft" erleuchteten ,,Saale" erwartete Tonidandel, vor dem ,,herrschaftlich" mit einem Linnen gedeckten Auszugtische stehend, seinen Gast Pegan. Durch das H?uschen zog der verlockende Duft einer gebratenen Gans.

Als auch Tonidandel diesen Duft in die knotige Nase bekam, ?ffnete er nicht nur die Fenster des ,,Speisesaales", sondern auch die Haust?re, um den Bratenduft m?glichst rasch entweichen zu lassen.

Bis zur Ankunft Pegans war jeder verr?terische Duft verfl?chtigt, aber daf?r qualmten im Speisezimmer die zu Stumpen herabgebrannten Unschlittkerzen, die der Offiziersdiener schleunigst erneuern musste.

,,Capsico!" rief Hauptmann Pegan mit seiner fetten Stimme. Die knusperig gebratene und von der K?chin gut zerteilte Gans wurde aufgetragen. Der Diener f?llte dann die grossen, unf?rmlichen Gl?ser mit fast schwefelgelbem, doch vorz?glichem kroatischem Weine und verschwand auf einen Wink Tonidandels. So schnell verzehrten die Offiziere die ,,?rarische" Gans, als st?nde in der n?chsten Viertelstunde Alarm und Abmarsch des Bataillons bevor. Tonidandel war ?berhaupt ein Schnellesser und rasch ges?ttigt; Pegan hingegen gehorchte lediglich dem Dr?ngen des Kameraden, kaute kaum und verschlang die Brocken. Der Diener wurde gerufen und musste rasch abtragen, hernach l?ften und die Kerzen mit der Scheere putzen.

,,Hinaus!" befahl der Gebieter, der nun die vorhanglosen Fenster schloss.

,,Ich muss sagen, lieber Bruder, dass mir dieses Essen im Eilmarschtempo wahrscheinlich nicht gut bekommen wird!"

,,Weiss schon, worauf du anspielst! Musst aber auf den -- Slibowitz warten! Nimm einen kr?ftigen Schluck vom Weine! Und behalte im Ged?chtnis. Kein Ton darf verraten werden, dass wir soeben auf Regimentsunkosten eine Gans verzehrt haben!"

,,Sehr wohl, Herr Chef! Die Sache wird immer mysteri?ser!"

,,Im Laufe des Abends wird dir alles klar werden!"

Auf die Minute genau erschien der Stare?ina im Hause. Ein hochgewachsener Likaner, breitschulterig, hell?ugig, gutm?tig. Wenn die blonden Haare nicht ?berlang gewesen w?ren, h?tte man diesen S?dslaven f?r einen Deutschen halten k?nnen. Unbegrenzten Respekt vor der Milit?rmacht verriet sein unterw?rfiges, dem?tiges Verhalten. Der Vorsteher, seines Zeichens ein Schmiedmeister, fasste die ihm gewordene Einladung nicht als besondere Ehre und Auszeichnung auf; er schien zu glauben, dass er befohlen war, zu ungew?hnlicher Stunde einen ausserordentlichen und unangenehmen Befehl des Stadtkommandanten entgegenzunehmen. ?ngstlich begr?sste er die Offiziere; unterw?rfig fragte er in schlecht verst?ndlichem Deutsch nach den Befehlen und W?nschen des Herrn Kommandanten.

Tonidandel beruhigte den Vorsteher sogleich mit dem Hinweise, dass es sich tats?chlich um eine Einladung, nicht um eine milit?rdienstliche Angelegenheit handle. ,,Ich feiere n?mlich heute meinen Namenstag und will an meinem freilich mager bestellten Tische liebe G?ste haben! Meinen Freund und Kameraden Herrn Hauptmann Pegan und den Stare?ina!"

Der Vorsteher richtete sich ?berrascht auf und warf einen forschenden Blick auf den Gebieter. ,,Zu viel der hohen Ehre! Ich nicht wissen, gn?diger Herr, wie ich kommen dazu!" Mit ?berschwenglicher H?flichkeit stammelte der Schmiedmeister seine Gl?ckw?nsche zum Namensfeste, wobei er beteuerte, bis zur Stunde nicht gewusst zu haben, dass der Herr Kommandant den Taufnamen ,,Raphael" f?hre.

Hauptmann Pegan platzte heraus. ,,Hab' ich auch nicht gewusst!"

,,Das ist nebens?chlich! Nun wollen wir dem Stare?ina das ,Bilikum' reichen!" Tonidandel f?llte einen Pokal mit Wein, hielt eine kleine Ansprache an den Gast, der sich so wohl f?hlen m?ge im Hause wie im eigenen Heim, und reichte dann dem Pokal dem Vorsteher, der aufrecht stehend den Willkommspruch angeh?rt hatte, sich nun verbeugte, den Pokal entgegennahm, einen Segenspruch f?r den Hausherrn feierlich sprach und den Pokal auf einen Zug leerte.

Die Offiziere leerten ihre gef?llten Gl?ser gleichfalls bis zur Nagelprobe.

,,Und nun zu Tisch!"

W?hrend die Herren sich setzten, trug der Diener eine Sch?ssel voll Kartoffeln herein.

Trotz der grossen Befangenheit richtete der Likaner einen neugierigen und forschenden Blick auf den Inhalt der Sch?ssel. Und dabei rutschte ihm die Frage heraus: ,,?to je to?" Tonidandel f?llte den Teller des Vorstehers mit Kartoffeln und sprach schmunzelnd. ,,Erst essen! Die Erkl?rung wird alsbald folgen! Greif zu, Herr Hauptmann!"

Die Offiziere nahmen aus der Sch?ssel, doch nur je eine Kartoffel und assen mit gut geheuchelten Appetit.

Z?gernd griff der Stare?ina zu, beguckte das ihm fremde Gericht, stocherte daran und schnupperte vorsichtig. Da er sah' dass die Offiziere das seltsame Zeug wirklich verzehrten, gewann der Vorgesteher doch so viel Vertrauen, ein St?ck davon in den breiten Mund zu schieben.

,,Was wir da essen, sind Erd?pfel, Krompir, lieber Stare?ina! Erd?pfel, was wachsen in unserem K?chengarten! Wirklich Erd?pfel, die aber die Grani?ari nicht essen wollen!"

Der Vorsteher hatte rasend schnell eine zweite Kartoffel gegessen und rief geradezu frohlockend. ,,To je guska! Das ist Gans! Schmecken nach Gansbraten sehr gut! Prozim! Darf ich noch mehr davon essen?"

Der Kommandant erwiderte lachend. ,,Nur zu! Alles d?rfen Sie essen! Bis Ihnen die Ohren stauben! Der Stare?ina soll sich ja ?berzeugen, dass die Erd?pfel wirklich sehr gut schmecken!

F?r die Lika mit ihrer h?ufigen Hungersnot wird es ein Segen sein, wenn der Anbau der ausgezeichneten Erd?pfel allgemein durchgef?hrt wird!"

Gierig verzehrte der Vorsteher die Kartoffeln. Schmatzend wie ein Fischotter beim Fischfrass. Dann aber hielt er inne und sprach. ,,Bitt ich sch?nstens, Herr Kapetan! Seltsam find' ich, dass schmecken dieser Erdapfel so stark nach Gans! Wahrhaftig wie gebratene Gans! Schmecken jeder Erdapfel so?!"

Dem Hauptmann Pegan ging ein Licht auf; ein L?cheln umspielte seine Lippen.

V?llig ernsthaft und im Tone der Belehrung erwiderte der Kommandant: ,,Es gibt drei verschiedene Sorten von Erd?pfeln, lieber Stare?ina! Eine Sorte heisst ,Schneeflocken', weil dieser Erdapfel weiss und mehlig ist wie Schnee! Eine andere Sorte heisst ,Rosenkartoffel' von wegen der rosaroten Farbe! Was Sie eben gegessen haben, ist der ,G?nse-Erdapfel', weil er nach G?nsebraten schmeckt! Ganz so, wie es in Deutschland einen -- G?nsekohl gibt!"

,,Wunder Gottes!" rief staunend der Vorsteher. ,,Das sein prachtvoll! Schmecken herrlich! Der Banus in Agram und der Zar in Wien k?nnen nicht Besseres essen! Und der Ganserdapfel machen so prachtvolle Durst!"

W?hrend sich Hauptmann Pegan vor Lachen kr?mmte, versicherte Tonidandel schmunzelnd: ,,Das ist ja das Sch?nste an einem Erdapfel! Und den von ihm erzeugten Durst wollen wir nun l?schen mit Wein! Trinken wir auf das Wohl des Chefs unseres Likaner Grenzregiments, der zum Segen des Grani?ari die Erd?pfel bei uns einf?hren will! Der Herr Oberst lebe hoch!"

,,?ivio!" rief der Vorsteher, der sich gleich den Offizieren erhoben hatte.

Die Gl?ser klangen und wurden geleert.

,,Nie in meinem Leben haben mir der Wein so gut geschmeckt wie heute auf den Gans-Erdapfel! Herr Kommandant wissen ja, wie selten unsereiner zu wirklichem Gansbraten kommen! Aber nun werden wir bekommen guten Ersatz f?r wirkliche Gans durch Erdapfel, was auch so nach Gans schmecken!" Hoch und heilig gelobte der Vorsteher, all seinen Einfluss im St?dtchen und bei den Dorf?ltesten des Bezirkes aufzubieten, um den Leuten diese Wundergabe, den nach Gansbraten schmeckenden Erdapfel, zug?nglich zu machen. Im n?chsten Fr?hjahre werde sicherlich in der Lika alles diese Erdapfelsorte anbauen, vorausgesetzt, dass man Samen und Knollen davon vom Regiment erhalte.

,,Soviel die Leute wollen, sollen sie bekommen!"

,,Tausend Dank, Gnaden Herr Kommandant! Ich werde predigen davon, wie gut, sehr gut sein besonders der Gans-Erdapfel! Ich sein ?berzeugt, dass ganze Bev?lkerung sich bem?hen wird, diese Erdapfel sich zu -- verschaffen!" Ein listiger und zugleich fragender Blick streifte den Hausherrn.

Tonidandel verriet in keiner Weise, dass er die Bedeutung dieses Likaner Ausdrucks kannte. Absichtlich ignorierte er die listige Anspielung des Vorstehers, der auf den Busch hatte klopfen wollen.

Auf ,,Regimentsunkosten" wurden noch etliche Kr?ge Weines geleert. Bevor aber der gl?ckselige Vorsteher den Zungenschlag bekam, hob der Hausherr die Sitzung mit dem Bedeuten auf, dass fr?hmorgens die Kompagnie ausr?cken m?sste, daher die Nachtruhe erw?nscht sei.

,,Schon in aller Fr?he r?cken Herr Kapetan aus?" fragte blinzelnd der Vorsteher beim Abschied.

,,Ich nicht! Aber die Kompagnie! Und nun ,Gute Nacht', lieber Stare?ina!"

Mit einiger M?he brachte der Kommandant den schwatzhaft und ?berschwenglich gewordenen Gast zur Haust?re und auf den Heimweg.

Im Speisezimmer bei tr?bem Licht der Kerzenstumpen fragte Pegan den Vorgesetzten, ob die Kompagnie wirklich in aller Fr?he ausr?cken m?sse.

,,Aber keine Idee, lieber Bruder! Ich habe das nur gesagt, um den Vorsteher und meine Erd?pfel los zu werden!" rief lachend der Hausherr.

,,Was! Die Erd?pfel willst du los werden? Wieso denn?"

,,Ja! Es wird keine Stunde w?hren und im K?chengarten wird dann kein Erdapfel mehr zu finden sein!"

,,Nicht m?glich! Du musst Wachen aufhellen, den Diebstahl verhindern!"

,,O nein, lieber Bruder! Im Gegenteil! Es wird mich sehr freuen, wenn sich unsere Grani?ari, allen voran der Stare?ina, in dieser Nacht meine Erd?pfel -- ,verschaffen'! Du musst n?mlich wissen, lieber Bruder, dass der Grenzer niemals stiehlt; er ,verschafft sich' nur eine ihm nicht eigene Sache! Und da im Regimentsbefehl deutlich zu lesen ist, dass wir den Grani?ari ,Gelegenheit zum -- Verschaffen' geben sollen, r?hre ich ordergem?ss keinen Finger, so unsere Grenzer sich heute nacht s?mtliche Erd?pfel aus meinem K?chengarten holen!"

,,Ah! Jetzt verstehe ich alles! Die Erd?pfel hast du mit der Gans braten lassen, damit...."

,,Stimmt! Und jetzt verl?schen wir das Licht; im Dunkel der Nacht wollen wir vom r?ckw?rtigen Zimmer aus beobachten, wie sich die Grani?ari die G?nsekartoffeln holen!"

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