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Munafa ebook

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Read Ebook: Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band by Gerst Cker Friedrich Reinhardt Karl Illustrator

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Ebook has 934 lines and 70457 words, and 19 pages

Mit einer halbrunden Verbeugung dabei, die Herrn Henkel in der Mitte, mit Herrn von Hopfgarten und den Capitain an den Flanken zugleich einschloss, verliess er das Quarterdeck und stieg wieder in sein Territorium hinab, wo er aber noch nicht drei Schritte gethan, als er schon wieder von Maulbeere, der ihm hier jedenfalls aufgelauert haben musste, begr?sst wurde.

>>Nun, Herr Steinert, schon Gesch?fte gemacht auf Amerikanischem Grund und Boden -- das ist recht, die stolzen Burschen, die sich mit uns Zwischendeckspassagieren nicht abgeben wollten, m?ssen mit saueren Weinen angeschmiert werden; darin liegt Charakter.<<

>>Herr Maulbeere, ich verbitte mir alle Anz?glichkeiten.<<

Steinert setzte seinen Hut auf, steckte die rechte Hand vorn in die Brust, und ging, einen ver?chtlichen Blick auf den Scheerenschleifer schleudernd, nach vorn.

>>Nu Gott sei Dank<< sagte der Capitain, als der Zwischendeckspassagier das Quarterdeck verlassen hatte, zu Henkel tretend, >>der hatte aber ein Maulwerk am Kopf; das ging ja wie geschmiert. Ich glaube der k?nnte Einen in einem halben Tage todt reden.<<

>>Die Aufschl?sse die Sie ihm ertheilten, waren in der That werthvoll<< lachte aber auch von Hopfgarten, zu den Beiden tretend -- >>es wunderte mich nur dass Sie ihm Ihre Karte gaben.<<

>>Hahahaha, das ist pr?chtig<< lachte von Hopfgarten, >>das ist eine famose Ausflucht; der wird sch?n schimpfen.<<

>>Da kommt unser Lootse!<< rief in diesem Augenblick der Capitain, der das Glas genommen und ein paar Secunden damit nach dem Land hin?bergeschaut hatte, das sich noch immer vor ihnen hinzog und keinen H?gel, kein Landhaus verrathen wollte. Flach und ?de zog sich der schmale Streifen am Horizont hin, und nur nach der Richtung, nach welcher der Capitain deutete, liess sich eine kleine Wolke leichten Qualms erkennen, die zuerst wie ?ber dem flachen Lande lag, und dann, als der Blick der Passagiere fester darauf haftete, sich zu bewegen, und n?her zu kommen schien.

Herr von Hopfgarten war indessen rasch in die Caj?te hinab gestiegen, den Damen zu melden dass das Lootsenschiff, wozu in den Mississippim?ndungen meist Schleppdampfer gebraucht werden, in Sicht k?me, und die Zwischendeckspassagiere, die aus dem Leben auf dem Quarterdeck wohl gemerkt hatten dass irgend etwas Ausserordentliches vorgehe -- wenn sie auch noch nicht herausbekommen konnten was, kletterten wieder in die Wanten und auf alle einigermassen hohe Stellen an Bord, nach der Richtung hin, wohin die Fernr?hre des Capitains und der Caj?tspassagiere gerichtet waren, zu entdecken was etwa in Sicht k?me.

?ber den Dampfer, dessen Rauch sich bald mit blossen Augen erkennen liess, sollten sie aber nicht lange in Zweifel bleiben, denn er kam merklich n?her. Deutlich liessen sich schon die Umrisse seines oberen Decks, bald sogar einzelne Gestalten an Bord unterscheiden, und die wehende Bremer Flagge an der Gaffel der Haidschnucke wurde jetzt kaum mit dem antwortenden Signal des Lootsen, den Amerikanischen Sternen und Streifen begr?sst, als lauter Jubel an Bord des Auswandererschiffes losbrach, und ein donnerndes, wieder und wieder erneutes Hurrah den Farben des neugewonnenen Vaterlands entgegenjauchzte.

Von jetzt an war alles Andere in dem einen Gef?hl des endlich erreichten Zieles, f?r das ihnen der Amerikanische Lootsendampfer volle B?rgschaft leistete, vergessen; Jeder hatte nur Augen und Gedanken f?r das heranbrausende Dampfschiff, dessen R?der sie jetzt schon ?ber das stille Wasser des Golfes konnten arbeiten h?ren, dessen einzelne Matrosen sie an Bord erkannten, und wie es sie endlich erreicht, einen engen Kreis um sie beschrieb und an ihrer Seite hinfuhr, und der Amerikanische Capitain, der auf dem Radkasten seines Fahrzeugs mit dem Sprachrohr in der Hand stand, seinen Anruf her?berschrie, da brach sich der Jubel von Neuem Bahn, und der Amerikaner, der sein Sprachrohr erstaunt absetzte, sah ein paar Secunden die Schreier ruhig an, drehte sich dann nach seinem Steuermann um und lachte. Die Matrosen an Bord des Schleppdampfers glaubten aber indessen den Gruss ebenfalls erwiedern zu m?ssen, und antworteten, w?hrend die beiden Fahrzeuge jetzt in etwa hundert Schritt Entfernung neben einander hinliefen, mit drei kr?ftigen >>#Hip hip hip hurrahs!#<< das auf der Haidschnucke wieder sein Echo fand.

Ehe sich das Geschrei legte liess sich nat?rlich an ein gegenseitiges Verst?ndniss nicht denken, den ersten Ruhepunkt aber benutzend, setzte der Amerikaner wieder das Rohr an die Lippen, und der, dem Laien zum ersten Mal gewiss unverst?ndliche Seeruf, der durch den wunderlich dr?hnenden Schall des metallenen Rohres nur noch verworrener wird, t?nte her?ber.

>>#Where do you hail from?#<<

Nun hatte aber Steinert, besonders in der letzten Zeit, nicht allein unter seinen n?heren Bekannten, sondern auch im Zwischendeck ?berhaupt, viel mit seiner Kenntniss der Englischen Sprache geprahlt, die ihm dort allerdings von keinem bestritten werden konnte oder wurde. Diesen Anruf hielt er aber f?r eine allgemeine, an das ganze Schiff gerichtete H?flichkeitsformel, die er nicht glaubte unbenutzt vor?bergehn lassen zu d?rfen, ohn seine Kenntnisse zu zeigen. Ehe deshalb der eigene Capitain, der jetzt ebenfalls auf seinem Quarterdeck mit der >>Sprechtrompete<< in der Hand stand, auch nur das Geringste darauf erwiedern konnte, sprang er auf die, an der Railing befestigte Nothspieren, hielt beide H?nde trichterf?rmig an die Lippen, und schrie in h?chst mittelm?ssigem fremdartigen Englisch:

>>Danke Ihnen Herr Capitain -- wir sind Alle wohl!<<

>>Halten Sie's Maul davorne!<< br?llte aber Capitain Siebelt auf's ?usserste indignirt, als er einen Zwischendeckspassagier in sein Gesch?ft hineinfallen h?rte, w?hrend der Amerikaner erstaunt dorthin sah von woher die unverst?ndliche Stimme t?nte, und von wo aus er allerdings keine Antwort erwartet haben konnte.

>>Wenn man gefragt wird, Herr Capitain, darf man antworten<< rief aber Steinert, der hier in seinem guten Recht zu sein glaubte und sich als freier Amerikanischer B?rger zur?ckgesetzt und beleidigt f?hlte -- >>?brigens verbitte ich mir alle Anz?glichkeiten.<<

>>#Where do you hail from!#<< t?nte aber des Amerikaners Ruf noch einmal her?ber.

>>Ich w?rde mich noch einmal bei ihm bedanken, Herr Steinert<< sagte Maulbeere, der seine innige Freude an dem Zwischenfall gehabt, ermunternd; >>er wird Sie wahrscheinlich nicht verstanden haben.<<

Der schnaubende Dampfer hielt jetzt mehr auf sie zu und Matrosen sprangen an Bord der Haidschnucke mit bereit gehaltenen Tauen hin, sie in Wurfs N?he an Deck des Schleppschiffs zu schleudern, w?hrend sie dort rasch aufgefangen und befestigt wurden. Die Zwischendeckspassagiere, die jetzt nat?rlich ?berall im Wege standen, stiess man dabei bald hier bald da zur Seite, aber sie liessen sich heute Alles gefallen, war doch das Schiffsleben ?berhaupt bald ?berstanden, und das hier nur noch eine kleine, leicht zu ertragende Unbequemlichkeit, f?r die sie in wenigen Stunden -- sie z?hlten nicht einmal mehr nach Tagen -- das ganze Amerikanische Reich entsch?digen sollte.

Festgeschn?rt an Bord des viel niedrigeren kleinen Dampfers lag jetzt das Segelschiff, das ihnen noch nie so gross erschienen war wie in diesem Augenblick; alle Segel schlugen aber, in ihren Schoten gel?st, an den Raaen, und an den Tauen hingen die Matrosen sie aufzugeyen, w?hrend ein Theil schon wie Katzen an den steilen Wanten emporkletterte und an den Raaen hinauslief, die Segel ?berhaupt vollst?ndig einzuziehn und festzuschn?ren auf ihren H?lzern.

Der Wind war indess, wie die Seeleute sagen, fast vollst?ndig eingeschlafen, und die Hitze schw?l und dr?ckend, nichts destoweniger setzte das Schiff mit H?lfe des Dampfers, seine Fahrt weit rascher, als sie die letzten Tage zu segeln gewohnt gewesen waren, fort, und die K?ste, oder das wenigstens was sie bis jetzt f?r festes Land gehalten, r?ckte ihnen rasch n?her. Das aber was ihnen bis dahin eine weite gr?ne Wiesenfl?che geschienen, auf der sie, freilich umsonst, nach grasenden Heerden umhergesucht, zeigte sich jetzt, wie sie es endlich erreichten, als ein weiter trauriger Schilfbruch, dessen dunkelgr?ne schlanke Halme aus der, ihnen nun entgegenquillenden schmutziggelben Fluth des m?chtigen Mississippi, dessen untere Ufer sie bildeten, herausschauten, und in der starken Str?mung zitterten und schwankten.

>>Aber wo um Gottes Willen wohnen die Menschen?<< riefen Andere aus -- >>hier kann man ja doch nicht leben in Wasser und Schilf?<< --

>>Dort sind H?user -- dort hinten -- wo? -- dort wo der dunkelgr?ne Streif hinaufl?uft und die Sonne auf das Wasser blitzt; gleich rechts davorn. Ja wahrhaftig -- da stehn H?user -- das ist New-Orleans!<< riefen und fl?sterten zaghafte Stimmen durcheinander und Steinert selbst war auf einmal ungemein kleinlaut geworden, und sass, mit auf den Knieen gefalteten H?nden vorn auf dem Bugspriet die ihn umgebende Scenerie schweigend zu betrachten.

>>Das New-Orleans? -- Unsinn<< lachten aber einige der Matrosen, die jene Bemerkung geh?rt, und schon fr?her einmal die >>K?nigin des S?dens<< -- wie New-Orleans von den Amerikanern genannt wird, besucht hatten -- >>das ist hier nur eine der M?ndungen des Mississippi und die H?user dort sind La Balize; das hohe Land aber liegt weiter oben.<<

Bis sie aber die immer deutlicher werdenden H?user erreichten, wollten manche der Zwischendeckspassagiere gern von den Matrosen, die schon erkl?rt hatten dass sie in New-Orleans gewesen waren, etwas N?heres ?ber die Stadt und deren Umgegend wissen; die Leute waren aber viel zu sehr besch?ftigt ihren Fragen Rede stehn zu k?nnen, und sie mussten sich zuletzt darein finden eben abzuwarten, wie sich ihnen die Stadt selber zeigen w?rde. Ewig konnte das ja nun doch nicht mehr dauern.

Ziemlich langsam gegen die starke Str?mung r?ckten sie indessen vorw?rts, die schon in Sicht gekommenen Geb?ude, in den Windungen des Flusses bald rechts bald links lassend, und erreichten endlich den Platz wo eine Anzahl h?lzerner Geb?ude auf Pf?hlen, und nur von Schilf und Schlammwasser umgeben mitten in diesem entsetzlichen Sumpfe standen und in der That auch nur durch hochgelegte Planken unter sich verbunden waren.

Diess Lootsendorf, die sogenannte Balize, bot in der That einen traurigen Anblick, und man begriff nicht wie Menschen dort ?berhaupt existiren konnten. Die weite Fl?che der See selbst that dem Auge, in Vergleich mit dem ?den Sumpfe wohl, der sich hier nach Norden, Osten und Westen ausdehnte, und die Passagiere erschraken als die Glocke des Dampfschiffs l?utete, denn sie f?rchteten jetzt das, was sie noch an dem Morgen so heiss ersehnt -- gelandet zu werden. Das Signal galt aber einem, noch eine kleine Strecke weiter oben liegenden Segelschiff, das jetzt seine Flagge aufhisste und zur Freude der Auswanderer die Hamburger Farben zeigte. Dort waren halbe Reise- und ganze Leidensgef?hrten, und als die Haidschnucke, mit der Bremer Flagge noch immer auswehend, dem Hamburger Schiffe n?her kam, gr?sste sie von dort, wie sie erst selber den Amerikaner bewillkommt, ein donnerndes Hurrah, das sie allerdings, aber lange nicht mehr so kr?ftig wie heute fr?h, beantworteten.

Sie erfuhren jetzt auch, dass der Dampfer das andere deutsche Schiff ebenfalls in's Schlepptau nehmen w?rde, aber sie freuten sich nicht besonders dar?ber, denn nicht mit Unrecht f?rchteten sie dadurch nur soviel langsamer von der Stelle zu r?cken. Das k?mmerte jedoch den Amerikaner wenig, der sich f?r die Fahrt den doppelten Verdienst nat?rlich nicht entgehen liess, und das Hamburger Schiff, Orinoko wie es hiess, erst hierher gebracht und vor Anker gelegt hatte, noch ein zweites aus dem Golf dazu zu holen, ehe er es nach New-Orleans hinauf zog.

Der Hamburger hatte indess, unter dem lauten taktm?ssigen Singen der Matrosen, seinen Anker aufgeholt, als der Dampfer an ihn hinanlief und ihn an den anderen Bug nahm, die Taue wurden befestigt, wie sie fr?her an der Haidschnucke befestigt waren, und wenige Minuten sp?ter schnaubt das kleine aber kr?ftige Boot mit seiner doppelten Last, aber nicht viel langsamer als vorher, den m?chtigen Strom hinauf.

Die Zwischendeckspassagiere der Haidschnucke hatten nun allerdings nichts Eiligeres zu thun als einen Versuch zu machen, von ihrem Schiff hinunter, ?ber das Dampfboot hinweg, an Bord des Landsmannes zu klettern, und dort Bekanntschaft mit dessen Passagieren zu machen. Darin sollten sie sich aber get?uscht sehn, denn die Steuerleute verboten es ihnen nicht allein auf das Entschiedenste, sondern die Wacht des Dampfers selber hatte strenge Ordre Niemanden hinunter auf ihr Deck oder hin?ber zu lassen, und weder Bitten noch Protestiren half, die Capitaine zu einer ?nderung der Maassnahme zu bewegen. Die angegebene Ursache war nicht allein Unordnung zu vermeiden, sondern auch ihren eignen Schiffahrtsgesetzen nachzukommen, nach denen sie keine Communication mit fremden Schiffen, ehe sie den Hafen erreicht h?tten, unterhalten durften.

Das aber verhinderte Steinert nicht eine sehr lebhafte, und nat?rlich ausserordentlich laut gef?hrte Unterhaltung von der Back der Haidschnucke aus, mit einigen Passagieren des Orinoko, ?ber das Dampfschiff weg, anzukn?pfen, sich nach Zeit der Abfahrt und Erlebnissen der Reise zu erkundigen, und seine einzelnen Ansichten ?ber die Haidschnucke, die nicht immer zu Gunsten derselben ausfielen, einzutauschen. Andere schlossen sich dem an, und die Conversation, von allen hohen Theilen des Schiffs und selbst den Wanten und Marsen ausgef?hrt, wurde bald allgemein; bis die Scenerie auf dem Strome selbst diesem ein Ende machte.

>>Da ist Land -- da ist Land!<< jubelte es in dem Augenblick vom Deck, als ob die Leute in der That geglaubt h?tten dass Amerika im Wasser liege -- >>da sind B?ume, da ist Gras. Hurrah f?r Amerika.<<

>>Hurrah f?r Amerika!<< jauchzte das Schiff nach und die Matrosen des Schleppdampfers hatten Nichts dagegen in den ihrer eignen Heimath gebrachten Jubelruf mit einzustimmen.

Aber die Sonne neigte sich ihrem Untergang, und was Manchem von ihnen schon auf der See aufgefallen war, die kurze D?mmerung, machte sich hier, wo sie das schattige Laub der hohen B?ume an ihrer Seite hatten, nur noch mehr bemerkbar. Kaum war das Taggestirn hinter dem dunkeln Waldstreifen, der das jenseitige ziemlich ferne Ufer deckte, verschwunden, als die Nacht mit einer Schnelle anbrach, von der sie bis jetzt wirklich keine Ahnung gehabt. Sie hielten dabei dem linken Ufer des Stromes zu, dort Holz f?r den Dampfer, dessen Kohlen auf die Neige gingen, einzunehmen, und die Passagiere freuten sich schon das Ufer betreten und die wunderliche Vegetation des neuen Landes beschauen zu d?rfen, dessen riesige B?ume hier alle mit wehendem silbergrauen Moos bis hinab auf den Grund behangen schienen; doch hatten sie dasselbe noch lange nicht erreicht, als es schon unter den B?umen dunkelte und das Licht der einzelnen dort wie versteckten H?tte, seinen rothgl?henden Schein her?berschickte.

Das Einnehmen von Holz zeigte mit den tiefgehenden Schiffen seine Schwierigkeit, da der Dampfer mit diesen nicht so dicht an Land fahren konnte, und die Capitaine nicht gern vor Anker gehen wollten. Der Eigenth?mer des Holzes war aber schon darauf eingerichtet, und hatte eine Anzahl Klafter in einem niederen und sehr breiten Boote mit flachem Boden aufgestapelt, mit dem er, auf den Anruf des Capitains eine Strecke in den Fluss hinaus fuhr und sich queer vor dem Bug des Dampfers legte. Von hier aus wurden die Scheite, w?hrend die Maschine wieder an zu arbeiten fing, und alle vier Fahrzeuge doch wenigstens gegen die Str?mung stemmte, rasch an Bord geworfen, die Taue der Haidschnucke aber dann gel?sst, damit das entladene Holzboot zwischen ihnen durch mit der Str?mung zur?cktreiben konnte, und der Schleppdampfer setzte seinen Weg jetzt wieder, in der Nacht ziemlich die Mitte des Stromes haltend, den zahlreichen im Flussbett angeschwemmten St?mmen auszuweichen, langsam fort.

Es war ein wundervoller Abend, der Mond hob sich, als sie kaum eine Stunde gefahren waren, ?ber die B?ume, und goss sein silbernes Licht auf den breiten Strom, und die Passagiere der verschiedenen Schiffe hatten sich vorn auf Deck gelagert, und sangen wechselsweise in vollt?nenden oft harmonischen Ch?ren ihre heimischen Lieder, die meist ernsten, schwerm?thigen Inhalts gar wunderbar ergreifend ?ber den stillen Strom klangen.

Frau von Kaulitz hatte unter der Zeit versucht ihre gew?hnliche Whistparthie zu Stande zu bringen, heute jedoch nicht einmal Herrn von Benkendroff bewegen k?nnen daran Theil zu nehmen, und sass jetzt, eine Patience legend, allein in der Caj?te. Es war ihr ein verlorener Abend den sie ohne Karten zubrachte. Die ?brigen Passagiere sassen und standen in schweigenden Gruppen auf dem Quarterdeck umher, oder fl?sterten leise mit einander, so eigen ber?hrt waren sie selber von den heimischen Kl?ngen denen sich das Herz, mag es das Vaterland noch so lang verlassen und es fast vergessen haben, doch nie verschliesst.

Es liegt ein eigener Zauber in den T?nen die wir als Kind gekannt, geliebt, und die nicht selten schon Wurzel in der Kindesbrust geschlagen. Alte Gedanken, liebe und tr?be Erinnerungen wecken sie dann wo wir sie wieder h?ren, und das Herz lauscht ihnen wollte selbst das Ohr den lieben Lauten den Eingang weigern.

>>Wie das so reizend klingt auf dem stillen Strome<< sagte Marie, die den Arm um der Schwester Schulter gelegt, neben Clara und Hedwig unfern der Quarterdeckstreppe stand, und nach dem Mond hin?berschaute -- >>ich k?nnte den Liedern die ganze Nacht lauschen, und doch habe ich sie schon so oft, so oft geh?rt.<<

>>Das ist es ja gerade was sie uns so lieb macht<< l?chelte die Schwester sich freundlich zu ihr neigend -- >>weisst Du noch wie wir daheim in unserem G?rtchen sassen, und die Zimmerleute unten vom Bauplatz, Abends, wenn sie an unserer Mauer vorbei zu Hause gingen all diese Lieder sangen, und wir sie weit weit noch h?ren konnten durch den stillen Abend.<<

>>Unser liebes G?rtchen<< seufzte leise Marie, und auch der Schwester Brust hob sich in der schmerzlichen Erinnerung an das Zur?ckgelassene, aber sie wollte jetzt nicht jene Bilder heraufbeschw?ren und sagte rasch, der Schwester Arm ber?hrend und dann nach dem Nachbarschiffe hin?ber deutend, wo sie eben wieder ein anderes Lied begannen.

>>Kennst Du das, Marie?<<

>>Noah<< lachte die Schwester, >>Herrn Kellmanns Leiblied, ei wenn er jetzt bei uns w?re, wie er da einstimmen w?rde nach Herzenslust. -- Was er jetzt wohl treibt?<<

Anna schwieg und lauschte den T?nen, bis sie in der Nacht verklungen waren.

Die Passagiere der Haidschnucke antworteten dem letzten Lied mit >>Schweizers Heimweh<<. Wenn aber die einzelnen Schiffe bis dahin allein gesungen, und so gewissermaassen einen Wechselchor gebildet hatten, dessen einer immer erst begonnen wenn der andere geendet, und dem die Mannschaft des Schleppdampfers mit lautlosem Schweigen lauschte, so waren die ersten T?ne dieses alten lieben heimischen Sanges kaum angeschlagen, als das Hamburger Schiff ebenfalls mit einstimmte, und der volle Chor weich und klagend durch die Nacht drang.

Herz mein Herz, warum so traurig, und was soll das ach und weh, S' ist ja schon im fremden Lande -- Herz mein Herz, was willst Du mehr.

Auch die Caj?tenpassagiere waren recht still und nachdenkend geworden, Herr von Hopfgarten, der sich anf?nglich mit dem Professor in einen grossen ?konomischen Streit eingelassen, hatte den und die ganze Verhandlung in dem Lied vergessen, und horchte ihm noch viele Minuten, als es schon l?ngst in dem Rauschen des Stromes und dem monotonen Klappern der neben ihnen arbeitenden Maschine verschwommen war.

Herr Henkel ging indess auf der einen, Herr von Benkendroff auf der anderen Seite des Besahnmastes spatzieren, w?hrend Frau Professor Lobenstein, ihre beiden j?ngsten Kinder an sich geschmiegt am Fusse desselben auf einer Bank sass, und der Nacht dankte die ihr die einzeln niederrollenden Thr?nen verbarg vor dem Auge der Menschen.

Nur Doctor H?ckler lag behaglich der L?nge nach ausgestreckt auf der Scheilichtklappe, dampfte seine Cigarre in den wundervollen Abend hinein, und trommelte zu den Liedern den falschen Takt auf dem Holz, auf dem er ruhte.

Eine Zeitlang hatte ununterbrochenes Schweigen an Bord geherrscht; es war fast, als ob sich Jeder scheute den Zauber zu brechen der auf den Schiffen, durch diese einfachen vaterl?ndischen Weisen heraufbeschworen lag, als pl?tzlich vom vorderen Theil der Haidschnucke, ja fast wie von dem jetzt ziemlich nahen Lande kommend, an das sie das Fahrwasser des m?chtigen Stromes gebracht hatte, der volle glockenreine klagende Ton einer Nachtigall her?ber drang.

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