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Munafa ebook

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Read Ebook: Der Rebell: Novelle by George Manfred

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Ebook has 49 lines and 13542 words, and 1 pages

Die Neue Reihe Band 24

Manfred Georg

Der Rebell

Novelle

Geschrieben im Winter 1917 f?r H. S.

Als Robert Boor aus Lazarett und Waffendienst endlich entlassen sich wieder in den Fluss seiner Studienjahre schmiegen wollte, merkte er, dass er, wie auch viele andere, mit vergangener Zeit keinen Zusammenhang fand. Seine Erinnerungen schienen ihm verstaubt. Die Liebschaften junger Scholarensemester in Frankreich und in der Schweiz, einst die Quelle von friedlich lebenden Kameraden bewundernd geh?rter Abenteuer, kamen ihm wie in s?sslichrosa gebundene Dumasprosa vor. Die Debatten in Weinstuben und Klublokalen hallten ein leeres Echo. Halb von Begeisterungszunder verkohlte Taten ragten als verkr?ppelte Wegweiser auf durchschrittenem Pfad. So hatte er nichts, was ihm wert genug schien, dass er es fortsetzte. Kurz entschlossen verkaufte er seine sch?ne Bibliothek, zu der er oft des Nachts in der Qual seiner Gedanken geflohen war, und trat in ein Bankgesch?ft ein.

Ruhig sass es sich hinter den grossen, blanken Scheiben. Untergeordnete Arbeit verlangte nur Sorgfalt und Geduld. Es war ihm ?rgstes, wenn, hatte er schon einen Listenbogen vollendet, am Schlusse das Lineal abrutschte und der unregelm?ssige Strich die Seite verdarb. Herr Stollweg h?rte missbilligend Roberts Seufzer. Sagte aber nichts, sondern bog sogar manchmal beg?tigend den Kopf zur Seite, als suche er dort etwas.

Des Morgens lagen die Mappen, in denen er An- und Verk?ufe von Wertpapieren zu registrieren hatte, auf seinem Platz. Wenn er abends gegangen war, holte sie ein Bote und brachte sie in die Buchhalterei. Alles ging in der weiten Halle, die von einer breiten Strassenfront helles Licht erhielt, gemessen und abget?nt zu. Die Kunden kamen und sprachen leise, mit vornehmen Gesten; selbst die erst k?rzlich in diese Gesellschaftsklassen Arrivierten d?mpften Stimme und eckige Geb?rde, wenn sich die Prokuristen mit leisem Klingeln echt goldenen Armbands verbindlich zu ihnen neigten. Der Schallf?nger an der T?r verschluckte in seinem Filz andr?ngendes Ger?usch des Fahrdammes. Einmal, erinnerte sich Robert, war ein Postbote auf der Schwelle stehen geblieben. Da war das Weinen eines Kindes, d?nn und spitz, hereingeflattert, hatte sich in die vernickelten Deckenbirnen geh?ngt und war dann in trostlosem Trillern ?ber die erstaunten Beamten gest?rzt. Alle hatten gelauscht. Sogar die Schreibmaschinendamen hatten hilflos schon zum Druck gebogene Finger entspannt. Dann war's vorbei. Und schwer str?mte die Stille weiter ?ber Bl?tterrascheln und unterdr?ckten Husten.

Robert musste manchmal lachen, wenn er daran dachte, er habe einst Vasaristudien getrieben oder als Sch?ler ber?hmter Gelehrter heissen Kopfes ?ber platonischen Dialogen gesessen. >>Canadian Pacific 120 Prozent.<< Wie wundervoll nichtssagend war ihm dieses Papieres Name. H?chstens dass er dabei an Lederstrumpf und B?ffel dachte. Seine Erinnerung verwirrte sich wieder und er riss sich zusammen. Geriet er in die falsche Zeile, war die M?he einer Stunde vergebens.

Gleichg?ltig ass er um zw?lf Uhr sein Fr?hst?ck. Ohne Sehnsucht dachte er dann an Vergangenes. Wie schien ihm alles in flacher Linie zu liegen, winzig, nicht des Gedenkens w?rdig zu sein. Seine literarischen Versuche, sein erstes, nicht erfolgloses Auftreten in der ?ffentlichkeit, sein heisses Werben um Sinn und Erfassung der unsterblichen Meisterwerke, -- Robert grinste h?sslich ?ber die gel?ufige Folge dieser Phrasen, die in seinem Kopfe automatisch abrollte. Nur ganz fern, weit in der Traumzeit seiner Gymnasiastenjahre leuchtete der Freundin Cornelia ernstglatte Kinderstirn leicht und weiss auf.

>>South India Railway<<. Herrlich schrieb sich das Wort. Er verstand gar nichts davon. Unbestimmt wogte Ahnung in ihm von braunen, schwitzenden Arbeitern, die in Sonne getaucht f?r die Besitzer der Aktien frohnten. Dann ballte sich Roberts Faust. Aber scheu und ?ngstlich l?ste er sie sofort wieder, so dass das Blut aus der rissigen Daumennarbe gleichm?ssig in die Handfl?che str?mte. Nicht zornig werden. Nicht die F?uste krampfen. Sonst kommt es wieder; kommt das entsetzliche Wirrsal wieder. Die Buchstaben >>Depositenkasse<< spazierten im Halbkreis rund und goldig auf der matten Glasscheibe. Hinten in einer Ecke diktierte der Filialvorsteher heiser und m?rrisch einen Mahnbrief. Die Worte fielen ihm trocken, versengt aus dem Mund.

Nachtsturm zerw?hlte die B?ume auf dem Kirchhof von Messines. Von der H?he entlud er sich schwarz und abfallend auf die Landstrasse. Robert hielt mitten in seiner Schwadron hinter einem W?ldchen. Der Rittmeister klopfte nerv?s auf das Sattelleder und sah immerfort hastig nach der Uhr am Gelenk. Die Infanterie, zu sp?t aus ihrem Standort in Werwick abmarschiert, kam nicht. >>Absteigen!<< fl?sterte Befehl von Kolonne zu Kolonne. Die Dragoner glitten zur Erde. Aus unnat?rlich geweiteten Augen schrie es wie Bitten zu den Leutnants. Robert tastete nach seinem Spielkameraden Peter, der neben ihm hockte und Unverst?ndliches murmelte. Die Karabiner, gepr?ft, knackten wie scharf zertretenes Holz. Langsam verlor sich das Schnauben der zur?ckgef?hrten Pferde. Die Menschen, letztes Leben in der Brust, blind gebetet in verquollenen, verschluckten Seufzern, h?llten sich in die dunkle Stille. Da schnitt ein Signal sie entzwei, sie riss und zerkrachte in einem kollernden Gebr?ll der Aufst?rmenden. Sie schrieen vor Angst, Wut und Verzweiflung. Robert und Peter bebten Seite an Seite den Hang hinauf, willens, den niederzustechen, der nicht in gleicher Richtung rannte wie sie. Wie ein Rudel entfesselter Tiere sprangen rings von Grabenscheit und Brottasche umflogene Schatten mit ihnen. Da, als ihr Keuchen schon fast schaumig um die schartenzerlockerte Kirchhofsmauer brandete, setzten sich die dahinter zur Wehr. Peter tat einen seltsam hohen Sprung nach vorn und klumpte schief zusammengestossen auf einen Haufen. Einen anfeuernden Feldwebel, dem Schweiss und Blut unter zerbeultem Kuppenhelm ?ber das entstellte Gesicht troffen, mit dem Fuss zur?ckstossend, beugte sich Robert ?ber den Freund. Der schrie, wild, hoch und haltlos, grotesk die H?nde auf den Unterleib krampfend. Dann riss er sich die Kleider auf. Gr?sslich lag die von zackigem Geschoss gerissene Wunde bloss. Robert stand, die H?nde steif, unf?hig sich zu bewegen. Flau kroch ihm ein Ekel ?ber Gaumen und Schlund. >>Hilf mir!<< br?llte Peter und sucht entrinnendes Ged?rm in den Leib zur?ckzustopfen. Kasernenparaden, Abschiedsjubel heldisch aufgeblasener Backfische, die salbungsgeschminkte Miene des Oberlehrers Drews bei Erl?uterung des dulce et decorum hetzten sich bunt in Roberts schwindelnden Sinnen. Er r?chelte, als er des fetten Pensionswirtes schmatzenden >>Endlich<< gedachte, da die Depeschen der Kriegserkl?rung ?ber den Kaffeetisch flogen. >>Hilf mir!<< Peters Heulen brach an den schmerzgepressten Z?hnen zusammen. Da musste Robert grinsen vor Leid. In ihm schwoll Tr?nensturm tobend hoch. Ein schreckliches Lachen floss ihm breit heraus, als er die Reiterpistole vom Gurt riss und dem sich in Todeswehen b?umenden Freund mitten zwischen die entsetzten Augen schoss. Dann st?rzte er um, mit dem verzerrten Gesicht tief in eine zertrampelte Kotlache schlagend.

Mit hurtigen Schritten trappelten am Abend, wenn sieben scharfe Schl?ge die hohe, steife Standuhr in den Saal warf, aufgeregt die Bureaufr?ulein an Robert vorbei, Sehnsucht nach Schwatz mit dem bestellten Liebhaber oder einem friedlichen Abendbrot an runden, behaglichen Familientischen in den Blicken. Gemessen gr?ssend, immer noch stolz auf den f?r zwanzig Dienstjahre von der Bank gestifteten Jubil?ums?berzieher, schritt Herr Stollweg ihnen nach. Andere folgten, und ihre Sprache ?berst?rzte sich im Gef?hl soeben gewonnener Freiheit. Wenn der Hausdiener Limm durch Schl?sselrasseln seinen Unwillen ?ber Roberts Hind?mmern vor schon aufger?umtem Tisch demonstrierte, erhob sich auch er. Bewusstsein vollendeten Tagewerks liess ihn nicht schneller die abendliche Strasse hinaufschlendern.

Sass er dann auf dem kleinen Balkon seines m?blierten Zimmers vor d?nnen Stullen und verpanschtem Bier, hob er manchmal den Blick. Glaube, ein Wunder m?sse geschehen, erf?llte ihn pl?tzlich heiss. Aber gleichm?tig zogen die Rauchfahnen der st?dtischen Fabriken von Ost nach West ?ber die Giebel. Im Hofschacht quoll blaurote W?sche aus den Fenstern. Die Geranien, verbl?ht, l?sten sich und liessen leise ihre Bl?tter in die Tiefe segeln. Die tanzten eine Weile, wie nach der H?he und dem Lichte verlangend. Im dritten Stock schalt eine laute Stimme. Irgendwo schmiss jemand heftig mit T?ren. Die Dunkelheit kroch langsam an den Hausw?nden empor. Robert sah zu, wie sie ihm die breit auf den Tisch gespreizten Finger ?berflutete.

Dann ging er hinein und warf sich aufs Sofa. Klopfte mechanisch mit dem Haken gegen die Seitenlehne. Summte bisweilen. Falsch und eint?nig irgendeine Wortfolge. Allein, alleine, heute alleine, morgen alleine. Und Zorn schwelte langsam in einer Ecke der Stube und brannte ihn. Warum? Warum nicht mehr studieren, lesen?! Nur weil Peter tot war und noch immer Krieg im Land? Lass die Toten die Toten begraben. Kann ich daf?r, dass er fiel? Kannst daf?r, kannst daf?r! R?che ihn. Warum nicht mehr l?rmendes, wohltuendes Ereifern in Disputen, warum keine kosende Liebelei mit zierlicher Grisette?! Vorbei, vorbei, abgestandene Freuden, widerliche Schamlosigkeiten. Kriechen vielleicht zur selben Zeit wieder hundert Peter herum und versiegen in Blut und Schmerz. Ein einzelner bin ich. Kann nur schreien. Nein, nicht einmal schreien. St?nde ich auf freiem Platz und t?te so, stopfte mir schon gelb behandschuhte Schutzmannsfaust den Mund. Mitten zwischen die Augen. Und hatte doch mit mir Reifen gespielt und Flitschbogen geschnitzt. War hoch auf Boltenbecks Karussell einhergefahren. Was nutzte mir Wissen von Augustin und dem heiligen Franz?! Ach, sch?n ist es auf der Bank. Zahlen, Zahlen, nichts als Zahlen. Sind zu malen, sind zu malen. Himmelherrgott, bin ich denn verr?ckt? Verzweifelt sprang Robert auf. Rieb ein Streichholz an. Das Gaslicht surrte tr?be auf. Er kramte unter den wenigen B?chern, die unbez?hmte Lust ihn trotz aller Gleichg?ltigkeit zu kaufen getrieben. Aber der Worte Sinn zerfloss ihm. Gerede, Rethorik, Pathos, T?ndelei. Wozu?! Die, zu denen mit Feuerzungen gesprochen wurde, tanzten vor Jubel bei Nachrichten von gut gesprengten Minenstollen und ersoffenen Matrosen. Wie sie gest?hnt hatten, Senegalesen und Westpreussen, Sachsen und Gascogner, in dem Lazarett, wo er im Nervenfieber vierzig lange Tage auf dem schweissdurchn?ssten Laken vorm Tode gezittert und vorm Leben gebangt. Scheu hatte er sich in die Kissen gedr?ckt, wenn die Nebenm?nner starben. Bis ihm der schrille Schrei Mutter in allen Sprachen gel?ufig und der einwickelnde Griff der Totengr?ber eine technische Fertigkeit geworden waren. Robert drehte hastig das Licht aus. Schlafen, Ruhen. Wohlig das Schmiegen der Kissen auskosten. Nicht denken. Alles ist doch gleichg?ltig. Kann ich's ?ndern? Morgen male ich wieder Zahlen. Elbinger Stahlwerke. Na, wenn schon. Nur schlafen. Hat Limm nicht eine neue Borte um die M?tze gehabt? Oh, wie m?de, wie m?de. Peter, armer Peter. Bochumer H?tten stiegen auf 300. Schlafen, ist ja egal --, ah -- wie m?de, -- wie m?de -- --.

Nun hatte er sich doch verleiten lassen. F?nfzig Groschen waren vom kargen Gehalt ?briggeblieben. Schon sass er wieder in seinem geliebten Prinzentheater auf einem hinteren Parkettplatz. Es tat ihm leid. Das weiche Polster unter ihm brannte ihn. Die Leute schwatzten rings aufgeregt, begierig auf das Spiel, der Strasse noch nicht ganz entfremdet. Wie fern ihre Erregung Robert schien. Er sass wie hinter einer Glaswand. Fest eingekerkert in seine Elendsaura, die nichts Fremdes zu ihm hindurchliess. Sein Blick strich schwerf?llig in die Runde. ?ber erhitzte Gesichter Ankommender, in behaglicher Erwartung schon mit ihren Sitzen innig Verwachsener, ?ber Frauenprofile, die nach Logen sp?hten, und volle M?nnergesichter, die quellend ?ber weissem Kragenturm heruntergl?nzten. W?chsern sah das alles aus. Unheimlich, automatisch eingelernt. Und ich musste meinen Freund erschiessen? F?r wen denn? F?r die da? Einer jungen Ehefrau Kopf lugte verloren zwischen den Schatten einiger Fr?cke. Die sinnlichen Lippen klafften unbeherrscht durch die Hitze des Saales, und sie feuchtete sie mit einem flinken Z?ngeln. Robert starrte sie an. Seltsam. War er allem so fremd geworden? Dieser Frauenmund d?nkte ihm etwas unerh?rt Neues, nie Gesehenes. Weiches, verschwimmendes Rot-Dunkel brach in den Saal. Schwingend und lautlos barst der Vorhang auseinander. Isolt klagte.

In der Pause lehnte er im Gang an einem Pfeiler. Noch rauschte die Musik in ihm. Es schmerzte. Kaltem, finsterem Gebirg gleich schroffte sich Erinnerung in seiner Brust auf und stiess spitz bis in seine Kehle. Aber dar?ber flogen die Melodien wie ein Schwarm V?gel, der ?ber heimatlichen Auen jubelt. Vor Robert drehte sich der Korridor mit seinen schreitenden Menschen wie ein Filmbild ab. Er stand und horchte begl?ckt auf das Konzert in seiner Brust. Pl?tzlich musste er unwillk?rlich die Augen schliessen. Jemand hatte ihn angesehen. Aber als er danach forschte, drehte sich bereits wieder der Strom. Und in ihm sang es weiter. Schon f?hlte er, wie in ihm der Wille irgend etwas zu tun, freundlich zu l?cheln, verbindlich zu gr?ssen oder einmal zu pfeifen, wie ein helles Schiff mitten in das Geschwader seiner wolkigen Gedanken hineinsegelte. Da schritt wieder das Fremde vorbei. Er sp?rte es und tat seine Augen weit auf, voll sehnenden Willens, es nicht zu lassen. Da wich ihm unwillig ?ber das hinterh?ltige Netz seiner Blicke ein ?bergl?hter M?dchenkopf aus und tauchte im Gew?hl unter. Nur blass blieb ein Eindruck. Scheu-feindselig das Forschen um die Brauen zur Strenge pl?tzlich gefaltet. Ruth, die ?hrenleserin, auf dem Felde. Er neigte wie ein aus dem deckenden Haufen ziehender Genossen pl?tzlich in freies Kampffeld Vorgestossener den Kopf und hob den Arm zum Schutz seiner Wehrlosigkeit. Dann tappte er dunkel zu seinem Platz.

Wieder nahm ihn Musik und schleuderte ihn, losgerissen, weiter ins offene Meer. Er regte sich tastend. Nicht starb er daran. Verging nicht vor S?sse. Manchmal klangen ein paar Worte der S?nger dazwischen wie leise Hornst?sse. Dann sank er wieder unter in T?nen, wurde hochgehoben und trieb in gl?cklicher Besinnungslosigkeit dahin. Mit einemmal ward es lichter. Ein Gedanke, fremd ihm l?ngst geworden, phantastisch, glomm fern in ihm auf und w?hlte sich rasend n?her durch die Klangwogen: Das fremde M?dchen. Wer? Wer? O ginge sie nicht fort. Als er ihm hell und lodernd ins Hirn stiess, prasselte zu gleicher Zeit um ihn der Beifall der Zuschauer klatschend nach vorn gegen die erblindende B?hne.

Auf der Treppe wurde Robert hart an das Gel?nder gepresst. Ein wenig kurzsichtig, tastete er unsicher die Stufen hinunter, die Hand auf dem Leitsteg. Da stolperte etwas hinter ihm, eines Frauenk?rpers N?he sch?ttete einen taumeligen Schuss Parf?m ?ber Gesicht und Hals und eine Hand tappte schwer und eine St?tze suchend auf die seine. Zwei Ringe brannten ihm tief ins Fleisch. >>Verzeihen Sie bitte.<< ?ber das Gedr?nge und seine F?hrlichkeiten einige unverbindliche Worte tauschend gelangte er mit der Fremden ins Vestib?l. Sie hatte ein Neigen des Kopfes, das z?chtig schien, sich aber bei n?herem Zusehen als die Gespanntheit einer Wildkatze entlarvte. Robert dachte an die Scheue aus der Pause. Wo? Aber das Bild verwischte sich traumhaft.

Kaum dass er's merkte, war er mit Sonia, wie Brocken ward der Name hingeworfen, schon ein St?ck Strasse hinuntergeschritten. In der W?rme einer Kakaostube ihre Glieder f?hlend blickten sie sich einander an. Sein verzerrtes, in Bitternis spitz nach dem Kinn hin zusammengefaltetes Gesicht l?ste in ihr Freude aus. Rasch durchbrach sie alle D?mme des Vorspiels, trieb ihn, kaum dass er sich wehrte, rasch aus den Positionen der Konvention, und schickte sich schon an, die Fahne ihres Lachens aufzuziehen, als sie sich pl?tzlich von seinem ruhigen Spott umstellt sah und vor sich eiserne Tore f?hlte. Sie fauchte etwas und schob sich leise n?her. Aber Robert, seine Ruhe um sich schlagend, erg?tzte sich an ihrer animalischen List. Liess seine Hand in ihrem Atem wie in einem Bad. Pl?tzlich aber griff er Sonia am Arm, dicht unter die Achsel und riss sie an sich. Sie knickte mit einem kurzen Freudenlaut zusammen, so dass der Malayenboy an den surrenden Teemaschinen diskret fortsah. Die halb ge?ffneten Augen dem?tigten sich in Ergebung. In Robert jedoch brachen die Sinne, halbverhungerte, struppige Tiere, aus ihren vermorschten Fesseln. Die Kontrolluhren seiner Gleichg?ltigkeit blieben mit einem Ruck stehen. Vulkanisch quoll Dampf in ihm auf und legte sich graurot ?ber alles Geschehen.

Die Stube br?tete warm wie ein Raubtierk?fig. Robert lag gestreckt auf die Chaiselongue und blickte zum Fenster hinaus. Gewissheit tropften die Sterne. Unab?nderlichkeit. Die Nacht t?nte. Die H?fe schollen vom Atem der Schl?fer wie riesige Trompeten. Lauschend bog er den Kopf vor. Da -- weit hinten stieg ein Schrei auf. Anschwellend. Wachsend. Als ob jemand geschlachtet w?rde. Stieg. Und stieg. Robert warf sich ein Kissen ?ber das Gesicht. Er h?rte, wie der Schrei sich abstiess von der Erde und flog. Herflog. Europa schrie. Ein Verwundeter schrie. Nun hatte der Schrei sich in Wolken eingenistet, Sturm blies ihn auf, jetzt war er ?ber der Stadt. Breit wie ein Mantel ?berdeckte er sie. Senkte sich. Zerfetzt floss ein Kreischen heraus. Sausend st?rzte er in den H?userschacht, rannte sich steil an den W?nden und spie zerrissen sein Echo wieder empor. Die Fenster bogen sich unter dem Anprall. >>Peter! Was willst du?! Ich schiesse ja schon!<< Robert flog aus den Decken. Sein K?rper leuchtete zitternd im Dunkel. Stumm l?chelten die Hausgiebel mit den fehlen Bodenluken. Sonia, gest?rt, fiel im Traum, und bog schleifend den Fuss in einer Deckenfalte. Dann erwachte sie, sah Robert starr gegen das Fenster gerichtet, und weich mit den Linien des Lagers verschmolzen bot sie sich ihm an. Aber er wich in die tiefen Schatten der Stube. Nur einen Augenblick sah sie eine zusammengeh?mmerte Faust, von Adern h?gelig ?berflossen. Angst pfiff ihr in der Kehle. Leise tappte sie nach der T?r, die Fusssohlen behutsam vorschiebend. Wie B?sche auf dunkler Landstrasse, hinter denen Wegelagerer hocken, drohten die lichtlosen Ecken. Jemand knirschte mit den Z?hnen. Wer? Robert? Oder ein phantastisches Ungeheuer, das in seinem Versteck riesenhaft sie ?berwuchs?! Jetzt galt es, einen Mondstreif zu passieren. Sonia zauderte. Schon ergl?nzten die N?gel ihrer Zehen. Milch puderte sich um die Kn?chel. Dann stand sie gereckt in der Helle. Verstand, sich an dem glasigen Feuer ihrer Haut entz?ndend, weckte sie auf. Hoch warf sie die Arme. Dehnte sich satt und schlank, sich selber f?hlend im Licht, das wie ein Schuppenpanzer sie sichernd umschmiegte. Dann sprang sie, aufgescheucht vom dumpfen Niederbruch eines K?rpers, in einem Satz aus dem Zimmer.

In den n?chsten Tagen gebar sich in Robert eine Unruhe, von der er nicht recht wusste, wo sie entspross. Pochte der Brieftr?ger an den Flurt?ren der niederen Stockwerke, flog schon Robert, Sinnlosigkeit dieses Entschlusses verzweifelt erfassend, zum Flur. Langsam stieg dann das Stoppelgesicht des Postboten aus der Versenkung der dritten Etage und schwenkte in verwunderter Verachtung hinauf zum Dachgang, um auf der anderen Seite des Hauses endlos die Stiegen hinabzuklopfen. Kann sie mir schreiben? gr?belte Robert im Dunkeln, die Zwecklosigkeit dieser Frage bitter im Munde sp?rend. Wer denn ?berhaupt?! Wer, zum Kuckuck?! Er bekam das Gesicht nicht zusammen. Hinter seinen Augen f?hlte er Schmerz. Ausgerodet lag ein kleiner Platz im Hirn. Winzige rote Feuerkugel, scharf zusammengeballt, kohlte der Blick der Fremden und riss mit z?ndenden R?ndern alle Fasern in seinen knisternden Kreis. Durch die Stube gegen die T?r st?rzend dr?hnte Robert gegen das Holz. Das Gesicht! Ich habe das Gesicht verloren. Mir ist wie jenem Mann, den am Nordpol einer traf, als grunzenden Gesellen, ein halbes Schwein, das kaum essen konnte. Der h?rte das Wort >>light<<. Sein vereistes Gesicht brach pl?tzlich von innen zusammen. >>Light?<< In ihm sagte etwas Ja! auf light. Was, was? So wie wenn der Pelz am kalten Abend um die Brust einen Ring von W?rme lagert, in dem man in Schlaf f?llt. Light? Gesicht! In Robert stiegen Schreie wie Notsignale eines Schiffes, verirrt in der Wasserw?ste. Abgetrieben von der K?ste der Erinnerung blieb ihm nichts ?brig, als zu beten. Zwischen ausgelaufenem Heringskopf vom Abendbrot und fettiger Zeitung faltete er die H?nde. Den Mund schon ?ffnend fiel ihm die Bibel ein. Ruth! Und mit suchenden Augen raste er in die Kapitel, bis die Seiten des Buches ihm ?ber das Haupt aufwuchsen wie zwei riesige weisse Fl?gel, in deren Schlag er mit m?de gehetzten Z?gen versank.

Unterdessen begann der Winter. Auf Roberts kleinem Balkon polsterten sich Gitterst?be und Borde mit einem harten Weiss. In den Gebirgen und Ebenen rings um das Land nahm der Krieg seinen Fortgang. Nur erstickten dumpfer die Kanonenschl?ge in der Schneeluft, schw?cher klang der Todesruf derer, die in den flockenweichen Abh?ngen letzter Spannung Grauen erfuhren. Hiobsposten wechselten mit Freudenbotschaften. Schamlosigkeit aller Gier wuchs t?glich. Die L?hne stiegen, aber das Geld fiel. Verbissen trug man Armut unter nicht geglaubten Phrasen. Robert musste kleinlichste Berechnungen anstellen, wollte er nicht schlankweg verhungern. Er erduldete alle Dem?tigungen der Volksk?chen, wo man ob des reinen Kragens, den er hatte -- musste doch Repr?sentation in der Bank k?rglicher Mahlzeiten ungef?hlter Ausgleich sein --, von ihm abr?ckte und sich schweissigem Halstuch verband. Eines Tages krochen auf seine linken Finger runde gr?ne Fleckchen mit gelbem hautspaltendem Einkreis. K?lte sengte die Hand. Das ausgerenkte Eisenmaul des Ofens bleckte leer und von Frost umwittert. Seinen Mantel und Decken ?ber sich werfend, floh er ins Bett. Lag da, bis ihn morgenlicher, fr?her Wind in den Hauskaminen zur Arbeit jagte. Lag da und sp?rte die ?de der get?nchten Decke wie K?rper. Nur unbestimmtes Gef?hl einer Hoffnung, die irgendwoher in blumenden Gew?ndern sich ihm erf?llen sollte, keimte leise und heftig. Das Erlebnis jenes fremden Blickes, langsam in den steigenden Eisschatten der K?lte und des Hungers erfroren, qu?lte ihn kaum noch mit suchenden Stacheln. Nur ein Warten bl?hte in ihm. Es nicht begreifend, atmete er auf, glaubte er es durch Genuss eines ergatterten Wurstst?cks bet?ubt. Aber dann ?berfiel es ihn wieder. Seine Tr?ume wurden bunt. In Biedermeierg?rten schritt er einher. Musste Spitzwegszenen stellen und Walsersche Gespr?che f?hren. Unerh?rt farbig betupfte Landschaften waren zu durchschreiten. Hinten brach ein Himmel in schiessenden Strahlen ein. Dahin musste er rennen. Es erwartete ihn dort wer. Die von kugelig dickk?pfigen B?umen bestandene, mit hellem Kiesschotter bes?te Chaussee begann wie im Film an ihm vor?berzuschwirren. Wo hatte er schon einmal in solchem Wirbel gestanden?! Erinnerung schrie in ihm auf! Die Wolken schienen in feurigen B?ndern zu lodern. Er flog. Musik ritt im Winde mit ihm. Gel?fteter, frierender Arm weckte ihn. S?sse, ungeahnte, in sich sp?rend, schwangen seine Schritte in den n?chsten Stunden. Dann wischten Keifen der Portierfrauen, ?belschmeckender Kaffee und der bedr?ckte L?rm unwilliger Fr?haufsteher das Bild schmutzig. Sass er sp?ter wieder vor gr?ngefriestem Tisch und dem Tanz der Zahlen, konnte es geschehen, dass er krampfhaft gegen die Brust tastend einen Laut aus sich grub, der wie zerrissener Jubel sich hob. So fremd klang er ihm, dass Robert selbst freundwillig und begl?ckt ihm lauschte, bis er sank und wie ein Bumerang r?ckkehrend mit vollem Weh auf ihn niederbrach.

Eine Kolonne Soldaten trappte in schwerstiefeligem Marsch zum Bahnhof. L?ngst gewohnt, die abschiednehmenden Blicke Ausziehender ohne Scheu und Reue zu ertragen, bliesen Passanten die Winterluft mit dicken Backen und strudelten sich in den Dampfw?lkchen weiter. Vor Robert musste ein Herr im Pelz, kleine blonde B?schel in den Ohren, pl?tzlich im Takt mitlaufen. Das linke, ausw?rts gekr?mmte Bein kam nur m?hsam nach vorn. Hatte die Soldaten Beachtungslosigkeit geschmerzt, so erregte sie dies forsche Mitkrabbeln des Pelztr?gers. Vom Takt gehemmt, wagte jedoch keiner Ausbruch. Robert sah den nickenden Zylinderturm, roch eben peinlich vollendete Frisur. Was hatte sich der mit den tr?bem Tode verlosten Menschen zu identifizieren? Ein grauhaariger Rekrut, in weiter Samthose schwimmend, stiess einen anderen an. Machte ihn aufmerksam auf den fetten Faun, der gutes Fr?hst?ck im anmutig geschwellten Leib Sympathie erweisend mitlief. Finsteren Blicken erwies der freundliches L?cheln. F?hlte schon ahnungslos nach der Zigarrentasche im Rock. Trippelnd legte er sich eine Rede zurecht, denn gest?rzter Omnibus an n?chster Strassenkreuzung versprach Stauung. >>Na, mein Lieber, noch was Rauchbares vorher?<< Der Soldat schob ablehnend seinen platten Daumen unter den Tornisterriemen. Grimmig, leise, inbr?nstig: >>Vorher? Vor was?!<< Doch schon ging er weiter. Kommt kein Blitz? flehte Robert. Mit einem Mal sah er Peter. Er erbebte. Peter schritt vor dem Dicken. Weisslich-rot schleppte ihm etwas aus dem Koller. Wie bleiche Selcherw?rstel. Das Vieh trat immerzu darauf und pfiff. Ganz deutlich klang es: >>-- und dann die Herren Leutnants.<< Unverbindlich wippten die Lackschuhe. Wie einen Zweih?nder f?hlte Robert seinen Arm emporgeschleudert, stiess in Wolken und brannte nieder damit, Eisen in den apoplektischen, h?pfenden Nackenwulst. Er schloss die Augen. In ihm heulte ein Tier. Als er sie wieder ?ffnete, waren die Personen der Szene schon in weite Ferne ger?ckt. Der Schlag, ungef?hrt, verdonnerte in Ohr und Herz. ?ber die geballte Hand floss Blut einer geplatzten Ader. Sperlinge zwitscherten durch die Stille der Strasse.

Robert trat in einen kleinen Buchladen, dessen viereckig mit freundlichen weissen Leisten eingerahmte Auslage kennerischem Beschauer ein erg?tzliches Durcheinander bot. In engem Raum standen dicht auf schmalen Borden, farbige Tapeten zum Hintergrund, eine Unzahl erlesener Werke. Verwirrt ?ber die Anfrage nach seinem Begehr, die ein sch?ngescheiteltes M?dchen mit leichter Verneigung an ihn richtete, stammelte er etwas von >>aussuchen<<. Sonderbare Kunden gew?hnt, liess sie ihn stehen. Die zarten und wuchtigen Titel auf den bunt gemengten B?cherr?cken redeten Robert l?ngst verhallte Sprache. Er las sie in leisem Rausch wie jemand, den heimischer Marktplatz nach langen Jahren mit vertrauten Schildern gr?sst. In gr?ne Leinwand gebunden lag vor ihm ein Werk von quadratischem Format, mit zierlichen Goldleisten geschm?ckt. Er schlug es auf: Strindbergsche M?rchen. Gerade in das vom versunkenen Klavier geriet er. Bei einer Feier hatte es die Bertens vorgetragen. Wann war denn das gewesen? Unendlich lange schien es ihm. Hoher Saal verschwamm, riesiger Orgelpfeifen Wand rundete nach hinten das Bild. Oder hatte er das alles nur getr?umt? Aufblickend und die Gestelle abgleitend las er mechanisch: Hauptmann, Eichendorff, Mann, Goethe, Heine, Lucka und andere Namen. Merkw?rdig, war er gestern nicht in den >>Gespenstern<< gewesen? Warum nur die Erinnerung so schwankte! Nun wusste er auch schon nicht mehr, wer die Regine gespielt. Und dann hatte er des Nachts getr?umt. Wirres Zeug. Von einem Krieg, einem gelben Holzstuhl in einer Bank, auf dem er tagelang gesessen, einem Blick, -- den ihm wer zugeworfen? -- Cornelia? -- Richtig, er musste ihr ja noch einen Busch Tulpen schicken. >>Also, ich nehme diesen Band hier.<< >>Bitte sch?n, mein Herr. Macht achtzehn Mark bitte.<< Das sch?bige Portemonnaie mit den zwei schmutzigen Markscheinen und der zerknitterten Volksk?chenquittung setzte Roberts schweifenden Gedanken mit hartem Ruck ein Ziel. Hilflos, die Unterlippe vorschiebend, auf der ein schiefes L?cheln verlegen irrlichterierte, tauchte er flehend, ihm die Worte zu ersparen, in der Verk?uferin korrekt gewordenen Blick. Der umwachte seine H?nde, die, ?usseren Zwang noch nicht empfindend, gierig und krampfhaft das Buch umklammerten. Da kamen aus einem Nebenraum zwei Stimmen, sich verabschiedend und begleitend, rasch n?her. An der Verbeugung des grauk?pfigen Ladeninhabers lavierte, mit kleinen St?ssen der H?fte die beladenen Tische meidend, ein junges M?dchen herein, von mattfarbigem Florentiner das Gesicht ?berschattet. Der Laden hatte pl?tzlich keine Decke mehr. Zwischen den B?chern brachen Fliederstr?ucher auf. Unaufh?rlich st?rzten italisches Blau und schwellende Fl?tenrufe durch die offene Decke. Robert f?hlte, jetzt mussten draussen auf den H?usern die Fahnen hochgehen. >>Die Fremde ist da! Erl?sung! Die Fremde ist da!<< brausten Ch?re in ihm. Frommes Gebet sandte milden Weihrauch empor, der die Augen feucht beizte. Zwei Schritte nach vorn, das Buch fiel. Wie sanft abfahrendes Dampfschiff entglitt der Raum nach r?ckw?rts. Hinter ihm lag schon die T?r.

Die Fremde, halb zu ihm gewandt, l?chelte in einer scheuen Vertrautheit. Bog den Kopf ab, als er sie ansprach, wich jedoch nicht vom Wege. In dem Handdruck, den sie ihm bot, floss tiefes Erkennen. Zwei gr?ssten sich, die Leere verronnener Monate wie einen Leichnam zwischen sich liegen sahen. In gleicher Senkung hob sich ?ber ihn hinweg ihr Schritt die Strasse hinauf und schlug den fr?hlingskalten Asphalt in halblautem Gleichklang. Gespr?ch sprudelte aus Robert, klar und wild, wie Quelle aus l?ngst versiegtem Gestein. Hilde Sintram, lang und k?hn ausschreitend, h?rte nur. Ab und zu l?ste sich in ihr ein Ausruf und flog munter dazwischen. Aus mystischer Nacht wieder Land schauend, tastendem Gef?hl lange geahnten Halt gebend, freute sie sich harmlos des Wiedergefundenen. Damals in Sehnsuchtsstarre in die S?ule des Korridors geschmolzen war er ihr wie ihr versteinter Wille erschienen, den r?tselhaft wer aus ihr herausgestellt hatte. ?ber von sorgsamen Eltern sacht gebildete Lebensform, unaufdringlich von geeigneter Umgebung angewandten Zwang, Uniform der durch Geburt erworbenen Klasse zu tragen, ?ber den von dumpfen Jahrhunderten rastlos und egoistisch eingeh?mmerten Frauentrotz absoluten Auflehnens von vornherein, ja ?ber die instinktsichere Ablehnung der etwas gefransten Manteltasche flutete in Wogen das Vergessen. Hilde Sintram schwamm auf seinem Ozean, die Dunkelheit im R?cken, und Roberts Jubellied fuhr in den L?ften mit ihr. Er ging, ausgeweitet den R?cken, in ungewissem Erstaunen, seinen K?rper so leicht und schwingend zu f?hlen. Als sie sich trennten, lud Hilde Sintram ihn zu Gast.

Losgel?st von jeder Einsamkeit wucherte bis zu jenem Tage Robert ?ber die R?nder seines Wesens wie j?h erw?rmter Kressesamen. In seiner Rock?rmel glattpolierten Aufschl?gen sah er mit blamabler Leichtfertigkeit die Sonnenreflexe sich ?berspielen. Das Neue eines Menschen um sich gewahrend senkte er querk?pfige Erinnerung in Gruft. Sein L?cheln begann den Modergeruch zu verlieren. Zahnb?rste am Waschtisch fr?h ward neues, seltsames Instrument. Die angefaulte Hundet?le an der Bodentreppe, schnappend sonst und die Verachtung des Vor?bergehenden bleckend abweisend, ringelte m?hsam den Schwanz ?ber zusammengesparte Wurstpellen. Nur leise, fernsten Horizont umfahrend, segelte Gedanke einer Katastrophe auf. Ein Klirren in ihm, ein Kratzen, riss sich vorsichtig durch alle befreienden R?cksichtslosigkeiten, die sich dr?ngend zum Riesenwall in ihm t?rmten. In den N?chten, wenn der Mond schief gegen das Haus stand und die Wasserflaschen unter seiner Ber?hrung verhalten zu singen begannen, brach manchmal aus der eisern zusammengehaltenen Gedankenschar einer aus und versuchte, die neuerrichteten Bastionen zu inspizieren. Aber da hockten die fremden Wachen der Hilde Sintram, deckten mit ihren M?nteln vermorschtes Gesch?tz und geleimte Brustwehr und st?rzten die Mondwandelnden durch beherzten Anruf in die Tiefe. Stets frischer floss der Morgen herein. Und in Regeln fand schon Robert Sinn, noch ehe st?rkere Proben abgelegt waren.

Halb fertig gebaut, mit gipsbesudelten Ger?sten auf einer Seite trostlos aufgez?umt, d?mmerte der kleine Vorortbahnhof vor sich hin. Sich vorstellend, weit ab, irgendwo in einem fremden Land zu sein, kam er schon nur in einen anderen Stadtteil, schlenderte Robert auch hier langsam und neugierig st?rmisch nah gew?nschtem Ziele zu. Spielend schob er es in scheinbare Ferne und betrachtete Photographenk?sten und k?mmerliche Rabatten der Vorg?rtchen mit Erstaunen. Ein paar alte B?ume schliefen sich in den Nachmittag. Zwischen den holprigen Steinen des Dammes trollte ein Hund dem Bahndamm zu, kr?ftigen Pfeifens des Besitzers nicht achtend. Pl?tzlich brach die von niedrigen H?uschen unscharf flankierte, kleinst?dtische Strasse auf einen Platz aus, in dessen Mitte zwischen wohlgepflegten B?schen eine Kirche sich k?hl dem Spazierg?nger entgegenwarf. Abwehrend, hinter dichtem Baumbestand lugten einiger vornehmer Villen Kalkputznasen rings um das grosse, ovale Rondell auf den Fremden. Auf schmalem Schild zeilte sich ebenm?ssig und unverschn?rkelt der Name Sintram. Schon die Hand zur Glocke erhebend liess Robert sie pl?tzlich wieder sinken. In der Kirche schwoll ein Choral und drang durch die mattglimmenden Scheiben. Hingegeben traurigem Gesang schienen die Worte im Munde der S?nger s?ss sich zu f?rben. Dann rauschte Orgelton auf, gewaltiger Konfession voll:

Mors stupebit et natura, Cum resurget creatura, Iudicanti responsura.

Liber scriptus proferetur, In quo totum continetur, Unde mundus iudicetur.

Robert sch?ttelte den Kopf. Fenster, seidig Lampe verh?llend, glaste vor ihm wie Leuchtturm. Dass die Hosen weit ?ber die Kn?chel sich hoben, reckte er sich. Frei! Frei werden! Fiedelte ein Lied sich durch das Hirn: >>-- traben hin durch helle Lande.<< Schon schnaubten ungesattelte Rosse apulische Ebene hinauf. Stand da ein Schatten am Baum! Uniform, zerschlissene, flatterte wieder in Regenluft, gelbverschlungenes A auf der Achselklappe?! Bange fl?sterte Robert: >>Lass mich gehen, Peter. F?r dich, du lass mich weiter!<< Ein Lachen sch?ttelte ihn. Ein fremder Soldat, aus dem Schatten unwillig gel?st, strolchte mit einem M?del davon. Umwendend, die Rechte mit allen zuckenden Fingern bis in die Spitzen f?hlend, ein unerh?rtes Kraftwort hell mit seinen gesunden Z?hnen zerkrachend, zog er kurz zweimal hintereinander. Schwirrend jagte das L?uten vor ihm her. Das Haus wich vor ihm in sich zur?ck. W?rme riss ihn hinein. Riesig schien sich wie eine ewige Wand hinter ihm die T?re zu w?lben.

Einige K?pfe verschwammen. Im Halbbogen hoben und senkten sich von den St?hlen vornehm und ruhig der Vater Hildes und vorgestellte Bekannte in Verbeugung. Erwartung umfloss Robert. Er f?hlte, wie mit ihm etwas Fremdes, Feindliches in diesen Kreis trat, als h?tte er einen Fetzen rauhe Luft von der Strasse mit hereingebracht. Doch liess er sich in die ihm neue Behaglichkeit, die nicht dumpf war und Haltung hatte, wohlig fallen und reihte sich ohne Umst?nde ins Gespr?ch. Obwohl er merkte, wie seine Worte gleich kantigen Steinen die feinen, in nerv?ser Zur?ckhaltung spinned?nn gekn?pften Netze dieser Unterhaltung zerrissen und schwer zu Boden fielen. Niemand hob sie auf. Hilde kauerte in mutwilliger Hingerissenheit halb auf ihrem Stuhl und ermutigte ihn kaum. Neben ihr eine Cousine, tief in die Schl?fen schwarzes und k?nstlich gewelltes Haar gebuscht, musterte Robert, ohne sich, es gern zu tun willens, zu seiner v?lligen Ablehnung entschliessen zu k?nnen. Das Gespr?ch rollte in langlinigen, ausgeglichenen Wellen um die Tanzkunst einer D?nin, die die Stadt seit einiger Zeit zu lebhaften Anmutsstudien aufreizte. Robert versuchte, einige Worte zu sagen, um nicht ganz teilnahmslos zu erscheinen; aber von grenzenloser, sachlicher Unwissenheit in den behandelten Dingen musste er sich mit einigem Kopfnicken begn?gen. Als Hildes Vater zu sprechen begann, schwiegen alle. Leicht blauten sich die Adern an der k?hn aus kurzen, weissen Haarflocken herausspringenden Stirn und die Worte, inhaltlich von einem klugen Sinn befl?gelt, ohne auf den Kern der Sache Wert zu legen, fielen autorit?r und Verst?ndnis unbedingt fordernd. Aus seinem Sessel, wie mit ihm verwachsen, stieg der elastische K?rper, leicht vorgeneigt, ?berredete die Handbewegung, in ihrer gelinden Kr?mmung Kultur und jahrhundertelange ?bung einer Kaste undem?tig verratend. Vom halblaut t?nenden Munde streifte Roberts Blick tiefer zu dem adligen, von keiner Greisenfalte zerfurchten Halse, dem tadellosen Kragen und gedeckten Seidenschlips bis zu den weichen Wildlederstiefeln, deren warmer Glanz von sorgf?ltiger Behandlung mit allerhand kostbaren Fetten zeugte. Robert sah auf seine Schuhe, deren linker an der Ballennaht einen gef?hrlichen Riss aufwies. Aber vor dem ersten! War doch sowieso die W?sche noch nicht bezahlt. Und teuer waren die Schuhmacher, teuer! Auch stand kein Ende des Krieges und damit frischer H?uteimport bevor. Freilich die Reichen, die Kapitalisten, die zusammen mit z?nftigen Milit?rs die Regie des grossen Mordens ?bernommen hatten, sie konnten der knappen Tage achselzuckend gedenken. Robert hatte pl?tzlich das Gef?hl, als r?che er nach Fusel. S?sse an bierverschwemmtem Holztische mit Zimmerleuten, die eifrig vor Zuh?ren die schmierigen Daumen drehten, w?hrend auf der Trib?ne des dunstverschlagenen Saales der Abgeordnete >>Sandmeyer gellende Tiraden ?ber die Erregten peitschte: . . . und nicht genug, dass in fremden L?ndern seit Jahren K?rper unserer liebsten Menschen faulen m?ssen, nein, auch hier, vor den Augen der Bourgeoisie, unseres schlimmsten Feindes, krepieren unsere Kinder und M?tter, die der Hunger zerfrisst. Sie sitzt freilich in dem behaglichen Gemach, wo der Kamin gl?ht, aber ihr seid gezwungen, durch Dreck und Regen zu latschen mit zerrissenen Stiefeln . . .<< >>. . . also,<< schloss Herr Sintram und trocknete die feucht gewordene Lippe mit einem bl?tenweissen Tuch, >>also ist meines Daf?rhaltens der Tanz, so er den, durch Grazie und Sitte bestimmten Rhythmus verliert und bacchantisch, sagen wir salomeisch zu werden beginnt, kein Tanz mehr, sondern nur eine Ausgeburt, der das Unbeherrschte, niedrige Temperament des ihn Exekutierenden verr?t und mithin geschmacklos zu nennen ist.<< ?ber die, f?r sein geistiges Niveau besch?mende Ideenassoziation im klaren, konnte doch Robert es nicht hindern, dass pl?tzlich sein Mund hasste und sprach, hart, lauter als n?tig, die Worte an den Eckz?hnen zerreibend. >>Das glaube ich nicht, Herr Sintram. Tanz ist ein Suchen. Aus den gew?hnlichen Lagen sind die Glieder gel?st, wollen sich nicht mehr f?gen schematischem Bau. Neuer Vollendung entgegen streben sie. Musik l?st das Hirn der T?nzerin in Kl?nge. Es schwindet die Erde. Woll?stig und s?ss bef?llt Rhythmus die Glieder. Aufzucken sie. Die Arme schiessen in die Weiten. Sterne umleuchten schon nah die Fingerspitzen. Neue Gef?hle w?lben die Br?ste. Sanft ?berstreicheln sie Welten von Brausen und lassen sie weich in sausende Luft vergehen. Fahne, m?hnig, k?mmt hoch das Haar, st?hlern und geschmeidig, siegende Wimpel. Nun l?ftet der Fuss sich, rascher schl?gt er die Flanke, will sich vereinen mit den anderen Gliedern, die wild in die neue Freiheit hinausjubeln. Ja, das sahen die Schauer noch nicht. Weit gaffen die Augen. Strahl um Strahl entschiesst sehns?chtige Begierde. Weissglut in der Ber?hrung peitscht sich die Sch?umende zu h?herer Vollendung. Chaotisch st?rzt in ihr das Bewusstsein in Tr?mmer. Hic salta! Wo ist der neue Mensch? Gewinne dich ab dem flammenden Kosmos, das du in Brand setzest. Auftreibt noch einmal schwer die Erde, will Lende fassen und H?fte. Aber schamlos ?berrast reissen die Ketten und sie entdonnert kraftlos. Die Blicke biegen sich ab, stumpf, entgl?nzen dann heller nach innen. Nebel steigen. Ruhiger t?rmt sich der Tanz. Krampf sinkt. ?ber gefundenen Eilanden wiegt sich harmonisch der K?rper. Schaukeln ungekannt L?nder heran. Paradiese enttauchen besonnt und leise stampfend besingt ein neues Weltall die Befreiung. So --<< Das Wort brach Robert am Munde, als die wachsende Befremdung rings durch seinen Rock dringend eiskalt ans Herz stiess. Herr Sintram, eine sehr h?fliche Verachtung im L?cheln und eine Erwiderung f?r ?berfl?ssig haltend, machte darauf aufmerksam, dass ein guter und bei dem nasskalten Wetter wohl besonders willkommener Tee angerichtet sei. Gab er jedoch w?hrend des Gespr?chs Robert gastlich Gelegenheit, seine Rede durch kluge Bemerkungen zu annullieren, blieb der verstummt und f?hlte die braune, warme Holzverschalung der W?nde, Geplauder ?ber Scheurichs Plastikenversuche und die tadellose Haltung des Dieners wie Herausforderung. Hier war er Feind, den man bei Waffenstillstand h?flich bewirtet, aber man ahnte in ihm Geh?ssiges, Bedrohliches. Hilde blieb tief ?ber ihre Tasse gebeugt. Einmal, als er ihrem Vater widersprach, ohne ehrlich der ge?usserten Meinung zu sein, nur um sich aufzustemmen, unterstrich sie ihn mit einem: das glaube ich auch. Ihre etwas sich kr?uselnden Schl?fenhaare gl?hten im Widerschein ihrer Haut. >>Hilde -- du -- wo bist du?<< Ein toller Schmerz, der ihn zers?gte, trieb Robert zu fr?hem Aufbruch. Hilde begleitete ihn. Schon schritt er schweigend, geschlagen, im R?ckzug noch zusammengeschossen, die kurze Steintreppe hinab, da fragte sie: >>Wir wollen ?bermorgen reiten, ja? Holen Sie mich ab. Um elf Uhr.<< Tief, um ihre Hand zu k?ssen, beugte er sich; aber die hastig fortgerissene traf er nicht, so dass er beinahe gest?rzt w?re. Die Luft kroch ihm kalt zwischen Kragen und Haut. Wie eine alte, verwunschene Burg fiel Hilde Sintrams Haus hinter ihm in den schwarzen Abend zur?ck. Unwillig knarrend grinste die Gittert?r. Revolten zogen mit flatternden Bannern in ihm auf. Scharen von Gedanken, blutrot behelmt, folgten ihnen. Die orangenen Vorh?nge schwellten sich voll milden Lichts wie zuvor. >>Ihr! Ihr! Ihr erdrosselt und knebelt. Streicht das Rohe und Wilde ab wie Schmutz. staunend, dass es bis zu euch spritzte. O du Geb?rde, du Mund, der noch den Widerspruch als zu viel stummend in sich steift. Aber ihr schickt Besoldete. Unterw?rfige Kn?ppelgarde drischt uns zu Boden! Wen habt ihr nicht gekauft? Wen nicht? Bleibt uns als Kamerad der Zuh?lter und der verbummelte Student, der Dichter ohne Erfolg und die Dirne, ausgepeitschte Tiere, vor denen ihr die M?llk?sten eurer Herrlichkeiten verrammelt. Die anderen bezahlt ihr. Lasst sie zeugen f?r euch und lasst sie geb?ren f?r euch, steckt sie in Uniformen und treibt sie gegen br?llende Batterien, die armen K?pfe mit Gebeten, mit perfiden Begriffen f?r eure Sicherheit zurechtgeschrotet.<< Robert erschrak so, dass seine Beine ihm fast unterm Leibe weggebrochen w?ren. Trieb die Nacht diese Blasen in ihm, die nach Kneipendunst stanken. Er sch?ttelte sich. Ekel vor ihm selbst w?rgte ihn. Gew?lk senkte sich. Scharfrandig kantete sich klarer ?ther ?ber ihm hinauf. Singend und ruhig zog der Gedanke Hilde seine Bahn. >>Verzeihe.<< Kratzend kam die Mauer durch den d?nnen, schon abgetragenen Hosenstoff. M?de lehnte Robert gegen sie. Er sah zwei schwach zusammengewachsene Brauenbogen in ernstem Forschen vor sich. Die Luft mit zitternden H?nden formend, streichelte er den sich in die heisse Handfl?che schmiegenden Wind. >>Verzeih! Verzeihe!<<

Sie hatten beschlossen, statt des Rittes zu wandern. Nun streunten sie durch den Wald. Hilde f?hrte. Warf sich mit dem ganzen K?rper in die jungen Pflanzungen. Verhalten in Wollust fing sie in geschmeidigen Biegungen die zur?ckpeitschenden Zweige auf. Oft sah es, hob sie den Fuss auf, aus, als sch?sse sie damit aus der Erde, und das gleiche Zucken war in den Haken wie im Halse. Robert folgte m?hsamer, des verletzten Fusses Widerstand in hingerissenem Zusammenbeissen ?berwindend. Manchmal klatschten ihm die B?sche ?ber der Stirn zusammen, und es striemte blendend auf, aber wie angeseilt trat er fast genau in Hildes Spur. Sie sprach kein Wort. Als ob sie fl?chte, schien es zuletzt, denn rief er sie an, streckte sie wie in ?ngstlicher Abwehr die H?nde vor, und scheu prallte ein Blick an ihm vorbei in den Boden. Allm?hlich wurde das Laufen zur Jagd. ?ber welliges Terrain st?rzten sie, strauchelten, verfingen sich in einer Schonung, Heere von Brennesseln warfen sich ihnen entgegen, gef?llte Baumst?mme glotzten h?hnisch, und ab und zu flog in ihres Atems sommerliches Keuchen scharf und schneidend ein Vogelruf und sauste annagelnd wie ein Pfeil durch die Hirne. Pl?tzlich sprang der Wald vor einem glatten, breiten See in sich zur?ck und umlief ihn buhlerisch mit den tastenden Fingern heller Sandd?nen. Erst als ihre Schuhe in feuchtem Boden versanken, blickte Hilde auf. Die Wasserweite rauschte hoch gegen sie und erschlug ihre Augen, so dass sie sich umdrehte und dunkel und rot aufflammte vor Roberts staunendem Erstarren. Er blieb von ihr f?nf Schritte. Eine Z?rtlichkeit ?berw?ltigte ihn. Ohne Massen schaute er auf Hilde, und die verborgenen Bekenntnisse bl?hten ihm in die Lippen, dass sein Gesicht vor deren Blut die Farbe verlor und klein wurde, spitz und dem?tig. Der See sank und hob sich hinter Hilde. Die fernen K?sten unterliefen silbern ihre Achseln. Sie sah den Mann, die B?ume, die Luft, die schwang und sie umwirbelte. Breit schlug sie die Arme auseinander und nagelte sich r?ckw?rts gegen die Sonne. Von ihren Fingern zuckten die Strahlen. Von allen Seiten schoss das Begehren nach Sein in sie. Qualvoll reifte gewaltig in ihr eine Welt und stieg vom Schoss zum Herzen. Ihr Mund begann zu t?nen:

>>Wer kann es wagen, mich, Weib, zu umarmen? Wer ist geboren in der Tiefe des Ozeans, Koralle so verwurzelt, steigend durch die St?rme der Jahrtausende zum Licht?! Ich bin erdverklammert wie der Fels, luftgel?st wie die Wolke, heiss wie die Mainacht zwischen Liebenden, k?hl wie die Angst, die den Henker umsteht.

Wer kann es wagen, mich, Weib, zu umarmen? Wilde Fahne umbraust mich mein t?dliches Haar, liebliches Lied ums?umt es die Gipfel meiner Brauen. Sturm zischt mein Odem, streichelt die Wunden und heilt die Kranken. Scharen stampft mein Fuss aus der Erde, Scharen streicht meine Hand von der Tafel des Lebens. Beugten sich viele ?ber die Narbe am Gelenk. Zackig droht sie und verspritzt sich b?se in Haut. Aber zwischen Kuss und Schauen stand die Furcht. Denn wenn ich bin, bin nur ich, und es verdonnert die Welt fernab ins Leere!

Ich bin ins All geworfen. Riesiger Schatten, der von mir f?llt, verdeckt es. Ich bin ?ber den Himmel gespannt. Bin Himmel. Wer in mich eingeht, dem verrauschen die Stunden, verrast die Zeit. Er verhungert in dem Sturz meiner Pracht.

Wer kann es wagen, mich, Weib, zu umarmen? Ich bin das Meer und das Gebirge, der Tag und die Nacht. Ich zerbreche und segne, ich erhebe und verfluche. Ich, ja, G?ttin, die Blitze aufgeb?ndelt in s?ssgespannter Faust, ja, ich verfluche. Niemand komme, mir Schmerzen zu klagen, niemand komme, mir Freuden zu sagen, niemand komme, mit mir zu teilen, niemand komme, behaglich zu weilen; niemand flehe, niemand bete. Nur da sei er. Ganz! Ganz! Wie ihn die Mutter erschuf.

Wer kann es wagen, mich, Weib, zu umarmen? Nur, wer kommt ohne Reue und Last, ohne Blick zur Seite und Fragen. Nur, wen die Sehnsucht gegen mich aufbrennen l?sst, dass er Eltern und Erde, Erbe und Enkel verlachend vergisst und taumelnd und gross, gl?hend die Schl?fe und die Gedanken, sich neben mich in den Horizont stellt, nur dem beuge ich meine Lippen entgegen. Denn ich bin die Erde, ich bin das Erbe, ich bin das lohende All, der liebende Gott, dem nur ein Reiner ins Antlitz sieht. Nur einer, der ganz ist. Ganz, wie ihn die Mutter erschuf! Der aber das nicht ist, der wird Schmerz und Asche. Schlacke der Zeit stickt ihm die Kehle. Tief st?rzt er den Sturz, jahrelang, bis er im Abw?rtssausen verweht!<<

Schlag um Schlag hatten Hildes Worte den Tag, der wie ein orgeldurchstr?mter Dom ?ber ihr und Robert stand, in St?cke gespalten. Vor Robert schien sich ein Vorhang zu senken. Eine Weile noch schimmerte das Licht von Hildes hellem Kleide hindurch. Dann lagerte er in tr?ben Wogen zwischen ihnen. Auf seinem Tuch aber ergl?nzten wie Stickereien und kindliche Symbole B?cherberge, gest?rzte Lafetten, ein Menschengewimmel um Rednertrib?ne, schlanke T?nzerinnen, ein Reiter in einem Saatfeld kam von weitem geritten, wurde gr?sser und hielt sch?umend an, Peter, seinen Kopf in der Hand darbietend, Rauch, von Sch?ssen durchblitzt, wurde weisse Wolke, ?ffnete sich ?ber fliederumduftetem Teetisch in Hildes Villa -- oh -- -- --

>>Ganz, wie ihn die Mutter erschuf!<<

Hilde schien weitab auf einem Berg zu stehen. Blinkte etwas. Schoss wie Hass vom Boden sich ab. Auf Roberts rechtem Schuh war der Lack von einem Knopf gesprungen. Gelb grinste der Entbl?sste. R?ster beschien er in seiner Nachbarschaft. Und armselig der Geste und dem Wink der Armut unterlag Robert aussen wie innen. Er sah nicht, wie die Muskeln Hildes erwartend sich dehnten, sich um ihn zu schliessen. Zusammenzufallen, wie eine geflickte Pappe f?rchtete er jeden Augenblick. Der Gaukler in ihm, geboren aus Programmen und Trakt?tchen, Parteien und Idealen, k?mmerlich und buntscheckig, ein Scheusal, tanzte sein Menuett der Ohnmacht auf der im Keim sich schon ert?tenden Tat. Unw?rdig! h?mmerte ein Wort in ihm. L?hmendes Gift troff es bis in die Spitzen der Finger. Und die Barriere der Nichtachtung seiner selbst querte sich teuflisch vor ihm auf und wuchs schwarz zum Ararat. Unw?rdig! Unganz! Zerfressener, was kannst du wagen? >>Zu dir ja zu sagen!<< t?nten Ch?re unsichtbar ?ber den Wellen. Proletarier! Paria! Wachsend Verwachsener! R?hre nicht an den Gottesbezirk!

Steif stand er, schw?rzlich, verlegen, ein verbrannter Kreuzespfahl, unselig, in der Landschaft.

>>Ewig bin ich. Ich warte. Ewig bin ich da. Ich warte auf dich!<< Tanzend verlor sich Hildes Gesang und spannte sich hinter ihr wie ein Segel ?ber den Strand.

Robert wandte sich. Unendlich langsam. Mit jedem Ruck musste er die ganze Welt mitziehen. Aufgellend jagten ihn schliesslich Gewitter vom Ort seiner Entscheidung.

In der Nacht formten sich alle lungernd hingebrachten Stunden, Sorgen um Brot, Graupen und einfaches Bier, verwirrtes Augensenken vor gewaltigen Versen, r?tselhafte Ersch?tterung im ?bersturz der Musik und der sicheren Haltung des wohlgekleideten Nachbarn in der Elektrischen zu einer Wolke von Hass, die undicht kaum das B?ndel Blitze in sich halten konnte. ?berreizt und hell strahlte Bewusstsein auf, Erkennung seines Proletentums, von allen ausgenutzt, Brandmarkung der Geste des Rebellen, in der Ohnmacht verachtet, im Sieg noch verl?chelt. Aber hervortreten wollte er wie ein Gott, Schrei von Millionen in der Kehle f?hlend. Ging nicht das Beste, was der Gegner besass, seine Frau, zu ihm ?ber? Zweifelte sie nicht schon an der Unersch?tterlichkeit ihrer Himmel, da sie an seiner Seite nicht die beschw?rende Bewegung der Distance machte? Wehte nicht schon ihres Haares feindliche Fahne ihm zur Seite? Spitz ?ber das Deckbett hinweg stiess der Mond seinen Lanzenschaft ihm zwischen die Augen. Pfui! kroch eine Antwort auf. M?tterlich drohender Sonnenschirm in einer Landschaft silberner Pappeln verwies ihm m?rrisch weggestossenen Arm, den er ?ber eine Br?cke zum sichern Geleit ergreifen sollte. Hilde vertraute. Gab es mehr als das auf der Welt? Nie war ihm seit der Versteifung im Betrieb studentischer Fatzkereien anderes als Reserve zuteil geworden. Vertrauen, k?stlichstes der Betten, matte Sinne darin k?hlen zu lassen. Vertrauen, einzige Rechtfertigung, aus der Taten entspringen, Vertrauen, f?r mich! F?r mich! Dunkle, Junge, Jungfrau, du glaubst? Glaubst, dass ein Wort von mir ehrlich, nicht im Atem, fremden zu schlucken gewohnt, verseucht, seelischem Aufbruch, klar von Verdrehung des Geistes bis zu den Lippen entr?nne! Also gibt es doch irgendwo Betrug. Recht f?r den, der ihn richtet. Neu gebiert sich Welt in mir. G?ttliche Schwinge des Menschen ruht in deinem Kopfneigen, Fremde du, Ruth, Hilde, ?hrenleserin! Dass die Knie vom Sturz brannten, st?rzte Robert auf den Fussboden. Eisen die H?nde zusammengeschmolzen floss ?ber sie Beten. Aber an den stammelnder werdenden Worten schlich sich etwas vorbei und kollerte aus den Z?hnen. Meckerte. Willig gaben die W?nde Hall. Entsetzt stopfte Robert die Zunge vor. Es steigt auf. Hi! Hilde, hilf, Hilde, du, zeuge mir Gott! Inniger spannten die Schenkel in Beugung frommes Unterworfensein. Hi -- Hi -- hihihihi! Hihihi! Unterirdisch barst das Lachen aus Robert. Die Stube wandelte es in ein Dr?hnen. Grosse Pauken die Ecken trommelten es zur?ck. Flatternd das Hemd, den Hals aus dem losen Kragen vorgeworfen, riss es Robert in die H?he. Mit einem Male brach es ab und ?ber Krater und Schlacke letzten Versuchs stieg es wie Rauchgekr?usel, zittrig und unsicher, um erst hinter den blutlosen Lippen br?llend aufzutoben: >>Sentimentalit?ten!<< Und mit dem Bewusstsein im unerbittlichen, endg?ltigsten Zweikampf seines Lebens untergehen zu m?ssen, wurde er von dem Gedanken daran niedergehauen. --

In sein Hirn schrieb der immer noch wache Mond vor kurzem gelesene Verse eines Bruder-Dichters:

>>Unw?rdig zu F?ssen dem Weib, Der unerst?rmten Belacherin, Lebensverw?sterin, Heute zertrampelt von Launen, Scheinmorgen borgend aus gn?digen Worten -- Liebe ersehn' ich, endlose Liebe.<<

Und pl?tzlich, wie wenn ohne zu zerfallen von einer Mumie sich die H?lle l?st, stieg von Robert die Kontur seines K?rpers auf und dehnte sich schwach in die halbhelle Stube hinein. Allm?hlich gerinnend setzte sie sich auf den Bettrand. Zog die Kleider an. Robert, erst unsicher blinzelnd, f?hlte, wie unter den flinken Geb?rden ihm die Hose am Leibe aufwuchs, feste Stiefel sich unter hastig zuschn?renden H?nden um die Fussgelenke pressten. Dann stand er auf und ging und nahm vom Garderobenhalter seinen Mantel, einen einfachen grauen Milit?rmantel mit der eint?nigen Unteroffiziersborde. In den Strassen brannten gr?n und traurig die Laternen. Alle L?den waren verhangen. Der Restaurants gardinenverh?llte Riesenscheiben liessen nur die verzerrten Geb?rden essender Menschen phantastisch auf und abschnellen. Der Himmel schien wie ein bleiernes Dach, in das quadratische Lichter die Sterne gerissen waren, dicht auf den H?usern zu liegen. Die Robert Entgegenkommenden glitten ohne den beruhigenden Klang des Auftretens an ihm vor?ber. Manche M?nder schienen in verhalltem Schreck noch aufgerissen. Ein Schl?chtergeselle mit einem eisernen Kreuz und einem Holzbein lud riesige Blutst?cke Fleisches auf einen Karren. Als Robert n?her kam, sah er, dass es menschliche R?mpfe waren, die in den Landesfarben angestrichen und sorglich danach geschichtet waren. Unvermittelt rannte er an Peter, der mit Hilde am Arm um die Ecke bog. Robert musste l?cheln, als er Peters lackiertes Koppel sah. War der Frackmensch in dem auch im Dragonermantel noch nicht verwandelt worden? Kokett blitzte der halbschwarze Dolch an der H?fte des Schreitenden. Hilde hielt den Kopf tief in den Pelz ihres Mantels gesenkt, als sie in den hellen Festsaal der Riesenbar traten. Weiss die Tische leuchteten wie Inseln zwischen den dunkeln Anz?gen der Herren. Die k?hnen Reiherfedern der Damen ?berwippten hastig schnell vorw?rts geworfene Gespr?che. Zigeuner, schemenhaft mit ihren Geb?rden dem steigenden K?rperdunst verflossen, zogen die Laune der Tafelnden durch ihre Geigen und spritzten sie gleich schattenhaften Wolken zu W?nden und Decken. Sekundenlang flirrte das Gl?serklirren, voll innigen Druckes der neigenden Hand entsprungen, erhaben wie g?ttliche Stimme ?ber dem zuf?lligen L?rm unkontrollierter Ger?usche. Robert f?hlte tiefen Willen sich in sich senken und ward keck ermuntert durch ein flammendes Transparent, das quer und gl?hend ?ber einen Wandfries strich: >>Wer hier eintritt, wagt das Alte. Stirb' oder morde, es gilt gleich. Schon das Heute ist Verrat. Lebe, Hochverr?ter!<< Peter beugte sich vor: >>Nun bist in der >>Neuen Zeit<<. Ein pr?chtiges Lokal. Zugleich Fegefeuer und Paradies.<< Traumhaft sicher schritt Hilde zu einem Tisch, dessen drei G?ste bei ihrem Nahen in milden Umrissen wie leichter Rauch in die vibrierende Luft eingingen. Schweigend assen die drei. Neu wuchsen stets kleine appetitliche Berge auf den Tellern. Weinhauch von links und rechts ?berst?rzte die K?pfe. H?her hob Hilde die lebendurchschauerte Stirn, um deren Schl?fen nat?rliches zaushaftes Vorbauschen des Haares den Glanz der Haut zu kosendem Halbdunkel abschw?chte. Von den Nebentischen stieg ruckweise Gesang. Hastiger glitten die Kellner unter seinen Peitschenhieben. Pl?tzlich folgten vor Roberts Antlitz alle Geb?rden blitzschnell und kaleidoskopartig. Peters Gesicht verzog sich in Zuckungen. Rasender, wie unter dem Strom gewaltiger Elektrisiermaschinen, zappelten ringsum die anderen. Als es wieder abzuebben begann, sass Hilde zur?ckgeworfen im Stuhle, eine staubige Dornkrone im Haar, die Brauen wie Siegesbogen zu einem Ruf gew?lbt. Robert beugte sich vor. >>Diesmal entziehen Sie mir Ihre Hand nicht. Es ist ja nicht wirklich und wahr.<< Ein Strom Sekt schoss klatschend zur Decke. Eine kleine Narbe, weisslich, mit einem roten Punkt in der Mitte, zackte ?ber gebr?untes Handgelenk. Wie Kristall sch?umte hart gewordene Kruste des Schaumweins am Plafond und sammelte alles Licht ?ber Hilde. Tauchte sie bis zum Hals in eine Gloriole >>Nein! Denn es ist nicht wirklich und wahr!<< Und schmal und zuckend, bis an die warme Haut Bejahung pulsend, legte sie die ringlose, schmucklose Hand einer biblischen Jungfrau in die begehrende des Mannes. >>Nicht wirklich und wahr?<< Peter br?llte es, stand mit einem Mal auf dem Tisch, zwischen umgest?lpten Tellern und zerlaufender Sauce; Reiterstiefel, in Dreck gesudelt, Blut vom Ritt an den Sporen. >>Bande! Fresser! Sauft ihr Halunken, wo uns Bajonette die Eingeweide zerschlitzen, wir H?nge voll Toter ?berqueren, aus Leichen Schanzen erbauen?! Weich picken die Kugeln hinein. Tanzt ihr schon ?ber uns in die neue Zeit hinein? Bricht euch nicht der Schaum aus den Lefzen, wenn ihr pensionierten Admiralen Zustimmung heult! Wartet und seht. Denn die Rache h?ret nimmer auf.<<

?berall standen erschreckt Aufgesprungene. Die Frackhemden knackten in der Stille. Peter fiel das Haar vom Kopf. Sein Gesicht wurde gr?n. Rock und Kragen schrumpften zusammen. Lehmgrau kroch ?ber den Mantel. Peter schlug ihn zur?ck. Er war nackt darunter. Verschmutzte Rippen ragten fast bloss. Stachen gemein heraus. Grauenhaft aber lag im Bauch ein entsetzliches Loch, eitrig umfranst, durch das langsam wie aus einer Wurstmaschine sein Eingeweide quoll. >>Hier, das wird euch nicht vergessen. In eure Mahlzeiten schlage entsetzliche Erinnerung. Die Toten sind da, sind um euch, in euch. Sie kommen.<< Er pfiff auf den Fingern. Der Ton schwang lange in der nachfolgenden Stille. Robert h?rte den Wein rings kleine Blasen treiben. Dann zerplatzte die grosse Scheibe, die auf die Strasse f?hrte, ein straff gespannter Seidenvorhang. Draussen stand lautlos, wie im Sprunge eine Schar Kr?ppel, verschlissene Milit?rm?tzen auf struppigen Sch?deln. Langsam hoben die G?ste die Blicke, starr, des Kommenden bewusst. Wie ein Wetter hing die unbewegliche Wolke phantastischen Elends ?berm Eingang. Da ging aus ihr ein Stab hoch, d?nn, mit einer roten Kuppe wie ein Streichholz. Schwellend knatterte sie auseinander, eine riesige rote Fahne. Unter ihren Schwingen brach das Ungeheuere in den Saal. Kr?cken fielen ?ber weinrote Gesichter, im Schreck verklammt stickte an einem hineingestossenen Armstumpf ein gigantischer Fresser; ein blinder Ulan hatte ein M?dchen erwischt und hielt sie am Hals. Er quietschte: >>Ein s?sses Tierchen. Ich hab' ein s?sses Tierchen.<< Chaos von Schreien, Sch?ssen und Mord dampfte auf. Peter aber blies auf einer Kindertrompete: >>Wer will unter die Soldaten?<< Nach jeder Zeile wischte er sich ?ber die Augen. Denn an der Decke der Sekt hing nun wie ein Geschw?r und tropfte ihm schwarzgalliges Blut ?ber den Totensch?del. In das Gemetzel um Robert spielte von weitem ein Ton: Denn es ist nicht wirklich und wahr. Da sah er, wie Hilde aufstand und wandelte. Er folgte ihr. Wo sie hintrat, klaffte im Tumult eine Gasse auf. Im Schwung steif gewordene Schl?ge, verwundetes Kr?mmen und gierig greifende Arme standen grotesk und unbeweglich, ein schauerlicher Wald erfrorener Fl?che zu Seiten ihres Weges. Ihre Kinderschultern glitten hindurch. Auf der Strasse lag im zerbrochenen Scheibenglas ein Sternstreifen, den sie betrat. Im fl?ssigen Glanz stieg sie, die F?sse silbern ?bersch?ttet, hinan. Leichte Luft bauschte ihr Kleid. Robert, die Lichtbahn ber?hrend, f?hlte sich entk?rpert. Doch riss in ihm eine w?tende Sehnsucht ihn vorw?rts. H?her klomm Hilde, sicherer immer den Fuss in die Luft setzend. Eines Fabrikschornsteins dicker Kopf summte vorbei. Schon verloren die H?user ihre Etagen und drohten dunkle plumpe Quadrate. R?ckblickend sah Robert des Pfades Ende in einem kleinen Feuerkreis, ?berzuckt von spukhaften Strichen, verschimmern. Vor ihm aber wuchs Hilde in eine Landschaft hinein, deren brauner Sand hell unter den Tritten der K?mmlinge knirschte. Meer rauschte an unsichtbare K?sten. Buschige, saftigen Grases behangene D?nen, von buntfarbigen Zelten ?berragt, bauten sich auf. In milden, zart ver?steten B?umen schrieen Papageien. Ein B?r trottete heran, schweren Ganges, und rollte dem?tig vor Hilde zur Erde. Sie wandte sich. Aus den Dornenspitzen bl?hten weisse Winden und schlugen ihre Stirn mit lieblichem Mandelduft. Sie breitete Robert, ein jung geborenes L?cheln ?ber erl?st entspanntem Kinn, die Arme entgegen. Der stiess sich von der Sternenleiter ab. Schwang sich ans Gestade des Eilandes und stand dicht vor Hilde. Sie schloss leicht die Augen und ?ber ihrer Nasenwurzel pochte erregter das Blut durch ein glasblaues ?derchen. Zum erstenmal glaubte Robert sie wirklich zu sehen. Als ob alle Tr?ume aus ihm getreten und K?rper geworden, war sie das einzige Gef?ss seiner Sehnsucht. Nun blickte sie ihn an. Die Augen brachen auf wie das erste L?cheln eines Weib gewordenen M?dchens. Gingen durch ihn hindurch, senkten sich, schmerzlich-s?sse Sonden, tief in seine Seele und tasteten milde ?ber das Harte, Verkr?ppelte, das dort steinig und boshaft unter dem Ger?mpel ausgelebter Tage knollig wuchs. Robert f?hlte, wie ein Schluchzen in ihm aufging. Rings rieselten Wasserf?lle l?sender Tr?nen. In den Ohren begannen Glocken zu l?uten. Gewaltig wie eine Prozession breitete sich das Bewusstsein von Reinheit und Heiligung in ihm aus, ?berfloss alle Widerst?nde und funkelte so in seinen Augen, dass ein Leuchten auf Hilde fiel. Flammender begann die Sonne ihre Strahlen um ihren Kopf zu teilen, das Firmament donnerte innig n?her, zu harmonischem, ?berirdischem Schrei schmolzen die frei schwingenden Lebensrufe der gefundenen Insel zusammen. In erster Gewissheit, w?rdig zu knien, beugte sich Robert. Da stand, von rissigen Fl?geln ?berschattet, hassklingend, stampfend mit kreischenden Angeln im d?rren Bein, Peter neben ihnen. Alles Licht st?rzte in die Tiefe. Gr?nlich schwelte fernes Mondfeuer auf zackigem Gestein. Hilde, erloschenen Sieges, lag in zusammengebrochenem Bettel. >>Nur die Toten leben, vergesslicher Knabe.<< Schwarz brach's aus Peters stockfleckigem Grinsen. >>Tat, die du geschworen, Tat, die in dir reifte, unser Zerschellen nicht m?ssig zu verlangweilen, wo bleibt sie? Gesinnung war Schwur. Lebe, Hochverr?ter!<< Und wieder entbl?sste er die Wunde, ward kleiner und zerl?ste sich. Nur der gr?ssliche Kreis des Bajonettstiches hing wie ein Signal in der Luft. Da schwoll in Robert ein Grauen vor dem Unentrinnbaren, dass er mit beiden Armen besinnungslos um sich schlagend auf den Boden fiel und fiel, fiel, fiel und deutlich verzuckend Hildes suchende Hand, fiel, die Bewegung kurz geworfenen Halses, fiel und fiel, Sausen, nur ein endlich Aufh?ren, Ende, und fiel -- fiel -- -- -- -- --

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