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Munafa ebook

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Read Ebook: Das heilige Donnerwetter. Ein Blücherroman by Paul Adolf

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Ebook has 3052 lines and 130859 words, and 62 pages

Gesagt, getan! Die drei unternehmungslustigen jungen Leute hatten sich bald je ein Pferd eingefangen und ritten, statt den Reitern auf dem grossen Fahrwege ?ber Altenkirchen zu folgen, auf ihren ungesattelten Pferden querfeldein nach der Wittower F?hre hin, wo sie gleichzeitig mit den Husaren anlangten.

Diercks fand unter ihnen seinen Bruder vor, der bei den Schweden diente, und viele Bekannte und Freunde ausserdem. ?ber den Zweck des Streifzuges: nach dem Gang der Aushebung auf R?gen zu sehen, wurde er gleich aufgekl?rt, und bald plauderten sie ?ber die Aussichten Schwedens, seine pommerschen Grenzen im Kriege gegen Preussen zu verbessern. Denn als Schirmherr des Westf?lischen Friedens hatte Schweden sich den Feinden Friedrichs des Grossen angeschlossen, die ihn an seinem k?hnen Unternehmen hindern wollten, die Landkarte f?r sich bequemer zu gestalten. Er hob also auch in seinen deutschen Provinzen Kriegsvolk aus. Und da waren die drei waghalsigen Reiter kein unwillkommener Zuzug zu der Schar, durften sich also ohne weiteres anschliessen, und trabten vergn?gt mit auf dem Wege nach Bergen, bis Venz in Sicht kam. Dort verabschiedeten sich die beiden Br?der von den anderen und ritten nach dem Gutshof hinauf, wo sie bei ihrem Schwager zu Gast waren. Ihr Freund dagegen folgte den Husaren, nicht ohne den lebhaften Neid seiner beiden Gespielen zu erregen, die gern noch weiter mitgeritten w?ren.

,,Weiss Gott," sagte der j?ngste, ,,mir ist's, als geh?rte ich zu dem Kriegsvolk und m?sste mit, gleichviel wohin! W?re ich schon siebzehn, wie du, ich liesse mich anwerben!"

,,Ich besorg's dir, Gebhard und mir auch!"

,,Die Schulbank zu dr?cken habe ich satt! Wozu auch, wo's Pferde gibt? Aber nichts dem Schwager verraten!"

,,Ich werde mich h?ten! Der schickt mich dann gleich zur?ck nach der Schweriner Pagenschule, auf dass ich bei den Mecklenburgern graue Haare kriege, ehe ich ein Offizierspatent bekomme! Da m?chte ich nicht dienen!"

,,Ich auch nicht!"

,,Bei den Preussen aber noch weniger! Ich danke f?r die Fuchtel Fritzens!"

,,Ich auch!"

,,Bei den Schweden reitet sich's viel freier und lustiger!"

,,Gehen wir zu den Schweden!"

Nachdem sie so im Fluge mit echt jugendlicher Sorglosigkeit diese nicht ganz unwichtige Lebensfrage erledigt hatten, sprangen sie von den Pferden, trieben sie wieder auf die Weide und gingen zum Gutshof hinauf, um den Rest des Tages irgendwie totzuschlagen.

In der darauffolgenden Nacht hatte Gebhard einen sonderbaren Traum.

Von scharfen Krallen an der Brust gepackt, wurde er pl?tzlich von der Erde gehoben und hoch durch die L?fte getragen. Schwindelnd schloss er die Augen, sein Atem stockte, sein Herz schlug immer st?rker und st?rker. Schliesslich ging die Aufw?rtsbewegung in ein langsames Sinken ?ber, die Krallen liessen ihn los; er fiel, stiess sanft auf den Boden auf, ?ffnete die Augen und sah ?ber sich den grossen Adler kreisen, h?rte dessen gellende Schreie, die zu Worten wurden. Und die Worte wiederholten kurz, schneidend, immer wieder seine beiden Vornamen: Gebhard Lebrecht, aber in verkehrter Weise.

,,Leb-hart! Geb-recht!

Leb-hart! Geb-recht!" so kreischte es aus der H?he. Und der Adler zog immer weitere Kreise, stieg immer h?her und verschwand schliesslich im tiefen klaren Blau des Himmels, das sich ?ber ihm w?lbte, von rotbraunen, knorrigen ?sten und blassgr?nen Kiefernadelb?scheln umkr?nzt.

Er atmete befreit auf, streckte sich auf dem Lager aus und fand es ganz wie es sein sollte, dass er da oben im Adlernest auf trocknem Gras und Reisig ruhte, statt in seinem Bett.

Dann setzte er sich auf und blickte neugierig ?ber den Rand des Nestes hinaus, sah unter sich wogende Laubkronen, Felder und Wiesen, schneeweisse Kreidefelsen und weit in der Ferne, mit dem Himmel zusammenfliessend, das endlose blaue Meer.

Und der Baum wuchs und schob seine Krone mit dem Adlernest immer h?her in die schimmernde, klare Luft hinauf. Immer weiter wurde der Rundblick, die Insel ringsumher immer kleiner und kleiner. Frei und unbehindert sah Gebhard ?ber das jenseitige Land hinaus, sah St?dte, Burgen, H?fen, W?lder, Felder und Wiesen, Fl?sse und Kan?le und weit in der Ferne schneeige Gipfel in Sonnenlicht gebadet.

Sein Herz schwoll im starken Gl?cksgef?hl, mit dieser ganzen Herrlichkeit eins zu sein und fest in diesem Boden zu wurzeln. Wonnetrunken liess er die Blicke immer weiter schweifen, gen Morgen, ?ber das Meer hinaus, wo m?chtige Kn?uel leuchtenden Dunstes, zu einer gewaltigen Wolkenwand zusammengeballt, in den Strahlen der sinkenden Sonne goldrot aufleuchteten, w?hrend von Westen her ein stickiger, schwarzer Nebel langsam herankroch und die ganze strahlende Herrlichkeit zu verdecken begann. Immer mehr verschlang der Nebel von den gesegneten Gestaden, an deren Anblick er sich soeben erg?tzt hatte. Bald w?rde er den Baum erreichen und sein Adlernest und ihn selbst mit einer undurchdringlichen Nebelkappe ?berziehn.

Eine qu?lende Angst beschlich ihn. Er blickte hinauf, mit der letzten Kraft seiner Augen das schwindende Licht trinkend. Da sah er den Adler heransausen, h?rte wieder sein gellendes Gekreisch:

,,Geb-recht! Leb-hart!

Geb-recht! Leb-hart!"

Und der junge Adler, dem er die Freiheit wiedergegeben hatte, war auch dabei. Er tummelte sich in den L?ften, in stolzem Bewusstsein, ganz wie der Alte seine Schwingen gebrauchen zu k?nnen, und schrie vor Gier danach, seinen Hunger zu stillen. Mit Windeseile schossen sie auf den im Neste Liegenden herab und gruben ihre Schn?bel in seine Brust. An sein Herz wollten sie heran! Ein mutiges Herz war die rechte Speise f?r den K?nig der L?fte! Das Herz wehrte sich aber und flog wie ein gefangener Vogel zwischen den St?ben seines Rippengeh?uses hin und her, um sich dem Griff des scharfen Adlerschnabels zu entziehen. Aber das Raubtier liess nicht von seiner Beute! Immer tiefer w?hlte sich sein Schnabel zwischen die Rippen hinein und versuchte das Herz aus seinem K?fig zu reissen. Das Herz aber war tapfer, krampfte sich zusammen und zog den Kopf des jungen Adlers immer tiefer hinein. So k?mpfte sein Herz mit dem Raubtier, st?hlte sich am Kampfe und wurde kr?ftiger und st?rker, bis es ihm schliesslich gelang, mit einem gewaltigen Ruck den jungen Adler zwischen die Rippen hineinzuziehen. Und da sass er nun im Brustkorb gefangen wie hinter dem Gitter eines K?figs, an Stelle des Herzens, das er mit letzter Anstrengung verschlungen hatte. Das Herz pulsierte wohl noch voller Sehnsucht wie vorhin. Aber seine Sehnsucht hatte jetzt die Schwingen des Adlers bekommen und Kraft, ihn hoch ?ber alle Erdenschwere hinauszutragen.

Er brauchte nur zu wollen. Und im n?chsten Augenblick stand er dr?ben auf der gewitterschwangeren Wolkenwand, die sich immer noch hoch ?ber Land und Meer und ?ber allen qu?lenden Nebeln erhob. Mit Riesenkr?ften packte er sie und presste sie zusammen; Blitze zuckten, die Donner grollten, und vom Feuer des Himmels verzehrt, l?ste sich der schwarze Nebel auf, der schon die Herrlichkeit des ganzen Landes bedeckt hatte, und alles lag wieder im stillen Glanz, befreit da, von der Abendr?te umglutet. - -

Aber hoch ?ber ihm, dem es im Traum gegeben wurde, die Blitze des Himmels zu schleudern, kreiste der Aar, dessen Junges ihm ans Herz gewachsen und zum zweiten Herzen geworden war. Und gellend wie die Kriegstrompete schmetterte er sein Gekreisch in die L?fte hinaus:

,,Leb-hart! Geb-recht!

Leb-hart! Geb-recht!"

Er erwachte j?h und lag noch lange, ehe es ihm klar wurde, dass es nur ein Traum gewesen war und dass er in seinem Bette lag in seiner Schwester Haus zu Venz auf R?gen und nicht im Adlernest draussen auf den Felsen von Stubbenkammer. Und er starrte seinen Bruder Siegfried fragend an, der lange draussen seinen Namen gerufen hatte und jetzt mit Freund Diercks hereinst?rmte, um ihn aus dem Schlafe aufzur?tteln.

,,Auf!" riefen sie, ,,heraus aus dem Nest! Heute fangen wir den jungen Adler wieder ein!"

,,Den Adler?" fragte Gebhard und rieb sich die Augen und griff sich an die Brust, wo er ihn hineingetr?umt hatte. ,,Meine M?tze zieht ihr ihm aber nicht mehr ?ber den Kopf! Das gibt dann wieder Tr?ume, wenn ich sie aufsetze!"

Er sprang aus dem Bett, schl?pfte in die Kleider, gab sich kaum noch Zeit, den bereitstehenden Morgentrunk zu schl?rfen, sagte seiner Schwester rasch guten Morgen und war eben im Begriff, den anderen auf neue Abenteuer zu folgen, als sein Schwager, der Kammerjunker von Krackwitz, ihn aus dem Fenster seines Arbeitszimmers rief.

,,Ihr m?sst euch heute ohne Gebhard behelfen", sagte er, ohne ihren langen Gesichtern Beachtung zu schenken. ,,Ich brauche ihn hier!"

Dagegen war nichts zu wollen. Gebhard musste mit sehns?chtigen Augen die anderen abziehen sehen und ging dann zu seinem Schwager hinein.

Der Kammerjunker war ein solider, ehrenfester Mann, ohne jeglichen Hang zu abenteuerlichen Tr?umereien, stand mit beiden F?ssen fest auf dem Boden realer Tatsachen und packte das Leben von der n?tzlichen Seite an, wie sich's f?r einen Mann von Grunds?tzen geh?rt.

Nach geb?hrender Hervorhebung des Umstandes, dass er gewissermassen an Vaters Stelle st?nde, nachdem er Gebhard in seinem Hause aufgenommen hatte, f?hrte er dem jungen Schwager zu Gem?t, er d?rfe das Leben nicht zu sehr auf die leichte Achsel nehmen. Er sei bereits sechzehn, also in einem Alter, wo der Ernst des Lebens zu beginnen und das Spiel aufzuh?ren h?tte! Ob er sich schon Gedanken ?ber die Zukunft gemacht habe? Und was er wohl zu werden gedenke?

,,Soldat wie der Vater und die Br?der!"

Das w?re ja alles gut und sch?n! Aber - wo er der J?ngste unter sieben Br?dern sei, die alle dienten! Und bei dem beschr?nkten Einkommen seines Vaters? Ohne Zuschuss vom Vater k?nne er nicht daran denken, auf der Offizierslaufbahn vorw?rts zu kommen!

,,So hilf du mir!"

Dem w?re er wohl nicht abgeneigt! Aber gegen die milit?rische Laufbahn h?tte er seine Bedenken! Erstens geh?re R?gen zu Schweden. Er w?re also Schwede und k?nnte ihn wohl durch seinen Einfluss in schwedischen Diensten vorw?rtsbringen! Aber - das h?tte seine zwei Seiten! Mit der schwedischen Macht ginge es abw?rts. Lange w?rden die Schweden ihre deutschen Besitzungen nicht mehr behaupten k?nnen! Eines Tages k?me man unter andere Herrschaft, und er h?tte dann von vorne anzufangen. Denn lieber gar nicht! Lieber Landwirt werden! Da k?nne er besser helfen! Er w?rde ihn in allen St?cken unterrichten und ihm dann helfen, eine eintr?gliche Pachtung zu bekommen, damit er auf eigene Beine k?me im Leben! Das w?re doch die Hauptsache! Und h?tte er dann noch das Gl?ck, eine Frau zu finden, die auch nicht mit leeren H?nden k?me, dann w?re er sein eigener Herr. Und dann - wenn's nicht anders ginge, und wenn die Lust in ihm ?berm?chtig werden w?rde -, dann w?re es immer noch Zeit, zur Fahne zu gehen! -

Bei der Rede des Schwagers wurde es ihm zumute wie gestern, als er die Gespielen davon sprechen h?rte, den jungen Adler in den H?hnerstall zu sperren. Alles in seinem Innern lehnte sich dagegen auf.

Die graue Allt?glichkeit eines unbemerkten Schicksals sagte ihm wenig zu. Im Spiele mit den Rostocker B?rgerss?hnen war er stets der F?hrer gewesen, der sie alle anfeuerte, allen voranst?rmte und die Palmen des Sieges an sich riss! Nur so und nicht anders konnte er sich das Leben denken! Aber tagaus, tagein hinter dem Pfluge torkeln, das sagte ihm ganz und gar nicht zu. Er antwortete nicht. Und der Schwager, der sah, wie schwer ihm die Entscheidung wurde, drang nicht weiter in ihn, sondern machte ihm nur den Vorschlag, vorl?ufig auf seinem Gute alles zu erlernen. Er setzte ihm sogar ein Gehalt aus, sobald er sich eingearbeitet haben w?rde, und lud ihn zu einem Ritt durch die Felder ein, um erst alles in Augenschein zu nehmen.

Gebhard folgte ihm schweigend.

Kaum sass er aber im Sattel, so war die Missstimmung verflogen. In der Phantasie trabte er jetzt nicht aus, um die Erdarbeiter zu inspizieren, sondern st?rmte an der Spitze einer Schar Reiter auf den Feind los. Und der Schwager hatte M?he, ihm zu folgen.

Als sie nach einem erfrischenden Ritt zur?ckkehrten, strahlten Gebhards Augen wieder in voller Lebenslust, seine Stirn war klar. Er tat sich g?tlich bei einem reichlichen Mittagsmahl und empfing so den von der Adlerjagd zur?ckkehrenden Bruder. Der hatte geholfen, den jungen Adler wieder einzufangen. Und Freund Diercks hatte den Wildvogel geradeswegs nach Gagern gebracht, damit Gebhard ihm nicht wieder die Freiheit g?be!

Abends aber, als sie zu Bett gingen, fl?sterte ihm der Bruder etwas zu, das sein Blut in Bewegung brachte.

,,Morgen in aller Fr?h', ehe der Schwager munter wird, geht's nach Bergen!"

,,Nach Bergen?"

,,Ja, zu den Husaren! Ich lasse mich bei den Schweden einstellen! Du auch!"

,,Ist es denn m?glich?"

,,Diercks hat es mit mir ausgemacht. Er will auch selbst Handgeld nehmen, wie sein Bruder!"

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