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Read Ebook: Novelle by Balbo Cesare Conte
Font size: Background color: Text color: Add to tbrJar First Page Next PageEbook has 179 lines and 14938 words, and 4 pagesIllustrator: Dorothea Hauer Anmerkungen zur Transkription Im Original gesperrt ausgezeichneter Text wird ~so dargestellt~. Im Original in Antiqua gesetzter Text wird +so dargestellt+. Weitere Anmerkungen finden sich am Ende des Buches. Schattenspiel um Goethe Schattenspiel um Goethe Von Ludwig Sternaux Mit 49 Federzeichnungen von Dorothea Hauer Bielefeld und Leipzig 1922 ~Verlag von Velhagen & Klasing ~ Louis Esternaux dem g?tigen Freunde fr?her Jahre in dankbarer Erinnerung Uns Lebende zieht Sehnsucht zu den Toten; hinweg von den Zahllosen, die uns umdr?ngen, die uns die warme Hand entgegenstrecken, in deren Augen wir lesen k?nnen, gehen wir einsamere Wege und beschw?ren die Gewesenen, die uns nicht Rede stehen. Wie Helden auf einer n?chtlichen, von Sturm umrauschten B?hne sehen wir sie mit flatternden Gew?ndern, mit starken Geb?rden die Geschichte ihres Lebens spielen und werden nicht m?de, den tragischen und s?ssen Worten zu lauschen, die aus tiefer Vergangenheit abgerissen zu uns auft?nen. ~Ricarda Huch ~Tiefurt und Wittumspalais >>O Weimar! Dir fiel ein besonder Los!<< ~Goethe ~Fr?hlingssonne. Weimar funkelt. Regen hat ?ber Nacht die Strassen blank gewaschen, dass sie wie Firnis gl?nzen. Alles atmet Duft und Morgenfrische. Da ist es gut, durch die Stadt zu wandern und sich wieder einmal das M?rchen erz?hlen zu lassen, von dem sie nun schon hundert Jahre tr?umt. Ein Weilchen steht man unschl?ssig auf dem Marktplatz. Die braunen Giebel des Cranachhauses brennen in erster Glut, um Klauers Neptunbrunnen trippeln die Tauben, sehr lustig anzusehen, und bei Tietz werden gerade die Markisen heruntergelassen. Wohin zuerst? fragt Ungeduld ... Da, gleich um die Ecke, geht's zum Goethehaus. Die gelbe Front leuchtet durch die ganze Frauentorstrasse. Da zur Esplanade. Oder, wie man jetzt ja sagen muss: zur Schillerstrasse. Und da, an >>Elephant<< und >>Erbprinz<< vorbei, zum Park. Es lockt so vieles. Und da biegt man, st?rkerer Lockung widerstehend, in die enge Windischenstrasse neben dem Rathaus: Alt-Weimar tut sich auf. Schmal die Gasse, schmal die H?user: Zwielicht der Kleinstadt. Der Himmel nur ein blauer Streifen. Hier tollten die Ratsm?del der B?hlau, die Wildf?nge. Das graue Haus da, es ist vielleicht das Kirstensche. Steingerank umzieht die T?r, unterm Dachsims hocken Putten: Rokoko, verstaubt und lieblich. Singsang, aus offnem Fenster wehend, beschw?rt Tr?ume, Versunkenheit l?chelt. Wo seid ihr jetzt, R?se und Marie? Hier wohnte aber auch der Kanzler von M?ller, Goethes Freund und Testamentsvollstrecker. Eine schwarze Tafel meldet's. Man blickt versonnen zu den Fenstern hinauf. Gaben sie doch dem Tische Licht, an dem die >>Unterhaltungen<< niedergeschrieben wurden. Fama weiss dazu von Gr?ssen, die aus diesen Fenstern zu andern gegen?ber wanderten, wo hinter wehender Gardine, hinter Blumenst?cken zuweilen M?dchenaugen leuchteten ... dann da wohnten die beiden jungen Gr?finnen Egloffstein mit ihrer Mutter, Julie und Lina, die eine, die Malerin, Goethes >>sch?ne Sch?lerin<<. M?ller liebte die beiden h?bschen M?dchen. Haben die's gewusst? Ich glaube: nein. Es war eine ungl?ckliche Liebe, und es blieb bei Gruss und L?cheln. Ja, es ist klassische Welt, die hier in Gassenenge d?mmert. Drei Jahre lang, von 1797 bis 1801 auch Schiller-Welt ... was keine Tafel meldet. Denn hier, beim Per?ckenmacher M?ller, wohnte Schiller, ehe er nach der Esplanade zog. Zwei Treppen hoch. Mieterin vor ihm war Charlotte v. Kalb gewesen, die geliebte. Wie anspruchslos, wie bescheiden, wie ?rmlich Haus und Zimmer! Und, wie Schiller selbst klagt, auch recht >>tumultarisch<<. Die Kinder, der L?rm des nahen Markts, unter ihm der ewig musizierende Geheimrat v. Schardt, Frau v. Steins Bruder, st?rten ihn in der Arbeit. Trotzdem entstanden hier in der >>W?nschengasse<< eine >>Maria Stuart<< und die >>Jungfrau<<. Und viele von Schillers tiefsten, schwersten Gedichten. Was keine Tafel meldet ... Und leise wandelt sich die Chodowiecki-Szenerie in Mittelalter, in Gassengewinkel und uraltes Gem?uer. Grau und finster steigt das pl?tzlich auf, tr?gt schweres Dach und Erkerzierat, die Fensterscharten haben Butzenscheiben, Eisenzahlen, auf den Stein geschn?rkelt, deuten in fernste Jahre. >>Am Palais<<, erkl?rt das Strassenschild. Am Wittumspalais also, Anna Amalia Witwensitz. Da die Einfahrt! Auf den Torpfeilern bekr?nzte Urnen. Das allein ist Rokoko, ist Zopf. Sonst ringsum veritables Mittelalter. Man denkt wirklich mehr an Herzog Wilhelm den Frommen, der hier Franziskanern-Barf?ssern eine >>Burg Gottes<< errichtete, denn an Anna Amalia in Reifrock und Per?cke. Als die M?nche der Reformation wichen, wurde die Klosterkirche Kornhaus. Die Bauern steuerten hier den >>Zehnten<<, und Fluch schwelte Jahrhunderte um die d?steren Mauern. Anno 1767 kam dann der allm?chtige Minister von Fritsch, der Anna Amalia rechte Hand in den letzten Jahren ihrer Regentschaft f?r den unm?ndigen Carl August. Die Klostergeb?ude wurden umgebaut, mit neuen Fl?geln an der nahen Stadtmauer ergab sich ein h?bsches, bequemes Palais. Das Kornhaus selbst blieb, was es war, bis es unter Carl Alexander, Carl Augusts Enkel, Verwendung fand als Grossherzogliche Musikschule. Das ist das Haus noch heute, wenn auch nicht mehr Grossherzoglich, und wo einst feierliche Messen zelebriert wurden und der Weihrauch dampfte, ?ben die Musiksch?ler fleissig ihre Tonleitern. Mitunter aber dringt aus den kleinen Rundbogenfenstern auch Orgelklang, ganz dumpf, ganz verhalten, ein dunkles, geheimnisvolles Brausen. Dann ist es einem, als ob die alte Zeit wiedergekehrt w?re ... Und ein paar Jahre sp?ter. 1774. Das Residenzschloss brennt nieder. Anna Amalia ist obdachlos. Das Belvedere? Ist Sommerresidenz. Hat nicht einmal ?fen. Da bietet Fritsch der Herzogin dieses sein neues Palais in der >>W?nschen-Windischengasse<<, sie nimmt es dankbar an. Und h?fischer Prunk zieht in das einfache, fast b?rgerlich bescheidene Haus, das nun den Namen >>Wittumspalais<< erh?lt. So die Historie. Nun sieht das Wittumspalais heute freilich etwas anders aus, als man es sich in jenen Tagen seines h?chsten Glanzes vorstellen darf. Hundert Jahre sind eine lange Zeit, da ver?ndert sich mancherlei. Damals, als Anna Amalia es zu dem ber?hmten >>Sitz der Musen<< machte, Goethe, Schiller, Wieland und viele andere Leute von Rang und Namen dort ein- und ausgingen, lag es in einem grossen park?hnlichen Garten, der die ganze heutige Wielandstrasse einnahm. Gartenmauer und Stadtmauer waren eins. Ein Aquarell von der F?rstin eigener Hand, jetzt Besitz des Weimarer Vereins >>Frauenbildung-Frauenstudium<<, zeigt reizend diesen Garten: grosse schattige B?ume, verschlungene Wege, k?nstliche H?gel und Grotten. Mitten drin ein Pavillon. Das war der Chinesische Tempel. Da sassen Anna Amalia und die kleine bucklige G?chhausen mit Vorliebe an den letzten warmen Tagen des Jahres, wenn die Astern bl?hten und die Bl?tter leise von den B?umen fielen ... Oeser, Goethes Lehrer, hatte ihn +? la Chinoise+ ausgemalt, sehr fein, sehr zart, so etwa, wie das jetzt Orlik oder Walser machen w?rden, und vielleicht hat hier Goethe den Damen einmal den Urfaust vorgelesen, den die G?chhausen dann, uns zum Heil, so h?bsch sauber abgeschrieben hat. Als sp?ter die Stadtmauer fiel, der >>Schweinemarkt<< davor vornehm ein Carls-Platz, der Garten selbst f?r H?userbauten aufgeteilt wurde, liess Carl August den Tempel nach dem Belvedere schaffen. Dort findet man ihn noch heute hinter der Orangerie, allerdings in traurigem Verfall. Aber die Chinesen und Chinesinnen Oesers l?cheln noch immer lieb und einf?ltig, und der Blick aus den Fenstern, der weit ins Th?ringer Land reicht, ist sogar anmutiger als anno dazumal der im alten Weimar, wo das Auge nur das freie Feld vor der Stadtmauer und ein paar karge Schreberg?rten fand. Jetzt liegt das Wittumspalais ganz in Strassen eingewinkelt, an der Vorderfront die Schillerstrasse und der Theaterplatz, seitlich die Zeughofgasse. Nur die Pappeln ?ber dem kleinen Hof und eine einsame Kastanie neben dem einstigen Kammerfrauen-, dem jetzigen Kastellanshaus erinnern noch an jenen Garten. Jetzt liegt das Wittumspalais auch, sieht man es vom Theaterplatz aus, viel h?her. Der Platz ist aufgesch?ttet worden, und so ging das Untergeschoss der Strassenfront verloren. Das Portal, das heute Einlass gew?hrt, f?hrt gleich in den fr?heren ersten Stock. Dies Portal gab's damals ?berhaupt nicht. War eins der vielen Fenster. Und wenn man in das Haus hineingelangen will, wie es Anna Amalia und ihre G?ste betraten, so muss man von der Windischenstrasse aus kommen, wo >>Am Palais<< die Einfahrt war und noch ist, und ?ber den Hof gehen ... unter dem finsteren Tor des alten Klosterfl?gels hindurch, an der K?che und den St?llen vorbei. Das mag da oft ein buntes Leben gewesen sein, wenn die Herzogin Empfang hatte oder ein Fest, einen Ball gab. Da dr?ngten sich dann wohl bei Fackelschein die S?nften und Karossen, die Pferde scharrten, Hunde bellten , Haiducken und L?ufer l?rmten dazwischen, und in der offenen K?che wirtschafteten die K?che an den f?nf riesigen Herden. Oder die Herzogin ritt aus. Solch eine Kavalkade hat Johann Friedrich L?ber gemalt. Anna Amalia selbst auf einem Schimmel, sehr klein, sehr zierlich, am zierlichsten ihr Fuss in rotem Reitstiefelchen, worauf sie mit Recht stolz war. Neben ihr, gross und breit, Liutgarde v. Nostitz, die Hofdame, dahinter der Oberhofmarschall v. Witzleben und der Stallmeister Josias v. Stein, Charlottens Mann. Ein Zwergl?ufer f?hrt die T?te. So ging es durch die enge Windischengasse und, am Markt vorbei, durch die Frauentorstrasse zur Esplanade, immer von Gaffern begleitet ... so ging's wohl auch nach Belvedere, Tiefurt, Ettersburg. Auch die Esplanade sah damals anders aus als heute. War eine Promenade mit einem Lusthaus in der Mitte und einem Goldfischteich, von der Herzogin selbst angelegt, weil ihr der Weg nach dem >>W?lschen Garten<< hinter der Ackerwand zu weit war und weil sie vom Palais aus h?bsche Aussicht haben wollte. Denn vorher hatte hier ein w?stes Durcheinander von Gr?ben, W?llen und T?mpeln das Auge gequ?lt. Nachts wurde diese Promenade durch Gitter geschlossen. M?hlich wandelte die Esplanade sich dann in Strasse, H?user gaben festen Rahmen, das Hauptmannsche Redoutenhaus, auch vom obdachlosen Hof zu gr?sseren Festen benutzt, war eins der ersten. An seiner Stelle prunkt jetzt ein Neubau, ein Kaffeehaus, wo Billard gespielt wird und eine Musikkapelle Weimars Lebewelt mit den neuesten >>Schlagern der Saison<< erfreut. Da aber, wo die Esplanade auf das Wittumspalais st?sst, unweit besagtem Caf?, f?hrt eine dunkle, ganz verschattete Treppe an dem alten Klosterfl?gel des Palais entlang zur >>W?nschengasse<<. Ein wilder Birnbaum hat sich hier im Mauerwerk verwurzelt, und die Treppe ist wie eine Laube ... in Sommern?chten eine beliebtes Stelldichein, heut wie ehedem. Wenn Ottilie v. Pogwisch und August v. Goethe abends bei Schopenhauers gewesen waren, die auf der Esplanade wohnten, dann schl?pften sie hier erst f?r Augenblicke unter, um sich satt zu k?ssen, ehe er die Geliebte nach Hause brachte ... was ?brigens keines weiten Wegs bedurfte, denn Frau v. Pogwisch wohnte ebenfalls auf der Esplanade, neben dem Schillerhaus. Und die B?hlauschen Ratsm?del wussten den verschwiegenen Ort auch durchaus zu sch?tzen. Dort lauerten sie in der D?mmerstunde den armen Liebespaaren auf, um mit den Erschreckten ihre Allotria zu treiben; dort lasen sie heimlich die Liebesbriefe, wenn Ottilie Pogwisch und Adele Schopenhauer die beiden B?lger in der Kummerfeldenschen N?hstunde als postillions d'amour benutzten; dort k?ssten sie sich sp?ter selbst mit ihren Freunden. Das alles weiss der wilde Birnbaum noch sehr gut, so jung er damals auch gewesen. Und wer in lauen N?chten hier ins Dunkel zu tauchen wagt, dem erz?hlt's das leise Rauschen der Zweige. Dem klingen die alten Namen aus der Vergangenheit herauf, und um jeden flicht Legende ihren Kranz. Doch zur?ck zu Anna Amalia! Ein Menschenalter hat sie im Wittumspalais gewohnt, bis zu ihrem Tode. Und sie starb 1807. R?hrig, still und einfach lebte sie hinter diesen Fenstern, diesen Mauern, nur im Fr?hling und Sommer die Stadtwohnung mit dem nahen Tiefurt tauschend, zuweilen, doch nie lange, auf Reisen. Ihre Freundin und Vertraute: die G?chhausen. Luise mit Vornamen, aber Freundesscherz nannte sie, die zwerghaft-zierliche, Thusnelda. >>De Frailein von Kechhausen, wisse Se, wo bloss so glein kewese is, das heisst nemlich, h?re Se, se war pucklich un verwachse, aber s?hr gluch.<< So der Kastellan des Wittumspalais, der vermutlich aus Sachsen ist. Erich Schmidt, der ihre Urfaust-Handschrift fand, hat sie dann so ber?hmt gemacht, dass heute die Jungen und M?dels in der Schule ihren Namen lernen. Und Goethe-Verse, leibhaftige, huldigen ihr: >>Der Kauz, der auf Minervens Schilde sitzt, Kann G?ttern wohl und Menschen n?tzen; Die Musen haben dich besch?tzt, Nun magst du sie besch?tzen.<< Was die Kleine redlich tat. Andere Hausgenossinnen der Herzogin: die Kammerfrauen. Auch hier bekannte Namen. Amalie Kotzebue, die Tante Augusts, treu der Herrin bis zur Erblindung. Genast, der Schauspieler, sah als Knabe die Blinde noch im Hofe des Palais in der Sonne sitzen. Amalie von Berg, die Schriftstellerin, die auch eine Kotzebue war und sp?ter den Steuerrat Ludecus heiratete. Ihr Grab ist auf dem Alten Friedhof am Poseckschen Garten. Und die beiden Bendas ... alle, worauf Anna Amalia grossen Wert legte, nicht Domestiken, sondern Talente und >>sch?ne Geister<<. Diese drei Jahrzehnte Wittumspalais unter Anna Amalia umspannen Goethe-Welt. 1775, im November, taucht der Dichter des >>Werther<< in Weimar auf, >>mit seinem schwarzen Augenpaar, zaubernden Augen mit G?tterblicken, gleich m?chtig zu t?ten und zu entz?cken<<, ein Meteor, das schnell zum Stern wird, der ?ber Weimar stehen bleibt wie der Stern der Verheissung ?ber Bethlehem. Und so auch ?ber der Herzogin Am?lie Palais ... jetzt, wo die Regierung aus ihren H?nden an den m?ndig gewordenen Carl August ?bergangen, tats?chlich nur noch ein Witwensitz. Und Goethe-Welt ist es, die dies stille Haus spiegelt. Auch hier, hat man den d?steren Torbogen erst passiert, der junge Fr?hling. Gr?nes Licht rauscht auf, betritt man den Hof. Die Spatzen unter der Kastanie l?rmen. Sonne legt Gold auf die grauen, verwitterten W?nde und l?sst die toten Fenster glitzern. T?r, Treppe, Vorplatz: ein B?rgerhaus. Wie am Frauenplan. Beh?big, aber ohne jeden Prunk. Den bieten erst die Zimmer. Die seidenen Tapeten leuchten, das Parkett gl?nzt, die Kristall?ster flimmern. Aber es ist ein sterbendes Rokoko. Ein paar der weissen Stuckdecken, ein paar M?belst?cke gefallen sich noch in geschweifter Linie. Alles andere ist bereits Empire: steif, k?hl, sparsam im Ornament. Ein Kranz, eine Schleife, ein d?nnes Fruchtgeh?nge, an den weissen T?ren, an der Boiserie der Fensternischen schmale goldene Linien -- das ist alles. ?ppig nur die Bilder. Da das herrliche Portr?t der F?rstin von Tischbein: die grossen Augen, der zarte Mund, um den verhaltenes L?cheln spielt, die sch?ne B?ste ... Anna Amalia, wie Goethe die >>verwittibte Herzogin<< zuerst sah. Da Friedrich der Grosse, der F?rstin Oheim, >>in zugekn?pftem blauen Zivilrock mit Ordenssternen, wie er soeben den Siebenj?hrigen Krieg beendet hat<<, das einzige Bild, zu dem der K?nig gesessen hat: der herrliche, sieghafte Glanz der Friedrichs-Augen flimmert auch in denen der Nichte. Da, im rotbespannten >>Dichterzimmer<<, Goethe und Schiller, von May, von Graff; im Schlafzimmer der Herzogin die S?hne: Carl August, achtzehnj?hrig, von Schlosser, und Constantin, ein dunkel?ugiges zartes Kind, von Tischbein. Und so fort. Die ganze Dynastie, der ganze Hof, Weimar in Goethe-Tagen. Selbst die beiden Schwestern Gore fehlen nicht, die Engl?nderinnen, deren eine, die sch?ne Emilie, Carl August nahe gestanden haben soll. Und auch Corona Schr?ter nicht. Wie sie l?chelt! Kaum verh?llt das Kleid den vollen Busen, Locken rahmen das Iphigenien-Antlitz. Wen hat in Weimar man so gefeiert wie sie? Wen so rasch vergessen? Ihr L?cheln tut weh, und die schmale Galerie, in der ihr Bild h?ngt, verfinstert sich, denkt man des einsamen Grabes in Ilmenau. So weckt hier jedes Bild, jedes Zimmer, jeder Gegenstand Erinnerungen. Das Herz h?lt Totenschau und ist, f?r tiefe Augenblicke, den Toten n?her als den Lebenden. Zumal im >>Lesezimmer<<, das hinter den verh?ngten Fenstern ein gr?nes Zwielicht geheimnisvoll erregend f?llt, dr?ngen sich die Schatten. Georg Melchior Kraus, der Maler, hat den Abendkreis von Menschen, der hier sich bei der Herzogin so oft zusammenfand, im Bilde festgehalten. Da sitzen sie alle um den Tisch, in der Mitte die F?rstin, die malt, rings um sie herum, ganz zwanglos, die anderen: Goethe, der vorliest, neben ihm Einsiedel, dahinter, bei riesigen Bildermappen, Heinrich Meyer, und die >>sch?ne Kehle<<, das Fr?ulein v. Wolfskeel, schaut gespannt, welchen Kupferstich, welche Zeichnung Meyer der Gesellschaft vorlegen wird. Gegen?ber die Gores, Vater und T?chter, ?ber eine Stickerei gebeugt die G?chhausen und, bequem in den Stuhl zur?ckgelehnt, Herder. Was liest Goethe vor? Wovon sprechen sie? In welche Fernen blickt Herders Auge? Vielleicht steigt Italien vor ihnen allen auf, wo die Herzogin vor kurzem gewesen ... Italien, das, wie Goethe in seiner Widmung der >>Venetianischen Epigramme<< r?hmt, Anna Amalia ihnen in Germanien von neuem erschuf. Vielleicht liegen in den Mappen neben Meyers Sessel die Aquarelle von Tivoli, die jetzt im gr?nen Wohnzimmer der Herzogin h?ngen, vielleicht ist es das Tagebuch seiner italienischen Reise, in dem Goethe bl?ttert ... wer kann es wissen? Eines Tages begegnen Offiziere auf der Landstrasse nach Jena einem alten Manne in d?rftigem Reisehabit. >>Was ist das f?r ein n?rrischer Kerl?<< fragt einer ... >>Er wird das Handwerk gr?ssen!<< meint ein anderer, sehr von oben herab. >>O nein!<< f?hrt da der erste fort, >>ich habe ihn gestern im Garten der Herzogin gesehen.<< Es war der Dichter Seume. Und so wie er durfte kein >>sch?ner Geist<< Weimar passieren, ohne im Wittumspalais eingekehrt zu sein. Es hat dieser G?ste vielerlei gesehen, ihre Namen klingen mit, wenn der Name >>Wittumspalais<< aufklingt. Der alte Wieland vor allem, so vertraut, dass er jederzeit Zutritt hatte, dann Goethe nat?rlich, Herder und Schiller. Sie w?re eine wackere Frau, die Herzogin, und es lebte sich gut mit ihr, bekannte Schiller, der skeptisch war gegen F?rstengunst. Lenz, Klinger tauchen sporadisch auf. Auch Merck. Sp?ter wird Jean Paul feierlich empfangen -- wetteiferte an schnellem Ruhm er eine Zeitlang doch fast mit dem Herrn vom Frauenplan! Sein Schreibsekret?r, sp?ter hierher gebracht, erinnert an ihn. Auch Jena schickte illustre K?pfe: Humboldt, Hufeland, Fichte, Schelling, Hegel. Und von der Sta?l, die bei der Herzogin wiederholt zu Gast, erz?hlt Goethe in den >>Annalen<< folgende Anekdote: >>An einem personenreichen Abendessen<< sitzt Goethe in Schweigen versunken. Irgend jemand h?lt sich dar?ber auf. Die Sta?l pflichtet bei. Und f?gt hinzu: >>?brigens mag ich Goethe nicht, wenn er nicht eine Bouteille Champagner getrunken hat!<< Goethe h?rt's und meint schlagfertig: >>Da m?ssen wir uns denn doch schon manchmal zusammen bespitzt haben.<< Unterdr?cktes Lachen, verlegene Pause im Gespr?ch. Die Sta?l, des Deutschen nicht m?chtig, will wissen, was er gesagt. Niemand traut sich, bis Benjamin Constant es unternimmt, >>ihr mit einer euphemistischen Phrase genugzutun<<. Wo dies >>personenreiche Abendessen<< gewesen? Vermutlich im Obergeschoss, im >>Theatersaal<<. Da ist erst das sch?ne, t?rkisblaue >>Empfangszimmer<< mit den weissgoldenen M?beln und den Leuchtergirandolen, die Goethe der Herzogin aus Italien mitgebracht, und dann, mit den Fenstern nach Hof und Esplanade, dieser Saal. Hier wurde getafelt, hier Theater gespielt, hier getanzt. Die Decke von Oeser. Die ?bliche Allegorie. Die W?nde sch?ner roter Marmor. Die Sessel gelber Atlas. Ein Riesenteppich deckt den Boden. Alles sehr festlich und, wenn die Kerzen flimmern, sicher warm und behaglich. Goethes >>Pal?ophron und Neoterpe<< hat hier, anno 1800, der alten Herzogin gehuldigt ... ein Maskenspiel, in Worten t?ndelnd, die leicht wie Hauch, der Spinettklang einer abgelebten Zeit. Dieser Klang haftet noch. Man sp?rt ihn bis in letzte Nerven. Nur ist die heiter-bewegliche Gesellschaft, die einst danach tanzte, tot, und jetzt schwingen hier im Lichte sich allein die Sonnenst?ubchen. Lange lag diese ganze Welt in tiefem Schlaf. Man schien vergessen zu haben, dass hier einst eine >>vollkommene F?rstin mit vollkommen menschlichem Sinn<<, wie Goethe Anna Amalia genannt, gewohnt hatte. Schien vergessen zu haben, dass ?ber die schlichte graue Holztreppe die erlauchtesten Geister einer grossen Zeit geschritten waren. Weimar trieb Kult mit andern G?ttern: wenn Liszt sich, lockenumwallt, am Fenster seines Hauses in der Belvedere-Allee sehen zu lassen geruhte, zwang Verz?ckung die Weiber auf die Knie ... ein paar Akkorde, von seiner Hand gegriffen, faszinierten eine Welt! Erst Carl Alexander brach den Bann. Add to tbrJar First Page Next Page |
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