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Read Ebook: Novelle by Balbo Cesare Conte
Font size: Background color: Text color: Add to tbrJar First Page Next Page Prev PageEbook has 179 lines and 14938 words, and 4 pagesErst Carl Alexander brach den Bann. Da s?uberte das alte Schl?sschen man sorgf?ltig von Spinneweben und Domestikenplunder und baute h?bsch zierlich, von Zimmer zu Zimmer, die Erinnerungen auf, die dem Einst Gl?ck und Rausch verflogener Stunden gewesen ... die vielen Bilder, das Porzellan, die Uhren, die Vasen aus Alabaster und Biskuit, die Bronzen, das Tausenderlei von Andenken, das Reisen und Besuche angeh?uft, Tand vielleicht und doch mehr, weil Herkunft und Gebrauch die meisten der Sachen geadelt. So fein baute man das alles auf, dass Anna Amalia, die sehr auf Ordnung hielt, nichts auszusetzen f?nde, schritte sie jetzt noch einmal die Flucht der Zimmer ab. Alles steht an seinem Platz ... sie f?nde im Wohnzimmer das Schachbrett, im Schlafzimmer Waschservice und Fr?hst?cksgeschirr, am Fenster ihre Malutensilien; da die kleine antike R?ucherlampe auf dem >>Balkon<< des gusseisernen Ofens harrt nur der Hand, die sie anz?ndet, da auf dem Spinett die Mandoline nur der Finger, die sie zum Klingen bringt. Die Noten daneben, Mozart, liegen aufgeschlagen, und auch die Harfe steht bereit. Ja, sie f?nde sogar in einem kindlich mit Goldpapier verklebten Glask?stchen die winzigen rotseidenen Pantoffeln ... Aber sie kommt nicht. Die Stadtkirche h?tet ihre Toten gut. Nur ihr Geist beseelt noch immer die R?ume, die sie einst bewohnt, den kann kein Stein und keine Gruft bannen. Und die alte Dame auf Jagemanns Bild, Anna Amalia 67 Jahre alt, l?chelt, als ob sie das w?sste. Wagenfahrt unter bl?henden Obstb?umen. Die Sonne schon sommerlich warm: Gold tropft aus dem gr?nen Baldachin des Laubes, verwehte Bl?tenbl?tter taumeln gleich lichttrunkenen Faltern. Da die Landstrasse h?her steigt, wandert das Auge ?ber Felder, die sich wie blasser Brokat wellen. Dazwischen ein Silberband: die Ilm, der >>liebe Fluss<<. An ihrem Ufer Tiefurt. Goethes Tagebuch am 20. Mai 1776: >>... Tiefurt. Einzug.<< Am 21.: >>In Tiefurt mit den beiden Herzoginnen, Edelsheim usw. Drauss geschlafen.<< Und ein Brief Knebels: >>Wir vertrieben den P?chter aus seiner Wohnung, rissen die Bauerngehege hinweg und bereiteten nach und nach einen angenehmen Aufenthalt in der ?beraus g?nstigen Gegend.<< So beginnt Tiefurts klassische Zeit. Das P?chterhaus des Kammerguts, ein anspruchsloser Bau ohne jeden Stil und Komfort, wird auf Wunsch der Herzogin Sommerquartier des Prinzen Constantin, Carl Augusts Bruder. Knebel, der Erzieher des Prinzen, richtet die Wohnung her, Goethe, Hansdampf in allen Gassen, muss helfen. Zwei Stuben m?ssen vorl?ufig gen?gen. Oeser malt sie in pompejanischer Manier aus: auf gelbem Grund ein wenig Blumenornament. Am 20. Mai der Einzug. Der ganze Hof ist draussen, auch Goethe mit Frau von Stein. Die Bauern empfangen den Prinzen mit >>Musik, B?llern, l?ndlichen Ehrenpforten, Kr?nzlein, Tanz, Feuerwerkspuffer, Serenade usw.<<. Zwei Tage dauert das Fest. Da im Schl?sschen noch keine Betten f?r G?ste, ?bernachten der Herzog, Goethe und >>noch einige<< im Freien ... was man damals, jugendlich begeistert, als >>Erdgef?hl<< cachierte. Dieser Prinz Constantin, schon in fr?hen Jahren ein Sorgenkind, hat hier bis 1780 gewohnt ... sicherlich nicht freiwillig. Er war ein unruhiger Geist, schwierig zu behandeln, bei aller Wildheit ?berzart, mit schmalen Schultern, blassen Schl?fen, den dunkelgl?henden Augen eine Verfallserscheinung. Was konnte ihm, der nach Abenteuern und Ekstasen Leibes und der Seele gierte, das Idyll Tiefurt geben? So schickte man ihn auf Reisen. Vergebens. Krank taumelt er durchs Leben, bis ihn, 1793, die Kriegstrommel verf?hrt. Als s?chsischer Oberst macht er die Kampagne gegen Frankreich mit und stirbt, fern der Heimat, irgendwo an der Ruhr, so ein nutzloses Dasein nicht einmal heldisch endend. Mutterliebe hat ihm im Tiefurter Park ein Denkmal gesetzt, eins der vielen hier. Ein antiker Sarkophag, sehr sch?n in den Linien, die Inschriften feiern den Toten in ergreifenden Worten als Helden und >>Opfer dieses ungl?cklichen Krieges<<. Dies ist die ?ra Constantin ... verweht, vergessen. Nur das Denkmal an der Ilm erinnert leise daran und eine schmale Silhouette des Prinzen im Schloss. Das Tiefurt Anna Amalias, die nun das ferne Ettersburg aufgibt und hier im Sommer wohnt, ist das heutige ... der Park mit seinen Urnen, B?nken und Gedenksteinen hat sich selbst erhalten, das verwahrloste, mit Krimskrams aller Art ?berladene, lange nur als Rumpelkammer benutzte Haus hat Enkelpiet?t ganz so wiederhergestellt, wie es zu ihren Zeiten war. Dank Wilhelm Ernst, dem nun Vertriebenen, der das getan! Auch hier w?rde die Erlauchte, kehrte einmal sie aus Elysium zu der St?tte zur?ck, die ihr eine St?tte reinsten Gl?cks und lauterster Freude gewesen ein Leben lang, alles finden, wie sie es verlassen, als der Tod sie abberief. Wirklich alles. Nur die Steintafel am Eingang zum Park fehlt, die einst schw?rmte: >>Hier wohnt Stille des Herzens, goldene Bilder Steigen aus der Gew?sser klarem Dunkel. H?rbar waltet am Quell der leise Fittich Segnender Geister!<< Fromme Worte, die noch jetzt Magie. Wer den Park betritt, dem klingen sie im Herzen auf, und wer ihn verl?sst, den begleiten sie. Zwei Wege f?hren von Weimar nach Tiefurt, beide gleich sch?n, zumal im Fr?hling, wenn junges Gr?n sie s?umt. Der eine die Landstrasse, die das >>Webicht<< quert: erst Villen, dann Garten und Feld, schliesslich der Wald. Wie oft ist hier der alte Goethe mit Eckermann gefahren, in Erinnerung versunken! Der andere, die >>Carolinen-Promenade<<, l?uft die Ilm entlang. >>Es ist ein ?usserst angenehmer Weg,<< schreibt 1780 ein junger Theologe, der Herder nach Tiefurt begleitete, >>der Ilm nach, durch ein W?ldchen, wo wir meisterlich waten mussten.<< Das braucht man heute nun nicht mehr. Man gelangt trockenen Fusses ans Ziel. Aber wenn der Briefschreiber weiter erz?hlt: >>Endlich kamen wir auf eine sch?ne Wiese, dann wieder ins Holz, dann ?bers Wasser in den Garten, wo eine kleine chinesische H?tte ist, hinauf auf den Berg, den Knebels Phantasie ausgebildet hat, zu einigen kleinen Alt?rchen, wo man ins Tal eine sch?ne Aussicht hat, zu einer Grotte, die Virgils Grab heisst, oben gegen dem Feld am Wald vorbei auf eine hohe Eiche von drei Stockwerken, ordentlichen Altanen, wo eine sch?ne Aussicht ist und reine herrliche Luft weht<<, so kann man der Schilderung eher beipflichten. Nur konnte Herders Begleiter, der ja auch >>Tiefort<< noch ein >>Lusthaus des Prinzen Constantin<< nennt, anno 1780 die mancherlei Ver?nderungen nicht kennen, die der Park nun unter Anna Amalia erfuhr. Und die aus Wald und Wiese, Fluss und Uferhang, Berg und Tal einen >>elysischen Hain<< machten. >>Faune und Nymphen sollen sich nicht zu sch?men brauchen, ihren Aufenthalt darin zu nehmen.<< So sie selbst. Knebels Anlagen sind der Grundstock. Nun baut sie, mit Goethe, weiter. B?ume werden gepflanzt, Wege gezogen, Durchblicke geschaffen. Jede Bank erh?lt ihren Namen, jeder Platz seine tiefere Bedeutung. Ein >>Musentempel<<, weiss und schlank, steigt reizvoll aus dem Samt der gr?nen Rasenfl?chen, die Freunde werden durch Alt?re und Urnen gefeiert. Das Ganze schliessen jenseits der Ilm Felsterrassen harmonisch ab ... ein Theater der Natur, das sentimentalisches Gef?hlsklima atmet, Oden und Elegien in Stein, Baum, Boskett t?ndelnd beleben. Oder wie die Goethe-Verse auf dem Holzsockel der Wieland-B?ste es wollen: >>Wenn zu den Reihen der Nymphen Die eine Mondnacht versammelt Sich die Grazien heimlich Von dem Olympe gesellen, Hier belauscht sie der Dichter Und h?rt die sch?nen Gespr?che Sieht dem heiligen Tanz Ihrer Bewegungen zu. Was der Himmel Herrliches hat Was gl?cklich die Erde Reizendes hervorbringt Erscheint dem wachenden Tr?umer. Dann erz?hlt er's den Musen Und dass die G?tter nicht z?rnen Lehren ihn die Musen Bescheiden Geheimnisse sprechen<<. Die urspr?ngliche Form der Distichen, die in den Werken als >>Geweihter Platz<< feierlichere Pr?gung erhalten haben. Geweihter Platz -- das ist ganz Tiefurt. Man wandert von Erinnerung zu Erinnerung, immer die Ilm zur Seite, die mit Glitzerwellchen lustig ?ber Stein und Wurzel dahinstr?mt. Enten treiben drauf, Bl?tenbl?tter, zuweilen hascht Sonne einen Fisch und l?sst den schmalen, blanken Leib in k?hler Flamme lodern ... alles wie anno dazumal, als Anna Amalia hier in weissem Sommerkleid, eine bescheidene Landedelfrau, morgens lustwandelte. Mit Wieland vielleicht, >>ihrem guten Alten<<. Oder mit Goethe, mit Herder. Vielleicht auch nur begleitet von der >>Gnomide<<, der G?chhausen, und deren dickem Mops. Ein Baum, ein Steintisch, eine B?ste ... wie d?rftig! Und doch vollkommenstes Idyll. Idyll auch, ein paar Schritte weiter, die Bank mit dem Amor: Coronas Denkmal. Kein Name verr?t, dass es ihr gilt. Aber im Rauschen der B?ume, im leisen Fl?stern der Bl?tter ringsum klingt s?ss und leise noch heute die Stimme, die sich hier einst so oft im Lied gewiegt. Sie ist Philomele, der die Goethe-Verse der Steintafel huldigen: >>Dich hat Amor gewiss, o S?ngerin, f?tternd erzogen; Kindisch reichte der Gott dir mit dem Pfeile die Kost. Schl?rfend saugtest du Gift in die unschuldige Kehle, Und mit der Liebe Gewalt trifft Philomele das Herz.<< Niedlich dar?ber der Amor, ein kleiner Marmorgott. Die eine Hand, die mit dem Pfeile, hat ein Umsturz-Wicht zerschlagen. Nun klagt das Kinderauge, und Philomele, ?ngstlich in die andre Hand geschmiegt, ist ohne s?sse Nahrung. Aber wenn der Abend kommt und Flieder und Jasmin st?rker duften, aus den Flusswiesen der Nebel steigt, singt sie doch ... der ganze Park wird dann ein einziges trunkenes Liebesstammeln. Wenn der Abend kommt, erwacht hier ?berhaupt die Vergangenheit, aus Schatten dr?ngen Schatten und werden wieder Leben. Wissen muss helfen, sie zu beschw?ren. Da ist Goethes Tagebuch. Immer wieder meldet es im Sommer 1781, dem ersten, den Anna Amalia hier als Herrin verbracht: >>Abends Tiefurt.<< Auch die Briefzettelchen an Charlotte, wilder, heisser, ungest?mer denn je, erz?hlen damals unabl?ssig davon. Da wird mit den Bauern und der Dorfjugend der >>?rndtekranz<< gefeiert, da wird >>Nathan und Tasso gegeneinander gelesen<<, da singt Corona Schr?ter Rousseaus neue Lieder, da wird der >>Musentempel<< eingeweiht, ein frischer Gedenkstein enth?llt ... wir w?rden heute sagen: immer ist in Tiefurt was los. Und Charlotten, die ihre Migr?ne hat und an der Ackerwand eifers?chtig des Freundes denkt, der mit anderen >>miselt<<, vielleicht sogar mit >>Krone<<, vielleicht auch mit der sch?nen Baronin Werthern oder der kecken Waldner, der Person, -- Charlotten wird berichtet: >>Gestern ist unsre Feyerlichkeit zu iedermanns Vergn?gen begangen worden.<< Feierlichkeit? Wieder m?gen Goethe-Verse Deutung geben. Das grosse, das wundervolle Gedicht >>Auf Miedings Tod<<, das den Theatermeister Mieding und die Schauspieler preist: >>Als euern Tempel grause Glut verheert, Wart ihr von uns drum weniger geehrt? Wie viel Alt?re stiegen vor euch auf! Wie manches Rauchwerk brachte man euch drauf! An wie viel Pl?tzen lag, vor euch geb?ckt, Ein schwer befriedigt Publikum entz?ckt! In engen H?tten und im reichen Saal, Auf H?hen Ettersburgs, in Tiefurts Tal, Im leichten Zelt, auf Teppichen der Pracht Und unter dem Gew?lb der hohen Nacht Erschient ihr, die ihr vielgestaltet seid, Im Reifrock bald und bald im Galakleid ...<< Theater also, Possenspiel. Und die B?hne ist die >>Theaterwiese<<, Parkett das >>Chinesische Haus<< mit schmaler Terrasse. So einst, und so noch heute, nur liegen die Wiese, der schlichte Fachwerkpavillon ver?det und verlassen. Und nachher dann >>Beleuchtung<<. Da wird an Miedings Stelle Goethe, der Rembrandt-Schw?rmer, Regisseur, und Fluss und Uferhang wandeln sich, wie so oft schon vorm Gartenhaus am Stern, in idealische Landschaft von magischem Helldunkel, werden Rembrandt-Tableau >>zu jedermanns Vergn?gen<<. Und das Tagebuch vom 28. August 81: >>Abends in Tiefurt, wo man die +Ombres Chinois+ gab.<< An Frau von Stein tags darauf: >>Gestern ist das Schauspiel recht artig gewesen, die Erfindung sehr drollig und f?r den engen Raum des Orts und der Zeit sehr gut ausgef?hrt. Hier ist das Programm. +NB+ es war +en ombre Chinois+ wie Du vielleicht schon weisst.<< Dieser 28. ist Goethes Geburtstag, das Schattenspiel, das Seckendorf gedichtet, Huldigung f?r ihn: >>Minervens Geburt, Leben und Taten.<< Im >>Tiefurter Journal<<, Anna Amalias netter, handschriftlich vervielf?ltigter Chronik dieser Jahre, kritisierte Wieland die Auff?hrung. Alles sehr h?bsch, sehr gelungen, doch Venus sei in einem Aufzuge erschienen, >>welcher dem Neglig? einer Waschfrau und Grasnymphe ?hnlicher sah, als dem einzigen Schmuck, der sich f?r die G?ttin der Sch?nheit ziemt<<. Ob Emilie Werthern, eben jene Venus, ein andermal den guten >>Papa Wieland<< mehr befriedigt hat? Ein Jahr sp?ter, an heissem Juli-Abend, die >>Fischerin<<, unten an der Ilm bei Fackelbeleuchtung gespielt. Goethe an Merck: >>Ehestens wirst Du ein Wald- und Wasser-Dram zu sehen kriegen. In Tiefurt aufgef?hrt, tut es gute Wirkung.<< An Charlotte, die Verstimmung fern gehalten: >>Von meinem gestrigen St?ck, das sehr gl?cklich ablief, bleibt mir leider nichts als der Verdruss dass Du es nicht gesehen hast.<< Das Tagebuch stumm. Um so beredter die Tuschzeichnung von Kraus im Schl?sschen in Farbenduft und zarter Linie: die Erlen, die Fischerh?tte, an einem kleinen Feuer T?pfe, im Hintergrunde Netze und Fischerger?te, auf dem Fluss im Mondschein der Kahn mit den Fischern, vorn Dortchen, die den >>Erlk?nig<< singt ... ein reizendes Bild, ganz die Szenerie des St?cks in Goethes Angabe, ganz Tiefurt-Zauber. Dortchen, im ?ppig gerafften Reifrock mehr eine Sch?ferin des Rokoko denn eine l?ndliche Fischerin ist Corona Schr?ter, die Liebliche. Und wie kann es anders sein, dass da die Verse aufklingen, die sie unsterblich gemacht: >>Ihr Freunde, Platz! Weicht einen kleinen Schritt! Seht, wer da kommt und festlich n?her tritt! Sie ist es selbst -- die Gute fehlt uns nie -- Wir sind erh?rt, die Musen senden sie. Ihr kennt sie wohl; sie ist's, die stets gef?llt: Als eine Blume zeigt sie sich der Welt, Zum Muster wuchs das sch?ne Bild empor, Vollendet nun, sie ist's und stellt es vor. Es g?nnten ihr die Musen jede Gunst, Und die Natur erschuf in ihr die Kunst. So h?uft sie willig jeden Reiz auf sich, Und selbst dein Name ziert, Corona, dich.<< So f?hrt Erinnerung, s?ssen Plaudertons, zum Schloss. Altersbraun, verwittert Dach und Mauerwand, liegt's unter Riesenb?umen. Weimar trinkt hier gerne Kaffee. Der Kastellan hat kleine Wirtschaft, an sch?nen Sommernachmittagen sind Tisch und Stuhl, heut leer und Turnger?t f?r H?hnervolk und Spatzen, dicht besetzt ... die >>Stille des Herzens<< ist dann Illusion. Ein Schloss? Man l?chelt. Kaum ein Schl?sschen. Ein Guts-, ein P?chterhaus, wie's deren Tausende gibt. Bescheidener kann man nicht wohnen. Allein die h?lzerne Pergola der Parkfront mit ihren S?ulen, ihrem Gitterwerk, ihren Skulpturen verr?t, dass hier Anmut und Geist sich eine +maison d'?me+ in l?ndlicher Idylle geschaffen, hier Heimat von Menschen gewesen, die mehr als Ackerbau und Viehzucht trieben. Anmut und Geist verkl?ren auch das schlichte Innere. Ein Wittumspalais im Kleinen! Winzig die Zimmer. Die niedrigen Decken einfach geweisst, der Fussboden bemalte blanke Wachsleinwand, die reizend Mobiliar und Fenster spiegelt. ?berall das Ornament des Empire, halb M?ander, halb Pompeji. Die W?nde zartget?nt: gelb, grau, hellgr?n ... am apartesten ein >>Empfangszimmer<< mit den aufgeklebten schwarzen Kupferstichen. Prunk fehlt ganz. Die Kronleuchter, auch sie Pompeji, das damals grosse Mode, nur aus Holz geschnitzt, die Gardinen Mull, die Polsterbez?ge Rips. Hier und da ein Sessel mit Handstickerei: Hofdamengeschenke. Bilder nat?rlich in H?lle und F?lle. Portr?ts in ?l, Portr?ts in Pastell. Alte Stiche. Silhouetten. Wachsreliefs. Als Proben ?tternschen Marmors, den Goethe zuerst brechen liess, B?sten und Figuren von Klauer: der junge Goethe, Fritz von Stein, die G?chhausen. Es ist eine empfindsame Wanderung. Alles, was der Park erz?hlt, steht hier noch einmal auf in Bild und Andenken ... ein Schattenspiel der Seele. Aber die es einst in D?mmerstunden schnitten, sind alle tot ... nur ihrer Pers?nlichkeiten geheimer Duft schwingt noch in den R?umen: im Speisezimmer, wo sie, Raphaels Farnesinagem?lde vor Augen, tafelten, im Empfangszimmer, wo die Leseabende des Wittumspalais ihre sommerliche Fortsetzung fanden, im Wohnzimmer, wo musiziert wurde, im Schlafzimmer, wo Bett und Waschgeschirr, nebenbei: ein Puppengeschirr, das immer von neuem verwundertes L?cheln hervorruft, noch so stehen, als ob die Herzogin nur mal in den Park gegangen w?re und jeden Augenblick wieder durch die T?r eintreten k?nnte. Und so kommt man auch, ?ber schmale Treppe, schmalen Gang, zu der Wohnung des Fr?uleins von G?chhausen, die Luise hiess, aber, von den Grafen Stolberg einst in ?berm?tiger Laune, klein, wie sie war, Thusnelda getauft, von der Herzogin z?rtlich-liebevoll >>Thusel<< gerufen wurde ... und dieser schmale Gang, eine Art Galerie, ist vielleicht das Sch?nste hier im Schl?sschen. Ist Rokoko-Kulisse, die verschnittene Hecke vort?uscht. Ist Mozartsche Musik, ein wenig steif, ein wenig t?nzelnd, s?ss und lieblich. Auf die Laubtapete gemalt Steinfiguren, die Jahreszeiten: +Le Printemps+, +L'?t?+, +L'Automne+, +L'Hiver+. Damit die falschen Statuen plastisch wirken, werfen sie alle Schlagschatten ... r?hrend komisch in verhaltener Grazie! So hat in unsern Tagen der Russe Konstantin Somoff, so Walser Rokoko gemalt. Und vor der Galerie die Pergola. Welch ein Blick! Der ganze Park. Da die Kastanienallee zum Teesalon, da die drei L?rchen, die Goethe gepflanzt, da die Theaterwiese mit dem Musentempel ... entz?ckend! Das gr?ne Gitterwerk, von Wein berankt, der Rahmen f?r lauter Bilder von Corot. Die gleiche Aussicht haben die G?chhausen-Fenster. Da hat die kleine putzige Person, >>Genie in F?lle -- kann aber nichts machen!<<, am Schreibsekret?r gesessen, der geliebten Herrin Hand in Bronze vor sich, und hat an Knebel geschrieben: >>O Knebel, setzen Sie sich aufs erste beste Pferd und erfreuen uns irgend einen guten Abend mit Ihrer Erscheinung! Dies ist der Herzogin, Goethens und mein liebster Traum, wenn wir in diesem lieben, lieben Tempe die Sonne untergehen und den Mond in seiner stillen Pracht aufgehen sehen. Lieber, ?berlegen Sie's! Oder vielmehr ?berlegen Sie's nicht und kommen Sie! So sch?n wie dies Jahr war's noch nie! Die Akazien bl?hen wie ?bersch?ttet mit Blumen. Rosen, Jasmin und Jel?ngerjelieber sind wie ausgelassen und k?nnen gar nicht erwarten, bis sie alle da sind ...<< So gehen die Jahre. Die Farben von Tiefurt verblassen, die Menschen, die hier Sommer f?r Sommer wohnen, werden alt, ihre Augen matt, ihre Herzen m?de. Weit verstreut in alle Lande, bis in das des Todes, sind, die hier einst gelacht, gescherzt. Auch Goethe ist ein seltener Gast geworden. Die Einsamkeit h?kelt um Schloss und Park, und ein Besuch der K?nigin Luise, die hier ein Paretz ins Weimarische ?bersetzt, findet, ist 1804 fast unliebsame Unterbrechung des Friedens. >>Nun denken Sie sich den Holdelpolder im Tiefurter Bezirk!<< schreibt die G?chhausen an Knebel, den Freund, in Jena, >>die Esel schrien, die K?he br?llten, die G?nse schnatterten, und die H?hner machten glu, glu, glu! Alles sang Hymnen nach seiner Art.<< Das Leben, das so freundlich hier gel?chelt, in so buntem Glanz gebl?ht, ist gemach zu +ombres Chinoises+ geworden, zu Silhouette, die wehm?tige Erinnerungen weckt. Man schaut sie an und h?ngt ein Kr?nzlein um den Rahmen. Und fragt: Wie lange noch? Herbst 1806. Der Krieg naht. Schw?le vor dem Sturm. Noch ist die Herzogin in Tiefurt, Wieland leistet ihr Gesellschaft. Man musiziert >>mit schwerem Herzen<<, wie Goethe in den Annalen erz?hlt, >>es ist aber in solchen bedenklichen Momenten das Herk?mmliche, dass Vergn?gen und Arbeiten so gut wie Essen, Trinken, Schlafen in d?sterer Folge hintereinander fortgehen.<< Da bricht der Sturm los, Anna Amalia muss, Hals ?ber Kopf, nach Kassel fl?chten. Prinzessin Caroline, die Enkelin, begleitet sie. Sie hat Tiefurt nie wiedergesehen. Denn kann sie auch bald nach Weimar zur?ckkehren, so ist es jetzt doch Winter, harter Winter, und das Wittumspalais bietet der alten Dame besseren Schutz als Tiefurt. Ausserdem kr?nkelt sie. Diesen Aufregungen war die Achtzigj?hrige nicht mehr gewachsen. Als es wieder Fr?hling wird, legt sie sich zu Bett und stirbt. Die Tote hat man gefeiert. Die Sterbende war allein. Ergriffen steht man vor dem schmalen Bette ihres Sterbezimmers im Wittumspalais. An der gr?nen Seidenwand, jung und strahlend, die Portr?ts der S?hne, zu H?upten des Betts ein Bild Friedrichs des Grossen. Auf der Kommode die Uhr und das Mundporzellan. Sonst nichts. Die letzte Welt einer F?rstin, deren Geist keine Grenzen gekannt. Alles andere ferner Traum: die Heimat Braunschweig, Belvedere, wo sie junge Frau gewesen, Ettersburg und Tiefurt mit den bittern Tagen fr?her Witwenschaft, mit den Tagen Wielands, Goethes, Herders, die der Einsamen verlorenes Gl?ck ersetzten. Was fl?stert die Fiebernde? Formt Sehnsucht noch einmal den greisen Mund zu wirrem Schmeichellaut? Oder ist's ein skeptisches L?cheln, das um diese Lippen zittert? Draussen r?ttelt der Fr?hlingswind an den Fensterl?den, und die Kammerfrauen beten. Leise tickt die Uhr. Sie hat Jahre gez?hlt, nun z?hlt sie Augenblicke. In das brechende Auge l?chelt das Kinderantlitz des Prinzen Constantin. Die Reisen in den Harz >>Bin so in Lieb zu ihr versunken, Als h?tt' ich von ihrem Blut getrunken.<< ~Goethe ~Im Weimarer Park, nicht weit von Goethes Gartenhaus und der Ilm so nah, dass man ihr leises Rauschen gerade noch h?ren, den Schimmer des Wassers durch das Gezweig von Weide und Erle gerade noch sehen kann, steht an einer Weggabelung ein kleines Monument: der Schlangenstein. Martin Klauer, der Bildhauer, hat ihn auf Wunsch Carl Augusts nach antiken Vorbildern geschaffen, im Mai 1787 wurde der >>Altar mit der Schlange<< hier aufgestellt. Derlei war damals Mode. Auch Goethe selbst hatte schon anno 77 in seinem Garten am Stern einen ?hnlichen >>Altar des guten Gl?ckes<< errichtet. Nun fand er, aus Italien zur?ckkehrend, diesen neuen an nicht weniger vertrauter St?tte: mit der Inschrift >>+Genio huius loci+<< auf dem S?ulenstumpf eine zarte Huldigung des f?rstlichen Freundes f?r den Dichter. Denn wer konnte denn der >>gute Geist dieses Ortes<< sein, wenn nicht er, auf dessen sch?pferische Ideen die ganzen Parkanlagen ringsum doch zur?ckgingen? So wenigstens die eine Deutung der r?tselhaften Worte. Andere meint, der Herzog h?tte gewusst, dass Goethen mit dem heimlich-stillen Platze liebe Erinnerungen verkn?pften, der seltsame Stein also ein >>Denkmal des Gl?cks<< im Goetheschen Sinne w?re wie so manches andere Monument im Park. Man denke nur an jene Steintafel in Goethes Garten, die Frau von Stein gilt! Sie allerdings ist beredter, die Lettern, die ihr eingegraben, erz?hlen r?hrende Legende: >>Hier im stillen gedachte der Liebende seiner Geliebten; Heiter sprach er zu mir: Werde mir Zeuge, du Stein! Doch erhebe dich nicht, du hast noch viele Gesellen; Jedem Felsen der Flur, die mich, den Gl?cklichen, n?hrt, Jedem Baume des Walds, um den ich wandernd mich schlinge: Denkmal bleibe des Gl?cks! ruf' ich ihm weihend und froh. Doch die Stimme verleih' ich nur dir, wie unter der Menge Eine die Muse sich w?hlt, freundlich die Lippen ihm k?sst.<< Wo sind sie, diese >>Gesellen< Diese unsichtbaren Geschwister von Schlangenstein und Charlotten-Tafel? Felsen der Flur und B?ume des Waldes, sind sie ?berall, wo Goethe jemals geweilt, sein guter Geist Ort und St?tte begnadet. Sie zu finden, braucht man sich nur ein wenig in seine Tageb?cher und Briefe zu vertiefen, die so stark Beschw?rung verklungener Leiden und Freuden hauchen. Wer, diese +monumenta+ liebender Erinnerung fromm im Herzen tragend, durch die Landschaft wandert, die Goethe-Spuren kreuzen, der begegnet auf Schritt und Tritt solchen unsichtbaren >>Denkm?lern des Gl?cks<<; er sieht in manche Baumesrinde geschnitten, in manche Felswand gegraben, auf manche Tapete geschrieben, in manches Fenster geritzt die drei geheimnisvollen Worte: +Genio huius loci+ ... sieht sie im Geiste, wie er sie auf dem >>Felsenweg<< im Park zu Weimar, von Ahnen hold bedr?ngt, am Schlangenstein in Wirklichkeit gesehen. Von solchen nicht in Erz und Stein sich deutlich k?ndenden Stationen des Goethe-Weges soll hier die Rede sein. Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page |
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