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Munafa ebook

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Read Ebook: Petersburg by Bely Andrey Strasser Nadja Translator

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Ebook has 289 lines and 11204 words, and 6 pages

tz paraller Prospekte, dehnte sich mit seinen Quadratfl?chen bis zu kosmischen Abgr?nden . . .

Doch Apollon Apollonowitsch schenkte diesmal seiner Lieblingsfigur, dem Quadrat keine Beachtung; versank nicht gedankenlos in die Betrachtung der steinernen Parallelepipeda und Kuben; auf die weichen Kissen des gemieteten Droschkenwagens gelehnt, blickte er von Zeit zu Zeit erregt auf Anna Petrowna, die er -- er selbst, jetzt in das lackierte Haus zur?ckf?hrte; was sie dort beim Tee im Hotelzimmer miteinander gesprochen hatten -- das blieb f?r immer ein undurchdringliches Geheimnis; nach diesem Gespr?ch wurde aber beschlossen: Anna Petrowna w?rde morgen schon in das Haus auf dem Kai ?bersiedeln; jetzt aber fuhr sie, um den Sohn zu sehen.

Anna Petrowna war verlegen.

Im Wagen sprachen sie nichts miteinander; Anna Petrowna blickte aus dem Fenster; zweiundeinhalb Jahre hatte sie diese grauen Prospekte nicht gesehen: sie sah die Kette der H?usernummern; dort zirkulierte etwas ununterbrochen; dort gl?nzte an hellen Tagen aus weit-weiter Ferne die goldene Spitze, die Wolken, der glutrote Sonnenuntergang; und dort sah man an nebligen Tagen -- nichts, niemand.

Mit unverh?lltem Vergn?gen lehnte sich Apollon Apollonowitsch gegen die weichen Wagenpolster, von dem Schmutz der Strasse durch den geschlossenen Kubus getrennt; hier blieb er fern den dahinstr?menden Menschenmassen, den ihn an?denden, regennassen, roten Umschl?gen, die dort an der Strassenecke verkauft wurden; er h?pfte mit den Blicken; hie und da fing Anna Petrowna auf: einen verlorenen, staunenden und -- denken Sie sich nur -- einen einfach warmen, blau-blauen, kindlichen, ja gedankenleeren Blick.

>>Ich h?rte, Apollon Apollonowitsch, Sie seien f?r den Ministerposten ausersehen?<<

Apollon Apollonowitsch aber unterbrach sie:

>>Von wo kommen Sie jetzt eigentlich, Anna Petrowna?<<

>>Ich komme direkt aus Granada . . .<<

>>So--o, so--o, so--o . . .<< -- und nachdem er sich geschneuzt hatte: >>Ja, wissen Sie: es gibt allerlei dienstliche Unannehmlichkeiten . . .<<

Und pl?tzlich, was ist das?: Er f?hlte eine warme Hand auf seiner Hand, seine Hand wurde gestreichelt . . . Hm, hm, hm: Apollon Apollonowitsch wurde verlegen; er wurde verlegen, ja er erschrak sogar; es wurde ihm beinahe ein wenig unbehaglich . . . Hm, hm: es werden schon an die anderthalb Jahrzehnte sein, dass man mit ihm nicht so umgegangen war . . . Sie hat ihn tats?chlich gestreichelt. . . . Das hatte er wahrlich von dieser . . . Person nicht erwartet. . . Hm, hm . . .

>>Ich bin eben im Begriff, meinen Abschied zu nehmen . . .<<

Durch das Fenster des Wagens drang das mattgr?ne Tageslicht ein; dort ergossen sich wie eine Flut die Menschenwellen ?bereinander; und diese Menschenflut war eine donnernde Flut.

Hier, an dieser Stelle, hatte er neulich jenen Mann unbestimmter Herkunft erblickt; die Augen dieses Mannes von unbestimmter Herkunft hatten gegl?nzt und sie hatten ihn erkannt: das war vor etwa zehn Tagen . . .

In der Tat, wie wunderten sich die Diener!

So erz?hlte sp?ter der Junge Grischka, der gerade in dieser Stunde den Dienst im Vorzimmer versehen hatte:

>>Ich sitze so da und z?hle an den Fingern, wie viele Wochen noch bis zum Heiligen Nikolaus, dem, der in den Winter f?llt . . .<<

>>Aber geh du mit deinem Nikolaus! So erz?hl' doch einmal!<<

>>Jawohl, ja: der Heilige Nikolaus ist bei uns im Dorfe ein grosser kirchlicher Feiertag . . . Ich sitze also nun so und rechne nach . . . Auf einmal: ein Wagen, direkt vor unsere T?r; ich springe auf; mache also die T?r auf -- und: alle Heiligen! -- der gn?dige Herr, er selbst -- in einem Droschkenwagen! Und mit ihm eine Dame, schon eine ?ltere, in einem ganz billigen Redingote.<<

>>Was -- Redingote, Bursche! Redingote werden jetzt nicht mehr getragen.<<

>>Unterbrechen Sie ihn nicht; der weiss auch so schon nicht, wo ihm der Kopf steht.<<

>>Kurzum: in einem Mantel. Der gn?dige Herr -- so flink, flink aus der Droschke -- na, Teufel, wollte sagen: aus dem Wagen -- h?pf! zu der Dame, den Arm so und l?chelt: na, wie der reinste Kavalier! In jeder Weise behilflich! . . .<<

>>H?r mal einer . . .<<

>>So was . . .<<

>>Das l?sst sich auch denken: zwei Jahre haben sich die Leute nicht gesehen<<, ert?nten ein paar Stimmen zugleich.

>>Also: die Gn?dige steigt aus dem Wagen; aber verlegen war sie, das sah ich ihr schon gleich an; l?chelt so; streicht sich ?bers Kinn, der Courage wegen; aber arm gekleidet, sag' ich euch: die Handschuh sicher gestopft . . .<<

>>Schon gut: was also weiter?<<

>>Der gn?dige Herr also, Apollon Apollonowitsch -- gar nicht so stolz wie immer; steht da im Regen<< , >>steht so und wartet, bis die Gn?dige das Trittbrett . . . Sie ist ja so, hat schon ihr Gewicht . . . Wie sie sich auf den Arm vom gn?digen Herrn st?tzte, mit ganzer Schwere, da hab' ich mir gedacht: dass er's aushalten kann, eine solche Last . . .<<

>>Plappere doch nicht, erz?hl'!<<

>>Ich plappere nicht, ich erz?hle so schon; aber was: hier kann euch Mitrij Ssemjonytsch weitererz?hlen: er hat ja die Herrschaften im Vorzimmer empfangen . . . Was soll ich weitererz?hlen? Der gn?dige Herr hat der Gn?digen nur gesagt: >Bitte<, hat er gesagt, >willkommen, Anna Petrowna< . . . Da erst hab ich die gn?dige Frau erkannt . . .<<

>>Na, und wie . . .<<

>>Alt, sag' ich euch, ist sie geworden . . . Ich erkannte sie erst gar nicht, aber dann . . . Sie hat mir ja oft eigenh?ndig S?ssigkeiten geschenkt . . .<<

So redeten sp?ter die Diener.

Wirklich!

Eine unerwartete, unvorhergesehene Tatsache: vor zweieinhalb Jahren hatte Anna Petrowna ihren Gatten verlassen und war mit einem italienischen Schauspieler fortgezogen; von dem Schauspieler im Stich gelassen, verliess sie die herrlichen Pal?ste Spaniens und eilte ?ber die Pyren?en, die Alpen, Tirol, mit dem Expresszug zur?ck; was aber am wunderlichsten war: zweieinhalb Jahre durfte der Name Anna Petrowna in Anwesenheit des Senators nicht genannt werden, ja, noch vor zweieinhalb Tagen war er durchaus verp?nt; zweieinhalb Jahre vermied der Senator jeden Gedanken an Anna Petrowna , und selbst bei einem zuf?lligen Zusammentreffen dieser Lautverbindung zog er ver?chtlich die Lippen zusammen. Warum war aber bei der Nachricht von ihrer R?ckkehr an Stelle des ver?chtlichen Zuckens ein erregt zorniges Zittern des Kiefers getreten? Warum schlief er diese Nacht nicht? Warum war der Zorn im Laufe der zw?lf Stunden allm?hlich gewichen und statt seiner stellte sich eine unruhevolle Sehnsucht ein? Warum hielt er es nicht aus und fuhr selbst ins Hotel; ?berredete sie, brachte sie selbst nach Hause? Was war dort im Hotelzimmer vorgefallen? -- Auch Anna Petrowna hat ihr Vorhaben vergessen; das Vorhaben, das sich ihr gestern beim Besuch im lackierten Haus wieder fest eingepr?gt hatte.

Sie hat ihr Vorhaben aufgegeben und ist zur?ckgekehrt.

Beide waren durch die Auseinandersetzung im Hotel erregt und verlegen; deswegen verzichteten beide auf irgendwelche Gef?hls?usserungen beim Eintritt in das lackierte Haus; Anna Petrowna sah von der Seite ihren Gatten an: Apollon Apollonowitsch schneuzte sich, dann r?usperte er sich ein wenig. Anna Petrowna dankte herablassend auf die ehrfurchtsvollen Gr?sse der Dienerschaft; sie verhielt sich sehr reserviert; nur den alten Ssemjonytsch umarmte sie und -- es sah aus, als m?chte sie an seiner Schulter weinen; aber sie warf einen verlegenen, erschreckten Blick auf Apollon Apollonowitsch und ?berwand sich: sie griff nach dem Handt?schchen, doch holte sie das Taschentuch nicht vor.

Apollon Apollonowitsch, seiner Gattin ein paar Stufen voraus, warf den Lakaien strenge, befehlende Blicke zu; solche Blicke hatte er nur in Augenblicken der Verlegenheit; gew?hnlich benahm sich Apollon Apollonowitsch gegen die Dienerschaft mit verletzend ausgesuchter H?flichkeit und K?hle . Er behielt vor der Dienerschaft den Ton der Gleichg?ltigkeit: nichts ist geschehen, die gn?dige Frau hat sich aus Gesundheitsgr?nden im Auslande aufgehalten, jetzt ist sie zur?ckgekehrt -- nichts weiter . . . Also was ist dabei? Es ist alles in sch?nster Ordnung! . . .

?brigens, einen Diener gab es , -- dieser Diener erinnerte sich ganz genau, wie die gn?dige Frau damals ins Ausland gereist war: der Dienerschaft war nichts gesagt worden; das ganze Gep?ck hatte aus einer Handtasche bestanden ; den Tag vor der Abreise hatte die Gn?dige sich in ihren Gem?chern eingesperrt gehalten; die vorherigen Tage aber war bei ihr immer der Schwarze mit dem Schnurrbart gesessen: wie hatte er nur geheissen -- Mindalini , -- der immer die nichtrussischen Lieder gesungen hatte: >>Tra--la--la . . . Tra--la--la . . .<< Und der nie Trinkgeld gegeben hatte.

Dieser Lakai, der das alles in seiner Erinnerung hatte, k?sste besonders ehrfurchtsvoll das erlauchte H?ndchen; sein Gewissen war durch die Schuld belastet, nicht die Einzelheiten der Flucht -- d. h. der Abreise -- aus seinem Ged?chtnis weggewischt zu haben; er hatte die begr?ndete Angst, dass mit dem Erscheinen der erlauchten Gn?digen seine Tage im lackierten Haus gez?hlt seien.

Sie sind im grossen Salon; wie Spiegel blitzen die Quadrate des Parketts: w?hrend dieser zwei Jahre war hier nur selten geheizt worden; von der kalten Zimmerflucht ging immer eine undefinierbare Traurigkeit aus; Apollon Apollonowitsch war stets in seinem Zimmer hinter abgesperrter T?r gesessen; es hatte ihm immer geschienen, aus der Zimmerflucht w?rde ein Bekannter, ein Trauriger zu ihm hereinst?rzen; jetzt stand er da und dachte: nun ist er nicht mehr allein; er wird nicht mehr allein ?ber die Quadrate des Parketts schreiten, sondern mit . . . Anna Petrowna.

Er bot galant der Angekommenen den Arm und f?hrte sie durch den grossen Saal; Anna Petrowna blieb vor einer blasst?nigen Malerei stehen, wandte sich Apollon Apollonowitsch zu und l?chelte:

>>Ach das da . . . Erinnern Sie sich, Apollon Apollonowitsch?<<

>>Erinnern Sie sich?<<

>>Gewiss doch . . .<<

>>Wo?<<

>>In Venedig . . .<<

>>Es sind dreissig Jahre seither vergangen! . . .<<

Die Erinnerung an einen im Nebel schimmernden Kanal tauchte in ihm auf, an eine Arie, die seufzend aus der Ferne klang: dreissig Jahre sind seither vergangen. Auch sie wurde von der Erinnerung an Venedig erfasst; diese Erinnerung spaltete sich aber: vor dreissig Jahren und -- vor zweieinhalb Jahren; sie err?tete: sie hatte ja diese Erinnerung zu verdr?ngen gesucht; nun trat eine andere auf: Kolenka. Sie hatte in den letzten zwei Stunden nicht an Kolenka gedacht; das Gespr?ch mit dem Senator hatte alles andere f?r einige Zeit beiseite geschoben; vor diesen letzten zwei Stunden hatte sie doch nur an Kolenka gedacht, voll Z?rtlichkeit, voll Z?rtlichkeit und Kr?nkung: Kolenka hatte nichts von sich h?ren lassen, keine Nachricht gegeben.

>>Kolenka . . .<<

Sie traten in den Salon ein: ?berall Nippessachen, Metall- und Perlmutterinkrustationen, Bronzen.

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