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Munafa ebook

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Read Ebook: Giacomo Leopardi (1798-1837) La vita italiana durante la Rivoluzione francese e l'Impero by Pascoli Giovanni

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Ebook has 515 lines and 13527 words, and 11 pages

Heinrich Mann

Die kleine Stadt

Roman

Erschienen im Insel-Verlag ? Leipzig 1909

Der Advokat Belotti trat schw?nzelnd an den Tisch vor dem Caf? >>zum Fortschritt<<, wischte mit dem Taschentuch um seinen kurzen Hals und sagte erstickt:

>>Die Post hat wieder Versp?tung.<<

>>Jawohl<<, machten Apotheker und Gemeindesekret?r; und da nichts Tats?chliches mehr zu sagen blieb, schwiegen sie. Der Reisende warf hin:

>>Ihr wird doch nichts zugestossen sein?<<

Die andern stiessen unwillig den Atem aus. Der Leutnant der Carabinieri legte mit Nachsicht, weil es sich um einen Fremden handelte, die grosse Sicherheit der Strassen dar. Zwei seiner Leute begleiteten stets zu Pferde die Post, und nur einmal hatten sie einzugreifen gehabt. Damals wollte ein Bauer seinen Platz nicht bezahlen und zog gegen den Kutscher das Messer.

>>Solche Leute haben wenig Erziehung<<, erkl?rte der Leutnant.

>>Ein langweiliges Handwerk, das eure<<, rief der Apotheker Acquistapace mit seiner braven Stimme.

>>Betrunkene aus dem Graben ziehen und eine entlaufene Kuh zur?ckscheuchen. Als wir dabei waren, gings anders zu. Wie, Gevatter Achille?<<

Der Wirt rief von drinnen: >>Zugegen.<<

Er stampfte heraus, st?tzte die Last seines Bauches auf eine Stuhllehne und wartete mit offenem Munde, worin die Zunge umherrollte.

>>Wie, mein Alter?<< und der Apotheker klopfte ihn auf den Bauch, >>vor unseren F?ssen ist manche Granate geplatzt. In Bezzecca wars, als gleich bei uns beiden der General Garibaldi selber stand. Die Granate platzt, wir springen zur?ck, versteht sich; der General aber r?hrt sich nicht; er sieht in den Dampf, als ob er sinnt. >Keine Furcht, Freunde<, sagt er zu uns, und, Achille, wir hatten keine mehr.<<

>>Das ist die reine Wahrheit<<, sagte der Wirt; und mit Wucht: >>Der General war ein L?we.<<

>>Er war ein L?we<<, wiederholte der andere Alte, fuhr mit der Hand durch seinen riesenhaften Schnauzbart und sah alle von oben an. Pl?tzlich machte er sich klein und tat eine Geb?rde, als streichelte er ein Kind.

>>Aber auch ein Engel war er: ja, unwissend in manchem, wie ein Engel. Manches geschah, wie, Gevatter? was er nie erfahren hat. Alle wussten, dass jener Nino ein Weib war, nur der General nicht.<<

Der Advokat Belotti fragte: >>War er eigentlich ein sch?nes Weib, jener Nino?<<

Der Apotheker zischte leise. >>Solche Frauen gibt es nicht mehr! Und als ihr Geliebter gefallen war, da kams heraus, dass sie eine war. Aber sie verliess uns darum nicht. Hatte sie nun ihn nicht mehr, um dessentwillen sie mitgezogen war, hatte sie doch uns alle. Und uns alle hat sie geliebt!<<

Seine braunen Hundeaugen jubelten in der Erinnerung. Der Wirt lachte lautlos, dass sein Bauch den Stuhl umherwarf. Sein Sohn, der sch?ne Alf?, war herzugetreten, der junge Savezzo mit frisch gebrannten Locken vom Barbier her ?ber den Platz gekommen; -- und alle, alle hatten, wie der Alte endete, ein neidisches Gesicht.

Gleich darauf erinnerten sie sich, dass die Geschichte sehr alt war und dass sie alle, sogar der Reisende, sie kannten, wie sie die H?hnerlucia kannten. Ihre Stunde war da: schon klapperten ihre Holzschuhe in der Gasse neben dem Caf?. Mit ihrem Gegacker, das lauter war als das der Hennen, mit ihrer Nase, die sch?rfer war als die H?hnerschn?bel, fl?gelschlagend mit ihren langen Armen, scheuchte sie das Federvieh zum Brunnen und liess es aus der Pf?tze trinken. Die Kinder kreischten um sie her, stiessen sie, zupften an ihr und sprangen vor Lust, wenn die Alte in ihren bunten Lappen wie ein grosses mageres Huhn kopflos kreuz und quer flatterte. Ringsum gingen Fensterl?den auf; an der Ecke schr?g vor dem Caf? dr?ngten ?ber den Arkaden des Rathauses drei Beamte sich in eins der alten Pfeilerfenster; die dicke Mama Paradisi sah aus ihrem Hause herab; dahinten im Corso sogar streckte Rina, die kleine Magd des Tabakh?ndlers, den Kopf heraus, und dem Advokaten Belotti schien es, dass sie ein neues Halstuch trage. Er ?berlegte nicht ohne Unruhe, wer ihr nun das wieder geschenkt haben k?nne. Inzwischen schloss die Kleine ihr Fenster, Mama Paradisi das ihre; die H?hnerlucia und all ihr L?rm waren bis morgen dahin in die Gasse; und der Platz schlief weiter in seiner weissen Sonne, winklig beleckt von den Schatten. Der des Palazzo Torroni, am Eingang des Corso, lief spitz hin?ber zum Dom, und vor der buckligen Kirchenfront malten die beiden s?ulentragenden L?wen ihr schwarzes Abbild aufs Pflaster. Wildgezackt sprang der Schatten des Glockenturmes bis an den Brunnen vor. Neben dem Turm aber wich das Dunkel zur?ck, tief in den Winkel, worin man das Haus des Kaufmannes Mancafede wusste. Kaum dass die Umrisse seiner Fenster zu erkennen waren; -- hinter einem stand aber sicher auch jetzt, wie sie immer dort stand, die Unsichtbare, das R?tsel der Stadt: Evangelina Mancafede, die niemals ausging und dennoch alles wusste, was geschah, es fr?her als alle wusste. In der Stadt tat jeder, was er tat, unter den Augen der Unsichtbaren. Durch alle H?user am Platze schien sie, aus ihrem Schattenwinkel hervor, hindurchsehen zu k?nnen: nur eins verdeckte ihr der Turm, den Palazzo Torroni. Auch hiess es, dass sie von dort nichts wissen wollte, dass ihr Vater und ihre Magd -- denn sonst erblickte niemand sie -- den Namen des Barons vor ihr nicht nennen durften, seit er, den sie geliebt hatte, die andere geheiratet hatte. Seitdem ging sie nicht mehr aus! Sie war damals vierundzwanzig gewesen und war jetzt dreiunddreissig. >>Eine sch?ne Frau<<, wisperte der Advokat dem Reisenden ins Ohr. >>Vom Stillsitzen soll sie junonische Formen bekommen haben.<<

Seine H?nde, die diese Formen nachbilden wollten, liess er rasch wieder sinken, denn zweifellos sah sie ihn. Der Reisende fragte:

>>Ist sie, seit ich zuletzt hier war, noch immer nicht ausgegangen?<<

>>Was denken Sie!<<

Alle bekamen gekr?nkte Mienen.

>>Sie verspricht es, sooft der Alte es will, dann l?sst er ihr sch?ne Kleider kommen, sogar von Rom her, denn schliesslich ist sie das reichste M?dchen hier und h?tte hunderttausend Lire mitbekommen; l?dt ihre ehemaligen Freundinnen ein, bestellt den Wagen zur Ausfahrt . . . Die Stunde ist da, der Wagen mit den Freundinnen steht vor dem Hause, Evangelina in ihren sch?nen Kleidern steigt die Treppe hinab. In der Mitte aber h?lt sie an, sagt >Nicht heute, ein anderes Mal< und geht zur?ck in ihr Zimmer.<<

Mehrere lugten aus den Augenwinkeln hin?ber nach dem geheimnisvollen Hause. Unten, wie in schwarzer H?hle, glomm ein Licht, und vor seinem Laden ging der Kaufmann hin und her: langsam immer hin und her. Die G?ste des Caf?s >>zum Fortschritt<< konnten ihm zusehen und bei seiner Bewegung f?hlen, dass die Zeit vergehe.

Der Apotheker erhob sich, denn ein Kunde war bei ihm eingetreten: der Junge des Gastwirtes Malandrini. Was konnte bei Malandrini vorgefallen sein? Gewiss handelte es sich um die Frau, die der Tabakh?ndler erst gestern mit dem Baron Torroni in ziemlich verd?chtiger Unterhaltung gesehen hatte. Wer weiss, was sie jetzt aus der Apotheke brauchte. >>Nun --?<< und alle Blicke sogen an dem alten Acquistapace, der, sein h?lzernes Bein schwingend, zur?ckkam.

>>Die Schwiegermutter hat Sodbrennen.<<

Alle K?pfe senkten sich.

>>Wenig Bewegung ist hier am Ort<<, sagte der Leutnant der Carabinieri zu dem Reisenden und nickte hin?ber, wo sich der Kaufmann Mancafede hin und her bewegte. Der Reisende wollte h?flich den Ort entschuldigen, aber der Advokat Belotti sagte erstickt:

>>Was kann man tun, wenn diese verdammte Post eine Stunde Versp?tung hat! Sonst s?he hier vielleicht alles anders aus. Denn schliesslich -- sagen wir nur die Wahrheit! -- k?nnen doch jeden Tag die gr?ssten Dinge geschehen. Die Stadt steht vor Ereignissen, die . . .<<

>>-- nicht eintreten<<, schloss der Gemeindesekret?r und lehnte sich zur?ck, um seine Taille zu zeigen.

>>Wer sagt Ihnen das?<<

Der Advokat fuchtelte, bevor er sprechen konnte.

>>Bin nicht etwa ich der Vorsitzende des Komitees und muss ich nicht als erster wissen, ob etwas geschieht, ob etwas, sage ich, geschehen kann?<<

>>Bevor die Post da ist?<<

>>Die Post! Die Post, mein Herr, war schon ?fter da. Die Post hat zum Beispiel mir: verstehen Sie wohl, mein Herr, mir dem Vorsitzenden des Komitees, einen Brief ihrer Exzellenz der Frau F?rstin Cipolla gebracht, mit der g?tigen Erlaubnis der Frau F?rstin, das Schlosstheater zu benutzen f?r die Vorstellungen der Truppe, die wir, das Komitee, hierher zu verschreiben ged?chten. Und das war bereits kein geringer Erfolg, wenn Sie bedenken --<<

Der Advokat wendete sich zum Reisenden; einen seiner m?rben Finger, die ihn ?lter machten als sein Gesicht, reckte er hinter sich, wo die Treppengasse zum Kastell hinaufbog.

>>-- dass das Theater seit f?nfzig: seien wir genau, seit achtundvierzig und dreiviertel Jahren unbenutzt steht, n?mlich seit der Verm?hlung des armen F?rsten . . .<<

>>War die Vorstellung gut, Advokat?<< fragte beissend der Gemeindesekret?r. >>Sie haben doch schon damals den Impresario gemacht? Denn wann waren Sie unt?tig? Gewiss nicht einmal in den Windeln.<<

Und der Advokat, mit ver?chtlichem Achselzucken:

>>Des armen F?rsten, um den ihre Exzellenz noch trauert. Darum darf ich auch die Bewilligung unseres Gesuchs mir ganz pers?nlich zuschreiben und dem Umstande, dass ich der Sachwalter der Frau F?rstin bin.<<

>>Aber der Kapellmeister?<< fragte sein Gegner. >>Sollte nicht auch er einiges Verdienst haben? Alf?, sage unserm Freunde, ob du und die andern alle in der >Armen Tonietta< eure Instrumente spielen k?nntet, wenn nicht unser Maestro Dorlenghi w?re!<<

>>Wer leugnet seine T?chtigkeit? ?brigens zahlt die Gemeinde ihm hundert Lire monatlich und die Kirche f?nfzig. Aber scheint es den Herren nicht, dass wir auf die K?nstler, die er uns verschaffen wollte, recht lange warten m?ssen?<<

>>Ich wette, dass sie heute in der Post sitzen werden!<< rief der Apotheker. Der Advokat bezweifelte es.

>>Vielleicht werde ich als Vorsitzender des Komitees mich noch selbst nach ihnen umsehen m?ssen. Wer weiss, wohin ich fahren werde: bis nach Rom vielleicht.<<

>>Aber Advokat,<< sagte der Gemeindesekret?r, >>was verstehen Sie vom Theater?<<

>>Ich? Sie vergessen, Herr Camuzzi, dass ich in einer Stadt wie Perugia studiert habe. Dort hatten wir oft genug eine Truppe von Kom?dianten, und wir Studenten verkehrten mit ihnen, kann ich den Herren sagen, nicht anders, als ich mit Ihnen verkehre. Die Choristinnen: ah! ich sage nur dies Wort, die Choristinnen . . . Nat?rlich hatte auch die Primadonna den ihren, aber man musste reich sein, sehr reich; ich erinnere mich, ein Herr aus der Stadt gab ihr dreihundert Lire im Monat. Begreifen Sie das? Dreihundert Lire f?r eine Frau!<<

Da der Advokat in lauter achtungsvolle Gesichter sah, bl?hte er auf. Er ?ffnete seinen schwarzen Rock, obwohl keine Weste darunter war. Die Arme in der Luft gerundet, mit rauhen gelben Manschetten, die bis ?ber die Korallenkn?pfe herausfielen, und mit einer Fl?sterstimme, aus der manchmal ein heiseres Bellen brach:

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