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Munafa ebook

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Read Ebook: Die Judenbuche by Droste H Lshoff Annette Von Unold Max Illustrator

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Ebook has 182 lines and 19625 words, and 4 pages

>>Warte, Johannes,<< sagte Friedrich stolz, >>ich will dir mein halbes Butterbrot geben, es ist mir doch zu gross, die Mutter schneidet allemal ?bers ganze Brot.<< -- >>Lass doch,<< sagte Margret, >>er geht ja nach Hause.<< -- >>Ja, aber er bekommt nichts mehr; Ohm Simon isst um sieben Uhr.<< Margret wandte sich zu dem Knaben: >>Hebt man dir nichts auf? Sprich, wer sorgt f?r dich!<< -- >>Niemand<<, stotterte das Kind. -- >>Niemand?<< wiederholte sie; >>da nimm, nimm!<< f?gte sie heftig hinzu; >>du heisst Niemand, und niemand sorgt f?r dich! Das sei Gott geklagt! Und nun mach dich fort! Friedrich, geh nicht mit ihm, h?rst du, geht nicht zusammen durchs Dorf.<< -- >>Ich will ja nur Holz holen aus dem Schuppen<<, antwortete Friedrich. -- Als beide Knaben fort waren, warf sich Margret auf einen Stuhl und schlug die H?nde mit dem Ausdruck des tiefsten Jammers zusammen. Ihr Gesicht war bleich wie ein Tuch. >>Ein falscher Eid, ein falscher Eid!<< st?hnte sie. >>Was ists? Simon, Simon, wie willst du vor Gott bestehen!<<

So sass sie eine Weile, starr mit geklemmten Lippen, wie in v?lliger Geistesabwesenheit. Friedrich stand vor ihr und hatte sie schon zweimal angeredet. >>Was ists? was willst du?<< rief sie auffahrend. -- >>Ich bringe Euch Geld<<, sagte er, mehr erstaunt als erschreckt. -- >>Geld? wo?<< Sie regte sich, und die kleine M?nze fiel klingend auf den Boden. Friedrich hob sie auf. >>Geld vom Ohm Simon, weil ich ihm habe arbeiten helfen. Ich kann mir nun selber was verdienen.<< -- >>Geld vom Simon? wirfs fort, fort! -- nein, gibs den Armen. Doch nein, behalts,<< fl?sterte sie kaum h?rbar; >>wir sind selber arm. Wer weiss, ob wir bei dem Betteln vorbeikommen!<< -- >>Ich soll Montag wieder zum Ohm und ihm bei der Einsaat helfen.<< -- >>Du wieder zu ihm? nein, nein, nimmermehr!<< -- Sie umfasste ihr Kind mit Heftigkeit. -- >>Doch,<< f?gte sie hinzu, und ein Tr?nenstrom st?rzte ihr pl?tzlich ?ber die eingefallenen Wangen; >>geh, er ist mein einziger Bruder, und die Verleumdung ist gross! Aber halt Gott vor Augen und vergiss das t?gliche Gebet nicht!<<

Margret legte das Gesicht an die Mauer und weinte laut. Sie hatte manche harte Last getragen, ihres Mannes ?ble Behandlung, noch schwerer seinen Tod, und es war eine bittere Stunde, als die Witwe das letzte St?ck Ackerland einem Gl?ubiger zur Nutzniessung ?berlassen musste und der Pflug vor ihrem Hause stillestand. Aber so war ihr nie zumute gewesen; dennoch, nachdem sie einen Abend durchgeweint, eine Nacht durchwacht hatte, war sie dahin gekommen, zu denken, ihr Bruder Simon k?nne so gottlos nicht sein, der Knabe geh?re gewiss nicht ihm. ?hnlichkeiten wollen nichts beweisen. Hatte sie doch selbst vor vierzig Jahren ein Schwesterchen verloren, das genau dem fremden Hechelkr?mer glich. Was glaubt man nicht gern, wenn man so wenig hat und durch Unglauben dies wenige verlieren soll!

Von dieser Zeit an war Friedrich selten mehr zu Hause. Simon schien alle w?rmern Gef?hle, deren er f?hig war, dem Schwestersohn zugewendet zu haben; wenigstens vermisste er ihn sehr und liess nicht nach mit Botschaften, wenn ein h?usliches Gesch?ft ihn auf einige Zeit bei der Mutter hielt. Der Knabe war seitdem wie verwandelt, das tr?umerische Wesen g?nzlich von ihm gewichen, er trat fest auf, fing an, sein ?usseres zu beachten und bald in den Ruf eines h?bschen, gewandten Burschen zu kommen. Sein Ohm, der nicht wohl ohne Projekte leben konnte, unternahm mitunter ziemlich bedeutende ?ffentliche Arbeiten, zum Beispiel beim Wegbau, wobei Friedrich f?r einen seiner besten Arbeiter und ?berall als seine rechte Hand galt; denn obgleich dessen K?rperkr?fte noch nicht ihr volles Mass erreicht hatten, kam ihm doch nicht leicht jemand an Ausdauer gleich. Margret hatte bisher ihren Sohn nur geliebt, jetzt fing sie an, stolz auf ihn zu werden und sogar eine Art Hochachtung vor ihm zu f?hlen, da sie den jungen Menschen so ganz ohne ihr Zutun sich entwickeln sah, sogar ohne ihren Rat, den sie, wie die meisten Menschen, f?r unsch?tzbar hielt, und deshalb die F?higkeiten nicht hoch genug anzuschlagen wusste, die eines so kostbaren F?rderungsmittels entbehren konnten.

In seinem achtzehnten Jahre hatte Friedrich sich bereits einen bedeutenden Ruf in der jungen Dorfwelt gesichert durch den Ausgang einer Wette, infolge deren er einen erlegten Eber ?ber zwei Meilen weit auf seinem R?cken trug, ohne abzusetzen. Indessen war der Mitgenuss des Ruhms auch so ziemlich der einzige Vorteil, den Margret aus diesen g?nstigen Umst?nden zog, da Friedrich immer mehr auf sein ?usseres verwandte und allm?hlich anfing, es schwer zu verdauen, wenn Geldmangel ihn zwang, irgend jemand im Dorf darin nachzustehen. Zudem waren alle seine Kr?fte auf den ausw?rtigen Erwerb gerichtet; zu Hause schien ihm, ganz im Widerspiel mit seinem sonstigen Rufe, jede anhaltende Besch?ftigung l?stig, und er unterzog sich lieber einer harten, aber kurzen Anstrengung, die ihm bald erlaubte, seinem fr?hern Hirtenamte wieder nachzugehen, was bereits begann, seinem Alter unpassend zu werden, und ihm gelegentlichen Spott zuzog, vor dem er sich aber durch ein paar derbe Zurechtweisungen mit der Faust Ruhe verschaffte. So gew?hnte man sich daran, ihn bald geputzt und fr?hlich als anerkannten Dorfelegant an der Spitze des jungen Volks zu sehen, bald wieder als zerlumpten Hirtenbuben einsam und tr?umerisch hinter den K?hen herschleichend, oder in einer Waldlichtung liegend, scheinbar gedankenlos und das Moos von den B?umen rupfend.

Um diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze doch einigermassen aufger?ttelt durch eine Bande von Holzfrevlern, die unter dem Namen der Blaukittel alle ihre Vorg?nger so weit an List und Frechheit ?bertraf, dass es dem Langm?tigsten zuviel werden musste. Ganz gegen den gew?hnlichen Stand der Dinge, wo man die st?rksten B?cke der Herde mit dem Finger bezeichnen konnte, war es hier trotz aller Wachsamkeit bisher nicht m?glich gewesen, auch nur ein Individuum namhaft zu machen. Ihre Benennung erhielten sie von der ganz gleichf?rmigen Tracht, durch die sie das Erkennen erschwerten, wenn etwa ein F?rster noch einzelne Nachz?gler im Dickicht verschwinden sah. Sie verheerten alles wie die Wanderraupe, ganze Waldstrecken wurden in einer Nacht gef?llt und auf der Stelle fortgeschafft, so dass man am andern Morgen nichts fand als Sp?ne und w?ste Haufen von Topholz, und der Umstand, dass nie Wagenspuren einem Dorfe zuf?hrten, sondern immer vom Flusse her und dorthin zur?ck, bewies, dass man unter dem Schutz und vielleicht mit dem Beistande der Schiffeigent?mer handelte. In der Bande mussten sehr gewandte Spione sein, denn die F?rster konnten wochenlang umsonst wachen; in der ersten Nacht, gleichviel ob st?rmisch oder mondhell, wo sie vor ?berm?dung nachliessen, brach die Zerst?rung ein. Seltsam war es, dass das Landvolk umher ebenso unwissend und gespannt schien als die F?rster selber.

Von einigen D?rfern ward mit Bestimmtheit gesagt, dass sie nicht zu den Blaukitteln geh?rten, aber keines konnte als dringend verd?chtig bezeichnet werden, seit man das verd?chtigste von allen, das Dorf B., freisprechen musste. Ein Zufall hatte dies bewirkt, eine Hochzeit, auf der fast alle Bewohner dieses Dorfes notorisch die Nacht zugebracht hatten, w?hrend zu ebendieser Zeit die Blaukittel eine ihrer st?rksten Expeditionen ausf?hrten.

Der Schaden in den Forsten war indes allzu gross, deshalb wurden die Massregeln dagegen auf eine bisher unerh?rte Weise gesteigert; Tag und Nacht wurde patrouilliert, Ackerknechte, Hausbediente mit Gewehren versehen und den Forstbeamten zugesellt. Dennoch war der Erfolg nur gering, und die W?chter hatten oft kaum das eine Ende des Forstes verlassen, wenn die Blaukittel schon zum andern einzogen. Das w?hrte l?nger als ein volles Jahr, W?chter und Blaukittel, Blaukittel und W?chter, wie Sonne und Mond, immer abwechselnd im Besitz des Terrains und nie zusammentreffend.

Es war im Juli 1756 fr?h um drei; der Mond stand klar am Himmel, aber sein Glanz fing an zu ermatten, und im Osten zeigte sich bereits ein schmaler gelber Streif, der den Horizont bes?umte und den Eingang einer engen Talschlucht wie mit einem Goldbande schloss. Friedrich lag im Grase, nach seiner gewohnten Weise, und schnitzelte an einem Weidenstabe, dessen knotigem Ende er die Gestalt eines ungeschlachten Tieres zu geben versuchte. Er sah ?berm?det aus, g?hnte, liess mitunter seinen Kopf an einem verwitterten Stammknorren ruhen und Blicke, d?mmeriger als der Horizont, ?ber den mit Gestr?pp und Aufschlag fast verwachsenen Eingang des Grundes streifen. Ein paarmal belebten sich seine Augen und nahmen den ihnen eigent?mlichen glasartigen Glanz an, aber gleich nachher schloss er sie wieder halb und g?hnte und dehnte sich, wie es nur faulen Hirten erlaubt ist. Sein Hund lag in einiger Entfernung nah bei den K?hen, die, unbek?mmert um die Forstgesetze, ebensooft den jungen Baumspitzen als dem Grase zusprachen und in die frische Morgenluft schnaubten.

Aus dem Walde drang von Zeit zu Zeit ein dumpfer, krachender Schall; der Ton hielt nur einige Sekunden an, begleitet von einem langen Echo an den Bergw?nden, und wiederholte sich etwa alle f?nf bis acht Minuten. Friedrich achtete nicht darauf; nur zuweilen, wenn das Get?se ungew?hnlich stark oder anhaltend war, hob er den Kopf und liess seine Blicke langsam ?ber die verschiedenen Pfade gleiten, die ihren Ausgang in dem Talgrunde fanden.

Es fing bereits stark zu d?mmern an; die V?gel begannen leise zu zwitschern, und der Tau stieg f?hlbar aus dem Grunde. Friedrich war an dem Stamm hinabgeglitten und starrte, die Arme ?ber den Kopf verschlungen, in das leise einschleichende Morgenrot. Pl?tzlich fuhr er auf: ?ber sein Gesicht fuhr ein Blitz, er horchte einige Sekunden mit vorgebeugtem Oberleib wie ein Jagdhund, dem die Luft Witterung zutr?gt. Dann schob er schnell zwei Finger in den Mund und pfiff gellend und anhaltend. -- >>Fidel, du verfluchtes Tier!<< -- Ein Steinwurf traf die Seite des unbesorgten Hundes, der, vom Schlafe aufgeschreckt, zuerst um sich biss und dann heulend auf drei Beinen dort Trost suchte, von wo das ?bel ausgegangen war.

In demselben Augenblicke wurden die Zweige eines nahen Geb?sches fast ohne Ger?usch zur?ckgeschoben, und ein Mann trat heraus, im gr?nen Jagdrock, den silbernen Wappenschild am Arm, die gespannte B?chse in der Hand. Er liess schnell seine Blicke ?ber die Schlucht fahren und sie dann mit besonderer Sch?rfe auf dem Knaben verweilen, trat dann vor, winkte nach dem Geb?sch, und allm?hlich wurden sieben bis acht M?nner sichtbar, alle in ?hnlicher Kleidung, Weidmesser im G?rtel und die gespannten Gewehre in der Hand.

>>Friedrich, was war das?<< fragte der zuerst Erschienene. -- >>Ich wollte, dass der Racker auf der Stelle krepierte. Seinetwegen k?nnen die K?he mir die Ohren vom Kopf fressen.<< -- >>Die Kanaille hat uns gesehen<<, sagte ein anderer. --

>>Morgen sollst du auf die Reise mit einem Stein am Halse<<, fuhr Friedrich fort und stiess nach dem Hunde. -- >>Friedrich, stell dich nicht an wie ein Narr! Du kennst mich und du verstehst mich auch!<< -- Ein Blick begleitete diese Worte, der schnell wirkte. -- >>Herr Brandis, denkt an meine Mutter!<< -- >>Das tu ich. Hast du nichts im Walde geh?rt?<< -- >>Im Walde?<< -- Der Knabe warf einen raschen Blick auf des F?rsters Gesicht. -- >>Eure Holzf?ller, sonst nichts.<< -- >>Meine Holzf?ller!<<

Die ohnehin dunkle Gesichtsfarbe des F?rsters ging in tiefes Braunrot ?ber. >>Wie viele sind ihrer, und wo treiben sie ihr Wesen?<< -- >>Wohin Ihr sie geschickt habt; ich weiss es nicht.<< -- Brandis wandte sich zu seinen Gef?hrten: >>Geht voran; ich komme gleich nach.<<

Als einer nach dem andern im Dickicht verschwunden war, trat Brandis dicht vor den Knaben: >>Friedrich,<< sagte er mit dem Ton unterdr?ckter Wut, >>meine Geduld ist zu Ende; ich m?chte dich pr?geln wie einen Hund, und mehr seid ihr auch nicht wert. Ihr Lumpenpack, dem kein Ziegel auf dem Dach geh?rt! Bis zum Betteln habt ihr es, gottlob! bald gebracht, und an meiner T?r soll deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte Brotrinde bekommen. Aber vorher sollt ihr mir noch beide ins Hundeloch.<<

Friedrich griff krampfhaft nach einem Aste. Er war totenbleich, und seine Augen schienen wie Kristallkugeln aus dem Kopfe schiessen zu wollen. Doch nur einen Augenblick. Dann kehrte die gr?sste, an Erschlaffung grenzende Ruhe zur?ck. -- >>Herr,<< sagte er fest, mit fast sanfter Stimme, >>Ihr habt gesagt, was Ihr nicht verantworten k?nnt, und ich vielleicht auch. Wir wollen es gegeneinander aufgehen lassen, und nun will ich Euch sagen, was Ihr verlangt. Wenn Ihr die Holzf?ller nicht selbst bestellt habt, so m?ssen es die Blaukittel sein, denn aus dem Dorfe ist kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und vier Wagen sind es. Ich habe sie nicht gesehen, aber den Hohlweg hinauffahren h?ren.<< -- Er stockte einen Augenblick. --

>>K?nnt Ihr sagen, dass ich je einen Baum in Eurem Revier gef?llt habe? ?berhaupt, dass ich je anderw?rts gehauen habe als auf Bestellung? Denkt nach, ob Ihr das sagen k?nnt?<<

Ein verlegenes Murmeln war die ganze Antwort des F?rsters, der nach Art der meisten rauhen Menschen leicht bereute. Er wandte sich unwirsch und schritt dem Geb?sche zu -- >>Nein, Herr,<< rief Friedrich, >>wenn Ihr zu den andern F?rstern wollt, die sind dort an der Buche hinaufgegangen.<< -- >>An der Buche?<< sagte Brandis zweifelhaft, >>nein, dort hin?ber, nach dem Mastergrunde.<< -- >>Ich sage Euch, an der Buche; des langen Heinrich Flintenriemen blieb noch am krummen Ast dort h?ngen; ich habs ja gesehen!<<

Der F?rster schlug den bezeichneten Weg ein. Friedrich hatte die ganze Zeit hindurch seine Stellung nicht verlassen; halb liegend, den Arm um einen d?rren Ast geschlungen, sah er dem Fortgehenden unverr?ckt nach, wie er durch den halbverwachsenen Steig glitt, mit den vorsichtigen weiten Schritten seines Metiers, so ger?uschlos, wie ein Fuchs die H?hnerstiege erklimmt. Hier sank ein Zweig hinter ihm, dort einer; die Umrisse seiner Gestalt schwanden immer mehr. Da blitzte es noch einmal durchs Laub. Es war ein Stahlknopf seines Jagdrocks; nun war er fort. Friedrichs Gesicht hatte w?hrend dieses allm?hlichen Verschwindens den Ausdruck seiner K?lte verloren, und seine Z?ge schienen zuletzt unruhig bewegt. Gereute es ihn vielleicht, den F?rster nicht um Verschweigung seiner Angaben gebeten zu haben? Er ging einige Schritte voran, blieb dann stehen. >>Es ist zu sp?t<<, sagte er vor sich hin und griff nach seinem Hute. Ein leises Picken im Geb?sche, nicht zwanzig Schritte von ihm. Es war der F?rster, der den Flintenstein sch?rfte. Friedrich horchte. -- >>Nein!<< sagte er dann mit entschlossenem Tone, raffte seine Siebensachen zusammen und trieb das Vieh eilfertig die Schlucht entlang.

Um Mittag sass Frau Margret am Herd und kochte Tee. -- Friedrich war krank heimgekommen, er klagte ?ber heftige Kopfschmerzen und hatte auf ihre besorgte Nachfrage erz?hlt, wie er sich schwer ge?rgert ?ber den F?rster, kurz, den ganzen eben beschriebenen Vorgang, mit Ausnahme einiger Kleinigkeiten, die er besser fand, f?r sich zu behalten. Margret sah schweigend und tr?be in das siedende Wasser. Sie war es wohl gewohnt, ihren Sohn mitunter klagen zu h?ren, aber heute kam er ihr so angegriffen vor wie sonst nie. Sollte wohl eine Krankheit im Anzuge sein? Sie seufzte tief und liess einen eben ergriffenen Holzblock fallen.

>>Mutter!<< rief Friedrich aus der Kammer. -- >>Was willst du?<< -- >>War das ein Schuss?<< -- >>Ach nein, ich weiss nicht, was du meinst.<< -- >>Es pocht mir wohl nur so im Kopfe<<, versetzte er. Die Nachbarin trat herein und erz?hlte mit leisem Fl?stern irgendeine unbedeutende Klatscherei, die Margret ohne Teilnahme anh?rte. Dann ging sie. --

>>Mutter!<< rief Friedrich. Margret ging zu ihm hinein. >>Was erz?hlte die H?lsmeyer?<< -- >>Ach gar nichts, L?gen, Wind!<< -- Friedrich richtete sich auf. -- >>Von der Gretchen Siemers; du weisst ja wohl die alte Geschichte; und ist doch nichts Wahres dran.<< -- Friedrich legte sich wieder hin. >>Ich will sehen ob ich schlafen kann<<, sagte er.

Margret sass am Herde; sie spann und dachte wenig Erfreuliches. Im Dorfe schlug es halb zw?lf; die T?re klinkte, und der Gerichtsschreiber Kapp trat herein. --

>>Guten Tag, Frau Mergel,<< sagte er; >>k?nnt Ihr mir einen Trunk Milch geben? ich komme von M.<< -- Als Frau Mergel das Verlangte brachte, fragte er: >>Wo ist Friedrich?<< Sie war gerade besch?ftigt, einen Teller hervorzulangen, und ?berh?rte die Frage. Er trank z?gernd und in kurzen Abs?tzen. >>Wisst Ihr wohl,<< sagte er dann, >>dass die Blaukittel in dieser Nacht wieder im Masterholze eine ganze Strecke so kahl gefegt haben wie meine Hand!<< -- >>Ei, du frommer Gott!<< versetzte sie gleichg?ltig. -- >>Die Schandbuben<<, fuhr der Schreiber fort, >>ruinieren alles; wenn sie noch R?cksicht n?hmen auf das junge Holz, aber Eichenst?mmchen wie mein Arm dick, wo nicht einmal eine Ruderstange drin steckt! Es ist, als ob ihnen andrer Leute Schaden ebenso lieb w?re wie ihr Profit!<< -- >>Es ist schade!<< sagte Margret. Der Amtsschreiber hatte getrunken und ging noch immer nicht. Er schien etwas auf dem Herzen zu haben. >>Habt Ihr nichts von Brandis geh?rt?<< fragte er pl?tzlich. -- >>Nichts; er kommt niemals hier ins Haus.<< -- >>So wisst Ihr nicht, was ihm begegnet ist?<< -- >>Was denn?<< fragte Margret gespannt. -- >>Er ist tot!<< -- >>Tot!<< rief sie, >>was, tot? Um Gottes willen! er ging ja noch heute morgen ganz gesund hier vor?ber mit der Flinte auf dem R?cken!<< -- >>Er ist tot,<< wiederholte der Schreiber, sie scharf fixierend; >>von den Blaukitteln erschlagen. Vor einer Viertelstunde wurde die Leiche ins Dorf gebracht.<<

Margret schlug die H?nde zusammen. -- >>Gott im Himmel, geh nicht mit ihm ins Gericht! er wusste nicht, was er tat!<< -- >>Mit ihm!<< rief der Amtsschreiber, >>mit dem verfluchten M?rder, meint Ihr?<< Aus der Kammer drang ein schweres St?hnen. Margret eilte hin, und der Schreiber folgte ihr. Friedrich sass aufrecht im Bette, das Gesicht in die H?nde gedr?ckt, und ?chzte wie ein Sterbender. -- >>Friedrich, wie ist dir?<< sagte die Mutter. -- >>Wie ist dir?<< wiederholte der Amtsschreiber. -- >>O mein Leib, mein Kopf!<< jammerte er. -- >>Was fehlt ihm?<< -- >>Ach, Gott weiss es,<< versetzte sie, >>er ist schon um vier mit den K?hen heimgekommen, weil ihm so ?bel war. -- Friedrich, Friedrich, antworte doch, soll ich zum Doktor?<< -- >>Nein, nein,<< ?chzte er, >>es ist nur Kolik, es wird schon besser.<<

Er legte sich zur?ck, sein Gesicht zuckte krampfhaft vor Schmerz; dann kehrte die Farbe wieder. -- >>Geht,<< sagte er matt; >>ich muss schlafen, dann gehts vor?ber.<< --

>>Frau Mergel,<< sagte der Amtsschreiber ernst, >>ist es gewiss, dass Friedrich um vier zu Hause kam und nicht wieder fortging?<< -- Sie sah ihn starr an. -- >>Fragt jedes Kind auf der Strasse. Und fortgehen? -- wollte Gott, er k?nnt es!<< -- >>Hat er Euch nichts von Brandis erz?hlt?<< -- >>In Gottes Namen, ja, dass er ihn im Walde geschimpft und unsere Armut vorgeworfen hat, der Lump! -- Doch Gott verzeih mir, er ist tot! -- Geht!<< fuhr sie heftig fort; >>seid Ihr gekommen, um ehrliche Leute zu beschimpfen? Geht!<< -- Sie wandte sich wieder zu ihrem Sohne; der Schreiber ging. -- >>Friedrich, wie ist dir?<< sagte die Mutter; >>hast du wohl geh?rt? schrecklich, schrecklich! ohne Beichte und Absolution!<< --

>>Mutter, Mutter, um Gottes willen lass mich schlafen; ich kann nicht mehr!<<

In diesem Augenblick trat Johannes Niemand in die Kammer; d?nn und lang wie eine Hopfenstange, aber zerlumpt und scheu, wie wir ihn vor f?nf Jahren gesehen. Sein Gesicht war noch bleicher als gew?hnlich. >>Friedrich,<< stotterte er, >>du sollst sogleich zum Ohm kommen; er hat Arbeit f?r dich; aber sogleich.<< -- Friedrich drehte sich gegen die Wand. -- >>Ich komme nicht,<< sagte er barsch, >>ich bin krank.<< -- >>Du musst aber kommen,<< keuchte Johannes; >>er hat gesagt, ich m?sste dich mitbringen.<< --

Friedrich lachte h?hnisch auf: >>Das will ich doch sehen!<< -- >>Lass ihn in Ruhe, er kann nicht,<< seufzte Margret, >>du siehst ja, wie es steht.<< -- Sie ging auf einige Minuten hinaus; als sie zur?ckkam, war Friedrich bereits angekleidet. -- >>Was f?llt dir ein?<< rief sie, >>du kannst, du sollst nicht gehen!<< -- >>Was sein muss, schickt sich wohl<<, versetzte er und war schon zur T?re hinaus mit Johannes. -- >>Ach Gott,<< seufzte die Mutter, >>wenn die Kinder klein sind, treten sie uns in den Schoss, und wenn sie gross sind, ins Herz!<<

Die gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang genommen, die Tat lag klar am Tage; ?ber den T?ter aber waren die Anzeichen so schwach, dass, obschon alle Umst?nde die Blaukittel dringend verd?chtigten, man doch nicht mehr als Mutmassungen wagen konnte. Eine Spur schien Licht geben zu wollen: doch rechnete man aus Gr?nden wenig darauf. Die Abwesenheit des Gutsherrn hatte den Gerichtsschreiber gen?tigt, auf eigene Hand die Sache einzuleiten. Er sass am Tische; die Stube war gedr?ngt voll von Bauern, teils neugierigen, teils solchen, von denen man in Ermangelung eigentlicher Zeugen einigen Aufschluss zu erhalten hoffte. Hirten, die in derselben Nacht geh?tet, Knechte, die den Acker in der N?he bestellt, alle standen stramm und fest, die H?nde in den Taschen, gleichsam als stillschweigende Erkl?rung, dass sie nicht einzuschreiten gesonnen seien.

Acht Forstbeamte wurden vernommen. Ihre Aussagen waren v?llig gleichlautend: Brandis habe sie am Zehnten abends zur Runde bestellt, da ihm von einem Vorhaben der Blaukittel m?sse Kunde zugekommen sein; doch habe er sich nur unbestimmt dar?ber ge?ussert. Um zwei Uhr in der Nacht seien sie ausgezogen und auf manche Spuren der Zerst?rung gestossen, die den Oberf?rster sehr ?bel gestimmt; sonst sei alles still gewesen. Gegen vier Uhr habe Brandis gesagt: >>Wir sind angef?hrt, lasst uns heimgehen.<< -- Als sie nun um den Bremerberg gewendet und zugleich der Wind umgeschlagen, habe man deutlich im Masterholz f?llen geh?rt und aus der schnellen Folge der Schl?ge geschlossen, dass die Blaukittel am Werk seien. Man habe nun eine Weile beratschlagt, ob es tunlich sei, mit so geringer Macht die k?hne Bande anzugreifen, und sich dann ohne bestimmten Entschluss dem Schalle langsam gen?hert. Nun folgte der Auftritt mit Friedrich. Ferner: nachdem Brandis sie ohne Weisung fortgeschickt, seien sie eine Weile vorangeschritten und dann, als sie bemerkt, dass das Get?se im noch ziemlich weit entfernten Walde g?nzlich aufgeh?rt, stillegestanden, um den Oberf?rster zu erwarten.

Die Z?gerung habe sie verdrossen, und nach etwa zehn Minuten seien sie weitergegangen und so bis an den Ort der Verw?stung. Alles sei vor?ber gewesen, kein Laut mehr im Walde, von zwanzig gef?llten St?mmen noch acht vorhanden, die ?brigen bereits fortgeschafft. Es sei ihnen unbegreiflich, wie man dieses ins Werk gestellt, da keine Wagenspuren zu finden gewesen. Auch habe die D?rre der Jahreszeit und der mit Fichtennadeln bestreute Boden keine Fussstapfen unterscheiden lassen, obgleich der Grund ringsumher wie festgestampft war. Da man nun ?berlegt, dass es zu nichts n?tzen k?nne, den Oberf?rster zu erwarten, sei man rasch der andern Seite des Waldes zugeschritten in der Hoffnung, vielleicht noch einen Blick von den Frevlern zu erhaschen. Hier habe sich einem von ihnen beim Ausgange des Waldes die Flaschenschnur in Brombeerranken verstrickt, und als er umgeschaut, habe er etwas im Gestr?pp blitzen sehen; es war die Gurtschnalle des Oberf?rsters, den man nun hinter den Ranken liegend fand, grad ausgestreckt, die rechte Hand um den Flintenlauf geklemmt, die andere geballt, und die Stirn von einer Axt gespalten.

Dies waren die Aussagen der F?rster; nun kamen die Bauern an die Reihe, aus denen jedoch nichts zu bringen war. Manche behaupteten, um vier Uhr noch zu Hause oder anderswo besch?ftigt gewesen zu sein, und keiner wollte etwas bemerkt haben. Was war zu machen? sie waren s?mtlich angesessene, unverd?chtige Leute. Man musste sich mit ihren negativen Zeugnissen begn?gen.

Friedrich ward hereingerufen. Er trat ein mit einem Wesen, das sich durchaus nicht von seinem gew?hnlichen unterschied, weder gespannt noch keck. Das Verh?r w?hrte ziemlich lange, und die Fragen waren mitunter ziemlich schlau gestellt; er beantwortete sie jedoch alle offen und bestimmt und erz?hlte den Vorgang zwischen ihm und dem Oberf?rster ziemlich der Wahrheit gem?ss, bis auf das Ende, das er geratener fand, f?r sich zu behalten. Sein Alibi zur Zeit des Mordes war leicht erwiesen. Der F?rster lag am Ausgange des Masterholzes, ?ber dreiviertel Stunden Weges von der Schlucht, in der er Friedrich um vier Uhr angeredet und aus der dieser seine Herde schon zehn Minuten sp?ter ins Dorf getrieben. Jedermann hatte dies gesehen; alle anwesenden Bauern beeiferten sich, es zu bezeugen; mit diesem hatte er geredet, jenem zugenickt.

Der Gerichtsschreiber sass unmutig und verlegen da. Pl?tzlich fuhr er mit der Hand hinter sich und brachte etwas Blinkendes vor Friedrichs Auge. >>Wem geh?rt dies?<< -- Friedrich sprang drei Schritt zur?ck. >>Herr Jesus! ich dachte, Ihr wolltet mir den Sch?del einschlagen.<< Seine Augen waren rasch ?ber das t?dliche Werkzeug gefahren und schienen momentan auf einem ausgebrochenen Splitter am Stiele zu haften. >>Ich weiss es nicht<<, sagte er fest. -- Es war die Axt, die man in dem Sch?del des Oberf?rsters eingeklammert gefunden hatte. -- >>Sieh sie genau an<<, fuhr der Gerichtsschreiber fort. Friedrich fasste sie mit der Hand, besah sie oben, unten, wandte sie um. >>Es ist eine Axt wie andere<<, sagte er dann und legte sie gleichg?ltig auf den Tisch. Ein Blutfleck ward sichtbar; er schien zu schaudern, aber er wiederholte noch einmal sehr bestimmt: >>Ich kenne sie nicht.<< Der Gerichtsschreiber seufzte vor Unmut. Er selbst wusste um nichts mehr und hatte nur einen Versuch zu m?glicher Entdeckung durch ?berraschung machen wollen. Es blieb nichts ?brig, als das Verh?r zu schliessen.

Denjenigen, die vielleicht auf den Ausgang dieser Begebenheit gespannt sind, muss ich sagen, dass diese Geschichte nie aufgekl?rt wurde, obwohl noch viel daf?r geschah und diesem Verh?re mehrere folgten. Den Blaukitteln schien durch das Aufsehen, das der Vorgang gemacht, und die darauffolgenden gesch?rften Massregeln der Mut genommen; sie waren von nun an wie verschwunden, und obgleich sp?terhin noch mancher Holzfrevler erwischt wurde, fand man doch nie Anlass, ihn der ber?chtigten Bande zuzuschreiben. Die Axt lag zwanzig Jahre nachher als unn?tzes Korpusdelikti im Gerichtsarchiv, wo sie wohl noch jetzt ruhen mag mit ihren Rostflecken. Es w?rde in einer erdichteten Geschichte unrecht sein, die Neugier des Lesers so zu t?uschen. Aber dies alles hat sich wirklich zugetragen; ich kann nichts davon- oder dazutun.

Am n?chsten Sonntage stand Friedrich sehr fr?h auf, um zur Beichte zu gehen. Es war Mari? Himmelfahrt und die Pfarrgeistlichen schon vor Tagesanbruch im Beichtstuhle.

Nachdem er sich im Finstern angekleidet, verliess er so ger?uschlos wie m?glich den engen Verschlag, der ihm in Simons Hause einger?umt war.

In der K?che musste sein Gebetbuch auf dem Sims liegen, und er hoffte, es mit Hilfe des schwachen Mondlichts zu finden; es war nicht da. Er warf die Augen suchend umher und fuhr zusammen; in der Kammert?r stand Simon, fast unbekleidet, seine d?rre Gestalt, sein ungek?mmtes wirres Haar und die vom Mondschein verursachte Bl?sse des Gesichts gaben ihm ein schauerlich ver?ndertes Ansehen. >>Sollte er nachtwandeln?<< dachte Friedrich und verhielt sich ganz still. -- >>Friedrich, wohin?<< fl?sterte der Alte. -- >>Ohm, seid Ihrs? ich will beichten gehen.<< -- >>Das dacht ich mir; geh in Gottes Namen, aber beichte wie ein guter Christ.<< -- >>Das will ich<<, sagte Friedrich. -- >>Denk an die zehn Gebote: du sollst kein Zeugnis ablegen gegen deinen N?chsten.<< -- >>Kein falsches!<< -- >>Nein, gar keines; du bist schlecht unterrichtet; wer einen andern in der Beichte anklagt, der empf?ngt das Sakrament unw?rdig.<<

Beide schwiegen. -- >>Ohm, wie kommt Ihr darauf?<< sagte Friedrich dann; >>Eur Gewissen ist nicht rein; Ihr habt mich belogen.<< -- >>Ich, so?<< -- >>Wo ist Eure Axt?<< -- >>Meine Axt? auf der Tenne.<< -- >>Habt Ihr einen neuen Stiel hinein gemacht? wo ist der alte?<< -- >>Den kannst du heute bei Tag im Holzschuppen finden.<<

>>Geh,<< fuhr er ver?chtlich fort, >>ich dachte, du seist ein Mann; aber du bist ein altes Weib, das gleich meint, das Haus brennt, wenn ihr Feuertopf raucht. Sieh,<< fuhr er fort, >>wenn ich mehr von der Geschichte weiss als der T?rpfosten da, so will ich ewig nicht selig werden. -- L?ngst war ich zu Haus<<, f?gte er hinzu. -- Friedrich stand beklemmt und zweifelnd. Er h?tte viel darum gegeben, seines Ohms Gesicht sehen zu k?nnen. Aber w?hrend sie fl?sterten, hatte der Himmel sich bew?lkt.

>>Ich habe schwere Schuld,<< seufzte Friedrich, >>dass ich ihn den unrechten Weg geschickt -- obgleich -- doch, dies hab ich nicht gedacht, nein, gewiss nicht. Ohm, ich habe Euch ein schweres Gewissen zu danken.<< -- >>So geh, beicht!<< fl?sterte Simon mit bebender Stimme; >>verunehre das Sakrament durch Angeberei und setze armen Leuten einen Spion auf den Hals, der schon Wege finden wird, ihnen das St?ckchen Brot aus den Z?hnen zu reissen, wenn er gleich nicht reden darf -- geh!<< --

Friedrich stand unschl?ssig; er h?rte ein leises Ger?usch; die Wolken verzogen sich, das Mondlicht fiel wieder auf die Kammert?r: sie war geschlossen. Friedrich ging an diesem Morgen nicht zur Beichte. Der Eindruck, den dieser Vorfall auf Friedrich gemacht, erlosch leider nur zu bald. Wer zweifelt daran, dass Simon alles tat, seinen Adoptivsohn dieselben Wege zu leiten, die er selber ging? Und in Friedrich lagen Eigenschaften, die dies nur zu sehr erleichterten: Leichtsinn, Erregbarkeit und vor allem ein grenzenloser Hochmut, der nicht immer den Schein verschm?hte und dann alles daransetzte, durch Wahrmachung des Usurpierten m?glicher Besch?mung zu entgehen. Seine Natur war nicht unedel, aber er gew?hnte sich, die innere Schande der ?ussern vorzuziehen. Man darf nur sagen, er gew?hnte sich zu prunken, w?hrend seine Mutter darbte.

Diese ungl?ckliche Wendung seines Charakters war indessen das Werk mehrerer Jahre, in denen man bemerkte, dass Margret immer stiller ?ber ihren Sohn ward und allm?hlich in einen Zustand der Verkommenheit versank, den man fr?her bei ihr f?r unm?glich gehalten h?tte. Sie wurde scheu, saumselig, sogar unordentlich, und manche meinten, ihr Kopf habe gelitten. Friedrich ward desto lauter; er vers?umte keine Kirchweih oder Hochzeit, und da ein sehr empfindliches Ehrgef?hl ihn die geheime Missbilligung mancher nicht ?bersehen liess, war er gleichsam immer unter Waffen, der ?ffentlichen Meinung nicht sowohl Trotz zu bieten, als sie den Weg zu leiten, der ihm gefiel. Er war ?usserlich ordentlich, n?chtern, anscheinend treuherzig, aber listig, prahlerisch und oft roh, ein Mensch, an dem niemand Freude haben konnte, am wenigsten seine Mutter, und der dennoch durch seine gef?rchtete K?hnheit und noch mehr gef?rchtete T?cke ein gewisses ?bergewicht im Dorfe erlangt hatte, das um so mehr anerkannt wurde, je mehr man sich bewusst war, ihn nicht zu kennen und nicht berechnen zu k?nnen, wessen er am Ende f?hig sei. Nur ein Bursch im Dorfe, Wilm H?lsmeyer, wagte im Bewusstsein seiner Kraft und guter Verh?ltnisse ihm die Spitze zu bieten; und da er gewandter in Worten war als Friedrich und immer, wenn der Stachel sass, einen Scherz daraus zu machen wusste, so war dies der einzige mit dem Friedrich ungern zusammentraf. -- --

Vier Jahre waren verflossen; es war im Oktober; der milde Herbst von 1760, der alle Scheunen mit Korn und alle Keller mit Wein f?llte, hatte seinen Reichtum auch ?ber diesen Erdwinkel str?men lassen, und man sah mehr Betrunkene, h?rte von mehr Schl?gereien und dummen Streichen als je. ?berall gabs Lustbarkeiten: der blaue Montag kam in Aufnahme, und wer ein paar Taler er?brigt hatte, wollte gleich eine Frau dazu, die ihm heute essen und morgen hungern helfen k?nne. Da gab es im Dorfe eine t?chtige, solide Hochzeit, und die G?ste durften mehr erwarten als eine verstimmte Geige, ein Glas Branntwein und was sie an guter Laune selber mitbrachten. Seit fr?h war alles auf den Beinen; vor jeder T?r wurden Kleider gel?ftet, und B. glich den ganzen Tag einer Tr?delbude. Da viele Ausw?rtige erwartet wurden, wollte jeder gern die Ehre des Dorfes oben halten.

Friedrich stolzierte umher wie ein Hahn, im neuen himmelblauen Rock, und machte sein Recht als erster Elegant geltend. Als auch die Gutsherrschaft anlangte, sass er gerade hinter der Bassgeige und strich die tiefste Saite mit grosser Kraft und vielem Anstand.

>>Johannes!<< rief er gebieterisch, und heran trat sein Sch?tzling von dem Tanzplatze, wo er auch seine ungelenken Beine zu schlenkern und eins zu jauchzen versucht hatte. Friedrich reichte ihm den Bogen, gab durch eine stolze Kopfbewegung seinen Willen zu erkennen und trat zu den Tanzenden: >>Nun lustig, Musikanten: den Pagen van Istrup!<< -- Der beliebte Tanz ward gespielt, und Friedrich machte S?tze vor den Augen seiner Herrschaft, dass die K?he an der Tenne die H?rner zur?ckzogen und Kettengeklirr und Gebrumm an ihren St?ndern herlief. Fusshoch ?ber die andern tauchte sein blonder Kopf auf und nieder wie ein Hecht, der sich im Wasser ?berschl?gt; an allen Enden schrien M?dchen auf, denen er zum Zeichen der Huldigung mit einer raschen Kopfbewegung sein langes Flachshaar ins Gesicht schleuderte.

>>Jetzt ist es gut!<< sagte er endlich und trat schweisstriefend an den Kredenztisch; >>die gn?digen Herrschaften sollen leben und alle die hochadeligen Prinzen und Prinzessinnen, und wers nicht mittrinkt, den will ich an die Ohren schlagen, dass er die Engel singen h?rt!<< -- Ein lautes Vivat beantwortete den galanten Toast. -- Friedrich machte seinen B?ckling. -- >>Nichts f?r ungut, gn?dige Herrschaften, wir sind nur ungelehrte Bauersleute!<<

In diesem Augenblick erhob sich ein Get?mmel am Ende der Tenne, Geschrei, Schelten, Gel?chter, alles durcheinander. >>Butterdieb, Butterdieb!<< riefen ein paar Kinder, und heran dr?ngte sich, oder vielmehr ward geschoben, Johannes Niemand, den Kopf zwischen die Schultern ziehend und mit aller Macht nach dem Ausgange strebend. -- >>Was ists? was habt ihr mit unserem Johannes?<< rief Friedrich gebieterisch.

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