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Munafa ebook

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Read Ebook: Parallel Paths: A Study in Biology Ethics and Art by Rolleston T W Thomas William

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Ebook has 28 lines and 2118 words, and 1 pages

NAPOLEON

EINE NOVELLE VON CARL STERNHEIM

LEIPZIG KURT WOLFF VERLAG 1915

Mit drei Lithographien von Ottomar Starke. Gedruckt bei Poeschel & Trepte in Leipzig Juli 1915 als neunzehnter Band der B?cherei >>Der j?ngste Tag<<

COPYRIGHT 1915 BY KURT WOLFF VERLAG ? LEIPZIG

F?R THEA, MEINE LIEBE FRAU

NAPOLEON

NAPOLEON wurde 1820 zu Waterloo im Eckhaus, vor dem sich die Steinwege nach Nivelles und Genappes trennen, geboren. Sein Kinderleben verliess historischen Boden nicht.

?ber die durch Hohlwege gekreuzten Fl?chen, auf denen des Kaisers K?rassiere in Kn?ueln zu Tode gest?rzt waren, gingen seine Soldatenspiele mit Gleichalterigen. Sie lehrten ihn ewige Gefahr, Wunden und Sieg.

Zw?lf Jahre alt, nahm er von Kameraden beherrschten Abschied, sprang zum Vater in die Kalesche und fuhr nach Br?ssel hin?ber, wo er vor ein Gasthaus abgesetzt wurde. In der K?che des Lion d'or lernte er Schaum schlagen, Fett spritzen, schneiden und sch?len. Gewohnter ?berwinder der Kameraden auf weltber?hmter Walstatt, liess er auch hier ganz nat?rlich die Mitlernenden hinter sich und war der erste, der die Gefl?gelpastete nicht nur zur Zufriedenheit des Chefs zubereitete, sondern auch nach den Gesetzen zerlegte.

Er selbst blieb von allen Speisenden der einzige, den der Vol-au-vent nicht befriedigte, doch nahm er Lob und ehrenvolles Zeugnis hin, machte sich, siebenzehnj?hrig, auf den Weg und betrat an einem Maimorgen des Jahres 1837 durch das Sankt Martinstor Paris.

Als er von einer Bank am Flussufer die strahlende Stadt und ihre Bewegung ?bersah, wurde ihm zur Gewissheit, was er in Br?ssel geahnt: Nie w?rde er aus den allem Verkehr fernliegenden K?chenr?umen jene enge Ber?hrung mit Menschen finden, die sein Trieb verlangte. Tage hindurch, solange die ersparte Summe in der Tasche das Nichtstun litt, folgte er den Kellnern in den Wirtschaften gespannten Blicks mit inniger Anteilnahme; verschlang ihre und der Essenden Reden, Lachen, Gesten. An einem hellen Mittag, da eine Dame Trauben vom Teller hob, den ihr der Kellner bot, trat er stracks in die Taverne auf den Wirt zu und empfahl sich ihm durch Geb?rden und flinken Blick als Speisentr?ger.

Nun brachte er Mittag- und Abendmahl f?r alle Welt herbei. Es kam von beiden Geschlechtern jedes Alter und jeder Beruf zu seinen Sch?sseln und s?ttigte sich. Unerm?dlich schleppte er auf die Tische, fing hungrige Blicke auf und satte, r?umte er ab. Nachts tr?umte er von malmenden Kiefern, schl?rfenden Zungen und ging anderes Morgens von neuem ans Tagwerk im Bewusstsein seiner Notwendigkeit.

Erst allm?hlich sah er Unterschiede des Essens von schmatzenden Lippen ab. Er kannte den gierigen, weitge?ffneten Rachen des Studenten, durch den unsortierte Bissen in ein niegestopftes Loch fielen, unterschied den Vertilger eines nicht heisshungrig ersehnten, doch regelm?ssig gewohnten Mahles von jenem ?berern?hrten, der ungern zum Tisch sich niederliess und gelangweilt Leckerbissen kostete und zur?ckschob. Er pr?gte sich die kauende, trinkende Menschheit in allen Abstufungen fest und bildhaft ein.

Durch Kennerschaft wurde er ihr Berater und F?hrer; wies den Hungrigen feste Nahrung, bediente die ewig Satten mit Schaum und Gekr?se; von ihm zu allen Tischen lief ein Band des Verst?ndnisses. Hob der Gast nur die Karte, fiel von Napoleons Lippen erl?send der gew?nschten Speise Name.

Jahrelang blieben die seine Lieblinge, deren leibliche Not die Kost stillen sollte. Ein saftiges St?ck Fleisch, von kr?ftigen Z?hnen gebissen, schien ihm die gelungenste Vorstellung. Doch machte er Unterschiede zwischen den Sorten. Liess er Kalb und Lamm im Hinblick auf ihre festere Zusammensetzung gelten, war ihm Wild und Gefl?gel wenig sympathisch. Von Fischen, Austern und Verwandtem hielt er der lockeren Struktur wegen nicht das Geringste. Inbegriff guter Nahrung war ihm das Rind. Unwillk?rlich sah er beim Hin- und Heimweg die Begegneten auf die Beschaffenheit ihrer Muskulatur hin an. Die erschienen ihm wohl bereitet, die ?ber straffem Knochenbau gedr?ngte Materie trugen. Die Mageren verachtete er, und die mit losem Fett Gepolsterten waren ihm verhasst. Einem gut aufgesetzten K?rper folgten seine Blicke z?rtlich und zerlegten ihn augenblicklich in gigots, selle, c?tes und Kotelettes. In der Einbildung streute er Pfeffer und Salz hinzu, garnierte, schnitt und servierte das Ganze mit passendem Salat; dann l?chelte das junge Gesicht, und hingerissen, ahnte er nicht, in welcher Zeit er lebte; unterschied Sommer und Winter, Trockenheit und Regen, ?berfluss und Notdurft nicht und wusste nur: dies freut den Gast.

Immer hitziger wurde sein Trieb, dem zu Bedienenden s?ttigende Kost zu bieten. Gew?rz und Zutat sah er nur in dem Sinn, wie sie die bestellte Speise fest und ausdauernd machen m?chten. Es bildete sich in seine Vorstellung der Raum des leeren Magens, in den er wie aus Betonkl?tzen die Nahrung baute.

Ging der Ges?ttigte, der schlappen Schrittes gekommen, wuchtig zur T?r hinaus, hing Napoleons Blick an dem Schreitenden, als sei dessen Lebendigkeit sein Werk. Er brauchte das Bewusstsein sch?pferischer Tat, um vor sich bestehen zu k?nnen und steigerte es allm?hlich zur ?berzeugung, ohne ihn und seine Pflege sei die Lebensarbeit der Betroffenen nicht m?glich. Diese festzustellen, merkte er die Namen der G?ste; nahm an ihrem Vorw?rtskommen teil.

Es geschah, als er am freien Tage durch die Wege der Versailler Parks schritt, in der Einbildung, er habe gerade eine riesige Wurst mit den H?chstwerten menschlicher N?hrstoffe gestopft und schnitte den Wartenden Scheiben herunter, dass aufschauend sein Auge zu einem jungen Weibe fiel, das am entbl?ssten Busen ein Kind h?ngen hatte. Gebannt wurzelte Napoleon am Boden und pr?gte sich in aufgetane Sinne das Bild rosiger, gebl?hter Rundheiten an der Frau und dem S?ugling ein. War das eine Apotheose seiner Tr?ume von kraftvoller Nahrung und ihrem besten Verbrauch! Er h?tte an die N?hrende niederfallen und durch Umschlingung ihres und des Kindes Leibes an dem erhabenen Vorgang teilnehmen m?gen.

Das geschaute Bild verliess ihn nicht und veranlasste ihn, fl?ssigen Stoffen gesteigerte Aufmerksamkeit zu schenken; dann aber hob es den Wert der Frau, der bis heute ihrer geringen Lust zum Essen wegen f?r seine Welt nicht gross gewesen war, sich jetzt aber unter einem anderen Gesichtspunkt auf das beste ins grosse Tableau tafelnder Menschheit einordnete. Zum ersten Mal besah er das M?dchen an der Anrichte, dem er bisher nur den kr?ftigen Gliederbau hatte best?tigen m?ssen, und immer eindringlicher, als pr?fe er es auf gewisse ihm nun einleuchtende M?glichkeiten. Er fand, sie n?hme als Nahrung zu viel leichtes Zeug, belade sich mit Geblasenem und Aufgerolltem, das im Magen zu einem Nichts zusammenfiele, warnte sie vor Klebrigkeit und S?ssem und forderte sie eines Tages geradezu auf, mit ihm irgendwo ein Mahl zu nehmen, das bis ins kleinste von ihm zusammengestellt, in seinem Wert f?r sie er?rtert werden solle. Das M?dchen nahm des Mannes Kauderwelsch f?r einen Umschweif, willigte ein, und sie gingen an einem der n?chsten Tage gemeinsam ein St?ck ?ber Land und traten in einen Gasthof ab.

Dort verschwand Napoleon und erkl?rte zur?ckkommend der schmollenden Suzanne, er habe in der K?che selbst bis ins Kleinste vorgesorgt. Mit einem Ragout vom Hammel in einer Burgunderweinsauce beginne man und gehe, alle falschen Vorspiegelungen verschm?hend, geradezu auf ein wundervolles, halbblutiges Rindslendenst?ck zu, an das er englische Gurken und Zwiebeln habe braten lassen.

Als das Essen aufgetragen war, wies er sie, die Bissen langsam zu kauen und ohne Zukost von Brot zu schlucken. Er ruhte nicht, bis das letzte Teilchen auf der Sch?ssel vertilgt war und befahl ihr und sich selbst ein Gl?schen Schnaps zu besserem Bekommen an.

Da nach Tisch sie draussen im Gras lagen, breitete er Arme und Beine von sich und riet ihr, ein Gleiches zu tun. Er sei ein schm?chtiger Bursch gewesen und nur durch vern?nftige Nahrung und angemessene Verdauung sein Gewebe fest und kr?ftig geworden. Dabei liess er durch Beugung die Muskeln der Arme und Waden zu kleinen B?llen schwellen, worauf sie, in der Eitelkeit verletzt, auch ihre Glieder spielen liess und ihn zur Pr?fung der festen Beschaffenheit einlud. Doch bestritt er alles von vornherein, meinte, es sei bei ihrer bisherigen Ern?hrung gar nicht m?glich und forderte sie auf, in Zukunft nach seinen Vorschriften zu leben. Dann werde, was nicht da sei, kommen.

Er gefiel ihr. Dieser n?chterne Sinn machte Eindruck auf sie, und sie bem?hte sich, seine Erwartung zu erf?llen. Bei den n?chsten Ausfl?gen blieb sie pl?tzlich stehen, b?umte den Arm auf und liess seine H?nde die Anschwellung f?hlen. Doch kam durch Wochen nichts als ein Schnalzen von ihm, das ihr immerhin bedeutete, sie sei auf rechtem Weg. Bis eines Tags beim Versuch, sich ein gel?stes Schuhband zu kn?pfen, sie ihm ein so m?chtiges R?ckenst?ck entgegenhob, dass eine runde Anerkennung seinen Lippen entfuhr. Gleich lag sie an seiner Brust; bot ihm den Mund zum Kuss.

Der Besitzer der Taverne starb, und Napoleon wurde Inhaber des Speisehauses. Er konnte nun schalten, wie er wollte, und entfernte vollends alle Spielereien von der Karte. Die gleichbleibende Kundschaft, er selbst und Suzanne waren gewichtig auftretende Personen geworden, die eine Rede deutlich in den Mund nahmen. Es gab in seinen R?umen kein Getuschel, sondern zu schallenden Worten dr?hnendes Lachen. Ein forsches Zugreifen und Fortstellen. ?berzeugte Meinungen und Entschl?sse f?r k?hne Taten.

Napoleons Vaterunser und Einmaleins hiess: in allen Molek?len dr?ngende Kraft. Von Suzannes Kind, das sie von ihm unter dem Herzen trug, rechnete er, es m?sse nach Menschenermessen ein Herkules werden.

Der Ruf des Hauses hatte sich verbreitet. Einer r?hmte es dem andern und brachte ihn zu einem Versuch mit. Schliesslich reichte der Raum nicht, die G?ste zu fassen. Einen freiwerdenden Stuhl besetzte sofort ein anderer Hungriger. Grosse Tagesums?tze wurden erzielt und immer bedeutendere. Verglich aber zum Jahresabschluss der Wirt Einnahme und Ausgabe, kam kaum ein Guthaben zu seinen Gunsten heraus. Anfangs, bevor er das Ziel seines grossen Rufs erreicht, liess er es gehen; als aber dieser ?ber ganz Paris feststand, begann die schlechte Abrechnung ihn zu wurmen. Er war nun dreissig Jahr alt, hatte grosse Pl?ne, und schien Reichtum auch nicht seine letzte Absicht, musste er doch mit dem ?brigen kommen. Nochmals nahm er die B?cher gr?ndlich vor und stellte fest, der geforderte Preis war in Anbetracht der hervorragenden Beschaffenheit und Menge der gereichten Speisen zu niedrig. Da ihm aber einleuchtete, der Konkurrenz wegen k?nne er einen Preisaufschlag nicht eintreten lassen, stand er vor der Entscheidung, alles beim alten zu lassen oder die Qualit?t des Gebotenen zu verschlechtern. Treu seinen bisherigen Grunds?tzen entschloss er sich zu ersterem, stand aber den Essenden jetzt nicht mehr mit alter Unbefangenheit gegen?ber. Bei jedem Filet, das der Kellner mit sch?nem Schwung zum Gast niedersetzte, stellte er den Vergleich zwischen Ware und erzieltem Preis an und kam bald dazu, dass ihn eine Platte, je besser sie gelungen und je reichlicher sie serviert wurde umsomehr in qualvolle Erregung versetzte. Besonders konnte er den Blick von einem Gast nicht wenden, der mit dem Gebotenen anfangs nicht zufrieden, die Bedienung und die K?chenbrigade durch anfeuernde Reden zur h?chsten Leistung f?r ihn angespornt hatte und nun wahre Fleischtr?mmer vorgesetzt bekam, die er mit Mengen alles Erreichbaren w?rzte. Dazu warf er Napoleon triumphierende und anerkennende Blicke zu, die diesen anfangs erbitterten, schliesslich zu heller Emp?rung brachten. Der Vielfrass war ein Kanzleibeamter, von dem nie ein besonderes Verdienst verlautet hatte, und der Herr des Gasthauses fragte sich ergrimmt, mit welchem Recht, f?r welches bedeutende Vorhaben der Betreffende eigentlich solche Anforderungen f?r seinen Magen stellte. Man wisse schliesslich zu welchem Ende, schl?nge ein Thiers, ein Balzac solche Mengen in seine D?rme. Dieser Durchschnittsb?rger aber schweife in geradezu widerlicher Weise aus, garniere er den faulen Bauch t?glich mit solchen Prachtfleischst?cken. ?berhaupt begann der Wirt des Veau ? la mode seine Stammg?ste auf ihre Verdienste hin anzusehen und stellte vor seinem Gewissen fest, keiner habe durch Erfolge die Sorge vergolten, die man jahrelang an seiner Ern?hrung genommen. Infolgedessen folgte er ihrem Schlingen von nun an mit noch scheeleren Blicken, und als das Mass seines Grolls aufs H?chste gestiegen war, br?llte er eines Tages dem Hauptkoch zu, der ?ber ein Tournedos ein volles achtel Pfund Butter goss, ob er von Gott verlassen sei und ihn durchaus ruinieren wolle.

?ber all das hatte er schlaflose N?chte, bis er zu fester Anschauung sich durchgerungen hatte, die lautete: Es hat die Mahlzeit das ?quivalent zu sein der durch

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