Use Dark Theme
bell notificationshomepageloginedit profile

Munafa ebook

Munafa ebook

Read Ebook: Der Kunstreiter 2. Band by Gerst Cker Friedrich

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page

Ebook has 754 lines and 38290 words, and 16 pages

en? -- sage lieber Befehlen.<<

>>So nenne es denn Befehle, wenn du willst.<<

>>Ich weiss es wohl,<< z?rnte die Frau, >>du hast kein Herz f?r uns. Solange wir dir Nutzen brachten, waren wir dir gut, doch jetzt, wo...<<

>>Halt ein, Georgine,<< unterbrach sie ernst der Mann, >>das ist ein harter, b?ser Vorwurf, der nicht aus deinem Herzen kam. Du bist aber jetzt, wenn auch v?llig grundlos, gereizt, und wir wollen nicht weiter dar?ber rechten. Ich habe deinen Vater freundlich ermahnt, an uns sowohl, wie an sich selbst zu denken; ich hoffe, das wird f?r ihn gen?gen. Karl hat gleich an Ort und Stelle seine Strafe bekommen, und die Sache ist also abgemacht. Willst du selber noch einmal mit ihnen dar?ber sprechen, so gehe erst mit deiner Vernunft zu Rate, die wird dich den richtigen Weg schon leiten.<< Und ohne weiter eine Antwort abzuwarten, verliess er das Zimmer, bestieg unten im Hofe sein schon bereit gehaltenes Pferd und sprengte in den Wald hinaus.

Georg sprengte indessen in den Wald, das Herz voll von tr?ben, dr?ckenden Gedanken; denn nie mehr, als gerade in diesem Augenblick, f?hlte es die Last, die mit den Ueberresten seines fr?heren Lebens hereinragte in sein jetziges edleres Sein. Wie war es m?glich, dass er den alten Mann, den er verachtete, von sich absch?tteln konnte, ohne Georginen im tiefsten Herzen zu verwunden -- und tat er es nicht, wer b?rgte ihm daf?r, dass nicht bei n?chster Gelegenheit der Mensch, der nun einmal zur Hefe des Volkes geh?rte, seine eigene Stellung im neuen b?rgerlichen Leben durch irgend einen tollen Streich untergraben, ja, rettungslos zerst?ren k?nne? -- Und was dann? Hatte er nicht die Pein seiner fr?heren Existenz kennen gelernt? War nicht der Schleier von seinen Augen gefallen, durch den geblendet er jenen wilden, z?gellosen Stand nur stets im rosigsten und sch?nsten Lichte gesehen? Dahin konnte er nicht zur?ckkehren, ohne, wie er recht gut f?hlte, geistig und moralisch zugrunde zu gehen, und machte es ihm hier die Verbindung mit jenen alten Ketten, in der er durch den fr?heren Possenreisser seiner Bande gehalten wurde, nicht doch am Ende auch noch unm?glich, seinem Ziele fest und unverzagt entgegen zu streben?

Er f?hlte selber nicht, wie der Rappe, von Schenkeldruck und Sporn getrieben, in sausendem Galopp mit ihm die Strasse entlang flog. Der Wind aber k?hlte seine heissen Schl?fen, die rasche, kr?ftige Bewegung tat ihm wohl, und seinem feurigen Tier die Z?gel lassend, sprengte er mit ihm, dem n?chsten breiten Holzwege folgend, gerade in den Wald hinein. Hier aber m?ssigte der Rappe selber seinen Schritt; der Weg war rauh und hart gefroren, und die zarten Hufe des edlen Tieres nicht an solche Bahn gew?hnt. Und als auch hierin der Reiter ihm volle Freiheit liess, blieb es endlich schnaubend und mit dem sch?nen Kopf auf- und niederfahrend auf einer Waldbl?sse stehen, wo ein J?ger, die Flinte vor sich auf den Knien, auf einem gef?llten Baume sass und jetzt erst, als er den Nahenden erkannte, aufstand, ihn achtungsvoll zu begr?ssen.

Er war der alte Forstwart Barthold, und Georgs Blick haftete unwillk?rlich lange und mit einem eigenen Interesse auf den gefurchten eisernen Z?gen des Greises, um dessen Schl?fe der kalte Nordwind die von den Jahren zu Schnee gebleichten Locken jagte.

>>Setzt auf, Alter, setzt auf,<< sagte er endlich hastig, als sein Geist zu den Gegenst?nden um ihn her zur?ckkehrte, >>das ist kein Wetter, mit entbl?sstem Kopfe zu stehen, und noch dazu in Euren Jahren!<< Der Alte neigte sich leise und gehorchte dem Befehl.

>>Und was macht Ihr hier?<< fuhr Georg fort, indem er abstieg, den Nacken seines Tieres klopfte und ihm dann den Z?gel auf den Sattel legte, >>kommt, geht mit mir ein St?ck durch den Wald; mein Pferd ist etwas warm geworden, und ich m?chte es nicht still stehen lassen.<<

>>Ich hab' hier in der Gegend ein Eisen f?r eine wilde Katze gestellt,<< erwiderte der Forstwart, indem er sich an der Seite Georgs hielt, aber nicht ohne einiges Erstaunen sah, dass diesem der feurige Rappe lammfromm und wie ein Hund folgte.

>>Gibt es deren hier?<<

>>Selten einmal eine, aber sie kommen doch zu Zeiten vor und tun dann gar erschrecklichen Schaden unter den lieben Waldtieren. Es ist blutd?rstiges, uners?ttliches Zeug, das Katzengeschlecht, und Wolf und Fuchs reichen ihm nicht das Wasser. -- Nur der Mensch treibt es manchmal noch schlimmer als sie.<<

>>Und so haltet Ihr den Wolf f?r besser als den Menschen,<< l?chelte Georg, der schon von den Eigenheiten des Alten geh?rt hatte, und der sich jetzt freute, einmal so allein mit ihm zusammengetroffen zu sein -- vertrieb es ihm doch auch die b?sen Gedanken, die sein Hirn peinigten und seine Seele qu?lten.

>>Gewiss tu' ich das,<< erwiderte leise der Mann. >>Der Wolf ist ein wildes Tier, ohne weiteren Verstand als den, den ihm der liebe Gott gegeben hat, um seine Beute zu beschleichen.<<

>>Ihr meint den Instinkt.<<

>>Den mein' ich nicht, ich meine Verstand,<< beharrte der Alte, >>Instinkt ist ein Wort, das pr?chtig f?r die Art von Leuten passt, die in den St?dten die dicken B?cher schreiben, und deren eigener Verstand still steht, wenn sie einmal zu uns in den Wald kommen und das Leben und Treiben der Tiere zu sehen kriegen. Wir aber, die wir eben diese Tiere n?her kennen, wissen das wohl besser. Glauben Sie zum Beispiel, gn?diger Herr, dass Ihnen das kluge Pferd da etwa nur aus Instinkt folgt?<<

>>Ein Pferd? nein, das hat gewiss Verstand.<<

>>Sch?n, das sagen Sie, weil Sie n?her mit ihm bekannt geworden sind; w?rden Sie meine lieben Waldtiere so gut kennen lernen, so f?nden Sie gar bald, dass wir ihn denen noch viel weniger absprechen d?rfen. -- Der Mensch aber, was ich vorhin sagen wollte, hat seinen vollen Verstand und Geist und Vernunft und Seele, und wie er es sonst noch nennt, vom lieben Gott erhalten, und wie gebraucht er das alles nur zu oft!<<

>>Und nur die wilde Katze setzt Ihr noch an b?sartigen Eigenschaften ?ber den Menschen?<< l?chelte Georg.

>>Vielleicht hab' ich unrecht,<< sagte der Alte, >>aber ich kann mir einmal nicht helfen, wenn ich die Katzen mehr als anderes wildes Getier hasse und verabscheue. Aber gerade sie, mehr als Schuhu und Raubv?gel, zerst?ren mir im Fr?hjahr die junge Brut meiner lieben kleinen Singv?gel, und wenn ich dann so ein armes Tierchen neben seinem zerrissenen Nestchen sitzen und trauern und die zerbrochenen Eierschalen unter dem Baume liegen sehe, dann ?berl?uft's mir immer, ich weiss eigentlich selber nicht wie, und ich schw?r's den Katzen, Mardern und Iltissen zu, dass sie mir's b?ssen sollen f?r alle Zeit -- wo ich sie n?mlich erwischen kann.<<

>>Und Ihr habt die Singv?gel so gern, Forstwart?<<

>>Ja, gn?diger Herr, und mit Recht,<< sagte der alte Mann, und es war fast, als ob seine Stimme bei den Worten zitterte. >>Die kleinen Walds?nger sind mir die liebsten Tiere in der Welt; vielleicht, weil es die einzigen Freunde sind, die ich in der Welt habe,<< setzte er langsamer hinzu, >>und bei denen w?re es denn schon nicht mehr als Schuldigkeit, dass man ihnen wieder Anh?nglichkeit bewiese. Haben sie doch niemanden hier weiter wie mich, der ihren Feinden nachstellt und sie sch?tzt und beschirmt, wo es not tut.<<

>>Und weiter habt Ihr keine Freunde, Barthold?<<

>>Keine weiter,<< sagte der alte Mann und sch?ttelte dazu langsam den greisen Kopf.

>>Aber der Graf hat mir sehr freundlich von Euch gesprochen und Euch mir warm empfohlen.<<

>>Der Graf ist ein wackerer, braver Herr,<< meinte der Forstwart, >>und ich werde ihm ewig danken, was er an mir getan -- mehr, als Sie und jemand anders wissen k?nnen; -- aber -- den Herrn kann ich doch nicht zu meinen Freunden z?hlen!<<

>>Nicht? -- und weshalb?<<

>>Lieber Gott, weshalb? Der Herr Graf ist mir ein lieber und gn?diger Herr -- aber er ist eben ein Herr und noch dazu ein recht vornehmer, wenn auch wohlwollend und herablassend, und da kann mit Unsereinem von Freundschaft nicht die Rede sein. Unter Freunden, mein gn?diger Herr, verstehe ich zwei Teile, die voreinander kein Geheimnis haben, die einander mitteilen, was sie freut, was sie dr?ckt, die einander helfen, wo sie k?nnen -- nicht nur der eine Teil dem andern, sondern auch umgekehrt, und die beisammen ausharren in Freud' und Leid -- solange eben dieses morsche Leben noch zusammenh?lt und das Herz nicht aufgeh?rt hat zu schlagen.<<

>>Aber unter der Bedingung, Forstwart, d?rft Ihr die V?gel des Waldes, und wenn sie noch so lieb und freundlich singen, doch nicht zu Euren Freunden z?hlen, denn Ihr m?gt ihnen so viel klagen und gestehen, wie Ihr wollt, ihr Mund bleibt stumm f?r Euch, und mit der Hilfe und dem Beistande, die sie Euch leisten k?nnten, sieht es auch nur windig aus.<<

>>Meinen Sie, gn?diger Herr?<< sagte der alte Mann und l?chelte dabei gar still und heimlich vor sich hin, >>aber da h?tten Sie sich doch vielleicht geirrt, denn nicht allein verstehen die V?gel mich, wenn ich bei ihnen einmal hier draussen dem gedr?ckten Herzen Luft mache, nein, ich verstehe sie ebensogut, ob die paar Zur?ckgebliebenen mir nun im kalten Winter ihr Leid oder im Sommer den Verlust eines lieben Angeh?rigen klagen oder mir im Fr?hling die heimkehrenden Wanderer ihren Jubel, ihre Seligkeit entgegen zwitschern. -- Sie, gn?diger Herr, sind eigentlich seit langer, langer Zeit der erste, mit dem ich wieder dar?ber rede, weil -- weil mich etwas zu Ihnen zieht, dem ich keine Worte geben kann, f?r das ich eigentlich keine Ursache habe. Fr?her, ja, sprach ich mich offen dar?ber gegen jeden aus, aber mein Lohn war, dass ich von dem unwissenden Volke verlacht und ausgespottet wurde. Da behielt ich, was ich wusste, lieber f?r mich, und zog mich mehr und mehr nur auf mich selbst zur?ck.<<

>>Und Ihr glaubt wirklich, dass Ihr die Sprache der Tiere verstehen k?nnt -- dass sie Euch wieder verstehen, wenn Ihr mit ihnen sprecht?<<

>>Ich glaube es nicht nur,<< sagte zuversichtlich der alte Mann, >>ich weiss es ganz gewiss. Stundenlang hab' ich schon draussen auf der Wiese bei den St?rchen gesessen und mir von ihren Reisen erz?hlen lassen -- stundenlang dem muntern, manchmal ein bisschen leichtfertigen Stieglitz zugeh?rt, und was meine alte treue Amsel betrifft, die mir eigentlich die liebste ist von allen zusammen, so verstehen wir beide wohl jede Silbe, die wir miteinander reden.<<

>>Die Amsel ist Euch die liebste?<< fragte Georg, der unwillk?rlich Interesse an den Phantasien des alten Mannes nahm.

>>Gewiss,<< erwiderte dieser. >>Die Amsel ist eines von den bescheidenen, anspruchslosen Wesen in der Welt, die trotz ihres eigenen Verdienstes, eben ihrer Zur?ckhaltung wegen, es doch nirgends zu etwas Ordentlichem bringen und stets zur?ckgesetzt und ?bersehen werden. Und wie treu h?lt sie bei uns in Frost und K?lte aus; wie bescheiden h?pft sie in ihrem anspruchslosen schwarzen Kleidchen einher, und was f?r eine lieblich gr?ne Stimme hat sie dabei!<<

>>Eine gr?ne Stimme?<< fragte Georg, dem dieser Ausdruck neu war.

>>Allerdings,<< versicherte der alte Mann, >>und zwar das ganz bestimmte junge Waldesgr?n, wenn ihm der Fr?hling seinen ersten Saft gegeben -- nicht ein Mischmasch von Farben, wie der Finke mit seinem Violett oder der Zeisig gar mit seinem schmutzig gelben Ton -- ein reines, sch?nes, helles Gr?n, das mit seinem lieben Klange meine alten Ohren auch noch erfreut, wenn der Winter schon lange das wirkliche Gr?n von den Zweigen gefegt und seine weisse Schneedecke ?ber den Wald gebreitet hat.<<

>>So beurteilt Ihr den Gesang der V?gel nach den Farben?<<

>>Gewiss tue ich das,<< versicherte der Greis, >>und nirgends zeigen sich mir die Farben deutlicher als eben im Gesange. Die Grasm?cke singt rot, aber kein brennend schmerzendes Rot wie der Kanarienvogel, sondern sanft und doch leuchtend, wie ich nur einmal in meinem Leben am n?rdlichen gestirnten Himmel habe Strahlen schiessen sehen. Die Nachtigall singt dunkelblau -- dunkelblau wie der Nachthimmel selber, dass man die beiden kaum voneinander unterscheiden kann. Die Lerche singt jenes wundervolle Korngelb der reifen Aehren, das Rotschw?nzchen ein allerliebstes bl?uliches Grau, die Schwalbe weiss, der Nussh?er, der sp?ttische Gesell, ein tiefes Schwarz, ich mag den geschw?tzigen hirnlosen Burschen auch deshalb nicht besonders leiden; die Drossel singt dunkelgr?n, und fast alle Farben finden sich unter den S?ngern des Waldes, alle, mit ihren leisesten Schattierungen -- nur nicht hellblau. Kein Vogel, und das ist etwas, wor?ber ich schon oft und lange nachgedacht, singt hellblau, und nur ein einziges Mal, und zwar eine einzige Nacht, habe ich eine Nachtigall geh?rt, die hellblau sang, und das war das sch?nste Himmelblau, das man sich nur denken kann.<<

>>Und nie wieder hat sie gerade so gesungen?<< fragte Georg, den, er wusste selber nicht weshalb, ein eigenes Gef?hl der Teilnahme f?r den Greis beschlich.

>>Nie wieder,<< sagte der alte Mann leise, >>es war ihr Sterbelied gewesen, denn am n?chsten Morgen fand ich sie tot in demselben Busche -- tot und unverletzt, und habe sie auch dort, wo ich sie fand, nachher begraben. Ich werde den Tag nie vergessen; es war derselbe Morgen, an dem die Kinder wieder von hier abreisten, und wie ich da dr?ben unter dem Busche bei dem toten Vogel sass, liefen mir die hellen Tr?nen die Backen herunter. Ich weiss aber wahrhaftig nicht, ob ich ?ber den Vogel oder ?ber die Kinder geweint habe, die ich -- wenigstens beide zusammen -- nicht wiedersehen sollte.<<

Der alte Mann schwieg und sah still und traurig vor sich nieder, und auch Georg wagte im ersten Augenblick nicht die Stille zu unterbrechen. Von welchen Kindern sprach der Greis, und war es nicht etwa gar die eigene Jugend, die an das Herz dieses alten, starren Waldbewohners geklopft und die Erinnerung darin zur?ckgelassen hatte? -- Er musste dar?ber Gewissheit haben.

>>Was f?r Kinder, Forstwart?<< fragte er mit so viel Gleichg?ltigkeit als m?glich im Tone.

>>Das eine kennen Sie, gn?diger Herr,<< sagte da der alte Mann, >>es ist unser gn?digster Herr Graf, den Gott uns noch recht lange erhalten m?ge. Wie h?bsch und schlank und kr?ftig der emporgewachsen ist, und wie viel Freude er schon seiner braven Frau Mutter gemacht hat, dass sie wohl stolz auf ihn sein darf!<<

>>Und das andere?<< fragte Georg nach sichtlichem Widerstreben, als der alte Mann hartn?ckig schwieg, >>was ist aus dem andern geworden?<<

>>Da fragen Sie den lieben Herrgott!<< seufzte der alte Mann, >>der andere Knabe war sein Bruder. Auf ein Haar fast glichen sich die beiden jungen Herren, und so wild und lebenslustig waren sie, und so gut, so engelgut dabei! Der j?ngste besonders war ein herzig Kind -- ich sehe ihn noch vor mir mit den langen dunklen Locken und den grossen, sterngleichen Augen -- und ich durfte mit ihnen durch den Wald gehen und ihnen das Wild zeigen und die Stellen, wo die saftigsten Erdbeeren wuchsen, und der kleinste fasste mich dann an der Hand und fragte mich, wie hoch der Himmel noch ?ber den hohen B?umen sei, und ob es wahr w?re, dass die Sterne dort droben die Augen von lieben Engelchen w?ren, die herabschauten auf die Kinder, ob sie auch brav und gut w?ren und ihren Eltern Freude machten? Und dann erz?hlte er mir von seinem Vater, dass er gestorben und zum lieben Gott gegangen sei und sie, die beiden Knaben, mit der Mutter hier allein zur?ckgelassen habe, und -- Gottes Zorn!<< murmelte der alte Mann vor sich hin und wandte sich ab von Georg, denn er sch?mte sich vor dem Fremden, dass ihm, selbst in der Erinnerung an jene Zeit, die sein Herz mit einer eigenen Wehmut erf?llte, die Tr?nen ins Auge gekommen waren. Georg aber, der ihn mit schmerzlicher Spannung beobachtete, war das nicht entgangen, wenn er auch tat, als ob er es nicht bemerkte; hatte er doch M?he genug, die eigene R?hrung niederzuk?mpfen. Endlich, sich gewaltsam zwingend, sagte er leise: >>Und von dem andern Knaben habt Ihr nie wieder -- den andern Knaben habt Ihr nie wieder gesehen?<<

>>Nein,<< erwiderte der Alte, >>damals blieben sie acht Wochen bei uns, und kein Tag verging, wo wir uns nicht zusammen hier draussen herumgetummelt h?tten. Ein paar wilde Burschen waren es alle beide, und tolle Streiche haben wir mitsammen ausgef?hrt. Der j?ngste besonders -- der kleine Tollkopf konnte mit mir machen, was er wollte -- schien sein Herz an mich geh?ngt zu haben. Auf mir geritten ist er sogar, oft und oft, und hat mir dann versprochen, wenn er einmal gross w?re, wollte er mich zu seinem Stallmeister, und Gott weiss was sonst noch machen. Dann gingen sie fort, und ich blieb hier zur?ck -- als Forstwart, Waldl?ufer oder was Sie wollen. Ein paarmal noch liessen mich die Knaben, besonders der kleine Georg -- er hiess wie Sie, gn?diger Herr, Georg -- gr?ssen, dann war auch das vorbei. Ich selber vergass die Kinder wohl nicht, denn wenn man so ganz allein steht auf der Welt, vergisst man nicht so leicht etwas, an dem das Herz einmal so gehangen, wie ich an den Kindern, besonders an dem jungen Herrn. W?hrend aus den Knaben aber M?nner wurden, h?rte ich endlich, dass der eine -- mein armer kleiner Georg -- Deutschland ganz verlassen habe und -- in der Fremde gestorben sei, und da konnte ich denn nat?rlich nichts weiter tun, als -- um ihn trauern.<<

>>Und habt Ihr seinen Bruder nie nach ihm gefragt?<< sagte endlich nach langer Pause, w?hrend die beiden M?nner schweigend nebeneinander hingeschritten waren, Georg.

Der Alte sch?ttelte mit dem Kopfe. >>Das ging nicht gut,<< meinte er, >>sollte ich die Wunde im Bruderherzen wieder aufreissen? Und ich war froh und gl?cklich, dass ich wenigstens den einen wieder hatte und mir in dessen heiteren, m?nnlich sch?nen Z?gen das Bild des andern heraufrufen und festhalten konnte. Die Jahre sind auch dar?ber hingegangen, und wie der H?gel auf dem Grabe des l?ngst Entschlafenen eingesunken sein wird, sind meine Wangen eingefallen, ist mein Haar gebleicht, und ich dachte kaum, dass ich noch einmal so lebhaft wieder an ihn denken w?rde, bis -- bis Sie neulich, gn?diger Herr, mit unserem gn?digen Grafen in den Hof einritten.<<

>>Ich?<< rief Georg und suchte die Bewegung zu verbergen, die seine Stimme zittern machte.

>>Ja,<< sagte der Greis, und unwillk?rlich suchte sein Blick dabei den des Begleiters, >>wie ich Sie beide zusammen und nebeneinander, in all der Kraft m?nnlicher Sch?nheit, beide einander so ?hnlich, und doch auch wieder so verschieden, auf einmal vor mir sah, war es pl?tzlich, als ob eine Stimme in meinem Innern spr?che: da sind sie -- die Zeit ist wiedergekommen, die du so heiss ersehnt; er ist nicht tot, der kleine Georg, sondern zur?ckgekehrt, wie er es mir als Kind, seine kleine Hand in der meinen, fest versprochen. -- Ich hatte mich doch geirrt; und nur dass Sie Georg heissen, ist ein merkw?rdiger Zufall. F?nfundzwanzig Jahre sind freilich eine lange Zeit; aber, lieber Gott! mein altes Herz hat sich doch geirrt, denn was man eben w?nscht, erhofft man ja auch gern.<<

>>Und Ihr habt den Knaben also noch nicht vergessen, Barthold?<<

Add to tbrJar First Page Next Page

Back to top Use Dark Theme