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Munafa ebook

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Read Ebook: Kater Martinchen by Arndt Ernst Moritz

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Ebook has 216 lines and 50496 words, and 5 pages

Der alte Eisgraue droben strich nun die Geige zum Tanze, und alle die bunten V?gel klangen den Strich nach. Es war aber ein recht fliegender Strich, denn ihr Tanz geht immer ?usserst geschwind und lebendig. Als nun der Reigen angeklungen war, siehe, da bewegten sich die leichten und fr?hlichen Scharen und sprangen und h?pften und drehten sich, als wenn die Welt im Wirbel auseinanderfliegen sollte. Und die kleinen h?bschen und feinen unterirdischen Dirnen, die sich neben Johann gesetzt hatten, fassten ihn auch und drehten ihn mit rund. Und er liess es gern geschehen und tanzte mit ihnen rund wohl zwei Stunden lang. Und diesen lustigen Tanz hat er jeden Nachmittag mitgehalten, solange er da unten geblieben ist, und in seinem sp?testen Alter noch immer mit vielem Vergn?gen davon erz?hlt. Er pflegte dann zu sagen, die himmlische Freude und der Gesang und das Saitenspiel der Engel, welche die Seligen im Himmel einst zu hoffen h?tten, m?gen wohl ?berschwenglich sch?n sein; er aber k?nne sich nichts Sch?neres und Lieblicheres denken als die Musik dieses unterirdischen Reigens, die sch?nen und beseelten kleinen Menschen, die wunderbaren V?gel in den Zweigen mit den allerzauberischesten T?nen und die klingenden Silbergl?ckchen an den M?tzen. Ein Mensch, der das nicht gesehen und geh?rt, k?nne sich gar keine Vorstellung davon machen.

Als die Musik schwieg und der Tanz geendigt war , verschwand das kleine lustige V?lkchen, die einen hiehin, die andern dahin, und jeder ging wieder an sein Werk und seine Lust. Des Abends ward nach dem Essen gew?hnlich ebenso gejubelt und getanzt. Des Nachts aber schl?pften alle heraus aus den Bergen, besonders in sch?nen, sternhellen N?chten, und wenn sie auf Erden etwas Besonderes zu tun hatten. Da ging aber der kleine Johann immer ruhig schlafen und hielt, wie es einem frommen christlichen Knaben geziemte, and?chtig sein Abendgebet, und auch des Morgens vergass er nie zu beten.

Doch nun muss ich noch mehr erz?hlen von den Unterirdischen, ehe ich weiter melde, wie es unserm kleinen Johann Dietrich da unten die folgenden Wochen und Jahre ergangen ist.

Dass solche kleine Unterirdische, die man mit vielen Namen auch wohl Braunchen, Weisschen, Elfen, Weisselfen, Schwarzelfen, Kobolde, Puke, Heinzlein, Trolle nennt, seit uralten Zeiten unter den Bergen und H?geln wohnen und ihre wunderbaren kristallenen und gl?sernen H?user haben, ist gewiss. Aber wie sie dahingekommen sind, und was es denn eigentlich f?r Geister sind, und wozu der liebe Gott sie eigentlich geschaffen hat, das hat uns bisher noch keiner sagen k?nnen. Sie sind wohl gleich den Seelen und Herzen der Menschen von sehr verschiedener Art, einige b?s, andere gut, einige freundlich, andere neckisch; das wird aber von allen ohne Unterschied gesagt, dass sie sehr sinnreich und geschickt sind und die k?nstlichsten Werke und Geschmeide machen k?nnen, die ihnen kein Mensch nachmachen kann, und die von den Menschen deswegen oft f?r Zauberwerk und Hexenwerk gehalten werden. Alles, was ich hier erz?hle, hat Johann Dietrich mitgebracht und es seinen Freunden erz?hlt und seinen Kindern so hinterlassen. Von diesen haben es wieder andere geh?rt, und so hat sich's weitererz?hlt bis diesen Tag.

Die Unterirdischen, zu welchen Johann hinabgestiegen war, geh?rten zu den Braunen. Sie hatten auch kleine Schelmstreiche im Herzen, waren aber im ganzen doch gutm?tiger und fr?hlicher Art. Die Braunen hiessen sie, weil sie braune J?ckchen und R?ckchen trugen und braune M?tzen auf dem Kopf mit silbernen Gl?ckchen; einige trugen schwarze Schuh mit roten B?ndern, die meisten aber feine gl?serne, und beim Tanze trugen sie alle keine anderen. Sie hatten ihre H?uschen in den Bergen; aber damit waren sie sehr geheim, und Johann Dietrich, solange er bei ihnen gewesen, hat keine einzige ihrer Kammern gesehen. Er und der Diener hatten ihre Kammer hart bei der Stelle, wo der herrliche Speise- und Tanzsaal immer kam und verschwand; er hat auch an vielen andern Stellen sch?ne Hallen und offene Pl?tze und liebliche Anger und Auen gesehen, aber nirgends Wohnungen; sondern die Kleinen waren immer nur einzeln oder scharweise da, entweder dass sie tanzten, lustwandelten oder auch geschwind vor?bergingen. Und wie sie aus den Steinen, worin sie wohnen, herauskamen und wieder hinschwanden, das hat er mit seinen Augen nie sehen k?nnen, wie sehr er auch oft darauf gelauscht hat; sondern sie kamen vor seinen Augen und verschwanden wie Blitze und Scheine. Einige kleine Dirnen aber, die ihn lieb hatten, haben ihm zugefl?stert: jeder habe sein eignes H?uschen tief im Gestein, ein liebliches, helles, gl?sernes H?uschen; auch sei der ganze Berg durchsichtig von Anfang bis zu Ende und eigentlich rings mit Glas umwachsen; das sei aber seinen Augen zu sehen nicht m?glich.

Von diesen kleinen Unterirdischen waren die gr?ssten kaum einer Elle lang und die Knaben und M?dchen also gar klein; aber sie waren von Gestalt und Geb?rde freundlich und sch?n, mit hellen, lichten Augen und mit gar feinen und anmutigen H?ndchen und F?sschen. Und eben durch diese Lieblichkeit und Freundlichkeit haben sie manches Menschenkind verf?hrt, dass es zu ihnen heruntergekommen ist ohne irgend ein Pfand und Zeichen und lange Jahre da hat bleiben und dienen m?ssen. Denn wenn man ein Pfand von ihnen hat, schadet es nichts, dass man mit in dem silbernen T?nnchen hinabsteigt, und sie m?ssen einen immer wieder herauslassen. Sie geben aber nicht gern ein Pfand. Das kl?gste und richtigste ist, dass man mit Listen ein Pfand von ihnen nimmt; denn dann m?ssen sie einem dienen, da sie sonst gern herrschen wollen. Denn sie sind sehr herrschs?chtig, und das ist eigentlich ihr Hauptfehler; vorz?glich herrschen sie gern ?ber die Menschen und bilden sich etwas darauf ein, weil die soviel st?rker und gr?sser sind, dass sie sie mit Listen zu ihren Dienern und Knechten machen. Das beste Pfand, das man von ihnen gewinnen kann und wodurch man am meisten Macht ?ber sie bekommt, ist eine braune M?tze mit dem Gl?ckchen; sehr gut ist auch ein gl?serner Schuh oder eine silberne Spange, womit sie ihren Leibg?rtel zu schliessen pflegen. Wer die hat, der hat aller Freuden F?lle bei ihnen und ist ein grosser Gebieter.

Ob sie auch sterben, das weiss man nicht, oder ob sie, wie einige erz?hlen, wann sie alt werden wollen, sich in Steine und B?ume verkriechen und so sich verwachsen und zu wundersamen Kl?ngen, ?chzern und Seufzern werden, die sich zuweilen h?ren lassen, ohne dass man weiss, woher sie kommen, oder zu abenteuerlichen Knorren und verflochtenen Schlingen, wodurch die Hexen schl?pfen sollen, wann sie von dem wilden J?ger gejagt werden. Eine Leiche von ihnen hat keiner gesehen, und wenn man sie darnach gefragt hat, haben sie immer so geantwortet, als verstanden sie das Wort gar nicht. Das ist gewiss, dass manche von ihnen ?ber zweitausend Jahre alt sind. Da ist es denn kein Wunder, dass man so weise Leute unter ihnen findet.

Sie haben einen grossen Vorteil voraus vor uns Menschenkindern, dass sie nicht n?tig haben, f?r das t?gliche Brot zu sorgen und zu arbeiten, denn Speise und Trank kommt ihnen von selber oder Gott weiss durch welche wundersame Kunst, und es fehlt nie Brot und Wein und Braten auf ihrem Tische. Auch sieht man dort unten, wo sie wohnen, und wo hin und wieder auch weite Fluren und Felder sind, nirgends Korn wachsen oder Vieh weiden oder Wild laufen, sondern bloss das Allerlustigste ist zum Genuss da, n?mlich die sch?nsten B?ume und Reben, die mit den auserlesensten Fr?chten und Trauben prangen; auch die lieblichsten Blumen in Menge, worauf so bunte Schmetterlinge flattern, als man in dem Lande der Sonne und des Mondes nimmer sieht; und die allersch?nsten und schimmerndsten V?gel, die alle wie Paradiesv?gel und wie der Vogel Ph?nix aussehen, wiegen sich in den Zweigen und singen s?sse Lieder. Anderes Lebendiges sieht man dort nicht, wenn man das nicht etwas Lebendiges nennen will, dass hie und da aus den Kristallw?nden Quellen von Wein und Milch sich ergiessen.

So scheint dies V?lkchen denn sehr gl?cklich zu sein und bloss f?r die Freude und Lust geboren, und sie verstehen sich sehr wohl auf die Kunst, vergn?gt zu sein und ihr Leben lustig zu gebrauchen. Doch muss man nicht glauben, dass sie nichts weiter tun als Tafel, Spiel und Tanz halten, dann in ihre Kammern schl?pfen und schlafen und etwa die Mittern?chte ?ber der Erde verspielen--nein, sie sind wohl die allerregsamsten und allerfleissigsten Wesen, die man je gesehen hat. Niemand versteht so gut als sie das Innere der Erde und die geheimen Kr?fte der Natur und was in Bergen und Steinen und Metallen w?chst, und was in den Farben der Blumen und den Wurzeln der B?ume f?r Triebe lauschen. Denn ihre Sinne sind die allerklarsten und die allerfeinsten, viel feiner als des heitersten und hellesten Kindes, von Menschen geboren; denn auch unsere kleinen Kindlein haben wohl recht feine Sinne und Gedanken, welche die Erwachsenen nur nicht immer verstehen, weil diese meistens schon wieder durch Stein und Erde verh?rtet und vergr?bert sind. Die Unterirdischen haben viel Freude an Silber und Gold und edlen Steinen und machen die allerk?nstlichsten Arbeiten daraus, so dass die besten Meister hier oben erstaunen, wenn ein solches unterirdisches Werk hier mal gesehen wird. Deswegen nennen viele sie auch wohl H?ter des Goldes und des Silbers und meinen, dass sie von schlimmer Gier besessen und b?se metallische Geister sind. Die meisten, die das sagen, tun ihnen aber unrecht, denn die weissen und braunen Unterirdischen sind wohl nicht so gierig. Sie verschenken ja soviel Sch?nes an die Menschenkinder; das w?rden sie aber nicht tun, wenn sie das Gold und die Edelsteine zu lieb h?tten. Sie haben es nur lieb wegen des Glanzes, denn Glanz und Licht lieben sie ?ber alles in der Welt. Die mit den schwarzen Jacken und M?tzen sind aber wohl geizig und ?berhaupt von schlimmerer Natur als diese.

Wie die Unterirdischen des Nachts aus ihren gl?sernen Bergen schl?pfen und im Mondschein und Sternenschein tanzen und sich erlustigen, habe ich schon erz?hlt. Sie k?nnen sich aber auch unsichtbar in die H?user der Menschen schleichen; denn wenn sie ihre M?tzen aufhaben, kann sie kein Mensch sehen, er habe denn selbst eine solche M?tze. Da sagen die Leute denn, dass sie allerlei Schalkereien treiben, die Kinder in den Wiegen vertauschen, ja gar wegstehlen und mitnehmen. Das ist aber gewiss nicht wahr von den Weissen und Braunen. Auch hat ihnen Gott ?ber die H?user und Wohnungen der Menschen keine Gewalt gegeben, solcherlei schlimme Schalkerei zu treiben. Sie kommen wohl in die H?user der Menschen, sie k?nnen sich auch verwandeln, so dass kein Schl?sselloch so klein ist, dass sie nicht hindurchschl?pfen; aber sie tun den Menschen nichts B?ses, sondern wollen nur zuweilen sehen, was sie machen. Meistens bringen sie ihnen was Sch?nes mit, besonders den Kindern, die sie sehr lieb haben. Und wann die Kinder beim Spielen Dukaten oder goldene Ringe gefunden haben, wie das wohl zuweilen geschieht, und mit zu Hause bringen, oder wenn kleine, zierliche Schuhe oder ein neues Kleidchen oder gr?ne Kr?nzlein, wann sie erwachen, auf ihren Wiegen und Bettchen hangen, so haben das wohl nicht immer die himmlischen Englein getan, sondern oft auch die kleinen Unterirdischen. Das sagen aber viele Leute, die es wissen, dass sie oft unsichtbar um die Kinder sind und sie beh?ten, besonders damit sie nicht im Feuer und Wasser umkommen. Wenn sie ja jemand necken und schrecken, so sind es faule Knechte und schmutzige M?gde, die sie mit b?sen Tr?umen ?ngstigen, als Alp dr?cken, als Fl?he stechen, als Hunde und Katzen ungesehen beissen und kratzen, oder es sind Diebe und Buhler, welchen sie, wenn sie des Nachts auf verbotenen Wegen schleichen, als Eulen in den Nacken stossen, oder die sie als Irrlichter in S?mpfe und Mor?ste locken oder gar ihren Verfolgern entgegenbringen. Aber das, denke ich, ist keine S?nde. Die Schwarzjacken aber sind b?sartig und ?ben gern arge T?cken. Die d?rfen aber den H?usern der Menschen nicht nahe kommen, auch ?berhaupt wenig auf der Erde sein, es sei denn in W?sten und Ein?den, wohin selten Menschen kommen. Sie kommen auch nicht zu den Menschen, ausser wenn diese ihnen selbst die Gewalt ?ber sich gegeben oder sich ihnen verpf?ndet und verschrieben haben. Denn darauf sinnen diese schwerm?tigen und gr?blerischen Geister Tag und Nacht, wie sie arme Narren und listige Schelme verstricken und sich endlich an ihrer Not erg?tzen m?gen. Und diese schwarzen sind auch nicht sch?n wie die andern Unterirdischen, sondern grundh?sslich, haben tr?be und triefende Augen wie die K?hler und Grobschmiede, sind stumm und heimlich bei ihrer Arbeit, leben einsam und h?chstens zu zweien und dreien und kennen keinen Tanz und Musik, sondern nur Geheul und Gewimmer. Und wenn es in W?ldern und S?mpfen schreit wie eine Menge schreiender Kinder, oder wie ein Haufe Katzen miauen und eine Schar Eulen kreischen und wehklagen w?rde--das sind ihre n?chtlichen Versammlungen, das ist ihre Musik, das sind sie.

Doch haben die Menschen vor allen Unterirdischen ein Grauen, und das ist wohl nat?rlich. Denn dem Menschen ist das Licht angeboren und die Liebe zu allem Lichten und Hellen, und es schaudert ihm vor dem Dunklen und Verborgenen und vor allen geheimen Kr?ften, die unsichtbar umherschleichen und walten. Auch wissen sie ja, dass die Unterirdischen allenthalben sein und sich verwandeln und zaubern k?nnen. Freilich erz?hlt man vielmehr von ihren Zaubereien, als wahr ist; das meiste machen sie durch ihre Unsichtbarkeit und K?nstlichkeit, wodurch sie so feine Arbeit als Spinnen und Wespen weben und wirken und den Menschen allerlei Gaukelei und Einbildung vormachen k?nnen. Und wenn sie ja viel zaubern, tun sie es mehr zur Freude und zum Spiel als zum B?sen. Die Schwarzen aber k?nnen auch hexen und sind schlimme Hexenmeister, und wenn die sich verwandeln, sind sie die scheusslichsten Tiere und Gew?rme, B?ren, W?lfe, Hy?nen, Tiger, Katzen, Schlangen, Kr?ten, Skorpione, Kr?hen und Eulen; und wehe den armen Menschen, die sich mit ihnen eingelassen haben! Denn von ihnen muss man dreifache Pf?nder nehmen, und auch der Kl?gste wird von ihnen betrogen, wenn er nicht kurzen Kauf mit ihnen h?lt. Dass diese Hexenkappen und Nebelkappen weben, womit man sich unsichtbar machen und in einem Hui ?ber Land und Meer fahren kann, das ist wahr. Dem Doktor Faust haben sie seinen Mantel gemacht, womit er in einer Sekunde von Strassburg nach Rom und von Mainz nach Paris gefahren ist. Aber wie ist es diesem armen Doktor Faust auch ergangen! Er ist mit diesen schwarzen K?nstlern, weil er zu weise werden wollte, ein Schwarzk?nstler geworden und endlich zu dem Allerschw?rzesten gefahren. Die Schwarzen machen auch Zauberwaffen, Harnische, die gegen Stahl und Hieb fest sind, Degen, die nie Scharten bekommen k?nnen und vor welchen sein Helm und Panzer aush?lt, d?nne Kettenhemde leicht wie Spinnweben, wodurch keine Kugel dringt. Der Gebrauch derselben ist aber sehr abgekommen, seit die meisten Menschen Christen sind, und war mehr in der heidnischen Zeit. Das ist einmal wahr, k?nstliche Schmiede und Waffenschmiede sind sie und wissen eine H?rtung und zugleich eine Schmeidigung des Stahls, die ihnen kein irdischer Schmied nachmachen kann; denn ihre Klingen sind zugleich biegsam wie Rohrhalme und scharf wie Diamanten. Auch wirken sie noch viel anderes Zaubergeschmeide aus Stahl und Eisen, das zu mancherlei verborgenen K?nsten gebraucht wird und zum Teil die seltsamsten und unbegreiflichsten Eigenschaften hat. Die Braunen sind aber die Juweliere der Berge, die mehr in Gold und Silber und Edelsteinen arbeiten. Die feinsten und k?nstlichsten aller Unterirdischen sind die Weissen; die wirken ihre Arbeiten so fein und d?nn wie die zartesten Blumen aus, so fein und zart, dass viele Augen sie gar nicht sehen k?nnen; und sie k?nnen aus Silber und Gold R?ckchen weben, von denen man schw?ren sollte, sie seien aus Sonnenstrahlen oder Mondschein gewebt; denn sie sind leichter als die leichtesten Spinnweben.

Johann Dietrich kam die ersten Wochen, die er in dem gl?sernen Berge verlebte, nicht weiter als in sein K?mmerchen und von dem K?mmerchen in den Speise- und Tanzsaal und wieder zur?ck. Er konnte gar kein Ende finden, die sch?nen und k?stlichen Sachen zu betrachten und zu loben, die in seinem Zimmer und in dem Schr?nkchen aufgestellt waren. Am meisten aber erg?tzte er sich an den sch?nen Bildern und an seinem B?cherschranke, wo viele hundert der sauberst gebundenen B?cher mit goldenem Schnitte nebeneinander standen, und in welchen er die allerfeinsten und lustigsten M?rchen fand, an welchen er sich nicht satt lesen konnte. Als aber die ersten Wochen vergangen waren, da spazierte er oft aus und liess sich von seinem Diener alles zeigen und erz?hlen. Es gab da unten aber die allerlieblichsten Spazierg?nge nach allen Seiten hin, und er konnte viele Meilen weit wandeln, und sie nahmen kein Ende; und man sieht daraus, wie unendlich gross der Berg war, worin die Unterirdischen wohnten, und doch erschien die Spitze oben nur wie ein kleiner H?gel, worauf einige B?ume und Str?uche stehen. Und daraus kann man auch wissen, wieviele Meilen seine Tiefe nach unten hinabgehen musste. Das war aber das Besondere, dass zwischen jeder Au und jedem Anger, die man hier mit H?geln und B?umen und Blumen und Inseln und Seen durchs?et in der gr?ssten Mannigfaltigkeit hatte, gleichsam eine schmale Gasse war, durch welche man wie durch eine kristallene Felsenmauer gehen musste, bis man zu etwas Neuem gelangte. Die einzelnen Anger und Auen waren aber wohl oft eine Meile lang. Von den B?umen habe ich schon erz?hlt, wie sie voll k?stlicher Fr?chte hingen, und von den Quellen, in welchen Milch und Wein aus den Felsen rieselte. Da konnten die Wanderer sich nie so weit vergehen, sie fanden immer, womit sie sich erquicken konnten. Aber das Allerlustigste waren die bunten V?gel, die immer von Zweig zu Zweig flatterten und wie tausend himmlische Nachtigallen sangen, und die Blumen, so wundersch?n von Farben und D?ften, dass Johann ihresgleichen nimmer auf Erden gesehen hatte. Kurz, es war hier alles zauberisch, lustig und anmutig und bei aller der Lust und dem Jubel ein so stilles Leben. Es wehete, und man f?hlte keinen Wind; es schien hell, und man f?hlte keine Hitze; die Wellen brauseten, und man fand keine Gefahr, sondern die niedlichsten Nachen und Gondeln, als schneeweisse Schw?ne gestaltet, kamen, wann man ?ber einen Strom wollte, von selbst ans Land geschwommen und f?hrten an das jenseitige Ufer, und ebenso f?hrten sie ?ber die Seen zu den Inseln. Woher das alles kam, wusste niemand, und der Diener durfte es nicht sagen; das aber sah Johann wohl und konnte es mit H?nden greifen, dass die grossen Karfunkel und Diamanten, womit die hohe Decke statt des Himmels gew?lbt war, und womit alle W?nde des Berges geschm?ckt standen, f?r Sonne, Mond und Sterne leuchteten. Diese lieblichen Fluren und Auen waren meist einsam. Man sah wenige Unterirdische auf ihnen, und die man sah, schienen immer nur so vor?berzuschl?pfen, als h?tten sie die gr?sste Eile, davonzukommen. Selten geschah es, dass einige hier im Freien einmal einen Reigen auff?hrten, etwa zu dreien, h?chstens zu einem halben Dutzend: mehr hat Johann hier nie beisammen gesehen. Nur dann ging es lustig her, wann die Schar der Diener und Dienerinnen, die wohl ein paar Hundert sein mochten, ausgelassen und spazieren gef?hrt wurden. Das geschah aber alle Woche nur zweimal; meistens waren sie da drinnen in dem grossen Saale oder in den anstossenden Zimmern besch?ftigt oder mussten auch in der Schule sitzen.

Das war hier auch noch besonders, dass, wie die Diamanten und Edelsteine oben die Sonne und den Mond und die Sterne vorstellen mussten, es hier eigentlich keine Jahreszeiten gab; sondern die Luft war immer gleich, d. h. es war jahraus, jahrein eine milde, linde Fr?hlingsluft, von Bl?tenatem durchwehet und von Vogelgesang durchklungen. Doch zwei Tageszeiten gab es, Tag und Nacht, und diese teilten sich wieder in vier Teile, in Morgen, Mittag, Abend und Nacht; doch war der Mittag nicht w?rmer als die anderen Tageszeiten. Das aber hatte es hier besonders, dass die Nacht nie so dunkel und der Tag nie so hell ward, als sie oben auf der Erde sind.

Johann hatte viele Monate hier verlebt , und sie waren ihm hingeschwunden wie ein Tag. Da begegnete ihm etwas, das ihn in die Schule brachte. Ich will erz?hlen, wie das zuging. Er wandelte einst nach seiner Gewohnheit mit seinem Diener herum. Da sah er in der Abendd?mmerung etwas Schneeweisses in eine kristallene Felswand hineinschl?pfen und dann pl?tzlich verschwinden. Und es hatte ihm gedeucht, dass es von den kleinen Leuten war und dass ihm auch schneeweisse Locken von den Schultern herabhingen. Er fragte denn seinen Begleiter: "Was war das? Gibt es auch unter euch, die in weissen Kleidern gehen wie die Diener und Dienerinnen, die ihr uns abgefangen habt?" Der Diener antwortete: "Ja, es gibt deren, aber wenige, und sie erscheinen nie bei dem Tanze noch an den grossen Tafeln ausser einmal im Jahre, wann des grossen Bergk?nigs, der viel tausend Meilen unter uns in der innersten Tiefe wohnt, Geburtstag ist. Darum hast du sie noch nie gesehen. Das sind die ?ltesten M?nner unter uns, und einige von ihnen sind wohl manches Jahrtausend alt und wissen vom Anfange der Welt und vom Ursprung der Dinge zu erz?hlen und werden die Weisen genannt. Sie leben sehr einsam f?r sich und kommen nur aus ihren Kammern, dass sie unsere Kinder und die Diener und Dienerinnen unterweisen, f?r welche hier auch eine grosse Schule ist; sonst sind sie meist mit der Betrachtung der innerlichen und himmlischen Dinge und mit der Sternkunde und Alchemie besch?ftigt. "--"Was? Gibt es hier auch Schulen?" rief Johann. "Das ist nicht recht, Diener, dass du mir das verschwiegen hast; ich habe immer grosse Lust gehabt, in die Schule zu gehen und etwas Ordentliches zu lernen. "--"Das kannst du haben, wie du willst", antwortete der Diener; "du bist hier der Herr, und was du haben willst, m?ssen wir dir schon zu Gefallen tun. Du kannst dir einen der schneeweissen Weisen in die Kammer kommen lassen, wenn dir das gef?llt, oder kannst auch in eine der Schulen gehen."--"Das will ich gleich morgenden Tages tun", sprach Johann, "und ich will mit in die Schule gehen, wo die Diener und Dienerinnen unterwiesen werden. Denn ich will mit denen lernen, die auf der Erde geboren sind; ihr m?chtet mir zu fein sein, und ich k?me nicht mit, und der hinterste zu sein w?re unlustig."

Und gleich den andern Morgen liess Johann sich von dem Diener in die Schule f?hren, und es gefiel ihm da so gut, dass er nachher nie einen Tag vers?umt hat. Das ist n?mlich sehr l?blich von den Unterirdischen, dass die Kinder, welche zu ihnen herabkommen, immer sehr gut unterwiesen werden, so dass sehr kluge und geschickte Leute aus den Bergen gekommen sind, M?nner und Frauen, die ihre Wissenschaft bei den Unterirdischen gelernt haben. Hier waren Meister in allerlei K?nsten. Die Kinder lernten schreiben, lesen, rechnen, zeichnen, malen, Geschichten und M?rchen aufschreiben und erz?hlen und wurden zugleich in mancherlei feiner und k?nstlicher Arbeit unterwiesen. Die Gr?sseren und F?higeren erhielten auch Unterricht von der Natur und von den Gestirnen und wurden auch in der Dichtkunst und R?tselkunst ge?bt, welche beiden K?nste die Unterirdischen ?ber alles lieben, und womit sie sich bei der Tafel und bei Festen untereinander viel reizen und erg?tzen. Der kleine Johann war sehr fleissig und ward bald einer der geschicktesten Zeichner und Maler; auch arbeitete er sehr fein in Silber und Gold und Stein, ja er konnte aus Stein zuletzt so feine Fr?chte und Blumen wirken, dass man glauben sollte, der liebe Gott, der doch alles auf das sch?nste und k?nstlichste geschaffen hat, k?nne es kaum besser machen; er machte auch h?bsche Reimlein, und im R?tselkampf war er so gewandt, dass er fast allen antworten konnte und ihm mancher die Antwort schuldig blieb.

Manches liebe Jahr hatte Johann hier verlebt, ohne dass er an seine sch?ne Erde gedacht h?tte und an diejenigen, welche er dort oben zur?ckgelassen hatte; so angenehm verfloss ihm die Zeit, und es w?hrte nicht lange, dass er die Schule viel lieber hatte als den Tanzsaal und alle seine anderen Freuden. Auch hatte er hier unter den Kindern manchen lieben Gespielen und Gespielin gefunden. Nur war das betr?blich, dass diese gewisse Stunden immer dienen mussten und dann nicht mit ihm sein durften, obgleich sie keineswegs hart gehalten wurden und einen sehr leichten und meistens nur spielenden Dienst hatten, denn schwere und schmutzige und m?hevolle Arbeit gab es hier unten gar nicht.

Unter allen seinen Gesellen und Gesellinnen hatte Johann niemand lieber als ein kleines, blondes M?dchen, welches Lisbeth Krabbin hiess. Diese war mit ihm aus demselben Dorfe; es war die Tochter des Pfarrers Friedrich Krabbe in Rambin. Sie war als ein vierj?hriges Kind weggekommen, und Johann erinnerte sich wohl, wie sie ihm von ihr erz?hlt hatten. Sie war aber nicht gestohlen von den Unterirdischen, sondern einen Sommertag mit den andern Kindern ins Feld gelaufen. Sie waren zu den Neun Bergen gegangen; da war die kleine Lisbeth eingeschlafen und von den andern vergessen und des Nachts, als sie erwachte, unter die Unterirdischen und mit ihnen unter die Erde gekommen. Johann aber hatte sie nicht bloss deswegen so lieb, weil sie mit ihm aus einem Dorfe war, sondern Lisbeth war von Natur ein ausnehmend freundliches und liebes Kind mit hellblauen ?uglein und blonden L?ckchen und dem allerenglischesten L?cheln, und als sie gross ward, war sie ausb?ndig sch?n.

Mit diesem niedlichen Kinde hatte Johann hier seine Kinderjahre recht lustig verspielt und gar nicht mehr daran gedacht, dass da oben ?ber den Bergen auch noch Leute wohnten. So war er achtzehn Jahre alt geworden und Lisbeth sechzehn. Und was bis jetzt ein unschuldiges Kinderspiel gewesen war, ward nun eine s?sse Liebe. Sie konnten nicht mehr voneinander lassen und nannten sich Braut und Br?utigam und waren lieber allein als unter den andern Gespielen. Die Unterirdischen sahen das aber sehr gern, denn die hatten den Johann alle sehr lieb und h?tten ihn gern auch als ihren Diener gehabt--denn Herrschsucht ist ihr Laster bei manchen Tugenden. Und sie dachten: "Durch diese h?bsche Dienerin werden wir ihn fangen, und er wird sich um ihretwillen zuletzt wohl gefallen lassen, bei Tische aufzuwarten und ?pfel und Trauben von den B?umen zu lesen und Blumen zu streuen und das Estrich zu kehren." Sie irrten sich aber sehr. Der kleine Diener, dem er die M?tze genommen und den die Langeweile oft bei ihm geplagt, hatte ihm zuviel erz?hlt: dass er hier nur das Befehlen habe und dass sie alles tun m?ssten, was er wolle; denn wer Meister von einem Unterirdischen geworden, sei dadurch auch soweit Meister aller ?brigen, dass sie ihm alles zu Gefallen tun m?ssen, was in ihrer Macht stehe.

Johann ging nun viel spazieren mit seiner s?ssen, kleinen Braut und liess den Diener oft zu Hause, denn jetzt waren dort keine Wege und Stege mehr, die er nicht kannte. Und sie spazierten viel in der D?mmerung und oft bis in die sinkende Nacht hinein, ohne dass sie es merkten, wo ihnen die Zeit blieb; denn die Liebe ist eine Zeitdiebin, die ihresgleichen nicht hat. Der Johann war bei diesen Spazierg?ngen immer fr?hlich und munter; aber die Lisbeth war oft stumm und traurig und erinnerte ihn oft des Landes da droben, wo die Menschen wohnen und Sonne, Mond und Sterne scheinen. Weil er das aber immer wegschob durch andere Gespr?che, so verstummte sie wieder und seufzte still in sich, vergass es endlich auch wohl wieder durch das Gl?ck, dass sie an seinen Armen wandeln durfte. Nun begab es sich einmal, dass sie bei einem Spaziergange ?ber ihrer Liebe und dem lustigen Gekose und Gefl?ster derselben ganz der Zeit vergessen hatten und Gott weiss wie weit geschlendert waren. Es war schon nach Mitternacht, und sie waren zuf?llig unter die Stelle gekommen, wo die Spitze des gl?sernen Berges sich aufzutun und wo die Unterirdischen heraus und herein zu schl?pfen pflegten. Als sie nun da wandelten, h?rten sie mit einem Male mehrere irdische H?hne laut kr?hen. Bei diesem s?ssen Klange, den sie nun in zw?lf Jahren nicht geh?rt hatte, ward der kleinen Lisbeth gar wundersam um das Herz; sie konnte sich nicht l?nger halten, sie umfasste ihren Johann, als wollte sie ihn totdr?cken, und netzte ihm mit heissen Tr?nen die Wangen. So hing sie lange sprachlos an seiner Brust; dann k?sste sie ihn wieder und bat ihn, dass er ihnen den unterirdischen Kerker doch aufschliessen sollte. Sie sprach ungef?hr also zu ihm:

"Lieber Johann, es ist hier unten wohl sch?n, und die kleinen Leute sind auch freundlich und tun einem nichts zuleide, aber geheimelt hat es mir hier nie, sondern ist doch immer schauerlich zumute gewesen, und eigentlich froh bin ich hier erst geworden, seit ich dich so lieb habe, und doch nicht recht froh, denn es ist hier doch kein rechtes Leben, wie es f?r Menschen sein soll. Ich habe hier doch keine Ruhe Tag und Nacht, und ich will es dir nun sagen, was ich immer verschwiegen habe: alle Nacht tr?umt mir von meinem lieben Vater und von meiner Mutter und von unserm Kirchhofe, wo die Leute so and?chtig an den Kircht?ren stehen und auf den Vater warten; und mir ist es dann so sehns?chtig im Herzen, dass ich Blut weinen m?chte, weil ich nicht mit ihnen in die Kirche gehen und beten und Gott loben und preisen kann, wie Menschen sollen. Denn ein christliches Leben ist hier unten einmal nicht, sondern nur so ein buntes, k?nstliches in der Mitte, wobei einem doch nicht ganz wohl wird, weil es wohl halb heidnisch ist. Und, lieber Johann, auch das musst du bedenken, wir k?nnen hier ja nie Mann und Frau werden, denn es ist hier ja kein Priester, der uns vertrauen kann; und so m?ssen wir immerfort Brautleute bleiben und k?nnen alt und grau dar?ber werden. Darum denke dar?ber und mache Anstalt, dass wir von hier kommen; mich verlangt unbeschreiblich, wieder bei meinem Vater und unter frommen Christen zu sein."

Auch f?r Johann hatten die H?hne ganz wunderbar gekr?het, und er empfand etwas, was er hier unten noch nie empfunden hatte, n?mlich eine tiefe Sehnsucht nach dem sch?nen Sonnenlande, und er antwortete seiner Braut:

"Liebe, s?sse Lisbeth, du ermahnest mich ganz recht! Ich empfinde nun auch, dass es S?nde ist f?r Christen, hier zu bleiben, und mir ist im Herzen fast, als h?tte der Herr Christus uns mit diesem Hahnenkrei als mit seiner Liebesstimme gerufen: Kommt herauf, ihr Christenkinder, aus der Bezauberung und aus den Wohnungen der Verblendung! Kommt herauf an das Sternenlicht und wandelt wie die Kinder des Lichts! Ja, Lisbeth, mir ist zum erstenmal recht weh um das Herz geworden, und ich sehe wohl, dass es ein grosser F?rwitz und eine schreckliche S?nde war, dass ich so mit den Unterirdischen hinabgefahren bin. Das mag Gott meinen jungen Jahren vergeben, weil ich ein Kind war und nicht wusste, was ich tat. Und nun will ich auch keinen Tag l?nger warten, sondern geschwinde Anstalt machen, dass ich fortkomme. Mich d?rfen sie hier nicht halten."

Und er war sehr bewegt in seiner Seele und f?hrte sein liebes Kind eilends von dannen. So trieb ihn der Vorsatz fort, der schon in ihm lebendig war. Er hatte aber nicht bemerkt, dass Lisbeth bei seinen letzten Worten totenblass geworden war, und wie schwer sie ihr aufs Herz gefallen waren; denn sie hatte vorher nicht bedacht, dass sie Dienerin war und ihre f?nfzig Jahre aushalten musste, und dass sie mit ihm nicht fort konnte. Und der Schmerz ward so gewaltig in ihr, dass sie endlich laut weinen und schluchzen musste und er sie nun fragte, was ihr sei; er wolle ja gern mit ihr fortziehen, ja durch die ganze Welt mit ihr, wohin sie wolle. Da antwortete sie ihm: "Ach! Du bist hier der Herr und kannst es; aber ich bin die Dienerin und muss nach dem strengen Gesetze, das hier gilt, aushalten, bis die f?nfzig Jahre um sind. Und was soll ich dann auf der Erde tun, wenn Vater und Mutter lange tot und die Gespielen alt und grau sind? Und du bist dann auch grau und alt; was kann es mir da helfen, dass ich hier jung bleibe und nicht ?lter werden kann als zwanzig Jahre? Ach, ich arme Lisbeth!"

Sie sprach diese Worte so kl?glich aus, dass sie einen Stein h?tten r?hren k?nnen. Und in Johanns Ohren t?nten sie wie Donnerschl?ge, und er ward auch sehr traurig. Denn das f?hlte er wohl, ohne sie konnte er von hier nicht gehen--und er konnte doch in seiner Seele nirgends einen Ausweg finden. Sie schieden also, als sie heimgekommen waren, sehr traurig voneinander. Johann aber dr?ckte Lisbeths Hand an sein Herz und k?sste sie viel tausendmal und sagte ihr: "Nein, liebe Lisbeth, ohne dich geh ich nimmer von hier, das glaube mir!" Und Lisbeth ward sehr getr?stet durch diese Worte.

Johann w?lzte sich die ganze Nacht auf seinen Kissen hin und her und konnte kein Auge zutun, denn die Gedanken liessen ihm keine Ruhe, sondern flogen, wie aufgescheuchte V?gel, hinter welchen der Falke ist, immer rundum in seiner Seele. Endlich, als der Morgen schon grauete, fuhr er geschwind aus dem Bette und sprang hoch auf vor Freuden und jauchzete in seiner Stube hin und her und schrie ?berlaut: "Nun hab' ich's! Nun hab' ich's! Diener! Diener! Du hast mir zuviel erz?hlt." Und er klingelte, und der Diener kam, und er befahl: "Diener, geschwind! Geschwind! Bringe mir Lisbeth!" Und in einigen Augenblicken war der Diener da und f?hrte die sch?ne Lisbeth an der Hand. Und er hiess den Diener hinausgehen und k?sste seine Lisbeth und sprach zu ihr: "Liebe Lisbeth, nun freue dich mit mir! Ich hab' es gefunden! Ich hab' es gefunden! Wir werden nun beide bald wieder zu Christen kommen, und sie k?nnen uns hier nicht festhalten. Verlass dich nur drauf, ich kann es machen. Und nun gehe, mein Herzchen, und sei froh." Und er k?sste sein liebes Kind, rief darauf dem Diener und hiess ihn die Lisbeth wieder heimf?hren und auf dem R?ckwege die sechs Vornehmsten zu ihm rufen. Der Diener aber verwunderte sich ?ber diese Sendung, und die sechs wunderten sich noch mehr, als er ihnen die Mutung Johanns brachte, und munkelten und fl?sterten untereinander, gingen aber mit ihm.

Und als die sechse in Johanns Zimmer traten, empfing er sie sehr freundlich, denn es waren ja die, mit welchen er alle Tage zu Tische zu sitzen pflegte, und sprach also zu ihnen:

"Liebe Herren und Freunde, euch ist wohl bewusst, auf welche Weise ich hierher gekommen bin, nicht als ein Gefangener und ?berlisteter oder Diener, sondern als ein Herr und Meister ?ber einen von euch und dadurch ?ber alle; nur dass dieser eine immer mein leiblicher und st?ndlicher, ja sekundlicher Diener sein muss. Ihr habt mich die zehn Jahre, welche ich bei euch lebe, wie einen Herrn empfangen und gehalten, und daf?r bin ich euch Dank schuldig. Ihr seid mir aber noch gr?ssern Dank schuldig, denn ich h?tte euch mit allerlei Befehlen und Einf?llen manche M?he und Arbeit, Neckerei und Plage antun, ja ich h?tte ein recht t?ckischer und unfreundlicher Tyrann gegen euch sein k?nnen, und ihr h?ttet es alles in Gehorsam leiden und tun m?ssen und nicht mucksen d?rfen. Ich habe das aber nicht getan, sondern mich wie euresgleichen aufgef?hrt und mehr mit euch gejubelt und gespielt, als dass ich unter euch geherrscht h?tte. Nun bitte ich euch, seid wieder freundlich gegen mich, wie ich gegen euch gewesen bin, und gew?hret mir eine Bitte. Es ist hier unter den Dienerinnen eine feine Dirne, die ich lieb habe, Lisbeth Krabbin aus Rambin, wo auch ich geboren bin. Diese gebt mir und lasset sie mit mir ziehen! Denn ich will nun wieder hinauf, wo die Sonne scheint und der Pflug ins Feld geht. Weiter begehre ich nichts, als dieses sch?ne Kind und den Geschmuck und das Ger?t meines Zimmers mitzunehmen."

So sprach er mit sehr lebendigem und kr?ftigem Ton, dass sie den Ernst wohl f?hlten. Sie aber schlugen die verlegenen und bedenklichen Blicke zu Boden und schwiegen alle; darauf nahm der ?lteste unter ihnen das leise Wort und lispelte: "Herr, du begehrst, was wir nicht geben k?nnen; es tut uns leid, dass du Unm?gliches verlangest. Es ist ein unverbr?chliches Gesetz, dass nie ein Diener oder eine Dienerin entlassen werden kann von hier vor der bestimmten Zeit. Br?chen wir das Gesetz, so w?rde unser ganzes unterirdisches Reich einen Fall tun. Sonst alles, denn du bist uns sehr lieb und ehrenwert; aber die Lisbeth k?nnen wir dir nicht herausgeben." "Ihr k?nnt die Lisbeth herausgeben, und ihr sollt sie herausgeben!" rief Johann im Zorn. "Nun geht und bedenkt euch bis morgen! Ich wisst meinen Befehl; es ist keine Bitte mehr. Morgen kommt zu dieser Stunde wieder. Ich will euch zeigen, ob ich ?ber eure schmeichlischen und f?chsischen Listen herrschen kann."

Die sechs verneigten sich und gingen; den begleitenden Diener aber schalten sie, dass er zuviel erz?hlt habe. Er aber entschuldigte sich und verneinte es und sagte: "Ich wisst ja, wie klug er mich ?berlistet hat mit der M?tze und wie er von den Geheimnissen unserer Herrschaft alles gewusst hat durch den alten Kuhhirten aus Rothenkirchen; er hat ihm dies auch erz?hlt." Und sie glaubten ihm und schalten ihn nicht mehr.

Als die sechse den andern Morgen zur befohlenen Stunde wiederkamen, empfing Johann sie doch freundlich und sprach: "Ich habe euch gestern hart angeredet; aber ich habe es nicht so schlimm gemeint, als ich ausgesehen habe. Aber die Lisbeth will und muss ich haben; dabei bleibt es! Und ich weiss wohl, dass ihr auch mich nicht gern misset, weil ihr die Menschenkinder gern habet, besonders wenn sie freundlich und lustig sind, wie ich bin. Aber ich kann's nun einmal nicht helfen, ich muss wieder zu Christen und wie ein Christ leben und sterben, und es ist eine grosse S?nde, wenn ich hier l?nger s?ume. Und deswegen verlasse ich euch, und nicht aus Widerwillen oder Hass. Und meine liebe Lisbeth will ich auch mitnehmen; dabei bleibt es! Und nun geb?rdet euch nicht l?nger widerw?rtig und widerspenstig und tut wie Freunde dem Freunde, was ihr sonst aus Not tun m?sset und gebet mir die sch?ne Dirne heraus und lasset uns freundlich voneinander scheiden und hier und dort ein freundliches Andenken in den Herzen bewahren!"

Und die sechs taten sehr freundlich und redeten nun einer nach dem andern und machten sehr sch?ne Wendungen und Schlingungen der Worte, womit sie ihn zu bestricken hofften, denn darin sind sie sehr geschickt. Auch hatten sie sich heute vorbereitet, dass sie wussten, was sie sprechen wollten. Aber es half ihnen nichts, und ihre Worte verflogen sich in den Winden und ber?hrten Johann nicht st?rker, als h?tten sie Spreu aus dem Munde geblasen. Und das Ende vom Liede war wieder, nachdem er alle die sch?nen und k?nstlichen Worte angeh?rt hatte: "Gebt die Lisbeth heraus! Ich gehe nicht ohne die Lisbeth." Denn Johann war zu sterblich verliebt, als dass er die sch?ne Dirne hier gelassen h?tte. Die sechs aber verweigerten es standhaft und geb?rdeten sich, als h?tten sie recht und w?rden es nimmer tun. Johann aber sagte ihnen l?chelnd: "Geht nun! Fahrt wohl bis morgen! Morgen seid ihr wieder zu dieser Stunde hier! Ich gebe euch nun das dritte und letzte Mal. Wollt ihr meinen Befehl dann nicht in G?te erf?llen, sollt ihr sehen, ob ich verstehe, Herr zu sein." Er hatte aber, da er sie so hartn?ckig sah, in sich beschlossen, sie durch Plagen zum Gehorsam zu zwingen, falls sie nicht unterdessen auf bessere Gedanken k?men.

Und sie kamen den dritten Morgen, und Johann sah sie mit ernstem und strengem Blick an und erwiderte ihre Verbeugungen nicht, sondern fragte kurz: "Ja oder nein?" Und sie antworteten einstimmig nein. Darauf befahl er dem Diener, er solle noch vierundvierzig der Vornehmsten rufen und solle ihre Frauen und T?chter mitkommen heissen und auch die Frauen und T?chter von diesen sechsen, die vor ihm standen. Und der Diener fuhr dahin wie der Wind, und in wenigen Minuten standen die vierundvierzig da mit ihren Frauen und T?chtern und auch die Frauen und T?chter der sechse, und waren in allem wohl f?nfhundert M?nner, Frauen und Kinder da. Und Johann liess sie hingehen und Hauen, Karsten und Stangen holen und dann flugs wiederkommen. Und sie taten, wie er befohlen hatte, und waren bald wieder da. Er aber gedachte sie nun zu plagen, damit sie aus Not t?ten, was sie aus Liebe nicht tun wollten.

Er f?hrte sie auf einen Felsenberg, der auf einem der Anger lag. Da mussten diese feinen und zarten Wesen, die f?r schwere Arbeit nicht geschaffen waren, Steine hauen, sprengen und schleppen. Sie taten das ganz geduldig und liessen sich nichts merken, sondern geb?rdeten sich, als sei es ihnen ein leichtes und gewohntes Spiel. Er aber liess sie sich plagen vom Morgen bis an den Abend, und sie mussten schwitzen und arbeiten, dass ihnen der Atem fast ausging, denn er stand immer dabei und trieb sie an. Sie aber hofften, er werde die Geduld verlieren, und der Jammer werde ihn ?berwinden, dass er sie und ihre Frauen und Kinder so bleich und welk werden sah, die sonst so sch?n und lustig waren. Und wirklich war Johann zu keinem K?nig Pharao und Nebukadnezar geboren, denn nachdem er es einige Wochen so getrieben hatte, ging ihm die Geduld aus, und der Jammer, dass er die sch?nen kleinen Menschen so misshandeln musste, tat auch sein Teil dazu. Sie aber wurden nicht m?rb, denn es ist ein gar eigensinniges V?lkchen. Sie brauchten aber immer die List, dass die sch?nsten unter ihnen immer zun?chst bei Johann arbeiten mussten; besonders stellten sie die niedlichen, kleinen Dirnen dahin, die sonst seine Tischgesellinnen waren, und die mussten auf seine Mienen und Geb?rden achtgeben und hatten bald bemerkt, dass er sich oft verstohlen wegwendete und eine Tr?ne aus den Augen wischte. Johann dachte nun darauf, wie er eine Plage erf?nde, die ihn geschwinder zum Ziele f?hrte.

Und er machte sich hart und geb?rdete sich noch viel h?rter und rief sie einen Abend zusammen und sprach: "Ich sehe, ihr seid ein hartn?ckiges Geschlecht; so will ich denn viel hartn?ckiger sein, denn ihr seid. Morgen, wann ihr zur Arbeit kommt, bringe sich jeder eine neue Geissel mit!" Und sie gehorchten ihm und brachten die Geisseln mit. Und er hiess sie sich alle entkleiden und einander mit den Geisseln zerhauen, bis das Blut danach floss; und er sah grimmig und grausam dabei aus, als h?tte ihn eine Tigerin ges?ugt oder ein schwarzer Galgenvogel das Futter zugetragen. Aber die kleinen Leute zerhieben sich und bluteten und hohnlachten dabei und taten ihm doch nicht den Willen. So taten sie drei, vier Tage.

Da konnte er es nicht l?nger aushalten; es jammerte und ekelte ihn, und er hiess sie ablassen und schickte sie nach Hause. Und er dachte auf viele andere Plagen und Martern, die er ihnen antun k?nnte. Da er aber von Natur weich und mitleidig war und diese Wochen wirklich mehr ausgestanden hatte, dass er sie plagen musste, als sie, die geplagt wurden, so gab er den Gedanken daran ganz auf; f?r sich und f?r seine Lisbeth wusste er aber auch gar keinen Rat und ward so traurig, dass sie ihn oft tr?sten und aufrichten musste, der sonst immer so fr?hlich und beherzt war. So lieb er die kleinen Leute sonst gehabt hatte, so unlieb wurden sie ihm jetzt. Er schied sich ganz aus ihrer Gesellschaft und von ihren Festen und T?nzen und lebte einsam mit seiner Dirne und ass und trank einsam in seinem Zimmer, so dass er fast ein Einsiedler ward und ganz in Tr?bsinn und Schwermut versank.

Als er einmal in dieser Stimmung in der D?mmerung spazierte, warf er im Unmut, wie man zu tun pflegt, kleine Steine, die ihm vor den F?ssen lagen, gegeneinander, dass sie zerspr?ngen. Vielleicht erquickte es seinen schweren Mut auch, dass er die Steine sich so aneinander zerschlagen sah, denn wenn ein Mensch in sich uneins und zerrissen ist, m?chte er im Unmut oft die ganze Welt zerschlagen. Genug, Johann, der nichts Besseres tun mochte, zerwarf die armen Steine, und da geschah es, dass aus einem ziemlich grossen Stein, der auseinandersprang, ein Vogel schl?pfte, der ihn erl?sen sollte. Es war dies eine Kr?te, deren Haus in dem Stein mit ihr gewachsen war, und die vielleicht seit der Sch?pfung der Welt darin gesessen hatte. Kaum sah Johann die Kr?te springen, so ward er ganz freudenfroh und sprang hinter sie drein und haschte sie und rief ein Mal ?ber das andere: "Nun, hab' ich sie! Nun hab' ich meine Lisbeth! Nun will ich euch schon kirr machen, nun sollt ihr's kriegen, ihr t?ckischen kleinen Gesellen! Habt ihr euch mit Ruten nicht wollen zum Gehorsam geisseln lassen, so will ich euch mit Kr?ten und Skorpionen geisseln." Und er barg die Kr?te wie einen kostbaren Schatz in seiner Tasche und lief eilends nach Hause und nahm ein festes, silbernes Gef?ss und setzte sie darein, damit sie ihm nicht entrinnen k?nnte. Und in seiner Freude sprach er ?berlaut f?r sich viele Worte und geb?rdete sich so wunderlich, als sei er n?rrisch geworden, und sprang dann ins Freie hinaus. "Komm mit, mein V?glein", rief er, "nun will ich dich versuchen, ob du echt bist!" Und er nahm das Gef?ss mit der Kr?te unter den Arm und lief hin, wo ein paar Unterirdische in der Einsamkeit des Weges gingen. Und als er ihnen n?her kam, st?rzten sie wie tot auf den Boden hin und winselten und heulten j?mmerlich. Er aber liess flugs von ihnen und rief: "Lisbeth, Lisbeth, nun hab' ich dich! Nun bist du mein!" Und so st?rmte er zu Hause, schellte den Diener herein und liess ihn Lisbeth holen.

Und als Lisbeth kam, war sie ganz erstaunt, dass sie ihn so munter fand, denn seit einem halben Jahre hatte sie ihn nicht mehr froh gesehen. Und er lief auf sie zu und umhalsete sie und sprach: "Lisbeth! S?sse Lisbeth! Nun bist du mein, nun nehme ich dich mit; ?bermorgen soll der Auszug sein, und juchhe, wie bald die lustige Hochzeit!" Sie aber erstaunte noch mehr und sagte: "Lieber Johann, du bist geck geworden? Wie soll das m?glich sein?" Er aber l?chelte und sprach: "Ich bin nicht geck geworden, aber die kleinen Schlingel will ich geck machen, wenn sie sich nicht zum Ziele legen wollen. Sieh hier! Hier ist dein und mein Erl?ser." Und er nahm das silberne Geschirr und ?ffnete es und zeigte ihr die Kr?te, vor deren Garstigkeit es ihr fast geschwunden h?tte. Nun erz?hlte er ihr, wie er zu dem seltenen Vogel gekommen war, und wie herrlich ihm die Probe gegl?ckt war, die er mit ihm an den Unterirdischen angestellt hatte, und wohlgef?llig rief er noch einmal: "Sei froh, meine liebe Lisbeth! Du sollst es sehen, wie ich sie mit dieser zu Paaren treiben will."

Nun muss ich auch das Geheimnis erz?hlen, das in der Kr?te steckte. Klas Starkwolt hatte dem kleinen Johann oft erz?hlt, dass die Unterirdischen keinen Gestank vertragen k?nnten, und dass sie bei dem Anblick, ja bei dem Geruch von Kr?ten sogleich in Ohnmacht fielen und die entsetzlichsten Schmerzen litten; mit Gestank und mit diesen garstigen und scheusslichen Tieren k?nne man sie zu allem zwingen. Daher findet man auch nie etwas Stinkendes in dem ganzen gl?sernen Reiche, und die Kr?ten sind dort etwas Unerh?rtes, und man muss daher diese Kr?te, die so wunderbar in einem Stein eingeh?uft und fast ebenso wunderbar aus diesem ihrem steinernen Hause herausgekommen war, fast ansehen als von Gott von Ewigkeit her zu solcher geheimen Wohnung verdammt, damit Johann und Lisbeth zusammen aus dem Berge kommen und Mann und Frau werden k?nnten.

Johann und Lisbeth glaubten auch gern an ein solches Wunder, besonders Lisbeth, die Gottes liebes, frommes Kind war. Und als Johann ihr alles erz?hlt und erkl?rt hatte, was er ferner tun und wie er die Kleinen endlich zu seinem Willen zwingen wollte, da fiel sie ganz entz?ckt und ger?hrt auf ihr Gesichtchen zur Erde und betete und dankete Gott, dass er sie endlich von den kleinen Heiden erl?sen und wieder zu Christenmenschen bringen wolle. Und sie ging ganz fr?hlich heim und faltete ihre H?ndchen im Bette noch viel zum Gebete und hatte die Nacht die allers?ssesten Tr?ume. Johann legte sich auch nicht traurig nieder, und er ?berdachte und ?berlegte sich alles, wie er die Kleinen erschrecken und endlich mit seiner geliebten Braut aus dem Berge ziehen wollte.

Und den folgenden Morgen, als es getagt hatte, rief er seinen Diener und hiess ihn die f?nfzig Vornehmsten holen mit ihren Frauen und T?chtern. Und sie erschienen alsbald vor Johann, und er sprach zu ihnen:

"Ihr wisset alle, und ist euch nicht verborgen, wie ich hierher gekommen bin, und wie ich diese manchen Jahre mit euch gelebt habe, nicht als ein Herr und Gebieter, sondern als ein Freund und Genosse. Und ich habe es wohl gewusst, wie ich h?tte Herr sein und meiner Herrschaft gegen euch gebrauchen k?nnen; und das habe ich nicht getan, sondern nur einen einzigen von euch hab' ich als Diener gebraucht, und auch nicht als Diener, sondern mehr als Freund. Und ihr schienet mit mir zufrieden zu sein und mich lieb zu haben; als es aber dahin gekommen ist, dass ich endlich eine einzige kleine Freundlichkeit von euch begehren musste, habt ihr euch geb?rdet, als forderte ich Leben und Reich von euch, und mir sie trotzig abgeschlagen. Ihr wisset auch, was ich da ergriffen habe, und wie ich angefangen habe, euch mit Arbeit und Streichen zu plagen, damit ihr eins?het, dass ihr unrecht h?ttet, und mir die Liebe t?tet. Aber ihr seid trotziger und hartn?ckiger gewesen, als ich strenge, und aus Barmherzigkeit habe ich ablassen m?ssen von der Strafe. Ihr habt das aber nicht erkannt, sondern habt mich ausgelacht als einen Dummen, der keinen Rat wisse, euch zum Gehorsam zu zwingen. Ich aber weiss wohl Rat und will es euch bald zeigen, wenn ihr in eurer Verstocktheit bleibet und mir die Lisbeth nicht losgeben wollt. Darum zum letzten Male, besinnet euch noch eine Minute, und sagt ihr dann nein, so sollt ihr die Pein f?hlen, die euch und euren Kindern von allen Peinen die f?rchterlichste ist!"

Und sie s?umten nicht lange und sagten mit einer Stimme nein und dachten bei sich: "Welche neue List hat der J?ngling erdacht, womit er so weise M?nner einzuschrecken meint?" Und sie l?chelten, als sie nein sagten. Dies L?cheln ?rgerte Johann mehr als alles andere und voll Zorns rief er: "Nun denn, da ihr nicht h?ren wollt, sollt ihr f?hlen", und lief geschwind wie ein Blitz einige hundert Schritt weg, wo er das Gef?ss mit der Kr?te unter einem Strauch versteckt hatte.

Und er kam zur?ck, und als er sich ihnen auf hundert Meter genahet hatte, st?rzten sie alle hin, als w?ren sie mit einem Schlage zugleich vom Donner ger?hrt, und begannen zu heulen und zu winseln und sich zu kr?mmen, als ob sie von den entsetzlichsten Schmerzen gefoltert w?rden. Und sie streckten die H?nde aus und schrien einer um den andern: "Lass ab, Herr! Lass ab, und sei barmherzig! Wir f?hlen, dass du eine Kr?te hast, und dass kein Entrinnen ist. Nimm die greulichen Plagen weg; wir wollen ja alles tun, was du befiehlst." Und er liess sie noch einige Sekunden zappeln; dann entfernte er das Gef?ss mit der Kr?te, und sie richteten sich wieder auf, und ihre Z?ge erheiterten sich wieder, denn die Pein war weg, wie das Tier weggenommen war.

Johann behielt nur die sechs Vornehmsten bei sich und liess die Weiber und Kinder und die ?brigen M?nner alle gehen, wohin jeder wollte. Zu den sechsen aber sprach er seinen Willen also aus:

"Diese Nacht zwischen zw?lf und ein Uhr ziehe ich mit der Lisbeth von dannen, und ihr beladet mir drei Wagen mit Silber und Gold und edlen Steinen. Wiewohl ich alles nehmen k?nnte, was ihr in den Bergen habt, da ihr so widerspenstig und ungehorsam gegen mich gewesen seid, will ich euch doch so hart nicht strafen, sondern barmherziger gegen euch sein, als ihr gegen mich und die Lisbeth gewesen seid. Auch alle meine Herrlichkeiten und Kostbarkeiten und Bilder und B?cher und Ger?te, die in meinem Zimmer sind, werden auf zwei Wagen geladen, also dass in allem f?nf Frachtwagen bereit gemacht werden. Mir selbst aber r?stet ihr den sch?nsten Reisewagen, den ihr in euren Bergen habt, mit sechs schwarzen Rappen, worauf ich und meine Braut sitzen und zu den Unsrigen einfahren wollen. Zugleich befehle ich euch, dass von den Dienern und Dienerinnen alle diejenigen freigelassen werden, welche solange hier gewesen sind, dass sie droben zwanzig Jahre und dr?ber alt sein w?rden; und ihr sollt ihnen soviel Silber und Gold mitgeben, dass sie auf der Erde reiche Leute heissen k?nnen. Und das soll k?nftig ein ewiges Gesetz sein, und ihr sollt mir es hier diesen Augenblick beschw?ren, dass nimmer ein Menschenkind hier l?nger festgehalten werden soll als bis zu seinem zwanzigsten Jahre."

Und die sechse leisteten ihm den Schwur und gingen dann traurig weg; er aber nahm jetzt die Kr?te und vergrub sie tief in die Erde. Und sie und die ?brigen Unterirdischen r?steten alles zu, und auch Johann und Lisbeth bereiteten sich zur Reise und schm?ckten sich festlich gegen die Nacht, damit sie als Braut und Br?utigam erscheinen k?nnten. Es war aber jetzt beinahe dieselbe Zeit, in welcher er einst in den Berg hinabgestiegen war, die Zeit der l?ngsten Tage, also Mittsommerszeit, die sie die Sonnengicht nennen. Und er war etwas ?ber zw?lf Jahre in dem Berge gewesen und Lisbeth etwas ?ber dreizehn, und er ging in sein einundzwanzigstes Jahr und Lisbeth in ihr achtzehntes. Die kleinen Leute taten mit grossem Gehorsam, aber sehr still alles, wie er ihnen befohlen hatte; desto lauter aber war die Schar der Diener und Dienerinnen, welche sein neues Gesetz ?ber das zwanzigste Jahr mit erl?set hatte. Diese jubelten um ihn und um seine Lisbeth her und freueten sich sehr, dass sie mit ihnen auf die Oberwelt ziehen durften.

Und als alle Kostbarkeiten herausgeschafft und die erl?seten Diener und Dienerinnen hinaufgefahren waren, setzten Johann und seine Lisbeth sich zuletzt in die silberne Tonne und liessen sich hinaufziehen. Es mochte wohl eine Stunde nach Mitternacht sein. Und es deuchte ihnen ebenso als vormals, wie sie hinabgefahren waren. Sie waren von Jubel umrauscht und von Musik umt?nt, und endlich klang es ?ber ihren K?pfen, und sie sahen den gl?sernen Berg sich ?ffnen, und die ersten Himmelsstrahlen blinkten zu ihnen hinab nach so manchen Jahren, und bald waren sie draussen und sahen das Morgenrot schon im Osten d?mmern. Johann sah eine Menge Unterirdischer, die um ihn und Lisbeth und die Wagen gesch?ftig waren, dort hin und her wallen, und er sagte ihnen das letzte Lebewohl; dann nahm er seine braune M?tze, schwang sie dreimal in der Luft um und warf sie unter sie. Und in demselben Augenblick sah er nichts mehr von ihnen, sondern erblickte nun nichts weiter als einen gr?nen H?gel und bekannte B?sche und Felder und h?rte die Glocke vom Rambiner Kirchturme eben zwei schlagen. Und als es still geworden war und er von dem unterirdischen und ?berirdischen Getummel nichts weiter h?rte als einige Lerchen, die ihre ersten Morgenlieder anstimmten, da fiel er mit seiner Lisbeth im Grase auf die Knie, und sie beteten beide recht and?chtig und gelobten Gott ein recht christliches Leben, weil er sie so wunderbar von den Unterirdischen errettet hatte. Und alle Diener und Dienerinnen, welche durch sie miterl?set waren, taten desgleichen.

Darauf erhuben sie sich alle, und die Sonne ging eben auf, und Johann ordnete nun den Zug seiner Wagen. Voran fuhren zwei Wagen, jeder mit vier Rotf?chsen bespannt, die waren mit eitel Gold und Dukaten beladen, so schwer, dass die Pferde von der Last st?hneten; diesen folgte ein anderer Wagen mit sechs schneeweissen Pferden, welche alles Silber und Kristall zogen; hinter diesem fuhren zwei letzte Wagen, jeder mit vier Grauschimmeln bespannt, und diese waren mit den herrlichsten Ger?ten und Gef?ssen und Edelgesteinen und mit der Bibliothek Johanns beladen. Er mit seiner Braut fuhr zuletzt in einem offenen Wagen aus lauter gr?nem Smaragd, dessen Decke und Vorderseite mit vielen grossen Diamanten besetzt waren, und sechs mutige, wiehernde Rappen zogen ihn. Er war aber nebst seiner Braut auf das kostbarste geschm?ckt, damit sie den Ihrigen auch durch den Schmuck und die Pracht als ein rechtes Wunder Gottes k?men. Denn beide waren von ihnen lange als tot betrauert und wer h?tte wohl gedacht, dass sie jemals wiederkommen w?rden? Die erl?sten Diener und Dienerinnen in gl?sernen Schuhen und weissen Kleidern und J?ckchen mit silbernen G?rteln gingen vor und hinter und neben den Wagen und geleiteten sie; einige f?hrten auch die Pferde. Denn sie wollten sie alle bis Rambin begleiten und von da jeder seines Weges weiter ziehen. Es waren ihrer in allem zwischen f?nfzig und sechzig. Und sie jauchzeten vor Freuden, und einige, welche Geigen und Pfeifen und Trompeten mit hatten, spielten lustig auf. So zogen sie mit Jauchzen und Klingen die H?gel hinab auf die Strasse, welche von Rambin nach Garz f?hrt. Es war aber dem Johann und der Lisbeth gar wundersam zumute, als sie den Turm von Rambin wiedersahen und die Sturmweiden von Drammendorf und Giesendorf aus der Ferne, wo sie als Kinder soviel gespielt hatten. Als sie vor Rothenkirchen hinzogen, kam eben die Kuhherde ?ber den Berg, und Klas Starkwolt mit seinem treuen Hurtig zog ihr langsamen Schrittes nach. Johann sah ihn und erkannte ihn stracks und dachte bei sich: "Den treuen Alten wirst du nicht vergessen." Und so zog er mit seiner Begleitung weiter, und alle Leute, die auf der Strasse waren, hielten oder standen still, und viele liefen ihnen nach, ja einige liefen voraus und meldeten in Rambin, welche blanke und pr?chtige Wagen dort auf der Landstrasse f?hren, und brachten das ganze Dorf auf die Beine. Der Zug ging aber sehr langsam wegen der schwer beladenen Wagen.

So zogen sie etwa um vier Uhr morgens in Rambin ein und hielten still mitten im Dorf, etwa zwanzig Schritt von dem Hause, wo Johann geboren war. Und es war alles Volk zusammengelaufen und aus den H?usern gegangen, damit sie die gl?nzende Herrlichkeit mit eigenen Augen s?hen. Johann entdeckte bald seinen alten Vater und seine Mutter und erkannte unter den vielen auch seinen Bruder Andres und seine Schwester Trine. Auch der alte Pfarrer Krabbe stand da in schwarzen Pantoffeln und einer weissen Schlafm?tze, wie er eben aus dem Bette gekommen war, und gaffte mit den andern; aber Lisbeth erkannt ihn nicht mehr, denn sie war zu klein gewesen, als sie in den Berg entf?hrt worden. So hielten sie etwa zehn Minuten still, ohne sich etwas merken zu lassen. Und man kann wohl sagen, dass in dem Dorfe Rambin nie eine solche Herrlichkeit erschienen war und auch nicht erscheinen wird bis an der Welt Ende. Johann und seine Braut funkelten von Diamanten und edlen Steinen; die Wagen, die Pferde, die Geschirre waren auf das pr?chtigste geziert, die Begleiter und Begleiterinnen alle in der Bl?te der Jahre, mit den sch?nen, weissen Kleidern angetan und den sonderbaren M?tzen und gl?sernen Schuhen. Alles war wie aus einer andern Welt, so dass der K?ster, seines Handwerks ein Schuhmacher, der in seiner Jugendwanderschaft bis nach Moskau und Konstantinopel gekommen war, sagte: "Sind es keine tatarische und persische und asiatische Prinzen, so m?ssen sie vom Mond heruntergekommen sein, denn in dem Lande Europa habe ich dergleichen nie gesehen und bin doch auch in vielen St?dten gewesen, wo Kaiser und K?nige wohnen!" Der gute K?ster irrte sich aber; sie kamen weder aus Persien noch aus der Tatarei, sondern ganz aus der N?he, aber freilich aus einer sehr wenig entdeckten Welt.

Als Johann nun glaubte, es sei genug, und sie h?tten ihre Augen bis zur S?ttigung geweidet, sprang er rasch vom Wagen und hob sein sch?nes Kind auch heraus und drang durch die Menge hin, die ihm ehrerbietig Platz machte. Und ohne sich lange zu besinnen, eilte er zu dem niedrigen, strohenen H?uschen, wo Jakob Dietrich mit seiner Frau stand, und umhalsete sie beide und k?ssete sie, die sich vor ihm zur Erde werfen und seine Knie k?sse wollten. Er aber wehrte ihnen und sprach: "Mitnichten! Das darf nicht sein! Kennt ihr mich denn nicht? Ich bin euer verlornen Sohn Johann Dietrich, und diese hier ist meine Braut." Und die beiden Alten erstaunten und wussten nicht, ob sie wachten oder tr?umten; alles Volk aber, das dies sah und h?rte, verwunderte sich und rief: "Johann Dietrich, der verlorne Johann Dietrich ist von den Unterirdischen wiedergekommen, und seht, was er mitgebracht hat!"

Johann Dietrich aber stand dort nicht lange m?ssig bei seinen Eltern, sondern, als er den alten Pfarrer Krabbe in der weissen Schlafm?tze erblickte, lief er eilends hin und holte ihn fast mit Gewalt herbei; denn der alte Mann wusste nicht, was der ungest?me J?ngling im Sinn hatte. Und er f?hrte den alten, ehrw?rdigen Herrn zu Lisbeth und fragte ihn: "Kennst du diese?" Ehe er aber noch antworten konnte, zog er ihm Lisbeth in die Arme und sprach: "Dies ist deine verlorene Tochter und meine Braut, die bringe ich dir wieder. Und nun sollst du uns segnen und christlich zusammensprechen, da wir auf eine so wundersame Weise wieder zu den Unsern gekommen sind." Und der alte Mann war lange sprachlos und hing an der Brust seiner Lisbeth und weinte vor Freude; denn sie war sein einziges Kind, und er hatte sie lange als eine Tote beweint. Und als er sich besonnen hatte von dem ersten Erstaunen, nahm er die H?nde seines Kindes und legte sie in die H?nde Johanns und hiess Jakob Dietrich und seine Frau auch hinzutreten und sprach: "So segnet euch denn der Gott des Friedens und der Barmherzigkeit, der euch so wunderbar zusammengebracht hat, und lasse euch Kinder und Kindeskinder sehen und in seiner Furcht wandeln bis ans Ende eures Lebens! Siehe, ich preise ihn, dass er mich diesen Tag hat sehen lassen."

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