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Read Ebook: Othello by Hauff Wilhelm
Font size: Background color: Text color: Add to tbrJar First Page Next Page Prev PageEbook has 243 lines and 17252 words, and 5 pagesEin d?steres, unstetes Feuer brannte in den Augen des sch?nen Mannes; seine Lippen schlossen sich schmerzlich; sein Freund betrachtete ihn mit besorgter Teilnahme, er sah hier nicht mehr den fr?hlichen, heldenm?tigen J?ngling, wie er ihn an der Spitze des Regimentes in den Tagen des Gl?ckes gesehen; das zutrauliche, gewinnende L?cheln, das ihn sonst so angezogen, war einem gr?mlichen, bittern Zuge gewichen, das Auge, das sonst voll stolzer Zuversicht, voll freudigen Mutes, frei und offen um sich blickte schien misstrauisch jeden Gegenstand zu pr?fen, durchbohren zu wollen, das matte Rot, das seine Wangen bedeckte, war nur der Abglanz jener Jugendbl?te, die ihm in den Salons von Paris den Namen des sch?nen Polen erworben hatte, und dennoch, auch nach dieser grossen Ver?nderung, welche Zeit und Ungl?ck hervorgebracht hatten, musste man gestehen, dass Prinzessin Sophie sehr zu entschuldigen sei. "Sie sehen mich an, Major?" sagte jener nach einigem Stillschweigen, "Sie betrachten mich, als wollten Sie die alten Zeiten aus meinen Z?gen herausfinden? Geben Sie sich nicht vergebliche M?he, es ist so manches anders geworden, sollte nicht der Mensch mit dem Geschick sich ?ndern?" "Ich finde Sie nicht sehr ver?ndert", erwiderte der Fremde, "ich erkannte Sie bei dem ersten Anblick wieder. Aber eines finde ich nicht mehr wie fr?her, aus diesen Augen ist ein gewisses Zutrauen verschwunden, das mich sonst so oft begl?ckte. Alexander Zronievsky scheint mir nicht mehr zu trauen. Und doch", setzte er l?chelnd hinzu, "und dennoch war mein Geist immer bei ihm, ich weiss sogar die tiefsten Gedanken seines Herzens." "Meines armen Herzens!" entgegnete der Graf wehm?tig; "ich w?sste kaum, ob ich noch ein Herz habe, wenn es nicht manchmal vor Unmut pochtet. Welche Gedanken wollen Sie aufgespart haben, als die unwandelbare Freundschaft f?r Sie, Major? Schelten Sie nicht mein Auge, weil es nicht mehr fr?hlich ist; ich habe mich in mich selbst zur?ckgezogen, ich habe mein Vertrauen in meine Rechte gelegt, ihr Druck wird Ihnen sagen, dass ich noch immer der Alte bin." "Ich danke; aber wie, ich sollte mich nicht auf die Gedanken Ihres Herzens verstehen? Sie sagen, es pocht nur vor Unmut; was hat denn ein gewisses F?rstenkind getan, dass Ihr Herz so gar unmutig pocht?" Der Graf erblasste; er presste des Fremden Hand fest in der seinigen: "Um Gottes willen, schweigen Sie; nie mehr eine Silbe ?ber diesen Punkt! Ich weiss, ich verstehe, was Sie meinen, ich will sogar zugeben, dass Sie recht gesehen haben; der Teufel hat Ihre Augen gemacht, Major! Doch warum bitte ich einen Ehrenmann wie Sie, zu schweigen? Es hat noch keiner vom achten Regiment seinen Kameraden verraten." "Sie haben recht, und kein Wort mehr dar?ber; doch nur dies eine noch; vom achten verratet keiner den Kameraden, ob aber der gute Kamerad sich selber nicht verr?t?" "Kommen Sie hier auf diese Treppe", fl?sterte der Graf, denn es nahten sich mehrere Personen; "Jesus Maria, sollte ausser Ihnen jemand etwas ahnen?" "Wenn Sie Vertrauen um Vertrauen geben werden, wohlan, so will ich beichten." "O, foltern Sie mich nicht, Major! Ich will nachher sagen, was Sie haben wollen, nur geschwind, ob jemand ausser Ihnen--" Der Major von Larun erz?hlte, er sei heute in dieser Stadt angekommen, seine Depeschen seien bei dem Gesandten bald in Richtigkeit gewesen, man habe ihn in die Oper mitgenommen, und dort, wie er entz?ckt die Prinzessin aus der Ferne betrachtet, habe ihm die Gesandtin gesagt, dass Sophie in ein Verh?ltnis unter ihrem Stande verwickelt sei. "Sie traten ein in die f?rstliche Loge, ein Blick ?berzeugte mich, dass niemand als Sie der Geliebte sein k?nne." "Und die Gesandtin?" rief der Graf mit zitternder Stimme. "Sie hat es best?tigt. Wenn ich nicht irre sprach sie auch von einer Oberhofmarschallin, von welcher sie die Nachricht habe." Der Graf schwieg, einige Minuten vor sich hinstarrend; er schien mit sich zu ringen, er blickte einige Male den Fremden scheu von der Seite an--"Major!" sprach er endlich mit klangloser, matter Stimme; "k?nnen Sie mir hundert Napoleon leihen?" Der Major war ?berrascht von dieser Frage; er hatte erwartet, sein Freund werde etwas Weniges ?ber sein Ungl?ck jammern, wie bei dergleichen Szenen gebr?uchlich, er konnte sich daher nicht gleich in diese Frage finden und sah den Grafen staunend an. "Ich bin ein Fl?chtling", fuhr dieser fort; "ich glaubte endlich eine stille St?tte gefunden zu haben, wo ich ein klein wenig rasten k?nnte, da muss ich lieben--muss geliebt werden, Major, wie geliebt werden!" Er hatte Tr?nen in den Augen, doch er bezwang sich und fuhr mit fester Stimme fort: "Es ist eine sonderbare Bitte, die ich hier nach so langem Wiedersehen an Sie tue, doch ich err?te nicht, zu bitten. Kamerad, gedenken Sie des letzten ruhmvollen Tages im Norden, gedenken Sie des Tages von Mosjaisk?" "Ich gedenke!" sagte der Fremde, indem sein Auge gl?nzte und seine Wangen sich h?her f?rbten. "Und gedenken Sie, wie die russische Batterie an der Redoute auffuhr, wie ihre Kart?tschen in unsere Reihen sausten und der Verr?ter Piolzky zum R?ckzug blasen liess?" "Ha!" fiel der Fremde mit dr?hnender Stimme ein, "und wie Sie ihn herabschossen, Oberst, dass er keine Ader mehr zuckte, wie die Husaren rechts abschwenkten, wie Sie 'vorw?rts!' riefen, vorw?rts Lanciers vom achten, und die Kanonen in f?nf Minuten unser waren!" "Gedenken Sie?" fl?sterte der Graf mit Wehmut; "wohlan! ich kommandiere wieder vor der Front. Es gilt einen Kameraden herauszuhauen, werdet Ihr ihn retten? En avant, Major! vorw?rts, tapfrer Lancier! wirst du ihn retten, Kamerad?" "Ich will ihn retten", rief der Freund, und der Graf Zronievsky schlug seinen Arm um ihn, presste ihn heftig an seine Brust und eilte dann von ihm weg, den Korridor entlang. "Gut, dass ich Sie treffe", rief der Graf Zronievsky, als er am n?chsten Morgen dem Major auf der Strasse begegnete, "ich wollte eben zu Ihnen und Sie um eine kleine Gef?lligkeit ansprechen--" "Die ich Ihnen schon gestern zusagte", erwiderte jener, "wollen Sie mich in mein Hotel begleiten? es liegt l?ngst f?r Sie bereit." "Um Gottes willen, jetzt nichts von Geld", fiel der Graf ein, "Sie t?ten mich durch diese Prosa; ich bin g?ttlich gelaunt, selig, ?berirdisch gestimmt. O Freund, ich habe es dem Engel gesagt, dass man uns bemerkt, ich habe ihr gesagt, dass ich fliehen werde, denn in ihrer N?he zu sein, sie nicht zu sprechen, nicht anzubeten, ist mir unm?glich." "Und darf ich wissen, was sie sagte?" "Sie ist ruhig dar?ber, sie ist gr?sser als diese schlechten Menschen; 'was ist es auch'", sagte sie, "man kann uns gewiss nichts B?ses nachsagen, und wenn man auch unser Verh?ltnis entdeckte, so will ich mir gerne einmal einen dummen Streich vergeben lassen; wo lebt ein Mensch, der nicht einmal einen beginge?'" "Eine gesunde Philosophie", bemerkte der Major; "man kann nicht vern?nftiger ?ber solche Verh?ltnisse denken; denn gerade die sind meist am schlechtesten beraten, die glauben, sie k?nnen alle Menschen blenden. Doch ist mir noch eine Frage erlaubt? wie es scheint, so sehen Sie Ihre Dame allein? Denn was sie mir erz?hlten, wurde schwerlich gestern im 'Don Juan' verhandelt." "Wir sehen uns", fl?sterte jener, "ja, wir sehen uns, aber wo, darf ich nicht sagen, und so wahr ich lebe, das sollen auch jene Menschen nicht aussp?hen. Aber lange, ich sehe es selbst ein, lange Zeit kann es nicht mehr dauern. Drum bin ich immer auf dem Sprung, Kamerad, und Ihre Hilfe soll mich retten, wenn indes meine Gelder nicht fl?ssig werden. Doch gilt es morgen, so lass uns heut noch schl?rfen die Neige der k?stlichen Zeit'; ich will noch gl?cklich, selig sein, weil es ja doch bald ein Ende haben muss." "Und wozu kann ich Ihnen dienen?" fragte der Major, "wenn ich nicht irre, wollten Sie mich aufsuchen." "Richtig, das war es, warum ich kommen wollte", entgegnete jener nach einigem Nachsinnen. "Sophie weiss, dass Sie mein Freund sind, ich habe ihr schon fr?her von Ihnen erz?hlt, haupts?chlich die Geschichte von der Beresina-Br?cke, wo Sie mich zu sich auf den Rappen nahmen. Sie hat gestern mit Ihnen gesprochen, und von Othello', nicht wahr? Die F?rstin will nicht zugeben, dass er aufgef?hrt werde, wegen irgend einem M?rchen, das ich nicht mehr weiss." "Sie waren sehr geheimnisvoll damit", unterbrach ihn der Freund, "und wie mir schien, wird es die F?rstin auch nicht zugeben?" "Und doch, ich habe sie durch ein Wort dahin gebracht. Die Prinzessin bat und flehte, und das kann ich nun einmal nicht sehen, ohne dass ich ihr zu Hilfe komme; ich nahm also eine etwas ernste Miene an und sagte: 'Sonderbar ist es doch, wenn so etwas ins Publikum kommt, ist es wie der Wind in den Gesandtschaften, und kam es einmal so weit, so darf man nicht daf?r sorgen, dass es in acht Tagen als Chronique scandaleuse an allen H?fen erz?hlt wird.' Die F?rstin gab mir recht; sie sagte, wiewohl mit sehr bek?mmerter und verlegener Miene zu, dass das St?ck gegeben werden solle; doch, als sie wegging, rief sie mir noch zu: sie gebe das Spiel dennoch nicht verloren, denn wenn auch 'Othello' schon auf dem Zettel stehe, lasse sie die Desdemona krank werden." "Das haben Sie gut gemacht!" rief der Major lachend, "also die Furcht vor der Chronique scandaleuse hat die Gespensterfurcht und das Grauen vor den Geheimnissen der Natur ?berwunden?" "Jawohl, Sophie ist ausser sich vor Freude, dass sie ihren Willen hat. Ich bin gerade auf dem Weg zum Regisseur der Oper; ich soll ihm vierhundert Taler bringen, dass die Auff?hrung auch in pekuni?rer Hinsicht keiner Schwierigkeit unterworfen sein m?chte, und Sie m?ssen mich zu ihm begleiten." "Aber wird es nicht auffallen, wenn Sie im Namen der Prinzessin diese Summe ?berbringen?" "Daf?r ist gesorgt; wir bringen es als Kollekt von einigen Kunstfreunden; stellen Sie einen Dilettanten oder Enthusiasten vor, oder was in unseren Kram passt. Er wohnt nicht weit von hier und ist ein alter, ehrlicher Kauz, den wir schon gewinnen wollen. Nur hier um die Ecke, Freund; sehen Sie dort das kleine gr?ne Haus mit dem Erker." Der Regisseur der Oper war ein kleiner, hagerer Mann, er war fr?her als S?nger ber?hmt gewesen und ruhte jetzt im Alter auf seinen Lorbeeren. Er empfing die Freunde mit einer gewissen k?nstlerischen Hoheit und W?rde, welche nur durch seine sonderbare Kleidung etwas gest?rt wurde; er trug n?mlich eine schwarze Florentiner M?tze, welche er nur ablegte, wenn er zum Ausgehen die Per?cke auf die Glatze setzte. Auffallend stachen gegen diese bequeme Hauskleidung des Alten ein moderner, enge anliegender Frack und weite, faltenreiche Beinkleider ab; sie zeigten, dass der Herr Regisseur trotz der sechzig J?hrchen, die er haben mochte, dennoch f?r die Eitelkeit der Welt nicht abgestorben sei; an den F?ssen trug er weite, ausgetretene Pelzschuhe, auf denen er k?nstlich im Zimmer herumfuhr, ohne sichtbar die Beine aufzuheben; den Fremden kam es vor, als fahre er auf Schlittschuhen. "Ist mir bereits angezeigt worden, der allerh?chste Wunsch", sagte der Regisseur, als ihn der Graf mit dein Zweck ihres Besuches bekannt machte, "weiss bereits um die Sache; an mir soll es nicht fehlen, mein einziger Zweck ist ja, die allerh?chsten Ohren auf erg?tzliche Weise zu delektieren, aber--aber, ich werde denn doch submissest wagen m?ssen, einige Gegenvorstellungen zu exhibieren." "Wie? Sie wollen diese Oper nicht geben?" rief der Graf. "Gott soll mich beh?ten, das w?re ja ein offenbares Mordattentat auf die allerh?chste Familie! Nein, nein! wenn mein Wort in der Sache noch etwas gilt, wird dieses ungl?ckliche St?ck nie gegeben." "H?tte ich doch nie gedacht", entgegnete der Graf, "dass ein Mann wie Sie von P?belwahn befangen w?re. Mit Staunen und Verwunderung vernahm ich schon in meiner fr?hesten Jugend in fernen Landen Ihren gefeierten Namen; Sie wurden die Krone der S?nger genannt, ich brannte vor Begierde, diesen Mann einmal zu sehen. Ich bitte, verkleinern Sie dieses ehrw?rdige Bild nicht durch solchen Aberwitz." Der Alte schien sich geschmeichelt zu f?hlen, ein anmutiges L?cheln zog ?ber seine verwitterten Z?ge, er steckte die H?nde in die Taschen und fuhr auf seinen Pelzschuhen einigemal im Zimmer auf und ab. "Allzug?tig, allzuviel Ehre!" rief er; "ja wir waren unserer Zeit etwas, wir waren ein t?chtiger Tenor! jetzt hat es freilich ein Ende. Aberglaube belieben Sie zu sagen; ich w?rde mich sch?men, irgend einem Aberglauben nachzuh?ngen; aber wo Tatsachen sind, kann von Aberglauben nicht die Rede sein." "Tatsachen?" riefen die Freunde mit einer Stimme. "O ja, verehrte Messieurs, Tatsachen. Sie scheinen nicht aus hiesiger Stadt und Gegend zu sein, dass Sie solche nicht wissen?" "Ich habe allerdings von einem solchen M?rchen geh?rt", sagte der Major; "es soll, wenn ich nicht irre, jedesmal nach Othello brennen, und--" "Brennen? Dass mir Gott verzeih'; ich wollte lieber, dass es allemal brennt; Feuer kann man doch l?schen, man hat Brandassekuranzen, man kann endlich noch solch einen Brandschaden zur Not ertragen; aber sterben? nein, das ist ein weit gef?hrlicherer Kasus." "Sterben? sagen Sie, wer soll sterben?" "Nun, das ist kein Geheimnis", erwiderte der Regisseur; "sooft Othello gegeben wird, muss acht Tage nachher jemand aus der f?rstlichen Familie sterben." Die Freunde fuhren erschrocken von ihren Sitzen auf, denn der prophetische, richtende Ton, womit der Alte dies sagte, hatte etwas Greuliches an sich; doch sogleich setzten sie sich wieder und brachen ?ber ihren eigenen Schrecken in ein lustiges Gel?chter aus, das ?brigens den S?nger nicht aus der Fassung brachte. "Sie lachen?" sprach er; "ich muss es mir gefallen lassen; wenn es Sie ?brigens nicht geniert, will ich Sie die Theaterchronik inspizieren lassen, die seit hundertundzwanzig Jahren der jedesmalige Souffleur schreibt." "Die Theaterchronik her, Alter, lassen Sie uns inspizieren", rief der Graf, dem die Sache Spass zu machen schien, und der Regisseur rutschte mit ausserordentlicher Schnelligkeit in seine Kammer und brachte einen in Leder und Messing gebundenen Folianten hervor. Er setzte eine grosse in Bein gefasste Brille auf und bl?tterte in der Chronik. "Bemerken Sie", sagte er, "Wegen des Nachfolgenden, erstlich, hier steht: 'Anno 1740 den 8. Dezember ist die Actrice Charlotte Fandauerin im hiesigen Theater erstickt worden. Man f?hrte das Trauerspiel Othello, der Mohr von Venedig, von Shakespeare auf.'" Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page |
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