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Munafa ebook

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Read Ebook: Jahreszahlen der Erdgeschichte by Lotze Reinhold

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Ebook has 228 lines and 27966 words, and 5 pages

en, geographischen und geologischen Tatsachen zuverl?ssige Grundlagen hat. Nachdem schon die englischen Geologen ~Mellard Reade~ und ~Murray~ die Berechnung versucht hatten, gab in neuerer Zeit der amerikanische Geologe ~Clarke~ die zuverl?ssigsten Zahlen. Er erhielt unter m?glichst genauer Ber?cksichtigung aller Verh?ltnisse f?r die Fl?sse der ganzen Erde eine Jahresleistung von 2500 Millionen Tonnen gel?ster und 6000 Millionen Tonnen schwebender fester Stoffe, was eine Gesamtjahresleistung von 8500 Mill. Tonnen ergibt. W?rde diese Stoffmenge, die von den Fl?ssen in einem Jahr ins Meer getragen wird, ?ber das von ihnen entw?sserte Festland ausgebreitet, so erhielte man eine gleichm?ssige Schicht von 1/28-1/30 mm Dicke; es vergeht also ein Zeitraum von 28000 bis 30000 Jahren, bis die Erdoberfl?che von den Fl?ssen durchschnittlich um 1 m erniedrigt wird. Zu der Arbeit der Fl?sse kommt noch die zerst?rende Wirkung der Meereswogen an der K?ste hinzu, die gleichfalls dem Meere Stoffe zu Sedimentgesteinen liefert und die Gesamtmenge der ihm j?hrlich zugef?hrten Stoffe auf etwa 9000 Millionen Tonnen erh?ht. ?ber das Schicksal aller dieser Stoffe k?nnen wir aussagen, dass ein Teil der gel?sten Stoffe, vor allem die Chloride in L?sung bleibt und damit den Salzgehalt des Meeres erh?ht, w?hrend z. B. der gr?sste Teil des gel?sten kohlensauren Kalks sich ausscheidet. Die aufgeschwemmten Stoffe setzen sich nat?rlich ohne weiteres im Meere ab und bilden die sog. mechanischen Sedimente. Clarke versuchte auch, die Menge der verschiedenen neu gebildeten Gesteinsarten zu berechnen, und fand, dass von den 9000 Millionen Tonnen 70% zu Ton- und Schiefergesteinen werden, 16% zu Sandsteinen und 14% zu Kalkstein.

Um Zahlen f?r die Zeitdauer geologischer Vorg?nge zu gewinnen, halten wir uns nun zuerst an die gel?sten Stoffe. ~Joly~ hat 1899 einen scheinbar sehr einfachen Weg angegeben, um das ~Alter des Ozeans~ zu berechnen. Sein Gedankengang ist folgender: Als sich bei zunehmender Abk?hlung der Erde das Wasser in fl?ssiger Form an der Oberfl?che niederschlug, da bestand dieser Urozean aus chemisch reinem Wasser, er war also ohne Salzbeimischung. Die Salze kamen auf die Weise in das Meer, dass die Verwitterung eine Reihe von Stoffen aus den Urgesteinen herausl?ste und ins Meer f?hrte. Die einen schieden sich hier aus und bildeten Gesteine, andere aber, vor allem die Alkalisalze blieben in L?sung und verursachen nun den Salzgehalt des Meeres. Die gr?sste Rolle spielt dabei das Kochsalz . Auch heute noch werden von den Fl?ssen Natriumsalze in das Meer gef?hrt, die aus der Verwitterung der Urgesteine stammen und den Salzgehalt des Meeres andauernd langsam vermehren. Wir kennen den Gehalt des ganzen Ozeans an Natriumsalzen und die Menge des von den Fl?ssen j?hrlich ins Meer gef?hrten Salzes. Dividieren wir beides, so erhalten wir die Zahl der Jahre, die n?tig waren, um den Salzgehalt des Meeres bis zur heutigen H?he anwachsen zu lassen. Die Berechnung geschieht nach folgender einfacher Gleichung:

Durch Einsetzung der f?r die Mengen der Natriumsalze bekannten Zahlen erhalten wir:

Die Methode scheint sehr einfach und einleuchtend zu sein, sie hat aber ganz bedenkliche Schwierigkeiten. Vor allem gr?ndet sie sich auf die Annahme, dass das von den Fl?ssen in den Ozean gef?hrte Salz einzig und allein aus der Verwitterung der Urgesteine stamme. Nun l?sst sich nachweisen, dass ein grosser Teil dieses Salzes nicht daher, sondern aus dem Meere stammt und als ,,zyklisches Salz" einen Kreislauf vom Meer zum Land und wieder ins Meer ausf?hrt. Vor allem reisst der Meerwind kleine Tr?pfchen von Seewasser mit sich und tr?gt auf diese Weise Salz weit ins Land hinein. F?r den Sambharsalzsee in Indien, der 400 km landeinw?rts liegt und eine Fl?che von 5700 qkm einnimmt, wurde berechnet, dass er j?hrlich durch den Wind 3000 Tonnen Seesalz zugef?hrt bekommt. Ein anderer Teil des Salzes der Fl?sse stammt aus Salzlagern in den Sedimenten, die ihrerseits wieder aus der Eindunstung von Meerwasser hervorgegangen sind. Auch dieses Salz fliesst also zum zweiten- oder ?fterenmal dem Meere zu. Alles zyklische Salz darf nat?rlich nicht in die Berechnung eingestellt werden. Nach dem einen Forscher soll seine Menge 33%, nach andern 95% oder gar 99% der von den Fl?ssen mitgebrachten Salzmenge betragen. Damit verringert sich die anzurechnende Menge des Natriums im Flusswasser ganz ausserordentlich, und damit steigt nach einer einfachen mathematischen ?berlegung das Alter des Ozeans bis zu ungeheuren Zahlen an. Bei der Annahme von 99% zyklischem Salz w?re es das 100fache, also gegen 9000 Millionen Jahre. Wenn die Ergebnisse in einem solch ungeheuer weiten Spielraum sich bewegen, so wird es ganz aussichtslos, auf diese Weise zu einigermassen brauchbaren Zahlen zu gelangen.

Versuchen wir es deshalb mit den im Meere gebildeten Schicht- gesteinen. Wenn wir die gesamte M?chtigkeit aller auf der Erde je gebildeten Sedimente kennen, dazu die Zeit, die zur Bildung von 1 m n?tig ist, so brauchen wir nur zu multiplizieren, und das Ergebnis liegt vor. Nun sind aber alle Zahlen, um die es sich hier handelt, so unsicher als nur denkbar. Bei der Berechnung der Gesamtm?chtigkeit der Sedimente m?ssen wir ber?cksichtigen, dass an mancher Stelle der Erde lange geologische Zeitr?ume vorbeigingen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Wenn wir bei der Berechnung der Schichtenm?chtigkeit bei jeder Formation und jedem Formationsteil die Stelle in Rechnung setzen, an der sich die gr?sste M?chtigkeit entwickelt hat, so erhalten wir die sogenannte ~maximale M?chtigkeit~. Diese betr?gt nach ~Sollas~ f?r die Neuzeit der Erde 19000 m, f?r das Mittelalter 21000 m, f?r das Altertum 37000 m, f?r das Pr?kambrium 25000 m; das ergibt eine Gesamtm?chtigkeit von 102000 m. Andere Forscher bringen wesentlich andere Zahlen heraus. Wollen wir die Zeit berechnen, in der eine Schicht von 1 m Sedimentgestein gebildet wird, so m?ssen wir dabei festhalten, dass die Stoffe, die von den Fl?ssen ins Meer hinausgetragen werden, nicht ?ber die ganze Fl?che des Ozeans hin sich ablagern, sondern nur in der sog. Schelfregion, einem G?rtel, der mit ungef?hr 160 km Breite die Kontinente ums?umt. Bei einer K?stenlinie von 160000 km nimmt auf diese Weise die Schelfregion einen Fl?chenraum von 25,6?10^6 qkm ein. Nimmt man f?r die 9000?10^6 Tonnen ein spezifisches Gewicht von 2,5 an, so f?llen sie einen Raum von 3600?10^6 cbm aus. Bauen wir aus dieser Masse eine S?ule mit einer Grundfl?che von 1 qkm, so erreicht sie eine H?he von 3,6 km. Breiten wir nun das Ganze gleichm?ssig ?ber die gesamte Schelfregion aus, so ergibt sich eine Schicht von 0,140 mm Dicke. Wenn also in einem Jahr eine Schicht dieser M?chtigkeit gebildet wird, so sind 7000 Jahre n?tig, um eine Schicht von 1 m M?chtigkeit zu bilden. Das ist nat?rlich nur ein Durchschnittswert. An einer Stelle geht die Arbeit viel rascher vor sich, an der andern viel langsamer.

W?rden wir diesen Wert als richtig annehmen, so erhielten wir f?r die Bildung von 102000 m Gesteinsm?chtigkeit eine Zeit von ?ber 700 Millionen Jahren. Nun m?ssen wir dabei aber ber?cksichtigen, dass die Sedimente auch in der Schelfregion nicht gleichm?ssig ausgebreitet werden , sondern dass sie in gr?sserer K?stenn?he wesentlich st?rker aufgeh?uft werden als in 100 bis 160 km Entfernung von der K?ste. Wir k?nnen f?r die gr?ssere K?stenn?he annehmen, dass hier schon 3000 Jahre gen?gen, um die Schicht von 1 m zu bilden. Wenn zuerst die ,,maximalen Schichtm?chtigkeiten" festgestellt wurden, so m?ssen wir jetzt den niedrigen Wert f?r die Bildungszeit von 1 m einsetzen und erhalten f?r 100000 m die Zeit von 300 Millionen Jahren. Es soll bei dieser Art Berechnung aber nicht verschwiegen werden, dass andere Forscher auf wesentlich andere Zahlen gekommen sind; sie bewegen sich zwischen 30 und 600 Millionen Jahren, und diese ungeheuren Unterschiede sind nat?rlich nicht dazu angetan, das Vertrauen in diese Methode allzusehr zu st?rken.

Bei all den Zahlen, die wir bis jetzt errechnet haben, musste nach der M?chtigkeit der erhaltenen Sedimente stark 2/3 auf die Zeit vom Kambrium bis heute, schwach 1/3 auf das Pr?kambrium entfallen. Jedenfalls ist damit aber, wenn wir die Zeitspanne seit dem Kambrium als zuverl?ssiger annehmen wollen, das Pr?kambrium stark untersch?tzt. Nach ?berlegungen allgemeiner Art muss seine Dauer ein Mehrfaches der aller anderen Formationen betragen; es ist aber fast vollst?ndig zerst?rt und umgewandelt, und daher kommt seine Bedeutung in den M?chtigkeitszahlen lange nicht gen?gend zum Ausdruck.

Was l?sst sich nun ?ber die Zuverl?ssigkeit all dieser Berechnungen aussagen? Das Problem kann unm?glich auf einen Anlauf gel?st werden. Fast alle Zahlen sind nicht genau bestimmbar, sie beruhen nur auf mehr oder weniger zuverl?ssigen Sch?tzungen; deshalb bewegen sich auch die Ergebnisse zwischen sehr weiten Grenzen. Wohl wohnt den Zahlen ein verschiedenes Mass von Zuverl?ssigkeit inne; bei den einen, z. B. den Abtragungszahlen, wird wohl die richtige Zahl um nicht mehr als 50% nach oben oder unten von der angenommenen abweichen; andere dagegen sind wesentlich unsicherer. Und trotzdem, die Ergebnisse sind nicht wertlos. Haben wir gleich zu Anfang nachgewiesen, dass geologisch recht junge Ereignisse bereits einige Millionen Jahre zur?ckliegen m?ssen, so zeigen uns die Berechnungen ?ber Abtragung und Aufsch?ttung, dass es sich f?r die Zeit, in der die Gesamtheit der Schichtgesteine gebildet wurde, jedenfalls schon um mehr als hundert Jahrmillionen handelt. Das ist ein sehr wesentliches und wertvolles Ergebnis. Wir erkennen zwar noch nicht die absolute Gr?sse, aber doch die Gr?ssenordnung geologischer Zeitr?ume; die Zehner und Hunderter von Jahrmillionen haben bereits hohe Wahrscheinlichkeit gewonnen.

Ungeheure ~Wasser- und Sanduhren~ sind es, die dem Geologen dieses Resultat verschafft haben. Ihr Prinzip der Zeitmessung ist genau das gleiche wie bei der Sanduhr am Telephon oder jenen kunstvollen Wasseruhren der Araber und Griechen. Wir wissen, was in einem Jahr in die grossen Sammelbecken l?uft, verm?gen die Massen des Geleisteten zu messen oder zu sch?tzen und erhalten daraus durch einfache Rechnung die Zahl der dazu n?tigen Jahre. Die Genauigkeit der Rechnung h?ngt von der Zuverl?ssigkeit der verwendeten Zahlen ab.

Jedoch steckt in all diesen Rechnungen noch eine Voraussetzung, die wir bis jetzt unbesehen hingenommen haben, die aber durchaus nicht selbstverst?ndlich ist, sondern einer sehr genauen Pr?fung bedarf. Wenn wir aus der Gesamtmasse der Sedimente und der Jahresleistung der abtragenden Kr?fte durch Division die Zeit gewonnen haben, so nahmen wir an, dass im ganzen Verlauf der Zeit die Uhr gleich schnell gegangen sei, die Fl?sse in jedem Jahr so viel ins Meer getragen h?tten wie heute. Das ist jedoch nicht ohne weiteres sicher. Wir k?nnen uns denken, dass in fr?heren Erdperioden die geologischen Kr?fte rascher und st?rmischer gearbeitet h?tten als heute, dass die Zerst?rung schneller vor sich gegangen w?re, und die Fl?sse mehr ins Meer gef?hrt h?tten. Dann h?tten wir mit einer zu kleinen Zahl dividiert, die durchschnittliche Jahresleistung w?re gr?sser anzunehmen, und es k?men wesentlich kleinere Zeitr?ume bei der Rechnung heraus. Ebenso denkbar ist es aber auch, dass die geologische Sanduhr heutzutage rascher l?uft als in der Vergangenheit; dann h?tten wir f?r diese Zeiten geringere Jahresleistungen einzusetzen, und die Zeitr?ume w?rden sich erh?hen. Wo liegt hier die Wahrheit? Haben in der Vergangenheit die geologischen Kr?fte st?rker, gleichstark oder schw?cher gewirkt wie in der Gegenwart? Noch vor einem halben Jahrhundert nahmen die Geologen das erste fast als selbstverst?ndlich an; denn unscheinbar und nicht unmittelbar in die Augen fallend sind die Ver?nderungen der Erde, die sich heute vollziehen. F?r die geologische Vorzeit war man geneigt, ein viel rascheres Tempo in der Umbildung der Erdoberfl?che anzunehmen; in der Gegenwart aber sei die Erde aus der Sturm- und Drangzeit heraus in einen gem?tlichen Alterszustand eingetreten, und von den an ihr t?tigen Kr?ften werde nicht mehr viel an ihrem Antlitz ge?ndert.

Diese Ansicht ist gegenw?rtig von den meisten Forschern verlassen. Die Erde befindet sich durchaus nicht in einer Periode besonderer Ruhe; wesentlich st?rker k?nnen in der Vorzeit die geologischen Kr?fte nicht gewirkt haben, als sie es auch heute noch tun. Ja, eine Anzahl englischer und amerikanischer Geologen vertritt mit guten Gr?nden die Ansicht, dass wir uns in einer Zeit ?bernormaler geologischer T?tigkeit befinden. Wir werden sp?ter auf die Besprechung dieser wichtigen Frage zur?ckkommen m?ssen.

Es w?re gewiss zu k?hn, die Frage nach der Dauer geologischer Zeitr?ume mit den bisherigen Methoden allein l?sen zu wollen. Die Verfahren, die bis jetzt beschrieben wurden, sind doch gar zu summarisch. Wir wollen deshalb einen andern Weg einschlagen. Anstatt sofort auf das Ganze zu gehen, wollen wir bescheiden versuchen, zun?chst f?r Ereignisse der j?ngsten, uns zeitlich n?chstliegenden geologischen Vergangenheit, brauchbare Zahlen zu finden und von da aus langsam weiter zur?ckzuschreiten.

Unmittelbar vor der geologischen Gegenwart hat ein gewaltiges Ereignis, dessen Nachwirkungen heute noch nicht ganz verschwunden sind, unsere Erde betroffen: Eine ungeheure Vereisung ist ?ber weite Teile der Erdoberfl?che weggegangen. Aus den T?lern der Alpen drangen Eisstr?me von ?ber 1000 m M?chtigkeit hinaus ins Vorland, wo sie sich zu einem riesigen Eisg?rtel vereinigten, der im Norden bis nahe zur Linie der heutigen Donau reichte und sie an einigen Punkten sogar noch ?berschritt. Unsere h?heren Mittelgebirge, Vogesen, Schwarzwald, B?hmerwald und Riesengebirge trugen Gletscher, die weit in die T?ler hinunterreichten. Das Gewaltigste aber war die ungeheure nordeurop?ische Vereisung . Von den skandinavischen Gebirgen schoben sich die Eismassen ?ber die heutige Ostsee hinweg bis in das Herz Deutschlands. Sie reichten bis an den Harz und in die Lausitz, ja tief nach Polen und in die Ukraine hinein. Ungeheure Schuttmassen wurden von den Gletschern mitgebracht, zum Teil am Grund mitgeschoben , zum Teil auf dem R?cken herangetragen, gelegentlich in einzelnen grossen Bl?cken . Fast dem ganzen norddeutschen Tiefland ist durch die Bedeckung mit Gletscherschutt der geologische Stempel aufgedr?ckt. Das Merkw?rdigste aber ist, dass jene Eiszeit nicht einheitlich war, sondern dass viermal nacheinander die Gletscher vorstiessen, um sich in der Zwischenzeit jeweils vollst?ndig zur?ckzuziehen und abzuschmelzen. Wohl sind gewisse Einzelfragen noch nicht gel?st, im allgemeinen aber kann die nebenstehende schematische Darstellung als Ausdruck unserer jetzigen Kenntnisse vom Verlauf der Eiszeit angesehen werden. Die Kurve gibt nach den Forschungen ~Pencks~ den Verlauf der Schneegrenze f?r die ganze Eiszeit im alpinen Vereisungsgebiet wieder. Jede Eiszeit wurde durch eine Temperaturerniedrigung verursacht; eine Senkung der Schneegrenze um mehrere hundert Meter war die Folge. In der Zwischeneiszeit stieg jedoch die Temperatur sogar ?ber den Durchschnittsstand der Jetztzeit; die Gletscher zogen sich zur?ck. Die Kurve bringt deutlich durch die viermalige Senkung und Hebung der Schneegrenze das viermalige K?lter- und W?rmerwerden, das Vorr?cken und Abschmelzen der Gletscher zur Darstellung. Die vier Eiszeiten f?hren nach Penck die Namen G?nz-, Mindel-, Riss- und W?rmeiszeit, nach Fl?sschen der oberschw?bisch-bayrischen Hochebene, an denen ihre Bildungen besonders sch?n erhalten sind. Von der letzten, uns zeitlich am n?chsten liegenden Eiszeit wissen wir nat?rlich am meisten, denn ihre Ablagerungen liegen zu oberst, w?hrend die der fr?heren Eiszeiten oft tief ?bersch?ttet oder gar schon wieder zerst?rt sind. So wissen wir auch, dass das Abschmelzen der Gletscher vom H?hepunkt der W?rmeiszeit ab nicht ohne Unterbrechung erfolgte. Der Gletscher wich bei seinem Abschmelzen nicht gleichm?ssig zur?ck, sondern machte an manchen Stellen eine l?ngere Ruhepause, ja er konnte sogar wieder eine Strecke weit vorstossen. So wurde das Abschmelzen des W?rmgletschers durch den ,,B?hlvorstoss" unterbrochen. Die Linie, an der der Eisrand l?ngere Zeit verweilte, ist durch besondere Endmor?nenw?lle im Gel?nde gekennzeichnet. So liegen die Mor?nen des B?hlvorstosses, der f?r die Berechnung der Eiszeitdauer von besonderer Wichtigkeit ist, an der Stelle, wo die Alpent?ler sich in das Vorland ?ffnen.

Die Frage nach der ~Ursache der Vereisung~ besch?ftigt den Geologen, seit er ?berhaupt von diesem Ereignis weiss. Eine Unmenge von Theorien hat schon versucht, die Eiszeit mit ihrem mehrmaligen Klimawechsel zu erkl?ren. Es ist ein Gebiet, das der Phantasie -- und die ist auch in der Wissenschaft n?tig! -- den weitesten Spielraum l?sst, und wo dem Forscher die M?glichkeit winkt, eines der dunkelsten Geheimnisse der Erdgeschichte aufzukl?ren. Da gibt es nun Theorien, die nicht nur die Ursache der Eiszeit erkl?ren wollen, sondern die in ihrer mathematischen Durchf?hrung auch gleich den zeitlichen Ablauf der ganzen Erscheinung ergeben. Es sind Theorien, die aus grossen astronomischen Vorg?ngen das Ereignis verst?ndlich zu machen versuchen.

Seit dem grossen Schwaben Kepler wissen wir, dass die Erde wie alle Planeten sich in ellipsenf?rmiger Bahn um die Sonne bewegt; die Sonne steht in einem Brennpunkt der Ellipse. Die Erdachse bildet mit der Ebene der Erdbahn einen Winkel von 66 1/2 ?, und mit parallel bleibender Lage seiner Umdrehungsachse beschreibt unser Weltk?rper seinen Umlauf um die Sonne, die ihn streng und fest nach den Gesetzen der Massenanziehung in seiner Bahn erh?lt. Nun bleibt aber die Gestalt der Erdbahn nicht ewig dieselbe; sie ver?ndert sich in langen, aber messbaren Zeitr?umen. Langsam nimmt die Exzentrizit?t der Bahn zu und ab, d. h. die Bahnellipse wird periodisch flacher und dann wieder mehr kreisf?rmig. Dabei dreht sich die grosse Achse der Ellipse in der Ebene der Erdbahn, und schliesslich bleibt auch die Lage der Erdachse nicht dauernd sich selbst parallel, die Erde f?hrt vielmehr in einer Periode von 26000 Jahren die sogenannte Pr?zessionsbewegung aus, die darauf zur?ckzuf?hren ist, dass die Anziehungskraft der Sonne den ?quatorwulst der Erde in die Bahnebene hereinzuziehen versucht, diese aber als ,,Kreisel" mit ihrer Umdrehungsachse ausweicht.

Es ist nat?rlich im Rahmen dieses Buches nicht m?glich, eine ersch?pfende Darlegung der astronomischen Verh?ltnisse zu geben. Wer sich eingehender f?r diese Fragen interessiert, sei auf B?lsche ,,Eiszeit und Klimawechsel" hingewiesen.

Bei den Ver?nderungen in der Gestalt der Erdbahn setzt nun eine Theorie ein, die von ~Croll~ begr?ndet wurde. Er f?hrt dabei ungef?hr folgenden Gedankengang durch: Im Maximum der Exzentrizit?t, das heisst zu der Zeit, in der die Bahnellipse am st?rksten von der Kreisform abweicht, besteht ein grosser Unterschied in der Dauer der Jahreszeiten. Nach dem zweiten Keplerschen Gesetz muss sich die Erde in der Sonnenn?he rascher bewegen als in der Sonnenferne. F?r die Erdh?lfte, die in der Sonnenn?he Sommer hat, ist diese Jahreszeit zwar sehr heiss, sie eilt aber rasch vorbei; das Winterhalbjahr dauert 36 Tage l?nger als das Sommerhalbjahr. Dabei ist der Winter in der Sonnenferne ausserordentlich kalt und streng. Gegenw?rtig befinden wir uns in einer Periode schwacher Exzentrizit?t, die Erdbahn ist beinahe kreisf?rmig, und Winter- und Sommerhalbjahr unterscheiden sich daher nur um acht Tage. Der Wechsel der Exzentrizit?t vollzieht sich in einer Periode von mehreren hunderttausend Jahren. Nun lehrt Croll: Ein Maximum der Exzentrizit?t hat f?r die Erde jedesmal eine Eiszeit zur Folge. In dem langen, kalten Winter, den diese Periode f?r eine Halbkugel mit sich bringt, sammelt sich so viel Schnee und Eis an, dass auch der folgende kurze und heisse Sommer sie nicht zum Verschwinden bringen kann. Im n?chsten Jahr verst?rkt sich noch diese Wirkung, die Jahr f?r Jahr weiter zunimmt und schliesslich zur Vereisung f?hrt. W?hrenddessen hat zwar die andere Erdh?lfte recht g?nstige Verh?ltnisse: kurze, warme Winter und lange, k?hle Sommer. Aber in der zweiten H?lfte der Pr?zessionsperiode, nach 10500 Jahren, beginnt f?r sie die ung?nstige W?rmeverteilung, w?hrend die erste Halbkugel sich auch in der f?r sie g?nstigen Zeit nicht von der angefangenen Vereisung erholen kann. Erst wenn die Erdbahn wieder mehr kreisf?rmig wird, geht die Vereisung zur?ck und verschwindet schliesslich ganz. Ein Maximum der Exzentrizit?t mit seinen grossen Gegens?tzen in der Dauer der Jahreszeiten hat also eine Eiszeit zur Folge, das Minimum mit der gleichm?ssigen Verteilung der W?rme eine Zwischeneiszeit. Die Periode, in der der Wechsel vor sich geht, l?sst sich berechnen; die vorletzte Eiszeit m?sste nach Croll in den Jahren 980000-720000, die letzte in den Jahren 240000 bis 80000 vor unserer Zeitrechnung gewesen sein.

Infolge der Verschiebung des Punkts der Sonnenn?he verk?rzt sich die Periode der klimatischen Einwirkung von 26000 auf 21000 Jahre.

Das sind die Grundgedanken der Crollschen Theorie; sie ist geistreich und scharfsinnig, aber leider nicht zu halten. Wenn sie richtig w?re, so m?ssten ja in der ganzen Erdgeschichte regelm?ssig Eiszeiten und Zwischeneiszeiten einander abl?sen. Nun hat es wohl schon in fr?heren Perioden der Erdgeschichte Eiszeiten gegeben; die letzte grosse Eiszeit aber setzt nach einer langen Periode mit warmem, ja heissem Klima beinahe unvermittelt mit ihrer K?lte ein. Kein Geologe wird ausserdem die Jahreszahlen, die Croll errechnet, f?r richtig halten k?nnen; das werden uns sp?tere Ausf?hrungen zur Gen?ge beweisen. Es kann mit aller Bestimmtheit gesagt werden, dass das Ende der letzten Eiszeit nicht 80000 Jahre, sondern nur wenig mehr als 10000 Jahre hinter der Gegenwart zur?ckliegt. Die klimatischen Grundlagen der Theorie sind sogar so unsicher, dass neuerdings ein Forscher beweisen wollte, dass die Eiszeit in das Minimum der Exzentrizit?t fallen m?sse! Schliesslich hat Croll noch eine Reihe von meteorologischen Faktoren unber?cksichtigt gelassen, die von ~Pilgrim~ in einer genauen mathematischen Nachpr?fung der Theorie sorgf?ltig in die Rechnung eingestellt wurden. Aber auch sie vermochte die schweren Bedenken gegen die ganze Theorie nicht zu beheben; unser Urteil kann nur das eine sein, dass f?r die Gewinnung genauer Alterszahlen die astronomischen Theorien z. B. ausscheiden m?ssen. Wenn wir trotzdem die Crollsche Theorie in den Kreis unserer Betrachtungen gezogen haben, so hat das seinen Grund darin, dass sie ein wundersch?nes Beispiel f?r eine Zeitmessung nach dem Prinzip der Pendeluhr darstellt. Wie das Pendel unter der Einwirkung der Schwerkraft rhythmisch hin und her schwingt, so ver?ndert sich unter dem Einfluss derselben zwischen den Weltk?rpern wirkenden Anziehungskraft die Bahn unserer Erde. Es ist ein geheimnisvoll grossartiges Bild, wie die Bahnellipse unseres Gestirns nicht fest und starr im Weltraum liegt, sondern wie sie pulsiert, sich abflacht und wieder rundet, wie die Erdachse nicht st?ndig auf denselben Punkt des Fixsternhimmels weist, sondern langsam und gemessen als Kreiselachse ausweicht und in der Periode von 26000 Jahren ihre Pr?zessionsbewegung ausf?hrt. Es ist tats?chlich der Pendelschlag der Weltuhr, der sich hier vor unserem Geistesauge vollzieht: Rhythmische Bewegung unter dem Zwange der Schwerkraft. Aber leider ist unsere Weltuhr recht unvollkommen. Die irdische Pendeluhr besitzt ausser dem schwingenden Zeitmesser ein Z?hlwerk, das mit kunstvoll ineinandergef?gten R?dern die Zahl der Schwingungen auf dem Zifferblatt sichtbar in die Erscheinung treten l?sst. Unsere Weltpendeluhr schl?gt wohl, aber ob und wie sie z?hlt, das ist uns noch ein R?tsel. Wohl konnte der Mensch vermuten, in den rhythmisch sich folgenden Eiszeiten ihre Schl?ge zu erkennen. Genauere ?berlegung und Nachpr?fung l?sst uns jedoch diese Annahme wieder verwerfen. Vielleicht ist auch der Einfluss jener astronomischen Vorg?nge viel zu geringf?gig, um sich deutlich sichtbar in Erscheinungen der Erdoberfl?che auszuwirken. Wir gehen daher von den weltumfassenden Theorien ?ber die Eiszeit zur geologischen Einzelforschung ?ber, die aus der peinlich genauen Untersuchung der Erdrinde ihre Schl?sse ?ber die Dauer geologischer Zeitr?ume zu ziehen versucht.

W?hrend der letzten Eiszeit lag die skandinavische Halbinsel ganz unter einem riesigen Eisschild verborgen, der vom Kamm des Gebirges aus bis weit nach England, Deutschland und Russland hinein sich ausgebreitet hatte und der mit dem W?rmerwerden des Klimas langsam wieder abschmolz, sich auf seinen Ausgangspunkt, die Eisscheide, zur?ckzog und schliesslich ganz verschwand. Einem schwedischen Geologen, ~de Geer~, fiel schon 1878 auf, dass fast das ganze Gebiet der fr?heren Vereisung zu oberst von einem Ton bedeckt ist, der ganz regelm?ssig geb?nderte Schichtung aufweist. Die Frage war: Wie sind diese B?ndertone entstanden, und wie erkl?rt sich ihre Schichtung? Die Schichten der Tone sind vollst?ndig ungest?rt, der Gletscher konnte also nicht mehr ?ber sie hinweggegangen sein. Mannigfache Untersuchungen machten es allm?hlich zur Gewissheit, dass sie im Zusammenhang mit dem abschmelzenden Eis in einem Meer zum Niederschlag gekommen waren.

Als die Eisdecke abschmolz, lag das Land noch unter dem Meeresspiegel, das Stirnende des Gletschers ragte ins Meer hinein ; auf der Oberfl?che des Eises sank das Schmelzwasser in Spalten und Rissen in die Tiefe, bahnte sich unterhalb des Gletschers seinen Weg zum Eisrand und f?hrte dabei die leichter ausschwemmbaren Bestandteile der Grundmor?ne, Ton und Sand, mit sich. Wo nun dieser Schmelzwasserstrom unter dem Eis hervor ins Meer m?ndete, da riss er den Sand noch eine kurze Strecke mit sich, um ihn dann liegen zu lassen; die feineren Tonbestandteile wurden erst weiter draussen abgelagert. Im Winter bildeten sich im allgemeinen infolge der geringeren Menge des Schmelzwassers feink?rnige, haupts?chlich tonige Niederschl?ge, die durch organische Beimengungen dunklere F?rbung annahmen, im Fr?hjahr und Sommer, wo die st?rksten Wassermengen arbeiteten, waren die Niederschl?ge sandiger und von heller Farbe. Im n?chsten Jahr kam im Wechsel der Jahreszeiten eine weitere Schicht Ton und Sand zur Ablagerung, die aber infolge des Zur?ckweichens des Gletschers nach Norden so viel weiter n?rdlich anfing, als der Gletscher im Lauf des Jahres zur?ckgewichen war und ebensoviel weiter n?rdlich auch wieder aufh?rte .

Jahr f?r Jahr bildete sich also eine neue Schicht; alle Schichten, abwechselnd aus dunklen und helleren Lagen von Ton und Sand bestehend, mussten sich dachziegelf?rmig ?bereinander lagern, jede folgende weiter im Norden beginnend. Die wunderbar deutlich ausgepr?gten Schichten der B?ndertone h?ngen also mit der Periode des Jahres zusammen, sie stellen nichts anderes als ~Jahresringe~ dar.

Nun handelte es sich aber noch darum, die Zahl all dieser Jahresschichten, die ?ber ganz Schweden weg sich ausbreiteten, zu bestimmen; damit musste man die Frage beantworten k?nnen, wie lange der Gletscher zu ihrer Bildung gebraucht hatte, von der Zeit an, da er noch an der Spitze Schonens stand bis zu dem Augenblick, da sein letzter Rest auf der Eisscheide vollends abschmolz. Es winkte also die M?glichkeit, durch die Z?hlung der Schichten die Zahl der Jahre zu bestimmen, die der Gletscher zum Zur?ckweichen von Schonen bis zur Eisscheide n?tig gehabt hatte. Das war keine leichte Aufgabe, denn es handelte sich ja um Schichten, die nirgends zusammenh?ngend, sondern immer nur an einzelnen Punkten aufgeschlossen waren. Man h?tte daran denken k?nnen, von S?den nach Norden einen grossen Einschnitt herzustellen, und damit nach Art des Bildes 6 einen zusammenh?ngenden Aufschluss in den B?ndertonen zu schaffen, l?ngs dessen man die Zahl der Schichten in der sch?nen dachziegelartigen ?berlagerung leicht h?tte feststellen k?nnen. Dass dies ein ungeheuer kostspieliges Riesenwerk h?tte sein m?ssen, leuchtet ohne weiteres ein. De Geer fand einen einfacheren Weg. In zahlreichen einzelnen Aufschl?ssen, in Tongruben, Ziegeleien, Eisenbahneinschnitten wurde von ihm und seinen Sch?lern, die er sich zur Mitarbeit heranzog, in den Jahren 1905 und 1906 die M?chtigkeit der einzelnen Schichten genau mit dem Messband gemessen. Es zeigte sich bald in benachbarten Aufschl?ssen, dass die M?chtigkeitsverh?ltnisse aufeinanderfolgender Schichten in allen Profilen sich gleich blieben. Das ist auch leicht verst?ndlich und erkl?rbar, denn das eine Jahr brachte mehr Wasser und damit auch mehr Sand und Ton mit als das andere. Die Abb. 8 und 9 sollen das Verfahren de Geers erkl?ren. In den Punkten A, B und C der Karte wurde die Dicke der einzelnen Tonschichten gemessen, die M?chtigkeiten wurden in einzelnen ?bereinander angeordneten wagrechten Linien graphisch dargestellt und die Endpunkte miteinander verbunden, so dass sich f?r die drei Punkte die Bilder Nr. 9 ergaben.

Es zeigte sich, dass die Schichten 1-19 des Punktes B in ihren M?chtigkeitsverh?ltnissen genau den Schichten 4-22 des Punktes A entsprachen; diese Schichten waren also in gleichen Jahren gebildet worden und mussten einander gleichgestellt werden. Im Profil B fehlten die drei untersten Schichten des Profils A, das Eis hatte somit zum Zur?ckweichen von A nach B den Zeitraum von drei Jahren gebraucht. Ebenso entsprachen die Schichten 1-18 des Profils C deutlich den Schichten 7-24 des Profils B, es fehlten also im Profil C die sechs untersten Schichten von B; das Eis hatte somit sechs Jahre zum R?ckzug von B nach C gebraucht. Durch Aufnahmen einer gr?sseren Anzahl von Schichtprofilen konnte auf diese Weise genau das Zur?ckweichen des Gletschers bestimmt werden, und so entstand das K?rtchen aus der Gegend von Stockholm , das die aufeinander folgenden Eisrandlagen f?r einen Zeitraum von etwa 25 Jahren in Kurven darstellt. Dabei ergab sich noch ein weiteres interessantes Ergebnis: Es fanden mit dieser Aufnahme die zahlreichen kleinen, in Abst?nden von 100-200 m parallel hintereinander angeordneten Mor?nenr?cken ihre Erkl?rung; sie zeigen gleichfalls das j?hrliche Zur?ckweichen des Gletschers an und sind als sogenannte ,,~Wintermor?nen~" in der kalten Jahreszeit gebildet worden, w?hrend der Eisrand einige Monate an Ort und Stelle blieb.

Auf diese Weise war es m?glich, die Schichten zu z?hlen, ohne grosse und kostspielige Einschnitte schaffen zu m?ssen. De Geer untersuchte die B?ndertone l?ngs mehrerer Linien von Schonen bis zur Eisscheide. Es ist ja nicht n?tig, die ganze Z?hlung einer einzigen Linie entlang vorzunehmen, doch muss jedesmal eine neue Linie wieder in gleicher H?he beginnen; das Bild 10 gibt die von ihm untersuchten Linien an. Seine Ergebnisse bei der Z?hlung der Schichten und der Eintragung der Ergebnisse in die Karte waren folgende: im S?den Schwedens, in Schonen, wich der Gletscher im Jahr um 50 m zur?ck, etwas weiter n?rdlich um 100 m, in der Gegend des Wener- und Wettersees erfolgte eine Pause im Zur?ckweichen. In dieser Stillstandszeit, die jedoch nur wenige Jahrhunderte dauerte, h?ufte der Gletscher den G?rtel der fennoskandischen Endmor?nen auf, der von Kristiania an quer durch Mittelschweden hindurch zu verfolgen ist und jenseits der Ostsee in Finnland seine Fortsetzung findet. Die Zeit des R?ckzugs von Schonen bis zu diesen Mor?nen, die ~gotiglaziale Epoche~, umfasste einen Zeitraum von 3000 Jahren. In der folgenden ~finniglazialen Epoche~ ging der R?ckzug wesentlich schneller vor sich; im Jahr betrug er 100 bis 300 m, denn der verh?ltnism?ssig geringe Eisrest, der noch ?brig geblieben war, schmolz vollends rasch zusammen. So brauchte der Gletscher zu seinem R?ckzug von den fennoskandischen Endmor?nen bis zur Eisscheide, also bis zu seinem v?lligen Verschwinden, nur noch 2000 Jahre. F?r den ganzen R?ckzug von Schonen bis zur Eisscheide war demnach ein Zeitraum von 5000 Jahren n?tig.

Diese Bestimmung der Zeitdauer eines genau umschriebenen geologischen Vorgangs bedeutet einen ausserordentlichen Fortschritt. Hier haben wir es nicht mit einer von unsicheren und zweifelhaften Voraussetzungen ausgehenden Berechnung zu tun, sondern es handelt sich um ein einfaches Abz?hlen der Spuren, die der Wechsel der Jahreszeiten sichtbar hinterlassen hat. So besitzt das Ergebnis de Geers die h?chst m?gliche Zuverl?ssigkeit und Sicherheit, die wir von einer geologischen Zeitmessung erwarten k?nnen; die Sch?nheit und Eleganz dieser Methode steht in ihrer Art einzig da. Nachpr?fungen ihrer Ergebnisse in Finnland, wo dieselben geologischen Verh?ltnisse sind, haben zu einer vollkommenen Best?tigung gef?hrt.

Eine Reihe von W?nschen bleibt aber doch noch unerf?llt. Zun?chst m?ssen wir feststellen, dass es nur ein verh?ltnism?ssig kleiner Zeitraum ist, den die Zeitmessung de Geers umfasst. Daran k?nnen wir aber leider nichts ?ndern. Zu bedauern ist aber auch, dass sie nicht unmittelbar an die Jetztzeit anschliesst. Wir wissen wohl, dass das Eis zu seinem Abschmelzen von S?dschweden bis zur Eisscheide 5000 Jahre gebraucht hat, wir wissen aber nicht, wieviel Jahre seitdem wieder verstrichen sind. De Geer hat zwar versucht, auch diese Zeit zu bestimmen; er ben?tzte dazu eine ganz ?hnliche Methode wie fr?her f?r das Zur?ckweichen des Eises. In dem See ~Ragunda~, der nicht weit von der Eisscheide entfernt liegt und 1796 trocken gelegt wurde, fand er in dem alten Seeboden eine ganz ?hnliche Schichtung, wie sie von den Eismeertonen beschrieben wurde. Es gelang ihm, auch hier die Zahl der Schichten zu z?hlen; er fand ann?hernd 7000 Schichten, die einen Zeitraum von 7000 Jahren vom vollst?ndigen Verschwinden des Eises bis zum Jahr 1796 anzeigen w?rden.

Nachdem wir so den unmittelbaren Anschluss an die Gegenwart gefunden haben, soll es vom Zeitpunkt, da das Eis in Schonen stand, einen Schritt weiter in die geologische Vergangenheit zur?ckgehen. Die n?chste Frage muss nun sein: wie lange brauchte das Eis zum Zur?ckweichen von dem grossen ~baltischen Endmor?nenr?cken~ bis S?dschweden? Dieser riesige Endmor?nenzug bedeutet sicher einen gr?sseren Einschnitt in der Geschichte der letzten Eiszeit; die meisten Forscher nehmen an, dass er dem ~B?hlvorstoss~ der alpinen Gletscher zeitlich gleichzusetzen sei.

Auch im Gebiet der ~Alpen~ wurde eine Reihe von Versuchen unternommen, Zahlen f?r die seit der letzten Vergletscherung verflossene Zeit zu gewinnen. Am bekanntesten ist die Rechnung des Schweizer Geologen ~Heim~ geworden, der von Untersuchungen am ~Vierwaldst?tter See~ ausging. Im Gebiet dieses Sees sind f?nf hintereinanderliegende Mor?nenz?ge zu beobachten, die alle dem B?hlstadium zugerechnet werden; der ?usserste liegt unterhalb des Sees, die vier andern sind durch Lotungen auf dem Seeboden deutlich nachweisbar . Der innerste und ?stlichste Mor?nenr?cken schliesst das Gebiet des Urner Sees ab, in dem zwei Fl?sse ihre Schlamm- und Ger?llmassen ablagern: die gr?ssere Reuss, die bei Fl?elen m?ndet und die kleinere Muota, die aus dem Kanton Schwyz kommt. Als der Gletscher noch durch das heutige Seebecken str?mte, muss er es vollkommen ausger?umt haben. Seit seinem R?ckzug haben aber Reuss und Muota begonnen, jedes ein Delta in den See hineinzubauen und ihn so allm?hlich auszuf?llen. Unter bestimmten Voraussetzungen l?sst sich der Kubikinhalt der Deltabildungen berechnen. Da auch die j?hrlich durch die beiden Fl?sse in den See gef?hrte Schlamm- und Ger?llmasse einigermassen bekannt ist, so folgt daraus die Zeit, die zur Bildung der Aufsch?ttungen n?tig war. Heim geht sehr vorsichtig in seiner Berechnung vor und erh?lt 10000-50000 Jahre; am wahrscheinlichsten erscheint ihm die Zahl von 16000 Jahren. So viel Jahre w?ren also verflossen, seit sich der grosse Reussgletscher nach dem B?hlvorstoss zur?ckzog und das Gebiet des Vierwaldst?tter Sees freigab.

Eine ganz ?hnliche Berechnung f?hrte ~Steck~ am ~Thuner~ und ~Brienzer See~ aus; der letztere wurde zur selben Zeit wie der Vierwaldst?tter See vom Gletscher verlassen. In den Brienzer See ergiesst sich die Aare, in den Thuner See die Kander, die seitlich einm?ndende L?tschine hat bei Interlaken in den fr?her einheitlichen See ein Delta hineingebaut, das ihn beim Gr?sserwerden schliesslich in zwei einzelne Seebecken trennte . Steck erhielt f?r die Zeit, welche die L?tschine zur Aufsch?ttung ihres Deltas n?tig hatte, 20000 Jahre, f?r die Bildung des Aaredeltas im Brienzer See 15000 Jahre.

Von anderen Voraussetzungen ging ~N?esch~ aus, der die Ablagerungen einer H?hle, des ~Schweizersbildes~, untersuchte. Die H?hle wurde erst nach dem B?hlstadium vom Gletscher freigegeben und war von da an eine Behausung des Steinzeitmenschen. In den Schichten, die sich im Lauf der Jahrtausende auf dem Boden der H?hle gebildet hatten, konnte N?esch durch Funde von Werkzeugen eine Kulturentwicklung der Bewohner von der ?lteren Steinzeit bis zur Metallzeit nachweisen. Durch den Vergleich der M?chtigkeit der alten Kulturschichten mit der obersten Metallzeitschicht, f?r deren Bildungszeit 4000 Jahre angenommen werden k?nnen, fand er f?r die ?ltesten Schichten ein Alter von 24000 Jahren.

Vergleicht man alle drei Altersberechnungen aus dem Gebiet der alpinen Vergletscherung, so zeigt sich eine nicht unbefriedigende ?bereinstimmung: Die Zeit, als sich die Gletscher nach dem B?hlvorstoss in die Alpent?ler zur?ckgezogen, liegt rund 20000 Jahre zur?ck. Dieses Ergebnis stimmt auch nicht schlecht mit dem Alter zusammen, das f?r die baltischen Endmor?nen berechnet wurde; sie sind ja vermutlich dem B?hlvorstoss gleichzusetzen.

Wir wenden uns jetzt noch ~Nordamerika~, dem dritten grossen Vereisungsgebiet, zu, das, ?hnlich wie Nordeuropa, unter einer ungeheuren Decke von Inlandeis begraben war. Beim R?ckzug des Eises, der zur selben Zeit erfolgt sein muss wie in Europa, wurde allm?hlich das Gebiet der heutigen grossen Seen eisfrei; ihr Wasser musste dem Meere zu abfliessen. Zwischen dem Erie- und dem tiefer gelegenen Ontariosee bildete sich ein Fluss, der ?ber die dazwischenliegende Gel?ndestufe hinabst?rzte. Das war der Anfang der ~Niagaraf?lle~. Durch die ausstrudelnde Wirkung des st?rzenden Wassers wurden am Grund des Falls die weicheren Schichten herausgewaschen, so dass die h?rteren nachst?rzen mussten . Auf diese Weise schnitt sich der Fall immer weiter r?ckw?rts in die Gesteinstafel ein, und auch heute noch weicht er immer mehr in der Richtung gegen den Eriesee zur?ck. Er hat im Laufe der Zeit eine 11,3 km lange Schlucht eingenagt, die in ihren verschiedenen Teilen die Geschichte ihrer Entstehung noch deutlich erkennen l?sst . Der Fall war anfangs nur 11 m hoch. Da der Fluss damals nur den Eriesee entw?sserte , so betrug seine Wassermenge nur 15% der heutigen. Die Schlucht war eng, das Zur?ckweichen erfolgte langsam und betrug nur etwa 12 cm im Jahr. Nach wechselnden geologischen Ereignissen kam schliesslich das Wasser aller f?nf Seen durch den Niagara zum Abfluss, der gegenw?rtig in zwei F?llen, dem schw?cheren amerikanischen und dem Hufeisenfall, 50 ~m~ tief in die Schlucht st?rzt, ein urgewaltiges Naturschauspiel bietend. In dem j?ngsten Teil der Schlucht wurde das j?hrliche Zur?ckweichen des Falls zu 1,37 m berechnet. Eine Reihe von Geologen hat auf Grund aller Einzelheiten im Ablauf der geologischen Ereignisse die Zeit zu berechnen versucht, die der Niagara zur Eintiefung der ganzen Schlucht ben?tigte; sie erhalten Zahlen, die sich zwischen 20000 und 40000 Jahren, im Mittel um 30000 Jahre bewegen. So lange schon muss demnach die Gegend des Erie- und Ontariosees vom Eise verlassen sein.

Die Zahlen stimmen ungef?hr mit dem Ergebnis der Berechnungen ?berein, die wir f?r die Zeit seit dem Abschmelzen der Gletscher im europ?ischen Vereisungsgebiet ausgef?hrt haben; allerdings scheint sich ein etwas h?herer Wert zu ergeben, als wir ihn f?r das Alter der baltischen Endmor?nen und des B?hlvorstosses gewonnen haben; dies erkl?rt sich vielleicht so, dass die Gegend des Erie- und Ontariosees schon vor der B?hlzeit vom Gletscher verlassen wurde.

Durch all diese Berechnungen, die sich bis jetzt nur auf die Sp?t- und Nacheiszeit bezogen haben, werden wir aber ganz von selber weitergef?hrt zur n?chsten Frage: Wie erhalten wir Alterszahlen f?r die ~ganze Eiszeit~? Je weiter wir zur?ckgehen, um so schwieriger wird unsere Aufgabe, und es ist leicht verst?ndlich, dass es so sein muss: Das uns zeitlich N?chstliegende ?bersehen wir mit all seinen Einzelheiten am besten und klarsten. Je weiter wir uns von der Gegenwart entfernen, um so l?ckenhafter werden unsere Kenntnisse, um so st?rker sind die Ablagerungen umgewandelt oder gar teilweise schon wieder abgetragen. ~Penck~, der Erforscher der ,,Alpen im Eiszeitalter", geht bei der Berechnung folgendermassen vor: Er weist darauf hin, dass die Fl?sse in der Nacheiszeit und in den verschiedenen Zwischeneiszeiten eine riesige Arbeit geleistet haben. Sie haben die Mor?nen zum grossen Teil aufgearbeitet und m?chtige Schottermassen aufgesch?ttet, die als Deckenschotter und Terrassenschotter dem Geologen bekannt sind. In den verschiedenen Zwischeneiszeiten und der Nacheiszeit konnte auch die Verwitterung auf die verschiedenen Eiszeitablagerungen einwirken und sie der L?nge der Zeit entsprechend mehr oder weniger tief angreifen. Nach dem Mass der von den Fl?ssen in der Sp?t- und Nacheiszeit geleisteten Aufsch?ttungsarbeit und der St?rke der Verwitterung versucht nun Penck, Verh?ltniszahlen f?r die Dauer der verschiedenen Zeiten zu gewinnen. Er kommt zu folgendem Ergebnis: Nimmt man die Zeit seit dem B?hlvorstoss, die wir kurz als Nacheiszeit im weiteren Sinn bezeichnen wollen, als Einheit, so war die Riss-W?rm-Zwischeneiszeit etwa dreimal so lang, die Mindel-Riss-Zwischeneiszeit etwa zw?lfmal so lang, die G?nz-Mindel-Zwischeneiszeit wieder etwa dreimal so lang wie die Nacheiszeit. Die Zeitdauer aller Zwischeneiszeiten betr?gt somit das 18fache der Nacheiszeit. Gewiss hat sich auch jedesmal das Eis bei seinem Vorstoss einige Zeit auf dem h?chsten Stand gehalten. Setzt man f?r diese eigentlichen Eiszeiten ungef?hr das Sechs- bis Achtfache der Nacheiszeit an, so kommt man f?r die ganze Eiszeit auf das 25fache dieser Zeit. Nun haben wir f?r die Zeit seit dem B?hlvorstoss die Zahl von 20000 Jahren errechnet; wir kommen damit f?r die Dauer der ganzen Eiszeit auf rund 500000 Jahre. Diese Zahl wird zurzeit von den meisten Forschern f?r ungef?hr richtig gehalten, ob sie nun die nordeurop?ischen , die alpinen , oder die nordamerikanischen Eiszeiterscheinungen untersuchen. Penck, dem wir bisher in der Hauptsache gefolgt sind, ist allerdings eher geneigt, die Zahl noch etwas h?her anzunehmen und sie auf 1/2 -1 Million Jahre zu sch?tzen.

Vergleiche hierzu nochmals die Abb. 4, die auf Grund dieser Annahmen gezeichnet ist. Sie versucht, den ganzen Ablauf der Eiszeit in richtigen Zeitverh?ltnissen darzustellen.

Leider haben die Alterszahlen f?r die ganze Eiszeit nicht mehr denselben Grad von Zuverl?ssigkeit wie die f?r die Nacheiszeit berechneten. Wenn wir f?r die Zeit seit der Aufsch?ttung der baltischen Endmor?nen mit gutem Gewissen sagen k?nnen, dass sie von den angenommenen 20000 Jahren nicht mehr als um ein Viertel nach oben oder unten abweichen wird, so schwanken unsere Vorstellungen ?ber die L?nge der ganzen Eiszeit schon zwischen viel weiteren Grenzen. Mit recht grosser Sicherheit k?nnen wir jedoch sagen, dass sie zwischen die Grenzen von 200000 und 1000000 Jahren einzuschliessen ist. Das Verfahren, das wir bei diesem ?bergang auf die ganze Eiszeit angewandt haben, bezeichnet der Mathematiker als ~Extrapolation~. Er versteht darunter den Versuch, von dem bekannten Verlauf einer Kurve zwischen zwei gegebenen Punkten auf ihren Verlauf ausserhalb dieses bekannten Teils zu schliessen. In derselben Lage ist der Geologe: Von der recht gut bekannten Nacheiszeit ausgehend, schliesst er auf den ausserhalb dieser Zeit liegenden Verlauf der Eiszeitkurve.

Gegen das Ende der letzten Eiszeit wurde dann die Neandertalrasse von Menschen abgel?st, die man anatomisch kaum mehr vom heute lebenden Europ?er unterscheiden kann. Zusammenfassend k?nnen wir also sagen, dass das Auftreten des Menschen nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse ungef?hr mit dem Beginn der Eiszeit zusammenf?llt; sein Alter wird also rund 1/2 -1 Million Jahre betragen. Die ersten Stufen der Kulturentwicklung m?ssen ungeheuer lange Zeitr?ume umfasst haben. Die ?ltere Steinzeit reicht in unseren Gegenden bis ungef?hr zum Jahre 10000 v. Chr., sie hat also gewiss mehrere hunderttausend Jahre gedauert, w?hrend die j?ngere Steinzeit nur wenige Jahrtausende umfasst und die Metallzeit, in der wir jetzt stehen, erst auf ein Alter von etwa 3-4 Jahrtausenden zur?ckblicken kann. Es sind merkw?rdige und unerwartete Verh?ltnisse, in die wir durch die geologische Zeitmessung einen Einblick gewinnen.

Noch an eine andere Frage k?nnen wir nach dem, was wir ?ber den Verlauf der Eiszeit erfahren haben, herantreten. Es ist die Frage: An was f?r einem Punkt der geologischen Entwicklung stehen wir heute? ~Haben wir die Eiszeit endg?ltig hinter uns gelassen~ und k?nnen wir ohne Sorge f?r kommende Generationen in die Zukunft schauen? Oder sind wir am Ende nur in einer Zwischeneiszeit, der nach einer Reihe von Jahrtausenden wieder eine neue Vereisung folgen wird? Auch zur Beantwortung dieser Frage reichen unsere Kenntnisse nicht aus. Um sie sicher und entscheidend beantworten zu k?nnen, m?ssten wir die Ursache der mehrmaligen Vereisung kennen. Wir k?nnten dann feststellen, ob diese Ursache endg?ltig oder nur zeitweilig weggefallen ist, und damit die fernere Entwicklung voraussagen. Von einer Einsicht in die Ursachen der Eiszeit sind wir jedoch meilenweit entfernt, und ?ber den zuk?nftigen Verlauf der Klimakurve k?nnen wir h?chstens Vermutungen ?ussern. Da wir das innere Gesetz der Kurve in Abb. 4 nicht kennen, so wissen wir nicht, wie sie in den n?chsten Jahrtausenden oder Jahrzehntausenden nach links weiter verlaufen wird. Sie kann auf der heutigen H?he bleiben oder sogar noch etwas steigen, sie kann sich aber fr?her oder sp?ter auch wieder nach unten senken. Es ist m?glich, dass wir ?ber die grosse Eiszeit endg?ltig hinweg sind, es ist ebenso denkbar, dass wir in einigen Jahrzehntausenden wieder einer neuen Vereisung unterliegen. Auf alle F?lle aber gibt uns die kurze Zeit seit dem Abschmelzen der Eismassen auf ihren heutigen Stand -- es m?gen 11000 Jahre sein -- nicht das Recht zu der Behauptung, dass die Gefahr endg?ltig vorbei sei. Ist ja allein die letzte Zwischeneiszeit nach den Forschungen Pencks dreimal, die vorletzte zw?lfmal so lang gewesen wie die Sp?t- und Nacheiszeit. Die Klimaschwankungen, die wir auch in der Jetztzeit noch beobachten, und die zu einem zeitweiligen Vorr?cken oder Zur?ckweichen der heutigen Gletscher f?hren, sind zu unbedeutend in ihrer Auswirkung und zeitlichen Dauer, als dass wir daraus irgendwelche Prophezeiungen ableiten k?nnten. Die Menschheit geht also einer recht unsicheren Zukunft entgegen, und es liegt durchaus im Bereich der M?glichkeit, dass in einigen Jahrtausenden oder Jahrzehntausenden die Gletscher Skandinaviens wieder zu wachsen beginnen, von den H?hen herabfliessen, die ganze Halbinsel bedecken, ?ber die Ostsee schreiten und in das bl?hende norddeutsche Land einbrechen, alles zerst?rend und unter starren Eismassen begrabend. Es ist nur gut, dass wir Menschen von heute uns noch keine Sorgen dar?ber zu machen brauchen.

Nach diesen Betrachtungen soll es aber mutig noch weiter zur?ckgehen in die geologische Vorzeit. In der Eiszeit f?hlt sich der Geologe immer noch ganz nahe der Gegenwart. Ihre Lebewesen sind fast alle heute noch vorhanden, die Tier- und Pflanzenwelt zu Beginn der Eiszeit unterscheidet sich kaum wesentlich von der heutigen. Je weiter wir jedoch zur?ckschreiten, um so fremdartiger wird die Lebewelt, die wir in versteinerten ?berresten vorfinden. Die Methode, mit der wir auch f?r fr?here Perioden Alterszahlen gewinnen wollen, ist dieselbe, mit der wir von der Nacheiszeit aus den ?bergang auf die ganze Eiszeit vollzogen haben: Wir sch?tzen das Verh?ltnis der Zeitdauer verschiedener Perioden ab und kommen dann unter Verwendung der zuerst gefundenen absoluten Zahlen auf ihren zeitlichen Abstand von der Jetztzeit. Diese Art der Altersberechnung soll zun?chst f?r das Terti?r durchgef?hrt werden. ~Penck~ hat einen Weg hierf?r angegeben. Er erh?lt durch Absch?tzung der geologischen Arbeit und der Entwicklung der Lebewesen Vergleichszahlen f?r die Dauer von Eiszeit und Terti?r. F?r das Plioz?n nimmt er die 3-4fache, f?r das Mioz?n die 6-8fache Dauer der Eiszeit an. Wird diese zu 1/2 Million Jahre angesetzt, so erhalten wir f?r Mioz?n und Plioz?n die Dauer von 4 1/2 -6 Millionen Jahren. Ohne Zweifel sind Oligoz?n und Eoz?n, denen von den Nordamerikanern neuerdings noch ein Paleoz?n vorausgestellt wird, zusammen mindestens doppelt so lang. Das ganze Terti?r w?rde demnach einen Zeitraum von 13 1/2 -18 Millionen Jahren umfassen. Dabei wurde jedoch mit einem Mittelwert der Eiszeit gerechnet; setzt man auch die Grenzwerte von 200000 und 1000000 Jahren in die Rechnung ein, so erh?lt man f?r das Terti?r Werte zwischen 5 und 36 Millionen Jahren.

Auf andere Weise ging ~Lyell~ vor. Um Verh?ltniszahlen zu finden, untersuchte er, wieviele von den Muschelarten der verschiedenen Schichten des Terti?rs sich bis heute erhalten haben, wieviele dagegen ausgestorben sind. Seit Beginn der Eiszeit sind nur wenige Prozent verschwunden, seit Beginn des Mioz?ns oder gar des Eoz?ns dagegen sehr viele. Durch genaue Z?hlungen der noch lebenden und der ausgestorbenen Formen kam Lyell zu der Annahme, der Beginn des Untermioz?ns m?sse 20mal so weit zur?ckliegen wie der Beginn der Eiszeit, der Beginn des Eoz?ns sogar 60mal so weit. Die Dauer des Terti?rs w?rde also 12-60 Millionen Jahre betragen, der wahrscheinlichste Mittelwert w?re 30 Millionen Jahre.

Ganz ?hnlich verfuhr ~Matthew~, ein amerikanischer S?ugetierforscher, der die Entwicklung der Pferde zur Gewinnung eines Verh?ltnismassstabs ben?tzte. Die Stammesgeschichte des Pferdes ist ja von jeher eines der ,,Paradepferde" der Entwicklungslehre gewesen. Aus den versteinerten ?berresten l?sst sich eine fast l?ckenlose Reihe verschiedener Formen bilden, die, von einem f?nfzehigen Ahnen ausgehend, unter allm?hlicher R?ckbildung der ?usseren Zehen und immer st?rkerer Ausbildung der mittleren Zehe zum heutigen Pferd f?hrt. Matthew versuchte nun, die Unterschiede zwischen den einzelnen Formen dieser Entwicklungsreihe in ein zahlenm?ssiges Verh?ltnis zu bringen und kam dabei zu der Aufstellung folgender Tabelle:

F?r das Terti?r berechnet also Penck einen Mittelwert von 15 Millionen Jahren, nach Lyell ergeben sich etwa 30 Millionen Jahre, nach Matthew 50 Millionen Jahre; die ?ussersten Grenzwerte aller Berechnungen betragen 5,4-100 Millionen Jahre. Es zeigt sich damit die Erscheinung, die schon einmal kurz gestreift wurde: Zu der Unsicherheit der Ausgangszahl kommt die Unsicherheit der Verh?ltniszahlen hinzu, und durch Multiplikation r?cken die Grenzen, zwischen denen die wirkliche Zahl liegen muss, immer weiter auseinander. Mit jedem neuen R?ckw?rtsschreiten wird die ganze Rechnung unsicherer. Immerhin k?nnen wir mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit sagen, dass die Zeitdauer des Terti?rs jedenfalls schon nach Zehnern von Jahrmillionen zu bemessen ist. Mit 20-40 Millionen Jahren werden wir von der Wahrheit nicht allzuweit entfernt sein.

Den Abschluss der Berechnungen soll der ~?bergang vom Terti?r auf die ganze Reihe der ?brigen Formationen~ bilden. Schon ~Lyell~, der Begr?nder der modernen Geologie, hat diesen weiteren Schritt gewagt. Er erhielt f?r das Unterkarbon ein Alter von 160 Millionen Jahren, f?r das Unterkambrium ein solches von 240 Millionen Jahren. ~Dana~ stellte f?r die Zeitdauer der einzelnen Formationen folgende Verh?ltniszahlen auf: wird das Terti?r zur Einheit genommen, so sind Kreide, Jura und Trias je etwa ebenso lang, die mesozoische Periode dauerte also dreimal so lang wie das Terti?r. Perm und Karbon entsprechen in ihrer Zeitdauer ebenfalls dem Terti?r, dagegen war das Devon zweimal, Silur und Kambrium je viermal so lang. Die ganze pal?ozoische Periode umfasst daher das 12fache, die Erdgeschichte seit Beginn des Kambriums etwa das 16fache der Zeitdauer des Terti?rs. Setzen wir f?r das Terti?r den Mittelwert von 30 Millionen Jahren, so ergibt dies f?r das Alter der ?ltesten kambrischen Schichten 480 Millionen Jahre.

Etwas andere Verh?ltniszahlen gibt ~Walcott~ an. Er setzt f?r das Terti?r 1, f?r das Mesozoikum 2,5, f?r das Pal?ozoikum 6; die Erdgeschichte seit dem Kambrium entspricht also der Zahl 9-22, und f?r das Alter des Kambriums w?rden sich 285 Millionen Jahre ergeben. Ganz ?hnliche Zahlen wie Dana nennt ~H?ckel~. Er setzt f?r die Zeit seit dem Beginn des Lebens bis heute die Zahl 100. Davon entfallen auf die Zeit bis zum Beginn des Kambriums 52 Teile, auf das Pal?ozoikum 34 Teile, das Mesozoikum 11 Teile, auf das Terti?r 3 Teile, die Eiszeit 0,1 Teil. Das ergibt f?r das Alter des Kambriums etwa 480 Millionen Jahre. Die Zeit, die vor Beginn des Lebens verflossen ist, wollen wir f?r die Berechnung ausser Betracht lassen.

Fassen wir die verschiedenen Ergebnisse zusammen, so erhalten wir, von dem Wert von 30 Millionen Jahren f?r das Terti?r ausgehend, einen Zeitraum von 285-480 Millionen Jahren, von den Grenzwerten ausgehend 50-1600 Millionen Jahre seit dem Beginn des Kambriums.

Die Erscheinung, die wir schon besprochen haben, zeigt sich jetzt am st?rksten: mit jeder weiteren Extrapolation werden die Grenzen weiter, die Zahlen unsicherer. Doch d?rfen wir den Wert der gewonnenen Zahlen auch nicht gar zu sehr untersch?tzen. Es ist nicht anzunehmen, dass bei all den Vermutungen und Rechnungen immer gerade die niederste oder die h?chste Zahl die richtige gewesen sei; in den meisten F?llen wird eine mittlere Zahl das Richtige treffen, und wo die wirklichen Zahlen von der Mitte abweichen, da wird sich wohl nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit eine zu niedrige mit einer zu hohen Zahl wieder ausgleichen, so dass zum Schluss die Wahrheit doch ungef?hr in der Mitte liegen wird. So k?nnen wir mit ziemlicher Sicherheit f?r das Alter des Kambriums einige Hunderte von Jahrmillionen ansetzen. Wir kennen zwar noch nicht die genaue Gr?sse selber, aber doch die Gr?ssenordnung der seit dem Kambrium verflossenen Zeit. Weiter wollen wir aber nicht zur?ckgehen, denn die Unsicherheiten, die uns im Pr?kambrium erwarten, sind derartig gross, dass wir die Hoffnung auf ein einigermassen brauchbares Resultat von vornherein aufgeben m?ssen. Wir k?nnen zun?chst nur sagen, dass das Pr?kambrium ungeheure Zeitr?ume umfassen muss, denen gegen?ber vielleicht die ganze ?brige Erdgeschichte auf ein kleines Mass zusammenschrumpft.

Ein gewisses Unbehagen k?nnen wir aber trotz allem bei der nunmehr bis zum Ende durchgef?hrten Methode der Extrapolation nicht los werden. Die einzige ganz sichere Grundlage f?r die Berechnung sind eben allein die 5000 Jahre, die das Eis zu seinem Zur?ckweichen von Schonen bis zur Eisscheide brauchte. Von dieser Zahl aus mussten wir nach der einen Seite den nicht unmittelbar gegebenen Anschluss an die Gegenwart finden, nach der anderen Seite hin zur?ck in die geologische Vergangenheit schliessen.

Wie weit haben wir uns von unserer unbedeutenden Berechnungsgrundlage aus zur?ckgewagt! Es bedeutet eine Grundschwierigkeit der Methode, die mit Vergleichungen und Sch?tzungen immer weiter zur?ckgreift, dass die Gefahr der perspektivischen Fehler, wie wir sie nennen wollen, kaum umgangen werden kann: das N?chstliegende ?bersehen wir verh?ltnism?ssig klar und deutlich, das Fernliegende r?ckt schon mehr zusammen, und das Fernste, das in Wirklichkeit den weitaus gr?ssten Raum einnimmt, gibt uns gar keine Einzelheiten mehr. So sind wir nur zu sehr geneigt, die n?chstliegende Vergangenheit wegen der F?lle der aus ihr bekannten Ereignisse zu ?bersch?tzen, die fernliegende Vergangenheit wegen der Geringf?gigkeit des aus ihr Bekannten zu untersch?tzen. Ja, wenn uns die M?glichkeit gegeben w?re, weit draussen in der grauen Ferne geologischer Vergangenheit auch nur einen Punkt fest zu bestimmen und mit absoluter Sicherheit sein Alter anzugeben, dann w?ren wir ?ber alle Schwierigkeiten der Sch?tzung und der Extrapolation mit einem Schlage hinaus. Mit der Bestimmung jenes Punktes w?re uns ein fester Rahmen gegeben, in den wir die gesamte geologische Geschichte einspannen k?nnten.

Und diese M?glichkeit besteht! Das n?chste Kapitel soll zeigen, wie uns wunderbare Fortschritte der Physik und Chemie die Mittel dazu in die Hand geben.

Es ist kaum mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen, seit im physikalischen Institut der Universit?t W?rzburg eine Entdeckung gemacht wurde, die zu den gl?cklichsten der ganzen Wissenschaftsgeschichte geh?rt und die in ihren Folgen f?r die Entwicklung der Physik und Chemie von der allergr?ssten Bedeutung werden sollte.

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