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Munafa ebook

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Read Ebook: Jahreszahlen der Erdgeschichte by Lotze Reinhold

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Ebook has 228 lines and 27966 words, and 5 pages

Es ist kaum mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen, seit im physikalischen Institut der Universit?t W?rzburg eine Entdeckung gemacht wurde, die zu den gl?cklichsten der ganzen Wissenschaftsgeschichte geh?rt und die in ihren Folgen f?r die Entwicklung der Physik und Chemie von der allergr?ssten Bedeutung werden sollte.

Im Jahr 1895 fand Professor ~R?ntgen~, dass von der Wand der Geisslerschen R?hren, mit denen er experimentierte, Strahlen auszugehen schienen, die auch undurchsichtige K?rper zu durchdringen vermochten und durch die Wand der photographischen Kassette hindurch die lichtempfindliche Platte beeinflussten. Die Entdeckung dieser merkw?rdigen X-Strahlen, wie er sie nannte, erregte das gr?sste Aufsehen. W?hrend den Laien vor allem die geheimnisvollen M?glichkeiten interessierten, mit diesen Strahlen auch undurchsichtige K?rper durchdringen zu k?nnen, reizte den Gelehrten in erster Linie das wissenschaftliche Problem, und die Wissenschaft aller L?nder ging voll Spannung an die neuen Aufgaben heran. Der franz?sische Physiker ~Becquerel~ vermutete einen Zusammenhang der Erscheinung mit der Phosphoreszenz des Glases der Geisslerr?hre und kam auf den Gedanken, phosphoreszierende Uransalze auf eine lichtempfindliche Platte einwirken zu lassen, mit dem Erfolg, dass auch er eine Schw?rzung der Platte erhielt . Der zuerst vermutete Zusammenhang mit der Phosphoreszenz, bei der immer eine Belichtung des Salzes vorausgehen muss, stellte sich bald als unrichtig heraus; es ergab sich vielmehr, dass einfach alle uranhaltigen Salze oder Erze die Eigenschaft hatten, chemisch wirksame Strahlen auszusenden. Nun galt es, an dem neuen Geheimnis der Uran- oder Becquerelstrahlen weiter zu arbeiten, und schon nach zwei Jahren konnte das Ehepaar ~Pierre~ und ~Marya Curie~ nach unendlichen M?hen aus einem Uranerz, der Uranpechblende, einen Stoff abscheiden, der die strahlenden Eigenschaften in ungeheuer verst?rktem Masse aufwies und der daher von seinen Entdeckern den Namen ~Radium~, das Strahlende, bekam.

Jede neue Entdeckung gibt der Wissenschaft wieder neue R?tsel auf, und nicht leicht sind ihr jemals schwierigere Aufgaben gestellt worden als mit diesem neuentdeckten Element Radium. Eine der ersten Beobachtungen war, dass das Radium andauernd ganz bedeutende Energiemengen hervorbringt. 1 g Radium vermag in einer Stunde das 1-1,3fache seines Gewichts an Wasser vom Gefrierpunkt bis zum Siedepunkt zu erhitzen, und das geht so fort, Tag f?r Tag und Monat f?r Monat, ohne dass die Erzeugung von W?rme eine merkbare Abnahme erf?hrt. Diese Erscheinung widersprach in auffallender Weise dem Gesetz der Erhaltung der Energie: Hier schien tats?chlich Energie ohne nachweisbare Ursache von selbst zu entstehen, hier schien wirklich das Perpetuum mobile vorzuliegen, von dem die Physiker doch bewiesen zu haben glaubten, dass es nicht existieren k?nne. Es zeigte sich bald, dass die W?rmeerzeugung mit den Strahlen zusammenh?ngt, die das Radium fortw?hrend aussendet. Wenn man die Radiumstrahlen dem Einfluss eines kr?ftigen Elektromagneten unterwirft, so findet man, dass es drei Arten von Strahlen sind, die von dem geheimnisvollen Stoff ausgehen. Die nebenstehende Abb. 17 soll diese Erscheinung darstellen. Das Radium sei in einem Bleiblock eingeschlossen, der die Strahlen nur nach einer Richtung austreten l?sst; ein Elektromagnet sei so angebracht, dass sein Nordpol vor der Ebene des Papiers zu denken ist, der S?dpol hinter ihr. Erzeugt man nun durch Einschalten des Stroms ein elektromagnetisches Feld, so trennen sich die verschiedenen Strahlenarten, die zuerst einheitlich in gleicher Richtung austreten. Nach links werden die sogenannten ?-Strahlen abgelenkt; diese Art der Ablenkung beweist f?r sie eine positive elektrische Ladung. Sie f?hren wohl den gr?ssten Teil der gesamten Strahlungsenergie mit, haben aber die geringste Durchdringungskraft; in der Luft verm?gen sie nur 3-7 cm weit vorzudringen. Anders verhalten sich die ?-Strahlen, die sehr stark nach rechts abgelenkt werden und dadurch ihre negativ elektrische Ladung erkennen lassen. Gar nicht vom Elektromagneten beeinflusst werden die ?-Strahlen, die auf gr?ssere Entfernung hin wirken wie die anderen Strahlenarten und in ihren wesentlichen Eigenschaften durchaus den R?ntgenstrahlen entsprechen.

Eine Reihe von hervorragenden Physikern und Chemikern warf sich auf die Erforschung dieser neuen, eine vollst?ndige Umw?lzung alter Anschauungen versprechenden Erscheinungen. Es war noch jene Zeit, in der die Wissenschaft international war, und wo deutsche, englische und franz?sische Forscher von Monat zu Monat durch neue Entdeckungen sich gegenseitig weiterhalfen. So zeigte sich bald, dass in jedem Raum, in dem Radium sich befand, nach einiger Zeit auch die Luft und die W?nde Strahlen aussandten, dass auch sie ,,radioaktiv" wurden. Leitete man die aktiv gewordene Luft vom Radium fort, so sank allerdings die Strahlung nach einiger Zeit betr?chtlich, um schliesslich nach einigen Wochen oder Monaten zu verschwinden. Die Erscheinung wies darauf hin, dass die Aktivit?t der Luft von einem Gas herr?hre, das aus dem Radium entstanden sei. Diese Annahme erwies sich tats?chlich als richtig; es konnte nachgewiesen werden, dass sich aus dem Radium ein Gas, die Radium-Emanation bildet, das seinerseits wieder radioaktive Eigenschaften aufweist, dessen Strahlung aber schon in wenigen Tagen ganz betr?chtlich in ihrer Wirksamkeit sinkt. Das r?hrt daher, dass die Radium-Emanation verschwindet und an ihrer Stelle ein anderer fester Stoff, das Radium A, entsteht. Aber auch dieser Stoff bleibt nicht bestehen; nacheinander bilden sich noch eine ganze Reihe von Stoffen, bis die Entwicklung in einem Stoff Radium G ihr Ende findet. Die Vorg?nge k?nnen nur so verstanden werden, dass sich jeder Stoff unter ganz bestimmten Strahlungserscheinungen in den n?chsten umwandelt; die ganze Umwandlungsreihe, die sich so ergibt, wird durch Abb. 18 dargestellt. Dabei stellte sich weiterhin heraus, dass bei diesen Umwandlungen auch Helium entsteht, ein Gas, das vor seiner Entdeckung auf der Erde schon durch seine Linien im Sonnenspektrum bekannt war und daher seinen Namen erhalten hat.

Wie sollten nun alle diese r?tselhaften Erscheinungen gedeutet werden?

Die Erkl?rung geschah durch die ~Theorie vom Zerfall der radioaktiven Elemente~, die 1902 von ~Rutherford~ und ~Soddy~ begr?ndet wurde und die sich seither in jeder Beziehung bew?hrt hat. Sie h?ngt eng zusammen mit der Atomtheorie, die in den beiden letzten Jahrzehnten zu einem vollst?ndig gesicherten Besitz der Wissenschaft geworden ist. Wir haben in den Atomen unendlich kleine Bausteine der Materie vor uns; der Forscher vermag sie genau zu z?hlen und ihre Gr?sse zu bestimmen; ihr verschiedenartiger Aufbau bedingt das Wesen und die Eigenschaften der uns bekannten chemischen Grundstoffe oder Elemente. Nun lehrt die Zerfallstheorie, dass in den Atomen der radioaktiven Elemente gewaltige Spannungen bestehen, die zu einem explosionsartigen, von r?tselhaften Strahlungserscheinungen begleiteten Zerfall f?hren k?nnen. Damit ist auch erkl?rt, woher die andauernde Energieabgabe des Radiums stammt: Ein Atom m?ssen wir uns mit geradezu gewaltigen Energiemengen geladen denken; beim Zerfall des Atoms wird, ?hnlich wie bei der Explosion eines Sprengstoffs, ein Teil dieser Energie frei.

Die Untersuchung der Atomgewichte ergab weiterhin, dass es sich um ein richtiges Auseinanderfallen der Atome in verschiedene Bruchst?cke handelt. F?r das Radium wurde ein Atomgewicht von 226 bestimmt; das heisst, das Radiumatom ist 226 mal so schwer wie das leichteste bekannte Atom, das Wasserstoffatom. Radium-Emanation hat ein Atomgewicht von 222, Radium A von 218, Radium B und C von 214, Radium D, E und F von 210 und Radium G von 206. Die Atome verlieren also bei ihrem Zerfall Teile ihrer Masse, und es zeigt sich, dass regelm?ssig die ?-Strahlung eines Radioelements eine Verminderung des Atomgewichts um 4 hervorbringt; das Atomgewicht des neu entstandenen Stoffes ist um 4 geringer wie desjenigen, der die ?-Strahlen aussandte. Der Zusammenhang gab sich durch die Entdeckung, dass die ~?-Strahlen~ nichts anderes sind als ~positiv elektrisch geladene Heliumatome~. Helium besitzt das Atomgewicht 4; das Sinken der Atomgewichte in der Zerfallsreihe erkl?rt sich also daraus, dass beim Atomzerfall Heliumatome explosiv fortgeschleudert werden.

Die Umwandlung chemischer Grundstoffe ineinander war damit zur wissenschaftlichen Tatsache geworden. Das Radium wandelt sich ?ber verschiedene Zwischenstufen hinweg unter Abspaltung von Heliumatomen in das Endprodukt Radium G um. Das bedeutete f?r die gesamte Chemie eine ungeheure Umw?lzung; es war damit bewiesen, dass die chemischen Elemente nicht unter allen Umst?nden unver?nderlich sind, sondern dass sie sich zum Teil in andere umwandeln k?nnen. Der Traum der Alchimisten des Mittelalters, welche die chemischen Grundstoffe ineinander verwandeln wollten, war damit in gewissem Sinne zur Wirklichkeit geworden.

Nach diesen ersten grundlegenden Entdeckungen galt es nun, den Zerfall bei den einzelnen Radioelementen in seinem zeitlichen Verlauf genau zu untersuchen. Schon bald hatte es sich n?mlich gezeigt, dass sich die verschiedenen Stoffe mit ganz verschiedener Geschwindigkeit umwandeln. Das Grundgesetz, nach dem der Zerfall vor sich geht, ist jedoch bei allen Umwandlungen gleich; die Abb. 19 soll es zun?chst f?r die Radium-Emanation veranschaulichen.

Sind zu einem gewissen Zeitpunkt eine bestimmte Anzahl Atome Radium-Emanation vorhanden, so existieren nach einer gewissen Zeit nur noch die H?lfte der Atome , nach der doppelten Zeit nur noch die H?lfte von diesem, also n/4 Atome, nach der dreifachen Zeit nur noch n/8 Atome. Im Verlauf der Zeit von 3,85 Tagen, der ,,~Halbwertszeit~", sinkt die Zahl der Atome regelm?ssig durch Zerfall auf die H?lfte; sie wird infolgedessen immer geringer werden, das g?nzliche Verschwinden tritt aber erst nach ungeheuer langer Zeit ein.

W?rde der Zerfall der Emanation gleichm?ssig mit derselben Zahl von Atomen weitergehen, wie er zu Beginn der Untersuchung einsetzt, so w?re schon nach 5,54 Tagen nichts mehr vorhanden. Diese Zahl nennt man die ,,~mittlere Lebensdauer~" der Radium-Emanation; sie steht in einem genau berechenbaren mathematischen Verh?ltnis zur Halbwertszeit und ist das 1,44fache von dieser. In der bildlichen Darstellung der Zerfallskurve muss dieser gleichbleibende Zerfall durch die Ber?hrungsgerade dargestellt werden, die im Beginn der Kurve an sie gelegt wird; sie trifft die Gerade im Punkt 1,44 t. W?hrend die Kurve des tats?chlichen Zerfalls in ihrem Gef?lle st?ndig abnimmt und sich der Geraden immer mehr anschmiegt, ohne sie ganz zu erreichen, beh?lt die Tangente ihr Gef?lle, welches im Beginn zugleich dasjenige der Zerfallskurve ist, gleichm?ssig bei; sie ist daher schon nach der Zeit 1,44 t auf Null angelangt.

Merkw?rdig und bezeichnend ist nun, dass jedes Element seine besondere Zerfallsgeschwindigkeit besitzt. W?hrend die Radium-Emanation nach 3,85 Tagen zur H?lfte zerfallen ist, tritt dieser Fall beim Radium selbst nach 1600 Jahren ein, beim Radium A dagegen schon nach 3 Minuten. Wenn der Wert f?r t in Abb. 20 f?r jedes strahlende Element von anderer Gr?sse gedacht wird, so vermag also die Kurve den Zerfall von jedem dieser Elemente zu veranschaulichen.

Wir wollen versuchen, das Wesen des Zerfallgesetzes, das im Grunde genommen ein Wahrscheinlichkeitsgesetz ist, durch einen Vergleich noch anschaulicher zu machen: Ein Regiment zieht ins Feld und verliert hier in jedem Monat die H?lfte seiner Mannschaften, ohne zun?chst wieder aufgef?llt zu werden. Es wird dann nach einem Monat noch die H?lfte, nach 2 Monaten noch 1/4 , nach 3 Monaten noch 1/8 , nach 6 Monaten noch 1/64 der urspr?nglich ins Feld ger?ckten Mannschaft vorhanden sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Soldaten durch Tod, Krankheit oder Gefangennahme ausscheiden, ist bei diesem Regiment so gross, dass jeden Monat die H?lfte der Mannschaften davon getroffen wird, die ,,Halbwertszeit" des Regiments w?re ein Monat. Ein anderes Regiment, das an weniger gef?hrdeter Stelle steht, verliert erst in 3 Monaten die H?lfte seiner Leute; es hat also nach 6 Monaten noch 1/4 , nach einem Jahr noch 1/16 der urspr?nglichen Mannschaft. Seine Halbwertszeit ist drei Monate; sie ist gr?sser als die des ersten Regiments, weil die Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens seiner Soldaten geringer ist. Der Vergleich mit dem Zerfall der verschiedenen Radioelemente ergibt sich ohne weiteres. Die Atome des einen Elements sind in ihrem inneren Bau noch verh?ltnism?ssig best?ndig, so dass es viele Jahre oder gar Jahrtausende dauert, bis die H?lfte der Atome zerfallen ist; bei andern f?hren die Spannungen im inneren Bau so h?ufig zu Explosionen, dass schon nach wenigen Tagen die H?lfte verschwunden ist. Beim Radium A sind die Atome schliesslich so unsicher gebaut, dass dieser Fall schon nach 3 Minuten eintritt; kaum sind sie aus der vorhergehenden Stufe entstanden, so wandeln sie sich schon in die n?chste um.

Die Wissenschaft hat eine Reihe von Verfahren ausgearbeitet, um die Zerfallzeit eines Radiumelements zu messen. Am einfachsten ist die Aufgabe bei einem Element mittlerer Zerfallsdauer wie der Radium-Emanation zu l?sen. Mit feinen Elektrometern wird das Mass der Strahlung in bestimmten Zwischenr?umen untersucht und genau bestimmt, wann es auf die H?lfte, ein Viertel, ein Achtel des urspr?nglichen Werts gesunken ist. Bei Elementen mit l?ngerer Lebensdauer wie dem Radium selbst wird die Menge des in einer bestimmten Zeit von ihm erzeugten neuen Stoffs gemessen und daraus berechnet, wann es sich bei gleich bleibendem Zerfall ersch?pfen w?rde. Unter Umst?nden kann bei ganz geringen Mengen strahlender Substanz, deren Menge und damit deren Atomzahl bekannt ist, unmittelbar die Zahl der abgeschleuderten ?-Teilchen einzeln gez?hlt werden; die Wissenschaft ist mit der Verfeinerung ihrer Apparate bereits so weit vorgeschritten, dass sie die Wirkung eines einzigen Atoms nachweisen kann.

Es ist also daran festzuhalten, dass die Zerfallserscheinungen von einer Unbest?ndigkeit im inneren Bau des Atoms herr?hren, dass die Gefahr des Zerspringens f?r verschiedene Radiumelemente zwar verschieden, f?r ein- und dasselbe immer gleich ist. Die Zerfallsgeschwindigkeit eines Radioelements, ausgedr?ckt in den Begriffen ,,Halbwertszeit" und ,,mittlere Lebensdauer", bedeutet eine seiner bezeichnendsten Eigenschaften. Der Zerfall geht mit einer solchen inneren Notwendigkeit vor sich, dass seine Geschwindigkeit durch keinerlei ?ussere Einwirkungen auch nur im geringsten ver?ndert werden kann. Man hat strahlende Substanzen einem Druck von 24400 Atmosph?ren ausgesetzt, den Einfluss von Temperaturen von -240? bis zu 2500? untersucht, die st?rksten elektrischen und magnetischen Felder auf sie wirken lassen, ohne dass sich die Zerfallsgeschwindigkeit auch nur im mindesten verringert oder vermehrt h?tte. Das bedeutet ganz andere Verh?ltnisse wie beim Zerfall von chemischen Verbindungen, bei dem der Einfluss der Druck- und Temperaturverh?ltnisse eine ausserordentlich grosse Rolle spielt. W?hrend es sich hier darum handelt, dass verschiedene Atome ihre gegenseitige Verbindung l?sen, liegt beim radioaktiven Zerfall die Ursache tiefer, sie ruht im Bau der Atome selber.

Wir haben bis jetzt bei der Untersuchung der merkw?rdigen Strahlungs- und Umwandlungserscheinungen nur das Radium und seine Folgeprodukte ins Auge gefasst; da es aber, wie sich schon bei seiner Entdeckung zeigte, immer nur in gesetzm?ssiger Verbindung mit Uran in der Natur vorkommt, so dr?ngt sich ganz von selber die Frage auf, ob nicht auch ein urs?chlicher Zusammenhang zwischen Uran und Radium besteht. Das ist tats?chlich der Fall. Es kann nachgewiesen werden, dass das Radium auf dem Weg ?ber einige Zwischenstufen aus dem Uran entsteht. Von diesem stammen also alle genannten Elemente ab, sie bilden zusammen eine Zerfallsreihe, die ~Uranreihe~. Vom Chemiker Ostwald stammt das witzige Wortspiel: ,,Der Urahn dieser Elemente ist das Uran." Uran hat mit 238 das h?chste bekannte Atomgewicht. Sein Zerfall geht ganz ausserordentlich langsam vor sich; die Halbwertszeit des Urans betr?gt 5000 Millionen Jahre. ?ber mehrere Zwischenstufen hinweg, die auch zum Teil sehr hohe Halbwertszeiten haben, f?hrt der Zerfall mit dreimaliger ?-Strahlung, also dreimaligem Verlust von Heliumatomen zum Radium mit der Halbwertszeit von 1600 Jahren und von diesem aus in der bekannten Weise weiter. Die folgende Tabelle gibt eine Zusammenstellung der Glieder der ~Uran-Radiumreihe~ und ihrer wichtigsten Eigenschaften.

Neben dieser Reihe radioaktiver Elemente, die sich vom Uran herleiten, gibt es noch eine zweite Reihe, die von dem Element ~Thorium~ ausgeht. Mit verschiedenen Zwischenstufen f?hrt der Zerfall in ?hnlicher Weise wie bei der Uranreihe zu einem Endprodukt, das als Thorium D bezeichnet wird.

Ein Atom ist nach modernen Anschauungen ein Planetensystem im Kleinen, aufgebaut aus einem Kern mit positiv elektrischer Ladung und einer Anzahl kleinster negativer Elektrizit?tsteilchen , die in kreis- und ellipsenf?rmigen Bahnen um diesen Kern kreisen. Eine merkw?rdige und unausdenkbare Vorstellung: Das, was wir Materie heissen, l?st sich auf in positive und negative Elektrizit?t und ihre Bewegung! Die chemischen Eigenschaften eines Elements h?ngen ab von der Ladung des Kerns und der Zahl der ihn umkreisenden Elektronen, sein Atomgewicht von der Zahl der positiven Elektrizit?tsteilchen im Kern. Das ist n?mlich aus folgenden Gr?nden nicht dasselbe: Im Kern stecken positive und negative Elektrizit?tsteilchen in verschiedener Anzahl; die positiven ?berwiegen, der Unterschied ergibt die Gr?sse der positiven Ladung. Wenn nun aus einem Kern gleichzeitig ein positives und ein negatives Teilchen austritt, so bleibt die Ladung gleich, die Masse, das Gewicht, wird jedoch vermindert. Zwei solche Arten von Atomen werden sich chemisch vollst?ndig gleich verhalten, weil die Ladung des Kerns und die Zahl der ihn umkreisenden Elektronen gleich ist, sie werden aber verschiedenes Atomgewicht aufweisen. Derartige Stoffe nennt die Chemie ~isotope Elemente~, weil ihnen im periodischen System der Elemente derselbe Platz zugewiesen werden muss. Es hat sich ergeben, dass eine Reihe von Elementen nichts anderes darstellt als ein Gemenge verschiedener isotoper Bestandteile. So ist z. B. das Gas Neon mit dem Atomgewicht 20,2 ein Gemenge zweier isotoper Elemente vom Atomgewicht 20 und 22, von denen das erste 90%, das zweite 10% des Gemenges bildet. Durch diese im Feinbau der Materie begr?ndete Isotopie wird nun auch f?r das R?tsel der verschiedenen Atomgewichtszahlen von Uranblei, gew?hnlichem Blei und Thoriumblei eine Erkl?rung gegeben: Alle drei Bleiarten haben die gleiche Kernladung und die gleiche Zahl von kreisenden Elektronen, jedoch verschiedene Masse. Dabei sind Uranblei und Thoriumblei zwei einheitliche Stoffe mit verschiedenem Atomgewicht, w?hrend das gew?hnliche Blei wahrscheinlich ein Gemenge gleichbleibender Zusammensetzung aus diesen zwei isotopen Bleisorten darstellt.

Nachdem wir alles dies vorausgenommen haben, verm?gen wir den ganzen Zerfallsvorgang in seinem zeitlichen Verlauf einheitlich zu verstehen und zu erkl?ren. Haben wir ein frisch hergestelltes, reines Radiumpr?parat vor uns, das frei von allen Beimengungen ist, so finden wir, dass die St?rke seiner Strahlung von Tag zu Tag zunimmt, um schliesslich einen gleichbleibenden Wert zu erreichen. Das h?ngt folgendermassen zusammen: Das Radium erzeugt zun?chst Emanation, diese zerf?llt ihrerseits wieder und erzeugt die weiteren Elemente der Zerfallsreihe bis hinab zum Radium G. Das Pr?parat ist also nach einiger Zeit zu einem Gemenge aller Zerfallsprodukte geworden. Da zur Strahlung des Radiums allm?hlich die Strahlen aller seiner Zerfallsprodukte hinzukommen, so nimmt die Gesamtstrahlung immer mehr zu; die ?-Strahlung steigt zum Schluss bis auf den f?nffachen Betrag. Wenn sie diesen Betrag erreicht hat, so ist das sogenannte ,,~radioaktive Gleichgewicht~" eingetreten, das darin besteht, dass von der h?heren Stufe so viel Atome der n?chst niedrigen gebildet werden, wie von dieser wieder durch Zerfall verschwinden. Es kann daher von den schnell zerfallenden Stoffen jeweils immer nur eine geringe Menge vorhanden sein, von den langsamer zerfallenden Stoffen kann sich mehr halten, und wenn wir die Sache mathematisch durchdenken, so kommen wir zu dem Resultat, dass die Atomzahlen der verschiedenen Zerfallsprodukte schliesslich im Verh?ltnis der Zerfallsgeschwindigkeiten stehen m?ssen. Das hat sich tats?chlich als richtig ergeben, und ganz dasselbe liess sich auch f?r das Uran feststellen. Urspr?nglich chemisch reines Uran wird mit der Zeit alle seine Zerfallsprodukte einschliessen m?ssen. Da jedoch der Zerfall verschiedener Zwischenprodukte sehr langsam vor sich geht, so wird der Gleichgewichtszustand erst nach ungeheuer langer Zeit eintreten. Es werden dann alle Zerfallsprodukte bis hinab zum Radium G innerhalb des Urans oder eines in der Natur vorkommenden Uranminerals im Verh?ltnis der Zerfallszeiten enthalten sein. Nehmen wir an, es sei so viel Uran vorhanden, dass in der Sekunde 1000 seiner Atome zerfallen, so muss nach dem Eintritt des Gleichgewichts von jedem der Zwischenprodukte so viel vorhanden sein, dass von ihm nach seiner eigenen Zerfallsgeschwindigkeit in der Sekunde gleichfalls 1000 Atome zerfallen. W?re von einem Zwischenprodukt so viel anwesend, dass mehr als 1000 Atome in der Sekunde zerspringen w?rden, so w?rde der Zerfall seine Menge verringern, und es k?nnte sich auf die Dauer nur so viel von dem Stoff halten, dass die Zahl der von der h?heren Stufe hinzukommenden Atome der Zahl der zerfallenden entspricht. Da das Radium rund 3100000mal so rasch zerf?llt wie das Uran, so braucht von ihm zur sekundlichen Erzeugung von 1000 Atomexplosionen nur der 3100000ste Teil der Zahl der Uranatome vorhanden zu sein. Ein Mehr w?rde sich selbst aufzehren, ein Weniger w?rde sich durch st?rkeren Zuwachs vom Uran her aufstauen. Tats?chlich hat man in s?mtlichen Uranerzen und Uranmineralien der ganzen Welt immer und ?berall einen genau gleichbleibenden Gehalt an Radium gefunden: 0,0003 mg auf 1 g Uran.

Was aber in jeder Sekunde gleichm?ssig zunimmt, weil von ihm aus nichts weiter abfliesst, das ist das Endprodukt Radium G, das Uranblei. Sekunde f?r Sekunde str?men ihm ?ber alle Zwischenstufen weg ebenso viele Atome zu, wie oben beim Uran zerfallen. In einem Uranmineral reichert sich auf diese Weise immer mehr das Endprodukt an; je ?lter es ist, um so mehr Uranblei muss es enthalten. ~In dem Bleigehalt eines Uranminerals ist somit ein Mass f?r sein Alter gegeben.~ Das ist das ausserordentlich wichtige Ergebnis, zu dem uns die bisherigen ?berlegungen gef?hrt haben. Uran ist allerdings nicht das einzige Endprodukt des Zerfalls. Wir d?rfen nicht vergessen, dass die bei den verschiedenen Strahlungen abgeschleuderten ?-Teilchen nichts anderes als elektrisch geladene Heliumatome sind, die ihre Ladung abgeben und sich dann nicht weiter ver?ndern. Bei den ?usseren Partien des Erzes wird wohl das gasf?rmige Helium zum Teil nach aussen entweichen k?nnen, in der Hauptsache werden aber die Heliumatome in dem festen Erz zwischen den andern Atomen eingeschlossen bleiben.

Mit diesen Tatsachen der Bildung von Blei und Helium in Uranmineralien ist die ~Grundlage einer geologischen Zeitmessung~ gewonnen, die haupts?chlich von englischen und amerikanischen Forschern begr?ndet wurde und deren Prinzip uns durch ein Bild noch klarer werden soll . Wir denken uns einen grossen mit Wasser gef?llten Beh?lter, aus dem in der Zeiteinheit eine bestimmte Menge ausfliesst. Das Wasser fliesst ?ber eine Anzahl verschieden grosser Schalen weg. Jede Schale ist gef?llt, aber jede, ob klein oder gross, spendet der n?chsten dieselbe Wassermenge; soviel oben ausfliesst, fliesst unten einem Sammelbecken zu, dessen Wassermenge sich dadurch st?ndig vermehrt. Je kleiner eine der Zwischenschalen ist, um so weniger Zeit braucht das Wasser, um sie zu durchlaufen. Umgekehrt gefasst: wenn bekannt ist, dass eine dieser Schalen in ganz kurzer Zeit ohne Zufluss entleert w?rde, so kann daraus geschlossen werden, dass sie sehr klein sein muss. Gr?sse und Entleerungszeit der Schalen stehen also in gesetzm?ssigem Verh?ltnis zueinander.

Der Vergleich springt ohne weiteres in die Augen. Der oberste Beh?lter soll das Uran bedeuten, die verschiedenen Zwischenschalen die mittleren Stufen des Zerfalls, von denen jede ebensoviel Atome zu gleicher Zeit empf?ngt wie sie weiter gibt. Schliesslich bedeutet der Inhalt des letzten Beh?lters das Endprodukt Uranblei, das sich in seiner Menge st?ndig vermehrt. Die Heliumatome springen bei jedem Sturz in die n?chst tiefere Schale gesondert f?r sich ab. Das Verh?ltnis von Gr?sse und Entleerungszeit einer Schale entspricht dem Verh?ltnis von prozentualer Menge und Zerfallszeit der radioaktiven Zwischenprodukte. Je l?nger der Vorgang sich abspielt, um so mehr sammelt sich unten an. An der Menge des entstandenen Uranbleis messe ich die verflossene Zeit wie in meinem k?nstlichen Wasserwerk an der durchgelaufenen Wassermenge.

In einem Punkt vermag sich unser Modell allerdings nicht ganz der Wirklichkeit anzupassen. Von dem Ausgangsmaterial Uran zerfallen allm?hlich nach dem uns bekannten Gesetz in der Zeiteinheit immer weniger Atome. Wenn die Ausgangsmenge des Urans geringer wird, so muss sich auch allm?hlich die Zahl der zerfallenden Atome und die Menge der Zwischenprodukte verringern. In unserm Modell m?sste sich das in der Weise geltend machen, dass mit der Abnahme der Wassermenge im obersten Beh?lter auch der Strahl schw?cher werden, und entsprechend die Gr?sse der Zwischenschalen sich verringern sollte. Das letzte Sammelbecken bliebe jedoch unver?ndert. Doch m?ssen wir uns klar machen, dass die Abnahme des Urans so unendlich langsam vor sich geht, dass der Zerfall f?r die ersten 500 Millionen Jahre ohne grossen Fehler als gleichm?ssig angenommen werden kann.

Das Modell, das wir uns ausgedacht haben, ergab das Bild eines reichen und kunstvollen Wasserwerks, aus dem aber das Prinzip doch klar herausleuchtet. Dass die Berechnung, die wir auf diese Weise ausf?hren, das denkbar sch?nste Beispiel f?r eine Zeitmessung nach dem Prinzip der Wasseruhr ist, das ist ja schon l?ngst klar geworden. Eines steht jedoch noch aus: die mathematische Berechnung des Gangs der geologisch-mineralogischen Uranuhr. Es ist nur n?tig, in einem Uranmineral die Menge des Urans und des durch den Zerfall gebildeten Uranbleis zu bestimmen, um die seit seiner Bildung verstrichene Zeit berechnen zu k?nnen. Die Grundlagen hierzu sind folgende: 1 g Uran bildet in einem Jahr 1/7900000000 g Radioblei. Diese Zahl folgt aus der mittleren Lebensdauer des Uran, die durch genaue Einzeluntersuchungen bestimmt wurde. 100g Uran bilden also j?hrlich 1/79000000 g Radioblei, d. h. es sind 79000000 Jahre n?tig, bis 100 g Uran 1 g oder 1% Uranblei gebildet haben. Das Alter eines Uranminerals wird also gefunden, indem die Zahl von 79000000 Jahren mit dem auf die erzeugende Uranmenge bezogenen Prozentgehalt an Blei multipliziert wird.

Die nachstehende Berechnung ist nur angen?hert richtig; die exakte Berechnung w?rde h?here Mathematik erfordern.

Die ,,erzeugende" Uranmenge wird als Durchschnitt zwischen der urspr?nglich und zum Schluss vorhandenen Uranmenge berechnet.

Auf ganz ?hnliche Weise kann aus der gebildeten Menge Helium das Alter des Minerals berechnet werden. Es stehen dem Forscher also zwei Wege zur Altersbestimmung zur Verf?gung: die ~Blei- und die Heliummethode~.

Auf vollst?ndig dieselbe Weise kann aus den Tatsachen des Zerfalls in der Thoriumreihe das Alter eines Thoriumminerals durch Bestimmung seines Gehalts an Thorium und Thoriumblei oder Helium berechnet werden.

Die wissenschaftlichen Grundlagen der Altersbestimmung radioaktiver Mineralien haben wir damit kennen gelernt. Es ist jedoch noch n?tig, die M?glichkeiten ihrer ~praktischen Anwendung~ zu ?berlegen. Wir k?nnen mit der neuen Methode nur das ~Alter von Uran- und Thoriummineralien~ bestimmen. Die bekannten Uranmineralien kommen in der Hauptsache in ehemals feuerfl?ssigen Gesteinen vor. Als ein solches Gestein einst als glutfl?ssiger Brei aus dem Erdinnern hervorbrach, enthielt es noch keine einzelnen Mineralien; alle Stoffe waren vielmehr gleichm?ssig verteilt in dem Gesteinsbrei enthalten. Als das Gestein dann allm?hlich erkaltete, da fingen die verschiedenen Stoffe an, sich zusammenzufinden und auszukristallisieren. Die uranhaltigen Mineralien geh?rten zu den ersten, die sich aus dem Gesteinsbrei ausschieden. Besonders sch?ne und grosse derartige Mineralien findet man auch in den sogenannten pegmatitischen G?ngen, deren Stoffe sich der Geologe durch gl?hende, aus einem feuerfl?ssigen Herd entbundene Gase in Spalten des bereits erkaltenden Gesteins hergetragen denkt.

Es kann als so gut wie sicher angenommen werden, dass das Uran bei der Ausscheidung aus dem feuerfl?ssigen Gesteinsbrei in chemisch reiner Form, also ohne Zerfallsprodukte, in den Aufbau des Minerals eingetreten ist. Die Anforderungen, die der Forscher an die auf ihr Alter zu untersuchenden Uranmineralien stellen muss, sind ausserordentlich hohe: F?r die Untersuchungen sollten m?glichst grosse und reine St?cke genommen werden, die dabei vollst?ndig frisch und unver?ndert sein m?ssen. Es k?nnte sonst sein, dass durch zerst?rende oder umwandelnde Einfl?sse der eine oder andere wichtige Stoff fortgef?hrt worden w?re, so dass ein irref?hrendes Ergebnis die Folge sein m?sste. Haben sich nun Mineralien gefunden, die allen Anforderungen entsprechen, so wird nach den Regeln der chemischen Scheidekunst der Gehalt des Minerals an Uran und an Blei bestimmt; daraus kann das Verh?ltnis der beiden Elemente berechnet werden, und aus dem Gehalt an Blei in Prozenten der vorhandenen Uranmenge folgt ohne weiteres das Alter des Minerals, dessen Entstehung mit dem Ausbruch des vulkanischen Gesteins, in dem es enthalten ist, nahe ?bereinstimmt. Damit ist die Untersuchung aber noch nicht zu Ende. Es muss festgestellt werden, ob das in dem Mineral enthaltene Blei tats?chlich reines Uranblei ist. Es k?nnte ja sein, dass schon bei der Entstehung des Minerals auch gew?hnliches Blei sich am Aufbau beteiligt h?tte, oder dass das Uranmineral noch Thorium enthalten w?rde; in diesem Fall w?re in dem erhaltenen Blei auch das Endprodukt der Thoriumreihe, Thoriumblei, enthalten. Hier?ber kann nur eine Atomgewichtsbestimmung von h?chster Genauigkeit Aufschluss geben. Stellt sich durch sie heraus, dass das Atomgewicht des erhaltenen Bleis 206 betr?gt, so hat damit der Forscher den unwiderleglichen Beweis, dass reines Uranblei vorliegt. Wir sehen hieraus, dass die Unterscheidung der verschiedenen isotopen Bleiarten von ausserordentlich grosser praktischer Bedeutung f?r die ganze Methode ist. Ohne diese M?glichkeit k?me man niemals ?ber die Unsicherheit hinweg, ob nicht am Ende eine Verunreinigung des Uranminerals durch gew?hnliches Blei oder Thoriumblei das Ergebnis verf?lscht habe.

Eine solche Gefahr besteht zwar bei der ~Heliummethode~ nicht, daf?r tritt aber bei ihr eine andere Schwierigkeit auf. Es ist f?r sie ganz besonders wichtig, m?glichst frische Mineralien zur Untersuchung zu bekommen, weil das gasf?rmige Helium wohl zun?chst im Innern des Kristalls festgehalten wird, bei der Verwitterung aber rasch entweicht. Das Mineral wird bei der Untersuchung aufgel?st; dabei muss das gasf?rmige Helium aufgefangen und seine Menge ganz genau bestimmt werden. Es ist nun ohne weiteres verst?ndlich, dass bei diesen Vorg?ngen ein grosser Teil des Heliums verloren gehen kann, dass also f?r gew?hnlich die Menge des gefundenen Heliums viel zu gering ist und die daraus errechneten Alterszahlen zu niedrig ausfallen m?ssen.

Ehe wir die Ergebnisse solcher Altersbestimmungen kennenlernen wollen, m?ssen wir uns aber zuerst noch dar?ber klar werden, was wir von ihnen auf alle F?lle verlangen m?ssen. Die neue Methode muss zeigen, dass sie auch vor einer strengen Kritik bestehen kann. Ihre unmittelbare Nachpr?fung, die sich auf Millionen von Jahren erstrecken m?sste, ist nun allerdings nicht m?glich, und so muss sie in erster Linie durch die innere Folgerichtigkeit und Widerspruchslosigkeit ihrer Ergebnisse f?r sich sprechen. Wir m?ssen zuerst von den zu erhaltenden Alterszahlen verlangen, dass sie sich dem Altersrahmen, den wir aus den fr?her besprochenen geologischen Methoden gewonnen haben, ohne Zwang einf?gen. Wenn wir z. B. f?r ein Gestein, das nach der geologischen Altersbestimmung im Kambrium ausgebrochen und erstarrt ist, nach der Uranmethode ein Alter von 10 Millionen Jahren finden w?rden, so m?ssten wir von vornherein die schwersten Zweifel gegen die Richtigkeit der Methode hegen, ebenso aber, wenn wir f?r ein Gestein aus dem Mioz?n etwa 100 Mill. Jahre erhalten sollten. Wir sind bei der Aufstellung der Rahmenzahlen mit gr?sster Vorsicht vorgegangen, wir k?nnen daf?r aber auch als sicher annehmen, dass die richtige Zahl innerhalb dieses Rahmens liegen muss. Weiter muss von den radioaktiven Methoden der Altersbestimmung verlangt werden, dass ihre Ergebnisse mit dem sicher festgelegten, relativen Alter der Gesteine ?bereinstimmen. Es darf also nicht sein, dass sich f?r ein zweifellos karbonisches Gestein ein h?heres Alter ergibt wie f?r ein solches, das nach seiner Lagerung in die pr?kambrische Zeit versetzt werden muss. Der Prozentgehalt an Blei muss also mit dem relativen geologischen Alter der Muttergesteine zunehmen. Schliesslich muss sich bei Altersbestimmungen von verschiedenen Mineralien aus ein und demselben Gestein, also etwa aus einem einheitlichen Granitstock, f?r alle dasselbe Alter ergeben, ihr Prozentgehalt an Blei muss derselbe sein. W?rde man bei einer Untersuchung f?r ein Mineral das doppelte Alter errechnen wie f?r ein anderes, so w?re wiederum unser Glaube an die Methode schwer ersch?ttert. Mit diesen Gesichtspunkten wollen wir ?berlegend an die ~Ergebnisse der Altersbestimmungen nach der Bleimethode~ herantreten, die in der nachfolgenden Tabelle nach ~Lawson~ und ~Holmes~ zusammengestellt sind.

Die Mineralien der ersten Gruppe kommen in einem Granit vor, der nach der geologischen Altersbestimmung im Karbon aufgedrungen ist. Das Verh?ltnis von Blei und Uran stimmt bei allen untersuchten Mineralien in sehr befriedigender Weise ?berein; leider wurde keine Atomgewichtsbestimmung des Bleis ausgef?hrt, so dass das Alter von 320 Millionen Jahren nicht als ganz gesichert gelten kann.

Der Granit, in dem die Mineralien der zweiten Gruppe vorkommen, geh?rt jedenfalls auch der Karbonformation an. Der Mittelwert des Bleigehalts ergibt ein Alter von 370 Millionen Jahren. Da aber das Atomgewicht zu 206,4 bestimmt wurde, so ist anzunehmen, dass nur 70% der Gesamtbleimenge radioaktiven Ursprungs sind. Wird das ber?cksichtigt, so ergibt sich das Alter zu 260 Millionen Jahren.

Bei der dritten Gruppe handelt es sich um Mineralien aus Gesteinen von mitteldevonischem Alter der Umgegend von Kristiania. Der etwas wechselnde Bleigehalt l?sst auf nachtr?gliche Ver?nderungen der Mineralien schliessen; sein Mittelwert ergibt ein Alter von 340 Millionen Jahren.

Die Mineralien der 4. Gruppe stammen aus einem Gestein vom Alter des Untersilurs . Der Bleigehalt bleibt in allen Analysen sehr befriedigend derselbe. Die Alterszahl von 400 Millionen Jahren erscheint in ihrem Verh?ltnis zu den Ergebnissen der 1.-3. Gruppe als sehr wahrscheinlich.

Die Analysen und Alterszahlen der Gruppe 5 d?rfen als ausserordentlich zuverl?ssig gelten: Bei neun Analysen schwankt der Bleigehalt nur zwischen 12 und 14%. Die Atomgewichtsbestimmung des Bleis bedeutet den sicheren Beweis, dass es sich um reines Uranblei handelt.

Die Mineralien der Gruppe 6 stammen aus einem anderen Granitmassiv Norwegens; der Altersunterschied gegen?ber 5 findet dadurch seine Erkl?rung. Die Untersuchung eines Uranminerals aus dem mittleren Pr?kambrium Nordamerikas ergibt bezeichnenderweise dasselbe Alter, wie es f?r das Mittelpr?kambrium Norwegens gefunden wurde.

Leider l?sst sich das relative geologische Alter der in Gruppe 8 bis 10 aufgef?hrten ostafrikanischen Gesteine nicht mit Sicherheit angeben; die Analyse der deutsch-ostafrikanischen Mineralien l?sst jedoch infolge des gleichbleibenden Gehalts an Blei vom Atomgewicht 206 die errechnete Alterszahl als sehr zuverl?ssig erscheinen.

Diesen Ergebnissen der Bleimethode seien in der folgenden Zusammenstellung die der ~Heliummethode~ gegen?bergestellt; wo gleichzeitig f?r ein Mineral die Bestimmung nach beiden Methoden vorliegt, ist das Ergebnis der Bleimethode in Klammern beigesetzt.

Die Heliummethode gibt demnach durchweg kleinere Zahlen als die Bleimethode, was sich aus den bereits angef?hrten Tatsachen leicht erkl?rt. Es scheint, dass im allgemeinen nur ungef?hr der dritte Teil des gebildeten Heliums im Mineral festgehalten bleibt; daher erreichen auch die Alterszahlen im Durchschnitt nur ein Drittel der nach der Bleimethode bestimmten Zahlen.

Versuchen wir unsere ?berlegungen zusammenzufassen, so k?nnen wir auf alle F?lle sagen: Die Ergebnisse der radioaktiven Methode der Altersbestimmung machen durchaus den Eindruck grosser Zuverl?ssigkeit. Sie f?gen sich zwanglos dem Rahmen ein, den die Geologie aufgestellt hat. Die absoluten Alterszahlen stehen mit der relativen Altersbestimmung nirgends in Widerspruch. Das gleichbleibende Verh?ltnis von Uran und Blei bei Mineralien desselben Vorkommens zeigt deutlich, dass ihm ein bestimmtes Gesetz zugrunde liegt.

So erf?llt tats?chlich die neue Methode alle Anforderungen, die an ihre Ergebnisse gestellt werden m?ssen. Die Grenzen ihrer Anwendungsm?glichkeit sollen allerdings auch nicht verschwiegen werden. Leider sind die Mineralien, die sie braucht, recht selten und nur in vollst?ndig unverwittertem Zustand verwendbar. Mit der radioaktiven Methode kann nur das Alter von Uranmineralien, und damit der Zeitpunkt des Ausbruchs und der Erstarrung ihres Muttergesteins bestimmt werden. Nun ist es oftmals unm?glich, das relative Alter eines solchen Gesteins genau festzulegen; es kann von ihm unter Umst?nden nur ausgesagt werden, dass es j?nger als Kambrium, aber ?lter als Terti?r sein m?sse, und das sind sehr weit gezogene Grenzen. In einem solchen Fall ist leider auch die sch?nste Altersbestimmung f?r die Festlegung eines Punktes in der Erdgeschichte verloren. Wenn die Wissenschaft in Anwendung der neuen Methode sp?ter einmal vollst?ndige Sicherheit erlangt hat, so besitzt sie allerdings damit die M?glichkeit, mit Hilfe des absoluten Alters eines Gesteins auch die Formation zu bestimmen, der es angeh?ren muss. Bedauerlich ist es, dass bis jetzt noch keine ganz zuverl?ssige Altersbestimmung f?r ein j?ngeres Gestein, etwa aus der Jura- oder Terti?rzeit, vorliegt. Es fehlen eben bis jetzt aus Gesteinen dieser Formationen die zur Untersuchung verwendbaren Uranmineralien. Leicht und bequem zu handhaben ist die Methode nicht. Die chemische Analyse w?re zwar an sich nicht besonders schwierig; sie fordert aber, um zuverl?ssig zu sein, jedesmal noch eine besondere Atomgewichtsbestimmung des Bleis, die in der notwendigen Genauigkeit nur von ganz wenigen Spezialforschern ausgef?hrt werden kann. Alles in allem k?nnen wir aber sagen, dass die neue Methode der Altersbestimmung einen ~ungeheuren Fortschritt~ bedeutet: das rohe Sch?tzen und Extrapolieren haben wir verlassen; wir sind mit ihr in den Bezirk exakter physikalisch-chemischer Forschung eingetreten. Ihre wissenschaftliche Grundlage, die Zerfallstheorie der radioaktiven Elemente, darf schon heute als gesicherter Bestand der Wissenschaft gelten, obwohl sich die einzelnen Angaben ?ber Zerfallszeiten bei zuk?nftigen genaueren Bestimmungen noch etwas ?ndern k?nnen. Zwei grundlegende Voraussetzungen sind allerdings noch in den Berechnungen enthalten: Wir m?ssen einmal annehmen, dass das Uranmetall rein und ohne seine Folgeprodukte bei der Bildung des Minerals in dieses eingetreten sei. Das ist eine Annahme, die von der Mineralogie ?beraus wahrscheinlich gemacht wird. Das zweite muss in seiner Art bei jedem geologischen Zeitmesser zugrunde gelegt werden. Wir m?ssen voraussetzen, dass die ,,Uranuhr", wie wir sie kurz heissen wollen, im ganzen Verlauf der geologischen Vorzeit gleich rasch gegangen sei wie heute. Wir werden auf diese Frage nochmals zur?ckkommen.

Mit diesen Altersbestimmungen nach radioaktiver Methode ist ein Wunsch in Erf?llung gegangen, den wir zum Schluss des zweiten Kapitels ausgesprochen haben: Wir haben durch physikalisch-chemische Messung die sichere zeitliche Festlegung mehrerer Punkte in fr?her geologischer Vergangenheit erreicht. Damit ergeben sich ohne weiteres auch brauchbare Werte f?r die dazwischenliegende Zeit. Vom Extrapolieren k?nnen wir, wie der Mathematiker sagen w?rde, zum ~Interpolieren~ ?bergehen; wir bestimmen den Verlauf der Zeitkurve zwischen zwei festen, weit auseinanderliegenden Punkten. Es ist ja n?tig, durch eine gr?ssere Zahl von Altersbestimmungen die Sicherheit der Ergebnisse noch zu verst?rken; aber es kann gesagt werden, dass auch schon die heute vorliegenden Zahlen infolge ihrer Widerspruchslosigkeit einen sehr hohen Grad von Wahrscheinlichkeit beanspruchen d?rfen. Das ist alles, was ?berhaupt erwartet werden kann, sind wir doch Eintagsfliegen, denen jedes unmittelbare Herantreten an die Messung geologischer Zeitr?ume immer versagt bleiben wird. Stellen wir die zuverl?ssigsten Zahlen heraus, so sind es die f?r das Alter des Karbons mit 320 Millionen Jahren , des Untersilurs mit 400 Millionen Jahren, des Mittel-Pr?kambriums mit 1000 und 1300 Millionen Jahren. Es gilt nun, in diesen Rahmen die ?brigen Ereignisse der Erdgeschichte sch?tzungsweise einzuf?gen, wie der Kartograph nach der genauen Festlegung seiner trigonometrischen Punkte das ?brige in seine Karte einzeichnet. Einer der wichtigsten Punkte ist der ~Beginn des Kambriums~. Nach den obigen Zeitbestimmungen k?nnen wir als wahrscheinliche Zahl etwa 500 Millionen Jahre f?r ihn einsetzen . Auf diesen Zeitraum verteilen sich die zehn Formationen des Geologen, deren jede etwa 40-80 Millionen Jahre zu ihrer Bildung beansprucht haben mag. F?r das Terti?r wird ein Wert in der N?he der unteren Grenze anzusetzen sein, ein Ergebnis, das unsere fr?here Sch?tzung aufs sch?nste best?tigt.

F?r das ~Pr?kambrium~, das noch weit ?ber das Kambrium zur?ckf?hrt, muss auf alle F?lle ein Zeitraum angenommen werden, der die Dauer aller sp?teren Epochen um das Mehrfache ?bersteigt. Alle Gesteine dieser Periode sind in ihren M?chtigkeiten ver?ndert, in der st?rksten Weise umgebildet und zum gr?ssten Teil zu kristallinen Schiefern geworden, deren Ursprung man kaum mehr zu erkennen vermag. Die Zeitdauer ihrer Bildung muss noch weit das Mass ?bersteigen, das schon ihre ungeheure Schichtm?chtigkeit erwarten l?sst. Tats?chlich ergibt ja die radioaktive Methode f?r das Pr?kambrium einen Zeitraum von weit ?ber einer Milliarde Jahre, wenn die Zeit vom Mittelpr?kambrium bis zum Beginn des Kambriums allein schon 800 Millionen Jahre betr?gt. Dass ganz ungeheure Zeitr?ume dem Pr?kambrium zugrunde liegen m?ssen, ergeben vor allem auch entwicklungsgeschichtliche ?berlegungen. Weist doch die Tierwelt des Kambriums Vertreter von ausserordentlich hoher Entwicklung auf; vom Anfang des Lebens ?berhaupt bis zu dieser Entwicklungsh?he muss der Weg vielmal weiter gewesen sein als vom Beginn des Kambriums bis zur Jetztzeit. War er dreimal, war er zehnmal, oder gar hundertmal so weit? Niemand vermag es zu sagen. Alle Anhaltspunkte fehlen uns; die Anf?nge des Lebens sind vielleicht in uralten Schichten des Pr?kambriums begraben, aber ihre Spuren sind bereits vollst?ndig verwischt und es ist so gut wie aussichtslos, ?ber sie jemals etwas Bestimmtes zu erfahren.

Noch viel unsicherer werden unsere Vermutungen, wenn wir Jahreszahlen f?r noch weiter zur?ckliegende Entwicklungszust?nde unserer alten Erde finden wollen. Wir haben bereits die Altersbestimmung des Ozeans aus seinem Salzgehalt abgelehnt; dasselbe wird mit gewissen physikalischen Methoden der Fall sein m?ssen. Eine grosse Rolle hat bis vor kurzer Zeit der Versuch des englischen Physikers ~Thomson~ gespielt, aus der Abk?hlung der Erde ihr Alter zu berechnen . Von den physikalischen Gesetzen der W?rmestrahlung ausgehend, kam er auf das Ergebnis, dass eine Kugel von der Gr?sse und Beschaffenheit der Erde zur Abk?hlung von einem feuerfl?ssigen Zustand bis zur heutigen Oberfl?chentemperatur etwa 40 Millionen Jahre n?tig habe. Diese Zahl hatte von vornherein sehr wenig innere Wahrscheinlichkeit. Es l?sst sich ?berzeugend nachweisen, dass im Kambrium keine wesentlich h?here Temperatur bestanden haben kann als heute. In dem grossen Vorgang der Abk?hlung k?nnte daher der Zeitspanne vom Kambrium bis zur Jetztzeit nur ein ganz geringer Prozentsatz der 40 Millionen Jahre zufallen, und daraus w?rden sich so geringe Zahlen f?r die Bildungszeiten der einzelnen geologischen Formationen ergeben, dass kein Geologe ihre Richtigkeit zugeben k?nnte. Nun hat sich aber weiterhin im Zusammenhang mit der radioaktiven Forschung eine Tatsache ergeben, die allein f?r sich gen?gt, die Berechnung Thomsons ung?ltig zu machen. Thomson kannte n?mlich die Tatsachen des radioaktiven Zerfalls noch nicht und konnte daher in seine W?rmerechnung einen ?beraus wichtigen Aktivposten nicht einstellen: den Zuwachs an W?rme, den die Erde durch den Zerfall radioaktiver Substanzen andauernd erf?hrt. Es ist versucht worden, die Menge der radioaktiven Stoffe in den uns zug?nglichen Teilen der Erdrinde zu bestimmen; dabei ergaben sich so erhebliche Mengen, dass ihre W?rmeerzeugung beim Zerfall vollst?ndig gen?gt, um den Verlust aufzuheben, den die Erde durch W?rmeausstrahlung erleidet. Ja es ist sogar f?r die Wissenschaft zum Problem geworden, wie es m?glich sei, dass die Erde nicht dauernd heisser werde! Es m?ssen besondere Annahmen ?ber die Verteilung der radioaktiven Stoffe in gr?sserer Tiefe gemacht werden, um die ziemlich gleichbleibende W?rme der Erdrinde verst?ndlich zu machen. Wir sehen, dieser eine Umstand gen?gt vollst?ndig, um die Berechnung Thomsons unbrauchbar zu machen. Wir tun am besten, mit unsern Versuchen absoluter Altersbestimmungen nicht weiter zur?ckzugehen als bis zu einem Zeitpunkt, den wir noch mit erprobten Methoden erfassen k?nnen. Die Wissenschaft vermag im heutigen Augenblick noch nicht das ,,Alter der Erde" schlechthin zu bestimmen. Wir wollen bescheidener sein und uns an der Berechnung von Zahlen f?r das Alter des Kambriums oder des Pr?kambriums gen?gen lassen.

Drei grosse Gruppen von Methoden haben uns zu unsern Ergebnissen gef?hrt; es ist zum Schluss n?tig, die eingeschlagenen Wege nochmals im Zusammenhang zu ?berblicken. Die erste Methode versuchte, die auf der Erde gebildeten Sedimentgesteine als die Leistung immerfort arbeitender geologischer Kr?fte zu erkl?ren und daraus die Zeitdauer ihrer Bildung zu berechnen. Das wahrscheinlichste Ergebnis waren etwa 300 Millionen Jahre; diese Zeit w?re zur Bildung aller, auch der pr?kambrischen Sedimente n?tig gewesen. Nach dem Verh?ltnis der bekannten Sedimentm?chtigkeiten w?rde hiervon mehr als die H?lfte, mindestens 200 Millionen Jahre, auf die Zeit vom Kambrium bis zur Jetztzeit entfallen. Dazu muss aber gesagt werden, dass auf diese Weise die Zeit des Pr?kambriums sicher bedeutend untersch?tzt wird. Die zweite Methode geht von sch?nen und zuverl?ssigen Zeitmessungen geologischer Vorg?nge der Nacheiszeit aus und f?hrt unter Verwendung von Verh?ltniszahlen durch k?hne Extrapolation auf den weiten Rahmen von 40-1600 Millionen Jahren f?r das Alter des Kambriums, wobei sich als wahrscheinlichste Werte 200-600 Millionen Jahre ergeben. Die radioaktive Methode gibt schliesslich die M?glichkeit, ganz bestimmte Alterszahlen zu berechnen, die f?r das Karbon rund 300 Millionen Jahre, f?r das Kambrium etwa 500 Millionen Jahre, f?r fr?he Zeitpunkte des Pr?kambriums mindestens 1500 Millionen Jahre betragen. Wie lassen sich nun all diese Ergebnisse vereinigen? Zun?chst ist zu sagen, dass sich die Ergebnisse des ersten und zweiten Wegs durchaus nicht widersprechen. Die nach der ersten Methode berechneten Alterszahlen fallen in den Rahmen der zweiten, und auch die mittleren Werte kommen einander recht nahe. Ebenso f?hren die Altersbestimmungen von Uranmineralien zu Zahlen, die sich ohne weiteres in den Rahmen der zweiten Methode einf?gen. Dagegen besteht tats?chlich ein Widerspruch zwischen den Ergebnissen des ersten und dritten Wegs, die beide bestimmte Zahlen nennen, der erste f?r das Alter des Kambriums 200 Millionen Jahre, des Pr?kambriums ungef?hr 300 Millionen Jahre, der zweite 500 und 1500 Millionen Jahre. Wie ist dieser Widerspruch zu l?sen? Beide Methoden haben die Voraussetzung, dass ihre geologische Uhr in der ganzen Vergangenheit gleich schnellen Gang gehabt habe wie in der Gegenwart. Nun ist es denkbar, dass die Sedimentationsuhr, wie wir sie kurz heissen wollen, in der Vergangenheit langsamer gegangen w?re als in der Gegenwart. Dann h?tte uns die Uhr mit ihrem gegenw?rtigen raschen Lauf f?r die Vergangenheit zu kleine Zeitwerte angegeben; wir m?ssten also die h?heren Jahreszahlen der Uranuhr als die richtigen annehmen. Es w?re aber auch denkbar, dass die Uranuhr heute langsamer ginge als in geologischer Vorzeit. Dann h?tte sie uns zu grosse Zeitr?ume vorget?uscht und die Sedimentationsuhr h?tte recht.

Den dritten Fall, dass beide Uhren falsch gehen k?nnten, wollen wir ausser Betracht lassen.

Die Frage nach der Gr?sse der Zeitr?ume kommt also auf eine Untersuchung ?ber die Zuverl?ssigkeit unserer geologischen Zeitmesser hinaus, und dass hier der Uranuhr gr?sseres Vertrauen entgegengebracht werden kann wie der Sedimentationsuhr, das kann kaum einem Zweifel unterliegen. Die Uranuhr beruht auf einem einheitlichen physikalisch-chemischen Vorgang, der im Aufbau der Atome begr?ndet ist und dessen Ablauf mit keinem uns zug?nglichen Mittel auch nur im geringsten ver?ndert werden kann. Es wurde schon angef?hrt, dass Drucke von 25000 Atmosph?ren zusammen mit Temperaturunterschieden von mehreren tausend Graden den Zerfall der Atome nicht beeinflussen konnten. Die Annahme, dass der Zerfall fr?her schneller vor sich gegangen sei, kann in keiner Weise begr?ndet oder auch nur wahrscheinlich gemacht werden; sie w?rde bedeuten, dass Naturgesetze nicht unver?nderlich w?ren, sondern sich im Verlauf geologischer Zeitr?ume ?ndern k?nnten. Dagegen h?ngt die Sedimentationsgeschwindigkeit der Jetztzeit von einer Unzahl von Faktoren ab, die ohne Zweifel im Lauf der Erdgeschichte nicht immer dieselben gewesen sind. Um eine ?bereinstimmung mit der Uranuhr zu erzielen, m?ssten wir annehmen, dass die Sedimentationsuhr heute mindestens 2 1/2 mal, vielleicht sogar 4-5mal schneller ginge wie im Durchschnitt der geologischen Vergangenheit. Tats?chlich vertreten nun besonders eine Reihe englischer und amerikanischer Geologen diese Ansicht sehr lebhaft. Sie behaupten, dass das Mass der Abtragung und damit auch der Sedimentation heute ein ?berdurchschnittlich grosses sei. Unsere Fl?sse haben an den immer noch hochragenden Resten der im Terti?r aufget?rmten Kettengebirge und an den lockeren und leicht zerst?rbaren Bildungen der j?ngstvergangenen Eiszeit leichtes Spiel f?r ihre Zerst?rungsarbeit; sie tragen daher wesentlich mehr ins Meer hinaus als in fr?heren Erdperioden, in denen die Gebirge der Erde bis fast zu ihren Grundmauern abgeschliffen waren. Lebhafte Schollenbewegungen, die Hebungen und Senkungen von L?ndern zur Folge haben, halten heute die Arbeit der Fl?sse in Atem. Der Vulkanismus ist gegenw?rtig recht lebhaft und liefert in seinen Aushauchungen Gase, die die Verwitterung beschleunigen. So hat die Ansicht jener Geologen, die Sedimentationsuhr gehe heute wesentlich rascher als in der Vorzeit, sehr gewichtige Gr?nde f?r sich; ihre Annahme h?tte zur Folge, dass wir die durch die Uranmethode gewonnenen Zahlen als die richtigen ansehen m?ssten.

Damit sind wir am Ende unserer Untersuchungen ?ber absolute geologische Altersbestimmung angelangt. Von h?chstem wissenschaftlichem Reiz ist es gewesen, all den verschlungenen Wegen nachzugehen, auf denen die Forschung eines der packendsten und interessantesten Probleme der Erdgeschichte zu l?sen versuchte. Wir k?nnen zwar noch nicht sagen, dass die Frage heute schon restlos gel?st sei, aber wir haben den lebhaften Eindruck gewonnen: sehr weit sind wir von der endg?ltigen L?sung des Problems nicht mehr entfernt, wahrscheinlich haben wir sie sogar in den Altersbestimmungen nach radioaktiver Methode heute schon in der Hand. Wo die Jahreszahlen der Geschichte beim R?ckw?rtsschreiten in die Vergangenheit abbrechen, da w?rden die Jahreszahlen der Geologie sich anschliessen und bis in die fernste Vergangenheit zur?ckf?hren.

Mit diesen exakten Altersbestimmungen hat die Geologie ein Problem gel?st, das sie seit ihren ersten Anf?ngen besch?ftigte: Die Bezwingung der geologischen Zeitr?ume durch Mass und Zahl. Schon vor achtzig Jahren hat die Astronomie ein ?hnliches Ziel erreicht. Die Geologie weist den Menschen zur?ck in unvorstellbar grosse Zeitr?ume der Vergangenheit, die Astronomie f?hrt ihn von unserem Planeten und dem engen Bezirk unseres Sonnensystems hinaus in die endlosen Fernen des Weltalls. Wohl kannte man schon lange mit befriedigender Genauigkeit die Entfernung aller Glieder des Sonnensystems, vollst?ndig unbekannt waren aber die Entfernungen der Fixsterne, bis es im Jahr 1837 dem ber?hmten K?nigsberger Astronomen ~Bessel~ gelang, die Entfernung des kleinen Sterns 61 im Schwan zu messen; er erhielt f?r sie 80 Billionen km. Im n?chsten Jahr wurde am s?dlichen Sternhimmel die Entfernung unseres n?chsten Nachbars im Fixsternsystem, des Sterns ? im Zentauren zu 41 Billionen km oder 4 1/2 Lichtjahren bestimmt, d. h. der Stern ist so weit entfernt, dass sein Licht bei einer Sekundengeschwindigkeit von 300000 km 4 1/2 Jahre braucht, um auf unsere Erde zu gelangen. Damit war zum erstenmal die Entfernung eines Punktes ausserhalb des Sonnensystems gemessen. An die Stelle des verschwommenen Begriffs ,,unmessbar weit" war die genaue Zahl getreten. Mit den ersten sicheren Messungen, denen bald noch weitere folgten, konnten sich klare Begriffe von der Entfernung und Gr?sse all der Sonnen im Weltall bilden und damit auch eine Vorstellung vom Bau des Ganzen. So bedeutet das Jahr 1837 f?r die Astronomie einen Markstein ersten Rangs. Heute ist die Geologie mit den Altersbestimmungen auf radioaktiver Grundlage an demselben Punkt angelangt, wie damals die Astronomie mit der ersten Messung einer Fixsternentfernung. An die Stelle unsicherer Zeitsch?tzungen treten ganz bestimmte, durch eine exakte physikalisch-chemische Methode gewonnene Zahlen; die erste sichere Zeitmessung ist erreicht. Hoffen wir, dass die neue Errungenschaft der Geologie ebenso reiche Fr?chte bringen m?ge wie die Tat Bessels der Astronomie!

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