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Munafa ebook

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Read Ebook: Der Prozess: Roman by Kafka Franz

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Ebook has 174 lines and 71969 words, and 4 pages

Beim Eintritt w?re er fast hingefallen, denn hinter der T?r war noch eine Stufe. ,,Auf das Publikum nimmt man nicht viel R?cksicht," sagte er. ,,Man nimmt ?berhaupt keine R?cksicht," sagte der Gerichtsdiener, ,,sehn Sie nur hier das Wartezimmer." Es war ein langer Gang, von dem aus rohe gezimmerte T?ren zu den einzelnen Abteilungen des Dachbodens f?hrten. Trotzdem kein unmittelbarer Lichtzutritt bestand, war es doch nicht vollst?ndig dunkel, denn manche Abteilungen hatten gegen den Gang zu statt einheitlicher Bretterw?nde, blosse, allerdings bis zur Decke reichende Holzgitter, durch die einiges Licht drang und durch die man auch einzelne Beamte sehen konnte, wie sie an Tischen schrieben oder geradezu am Gitter standen und durch die L?cken die Leute auf dem Gang beobachteten. Es waren, wahrscheinlich weil Sonntag war, nur wenig Leute auf dem Gang. Sie machten einen sehr bescheidenen Eindruck. In fast regelm?ssigen Entfernungen voneinander sassen sie auf den zwei Reihen langer Holzb?nke, die zu beiden Seiten des Ganges angebracht waren. Alle waren vernachl?ssigt angezogen, trotzdem die meisten nach dem Gesichtsausdruck, der Haltung, der Barttracht und vielen kaum sicherzustellenden kleinen Einzelheiten den h?heren Klassen angeh?rten. Da keine Kleiderhaken vorhanden waren, hatten sie die H?te, wahrscheinlich einer dem Beispiel des andern folgend, unter die Bank gestellt. Als die, welche zun?chst der T?r sassen, K. und den Gerichtsdiener erblickten, erhoben sie sich zum Gruss, da das die Folgenden sahen, glaubten sie auch gr?ssen zu m?ssen, so dass alle beim Vorbeigehn der zwei sich erhoben. Sie standen niemals vollst?ndig aufrecht, der R?cken war geneigt, die Knie geknickt, sie standen wie Strassenbettler. K. wartete auf den ein wenig hinter ihm gehenden Gerichtsdiener und sagte: ,,Wie gedem?tigt die sein m?ssen." ,,Ja," sagte der Gerichtsdiener, ,,es sind Angeklagte, alle die Sie hier sehn, sind Angeklagte." ,,Wirklich!" sagte K. ,,Dann sind es ja meine Kollegen." Und er wandte sich an den n?chsten, einen grossen schlanken, schon fast grauhaarigen Mann. ,,Worauf warten Sie hier?" fragte K. h?flich. Die unerwartete Ansprache aber machte den Mann verwirrt, was um so peinlicher aussah, da es sich offenbar um einen welterfahrenen Menschen handelte, der anderswo gewiss sich zu beherrschen verstand und die ?berlegenheit, die er sich ?ber viele erworben hatte, nicht leicht aufgab. Hier aber wusste er auf eine so einfache Frage nicht zu antworten und sah auf die andern hin, als seien sie verpflichtet, ihm zu helfen, und als k?nne niemand von ihm eine Antwort verlangen, wenn diese Hilfe ausbliebe. Da trat der Gerichtsdiener hinzu und sagte, um den Mann zu beruhigen und aufzumuntern: ,,Der Herr hier fragt ja nur, auf was Sie warten. Antworten Sie doch." Die ihm wahrscheinlich bekannte Stimme des Gerichtsdieners wirkte besser: ,,Ich warte --" begann er und stockte. Offenbar hatte er diesen Anfang gew?hlt, um ganz genau auf die Fragestellung zu antworten, fand aber jetzt die Fortsetzung nicht. Einige der Wartenden hatten sich gen?hert und umstanden die Gruppe, der Gerichtsdiener sagte zu ihnen: ,,Weg, weg, macht den Gang frei." Sie wichen ein wenig zur?ck, aber nicht bis zu ihren fr?heren Sitzen. Inzwischen hatte sich der Gefragte gesammelt und antwortete sogar mit einem kleinen L?cheln: ,,Ich habe vor einem Monat einige Beweisantr?ge in meiner Sache gemacht und warte auf die Erledigung." ,,Sie scheinen sich ja viele M?he zu geben," sagte K. ,,Ja," sagte der Mann, ,,es ist ja meine Sache." ,,Jeder denkt nicht so wie Sie," sagte K., ,,ich z. B. bin auch angeklagt, habe aber, so wahr ich selig werden will, weder einen Beweisantrag gestellt, noch auch sonst irgend etwas derartiges unternommen. Halten Sie denn das f?r n?tig?" ,,Ich weiss nicht genau," sagte der Mann wieder in vollst?ndiger Unsicherheit; er glaubte offenbar, K. mache mit ihm einen Scherz, deshalb h?tte er wahrscheinlich am liebsten, aus Furcht, irgendeinen neuen Fehler zu machen, seine fr?here Antwort ganz wiederholt, vor K.s ungeduldigem Blick aber sagte er nur, ,,was mich betrifft, ich habe Beweisantr?ge gestellt." ,,Sie glauben wohl nicht, dass ich angeklagt bin," fragte K. ,,O bitte gewiss," sagte der Mann, und trat ein wenig zur Seite, aber in der Antwort war nicht Glaube, sondern nur Angst. ,,Sie glauben mir also nicht?" fragte K. und fasste ihn, unbewusst durch das dem?tige Wesen des Mannes dazu aufgefordert, beim Arm, als wolle er ihn zum Glauben zwingen. Er wollte ihm nicht Schmerz bereiten, hatte ihn auch nur ganz leicht angegriffen, trotzdem aber schrie der Mann auf, als habe K. ihn nicht mit zwei Fingern, sondern mit einer gl?henden Zange erfasst. Dieses l?cherliche Schreien machte K. endg?ltig ?berdr?ssig; glaubte man ihm nicht, dass er angeklagt war, so war es desto besser; vielleicht hielt er ihn sogar f?r einen Richter. Und er fasste ihn nun zum Abschied wirklich fester, stiess ihn auf die Bank zur?ck und ging weiter. ,,Die meisten Angeklagten sind so empfindlich," sagte der Gerichtsdiener. Hinter ihnen sammelten sich jetzt fast alle Wartenden um den Mann, der schon zu schreien aufgeh?rt hatte, und schienen ihn ?ber den Zwischenfall genau auszufragen. K. entgegen kam jetzt ein W?chter, der haupts?chlich an einem S?bel kenntlich war, dessen Scheide, wenigstens der Farbe nach, aus Aluminium bestand. K. staunte dar?ber und griff sogar mit der Hand hin. Der W?chter, der wegen des Schreins gekommen war, fragte nach dem Vorgefallenen. Der Gerichtsdiener suchte ihn mit einigen Worten zu beruhigen, aber der W?chter erkl?rte, doch noch selbst nachsehn zu m?ssen, salutierte und ging weiter mit sehr eiligen, aber sehr kurzen, wahrscheinlich durch Gicht abgemessenen Schritten.

K. k?mmerte sich nicht lange um ihn und die Gesellschaft auf dem Gang, besonders da er etwa in der H?lfte des Ganges die M?glichkeit sah, rechts durch eine t?rlose ?ffnung einzubiegen. Er verst?ndigte sich mit dem Gerichtsdiener dar?ber, ob das der richtige Weg sei, der Gerichtsdiener nickte und K. bog nun wirklich dort ein. Es war ihm l?stig, dass er immer einen oder zwei Schritte vor dem Gerichtsdiener gehen musste, es konnte wenigstens an diesem Ort den Anschein haben, als ob er verhaftet vorgef?hrt werde. Er wartete also ?fters auf den Gerichtsdiener, aber dieser blieb gleich wieder zur?ck. Schliesslich sagte K., um seinem Unbehagen ein Ende zu machen: ,,Nun habe ich gesehn, wie es hier aussieht, ich will jetzt weggehn." ,,Sie haben noch nicht alles gesehn," sagte der Gerichtsdiener vollst?ndig unverf?nglich. ,,Ich will nicht alles sehn," sagte K., der sich ?brigens wirklich m?de f?hlte, ,,ich will gehn, wie kommt man zum Ausgang?" ,,Sie haben sich doch nicht schon verirrt," fragte der Gerichtsdiener erstaunt, ,,Sie gehn hier bis zur Ecke und dann rechts den Gang hinunter geradeaus zur T?r." ,,Kommen Sie mit," sagte K., ,,zeigen Sie mir den Weg, ich werde ihn verfehlen, es sind hier so viele Wege." ,,Es ist der einzige Weg," sagte der Gerichtsdiener nun schon vorwurfsvoll, ,,ich kann nicht wieder mit Ihnen zur?ckgehn, ich muss doch meine Meldung vorbringen und habe schon viel Zeit durch Sie vers?umt." ,,Kommen Sie mit," wiederholte K. jetzt sch?rfer, als habe er endlich den Gerichtsdiener auf einer Unwahrheit ertappt. ,,Schreien Sie doch nicht so," fl?sterte der Gerichtsdiener, ,,es sind ja hier ?berall Bureaus. Wenn Sie nicht allein zur?ckgehn wollen, so gehn Sie noch ein St?ckchen mit mir oder warten Sie hier, bis ich meine Meldung erledigt habe, dann will ich ja gern mit Ihnen wieder zur?ckgehn." ,,Nein, nein," sagte K., ,,ich werde nicht warten und Sie m?ssen jetzt mit mir gehn." K. hatte sich noch gar nicht in dem Raum umgesehn, in dem er sich befand, erst als jetzt eine der vielen Holzt?ren, die ringsherum standen, sich ?ffnete, blickte er hin. Ein M?dchen, das wohl durch K.s lautes Sprechen herbeigerufen war, trat ein und fragte: ,,Was w?nscht der Herr?" Hinter ihr in der Ferne sah man im Halbdunkel noch einen Mann sich n?hern. K. blickte den Gerichtsdiener an. Dieser hatte doch gesagt, dass sich niemand um K. k?mmern werde, und nun kamen schon zwei, es brauchte nur wenig und die Beamtenschaft wurde auf ihn aufmerksam, w?rde eine Erkl?rung seiner Anwesenheit haben wollen. Die einzig verst?ndliche und annehmbare war die, dass er Angeklagter war und das Datum des n?chsten Verh?rs erfahren wollte, gerade diese Erkl?rung aber wollte er nicht geben, besonders da sie auch nicht wahrheitsgem?ss war, denn er war nur aus Neugierde gekommen oder, was als Erkl?rung noch unm?glicher war, aus dem Verlangen, festzustellen, dass das Innere dieses Gerichtswesens ebenso widerlich war wie sein ?usseres. Und es schien ja, dass er mit dieser Annahme recht hatte, er wollte nicht weiter eindringen, er war beengt genug von dem, was er bisher gesehen hatte, er war gerade jetzt nicht in der Verfassung, einem h?heren Beamten gegen?berzutreten, wie er hinter jeder T?r auftauchen konnte, er wollte weggehn, und zwar mit dem Gerichtsdiener oder allein, wenn es sein musste.

Aber sein stummes Dastehn musste auffallend sein und wirklich sahen ihn das M?dchen und der Gerichtsdiener derartig an, als ob in der n?chsten Minute irgendeine grosse Verwandlung mit ihm geschehen m?sse, die sie zu beobachten nicht vers?umen wollten. Und in der T?r?ffnung stand der Mann, den K. fr?her in der Ferne bemerkt hatte, er hielt sich am Deckbalken der niedrigen T?r fest und schaukelte ein wenig auf den Fussspitzen, wie ein ungeduldiger Zuschauer. Das M?dchen aber erkannte doch zuerst, dass das Benehmen K.s in einem leichten Unwohlsein seinen Grund hatte, sie brachte einen Sessel und fragte: ,,Wollen Sie sich nicht setzen?" K. setzte sich sofort und st?tzte, um noch besser Halt zu bekommen, die Ellbogen auf die Lehnen. ,,Sie haben ein wenig Schwindel, nicht?" fragte sie ihn. Er hatte nun ihr Gesicht nahe vor sich, es hatte den strengen Ausdruck, wie ihn manche Frauen gerade in ihrer sch?nsten Jugend haben. ,,Machen Sie sich dar?ber keine Gedanken," sagte sie, ,,das ist hier nichts Aussergew?hnliches, fast jeder bekommt einen solchen Anfall, wenn er zum erstenmal herkommt. Sie sind zum erstenmal hier? Nun ja, das ist aber nichts Aussergew?hnliches. Die Sonne brennt hier auf das Dachger?st und das heisse Holz macht die Luft so dumpf und schwer. Der Ort ist deshalb f?r Bureaur?umlichkeiten nicht sehr geeignet, so grosse Vorteile er allerdings sonst bietet. Aber was die Luft betrifft, so ist sie an Tagen grossen Parteienverkehrs, und das ist fast jeder Tag, kaum mehr atembar. Wenn Sie dann noch bedenken, dass hier auch vielfach W?sche zum Trocknen ausgeh?ngt wird, -- man kann es den Mietern nicht g?nzlich untersagen, -- so werden Sie sich nicht mehr wundern, dass Ihnen ein wenig ?bel wurde. Aber man gew?hnt sich schliesslich an die Luft sehr gut. Wenn Sie zum zweiten- oder drittenmal herkommen, werden Sie das Dr?ckende hier kaum mehr sp?ren. F?hlen Sie sich schon besser?" K. antwortete nicht, es war ihm zu peinlich, durch diese pl?tzliche Schw?che den Leuten hier ausgeliefert zu sein, ?berdies war ihm, da er jetzt die Ursachen seiner ?belkeit erfahren hatte, nicht besser, sondern noch ein wenig schlechter. Das M?dchen merkte es gleich, nahm, um K. eine Erfrischung zu bereiten, eine Hakenstange, die an der Wand lehnte und stiess damit eine kleine Luke auf, die gerade ?ber K. angebracht war und ins Freie f?hrte. Aber es fiel soviel Russ herein, dass das M?dchen die Luke gleich wieder zuziehn und mit ihrem Taschentuch die H?nde K.s vom Russ reinigen musste, denn K. war zu m?de, um das selbst zu besorgen. Er w?re gern hier ruhig sitzengeblieben, bis er sich zum Weggehn gen?gend gekr?ftigt hatte, das musste aber um so fr?her geschehen, je weniger man sich um ihn k?mmern w?rde. Nun sagte aber ?berdies das M?dchen: ,,Hier k?nnen Sie nicht bleiben, hier st?ren wir den Verkehr." -- K. fragte mit den Blicken, welchen Verkehr er denn hier st?re -- ,,ich werde Sie, wenn Sie wollen, ins Krankenzimmer f?hren." ,,Helfen Sie mir bitte," sagte sie zu dem Mann in der T?r, der auch gleich n?her kam. Aber K. wollte nicht ins Krankenzimmer, gerade das wollte er ja vermeiden, weiter gef?hrt zu werden, je weiter er kam, desto ?rger musste es werden. ,,Ich kann schon gehn," sagte er deshalb und stand, durch das bequeme Sitzen verw?hnt, zitternd auf. Dann aber konnte er sich nicht aufrecht halten. ,,Es geht doch nicht," sagte er kopfsch?ttelnd und setzte sich seufzend wieder nieder. Er erinnerte sich an den Gerichtsdiener, der ihn trotz allem leicht hinausf?hren konnte, aber der schien schon l?ngst weg zu sein, K. sah zwischen dem M?dchen und dem Mann, die vor ihm standen, hindurch, konnte aber den Gerichtsdiener nicht finden.

,,Ich glaube," sagte der Mann, der ?brigens elegant gekleidet war und besonders durch eine graue Weste auffiel, die in zwei langen, scharf geschnittenen Spitzen endigte, ,,das Unwohlsein des Herrn geht auf die Atmosph?re hier zur?ck, es wird daher am besten und auch ihm am liebsten sein, wenn wir ihn nicht erst ins Krankenzimmer, sondern ?berhaupt aus den Kanzleien hinausf?hren." ,,Das ist es," rief K. und fuhr vor lauter Freude fast noch in die Rede des Mannes hinein, ,,mir wird gewiss sofort besser werden, ich bin auch gar nicht so schwach, nur ein wenig Unterst?tzung unter den Achseln brauche ich, ich werde Ihnen nicht viel M?he machen, es ist ja auch kein langer Weg, f?hren Sie mich nur zur T?r, ich setze mich dann noch ein wenig auf die Stufen und werde gleich erholt sein, ich leide n?mlich gar nicht unter solchen Anf?llen, es kommt mir selbst ?berraschend. Ich bin doch auch Beamter und an Bureauluft gew?hnt, aber hier scheint es doch zu arg, Sie sagen es selbst. Wollen Sie also die Freundlichkeit haben, mich ein wenig zu f?hren, ich habe n?mlich Schwindel und es wird mir schlecht, wenn ich allein aufstehe." Und er hob die Schultern, um es den beiden zu erleichtern, ihm unter die Arme zu greifen.

Aber der Mann folgte der Aufforderung nicht, sondern hielt die H?nde ruhig in den Hosentaschen und lachte laut. ,,Sehen Sie," sagte er zu dem M?dchen, ,,ich habe also doch das Richtige getroffen. Dem Herrn ist nur hier nicht wohl, nicht im Allgemeinen." Das M?dchen l?chelte auch, schlug aber dem Mann leicht mit den Fingerspitzen auf den Arm, als h?tte er sich mit K. einen zu starken Spass erlaubt. ,,Aber was denken Sie denn," sagte der Mann noch immer lachend, ,,ich will ja den Herrn wirklich hinausf?hren." ,,Dann ist es gut," sagte das M?dchen, indem sie ihren zierlichen Kopf f?r einen Augenblick neigte. ,,Messen Sie dem Lachen nicht zu viel Bedeutung zu," sagte das M?dchen zu K., der wieder traurig geworden vor sich hinstarrte und keine Erkl?rung zu brauchen schien, ,,dieser Herr -- ich darf Sie doch vorstellen?" -- ,,dieser Herr also ist der Auskunftgeber. Er gibt den wartenden Parteien alle Auskunft, die sie brauchen, und da unser Gerichtswesen in der Bev?lkerung nicht sehr bekannt ist, werden viele Ausk?nfte verlangt. Er weiss auf alle Fragen eine Antwort, Sie k?nnen ihn, wenn Sie einmal Lust dazu haben, daraufhin erproben. Das ist aber nicht sein einziger Vorzug, sein zweiter Vorzug ist die elegante Kleidung. Wir, d. h. die Beamtenschaft, meinte einmal, man m?sse den Auskunftgeber, der immerfort, und zwar als erster mit Parteien verhandelt, des w?rdigen ersten Eindrucks halber, auch elegant anziehn. Wir andern sind, wie Sie gleich an mir sehn k?nnen, leider sehr schlecht und altmodisch angezogen; es hat auch nicht viel Sinn, f?r die Kleidung etwas zu verwenden, da wir fast unaufh?rlich in den Kanzleien sind, wir schlafen ja auch hier. Aber wie gesagt, f?r den Auskunftgeber hielten wir einmal sch?ne Kleidung f?r n?tig. Da sie aber von unserer Verwaltung, die in dieser Hinsicht etwas sonderbar ist, nicht erh?ltlich war, machten wir eine Sammlung -- auch Parteien steuerten bei -- und wir kauften ihm dieses sch?ne Kleid und noch andere. Alles w?re jetzt vorbereitet, einen guten Eindruck zu machen, aber durch sein Lachen verdirbt er es wieder und erschreckt die Leute." ,,So ist es," sagte der Herr sp?ttisch, ,,aber ich verstehe nicht, Fr?ulein, warum Sie dem Herrn alle unsere Intimit?ten erz?hlen, oder besser aufdr?ngen, denn er will sie ja gar nicht erfahren. Sehen Sie nur, wie er, offenbar mit seinen eigenen Angelegenheiten besch?ftigt, dasitzt." K. hatte nicht einmal Lust zu widersprechen, die Absicht des M?dchens mochte eine gute sein, sie war vielleicht darauf gerichtet, ihn zu zerstreuen oder ihm die M?glichkeit zu geben, sich zu sammeln, aber das Mittel war verfehlt. ,,Ich musste ihm Ihr Lachen erkl?ren," sagte das M?dchen. ,,Es war ja beleidigend." ,,Ich glaube, er w?rde noch ?rgere Beleidigungen verzeihen, wenn ich ihn schliesslich hinausf?hre." K. sagte nichts, sah nicht einmal auf, er duldete es, dass die zwei ?ber ihn wie ?ber eine Sache verhandelten, es war ihm sogar am liebsten. Aber pl?tzlich f?hlte er die Hand des Auskunftgebers an einem Arm und die Hand des M?dchens am andern. ,,Also auf, Sie schwacher Mann," sagte der Auskunftgeber. ,,Ich danke Ihnen beiden vielmals," sagte K. freudig ?berrascht, erhob sich langsam und f?hrte selbst die fremden H?nde an die Stellen, an denen er die St?tze am meisten brauchte. ,,Es sieht so aus," sagte das M?dchen leise in K.s Ohr, w?hrend sie sich dem Gang n?herten, ,,als ob mir besonders viel daran gelegen w?re, den Auskunftgeber in ein gutes Licht zu stellen, aber man mag es glauben, ich will doch die Wahrheit sagen. Er hat kein hartes Herz. Er ist nicht verpflichtet, kranke Parteien hinauszuf?hren, und tut es doch, wie Sie sehn. Vielleicht ist niemand von uns hartherzig, wir wollten vielleicht alle gern helfen, aber als Gerichtsbeamte bekommen wir leicht den Anschein, als ob wir hartherzig w?ren und niemandem helfen wollten. Ich leide geradezu darunter." ,,Wollen Sie sich nicht hier ein wenig setzen," fragte der Auskunftgeber, sie waren schon im Gang und gerade vor dem Angeklagten, den K. fr?her angesprochen hatte. K. sch?mte sich fast vor ihm, fr?her war er so aufrecht vor ihm gestanden, jetzt mussten ihn zwei st?tzen, seinen Hut balancierte der Auskunftgeber auf den gespreizten Fingern, die Frisur war zerst?rt, die Haare hingen ihm in die schweissbedeckte Stirn. Aber der Angeklagte schien nichts davon zu bemerken, dem?tig stand er vor dem Auskunftgeber, der ?ber ihn hinwegsah, und suchte nur seine Anwesenheit zu entschuldigen. ,,Ich weiss," sagte er, ,,dass die Erledigung meiner Antr?ge heute noch nicht gegeben werden kann. Ich bin aber doch gekommen, ich dachte, ich k?nnte doch hier warten, es ist Sonntag, ich habe ja Zeit und hier st?re ich nicht." ,,Sie m?ssen das nicht so sehr entschuldigen," sagte der Auskunftgeber, ,,Ihre Sorgsamkeit ist ja ganz lobenswert, Sie nehmen hier zwar unn?tigerweise den Platz weg, aber ich will Sie, trotzdem, so lange es mir nicht l?stig wird, durchaus nicht hindern, den Gang Ihrer Angelegenheit genau zu verfolgen. Wenn man Leute gesehen hat, die Ihre Pflicht sch?ndlich vernachl?ssigten, lernt man es, mit Leuten wie Sie sind, Geduld zu haben. Setzen Sie sich." ,,Wie er mit den Parteien zu reden versteht," fl?sterte das M?dchen. K. nickte, fuhr aber gleich auf, als ihn der Auskunftgeber wieder fragte: ,,Wollen Sie sich nicht hier niedersetzen?" ,,Nein," sagte K., ,,ich will nicht ausruhn." Er hatte das mit m?glichster Bestimmtheit gesagt, in Wirklichkeit h?tte es ihm aber sehr wohlgetan, sich niederzusetzen. Er war wie seekrank. Er glaubte auf einem Schiff zu sein, das sich in schwerem Seegang befand. Es war ihm, als st?rze das Wasser gegen die Holzw?nde, als komme aus der Tiefe des Ganges ein Brausen her wie von ?berschlagendem Wasser, als schaukle der Gang in der Quere und als w?rden die wartenden Parteien zu beiden Seiten gesenkt und gehoben. Desto unbegreiflicher war die Ruhe des M?dchens und des Mannes, die ihn f?hrten. Er war ihnen ausgeliefert, liessen sie ihn los, so musste er hinfallen wie ein Brett. Aus ihren kleinen Augen gingen scharfe Blicke hin und her, ihre gleichm?ssigen Schritte f?hlte K., ohne sie mitzumachen, denn er wurde fast von Schritt zu Schritt getragen. Endlich merkte er, dass sie zu ihm sprachen, aber er verstand sie nicht, er h?rte nur den L?rm, der alles erf?llte und durch den hindurch ein unver?nderlicher hoher Ton wie von einer Sirene zu klingen schien. ,,Lauter," fl?sterte er mit gesenktem Kopf und sch?mte sich, denn er wusste, dass sie laut genug, wenn auch f?r ihn unverst?ndlich gesprochen hatten. Da kam endlich, als w?re die Wand vor ihnen durchrissen, ein frischer Luftzug ihm entgegen und er h?rte neben sich sagen: ,,Zuerst will er weg, dann aber kann man ihm hundertmal sagen, dass hier der Ausgang ist, und er r?hrt sich nicht." K. merkte, dass er vor der Ausgangst?r stand, die das M?dchen ge?ffnet hatte. Ihm war, als w?ren alle seine Kr?fte mit einemmal zur?ckgekehrt, um einen Vorgeschmack der Freiheit zu gewinnen, trat er gleich auf eine Treppenstufe und verabschiedete sich von dort aus von seinen Begleitern, die sich zu ihm herabbeugten. ,,Vielen Dank," wiederholte er, dr?ckte beiden wiederholt die H?nde und liess erst ab, als er zu sehen glaubte, dass sie, an die Kanzleiluft gew?hnt, die verh?ltnism?ssig frische Luft, die von der Treppe kam, schlecht ertrugen. Sie konnten kaum antworten und das M?dchen w?re vielleicht abgest?rzt, wenn K. nicht ?usserst schnell die T?r geschlossen h?tte. K. stand dann noch einen Augenblick still, strich sich mit Hilfe eines Taschenspiegels das Haar zurecht, hob seinen Hut auf, der auf dem n?chsten Treppenabsatz lag -- der Auskunftgeber hatte ihn wohl hingeworfen -- und lief dann die Treppe hinunter so frisch und in so langen Spr?ngen, dass er vor diesem Umschwung fast Angst bekam. Solche ?berraschungen hatte ihm sein sonst ganz gefestigter Gesundheitszustand noch nie bereitet. Wollte etwa sein K?rper revolutionieren und ihm einen neuen Prozess bereiten, da er den alten so m?helos ertrug. Er lehnte den Gedanken nicht ganz ab, bei n?chster Gelegenheit zu einem Arzt zu gehn, jedenfalls aber wollte er -- darin konnte er sich selbst beraten -- alle zuk?nftigen Sonntagvormittage besser als diesen verwenden.

VIERTES KAPITEL

DIE FREUNDIN DES FR?ULEIN B?RSTNER

In der n?chsten Zeit war es K. unm?glich, mit Fr?ulein B?rstner auch nur einige wenige Worte zu sprechen. Er versuchte auf die verschiedenste Weise an sie heranzukommen, sie aber wusste es immer zu verhindern. Er kam gleich nach dem Bureau nach Hause, blieb in seinem Zimmer, ohne das Licht anzudrehn, auf dem Kanapee sitzen und besch?ftigte sich mit nichts anderem, als das Vorzimmer zu beobachten. Ging etwa das Dienstm?dchen vorbei und schloss die T?r des scheinbar leeren Zimmers, so stand er nach einem Weilchen auf und ?ffnete sie wieder. Des Morgens stand er um eine Stunde fr?her auf als sonst, um vielleicht Fr?ulein B?rstner allein treffen zu k?nnen, wenn sie ins Bureau ging. Aber keiner dieser Versuche gelang. Dann schrieb er ihr einen Brief sowohl ins Bureau als auch in die Wohnung, suchte darin nochmals sein Verhalten zu rechtfertigen, bot sich zu jeder Genugtuung an, versprach, niemals die Grenzen zu ?berschreiten, die sie ihm setzen w?rde und bat nur, ihm die M?glichkeit zu geben, einmal mit ihr zu sprechen, besonders da er auch bei Frau Grubach nichts veranlassen k?nne, solange er sich nicht vorher mit ihr beraten habe, schliesslich teilte er ihr mit, dass er den n?chsten Sonntag w?hrend des ganzen Tages in seinem Zimmer auf ein Zeichen von ihr warten werde, das ihm die Erf?llung seiner Bitte in Aussicht stelle oder das ihm wenigstens erkl?ren solle, warum sie die Bitte nicht erf?llen k?nne, trotzdem er doch versprochen habe, sich in allem ihr zu f?gen. Die Briefe kamen nicht zur?ck, aber es erfolgte auch keine Antwort. Dagegen gab es Sonntag ein Zeichen, dessen Deutlichkeit gen?gend war. Gleich fr?h bemerkte K. durch das Schl?sselloch eine besondere Bewegung im Vorzimmer, die sich bald aufkl?rte. Eine Lehrerin des Franz?sischen, sie war ?brigens eine Deutsche und hiess Montag, ein schwaches blasses, ein wenig hinkendes M?dchen, das bisher ein eigenes Zimmer bewohnt hatte, ?bersiedelte in das Zimmer des Fr?ulein B?rstner. Stundenlang sah man sie durch das Vorzimmer schl?rfen. Immer war noch ein W?schest?ck oder ein Deckchen oder ein Buch vergessen, das besonders geholt und in die neue Wohnung hin?bergetragen werden musste.

Als Frau Grubach K. das Fr?hst?ck brachte -- sie ?berliess, seitdem sie K. so erz?rnt hatte, auch nicht die geringste Bedienung dem Dienstm?dchen -- konnte sich K. nicht zur?ckhalten, sie zum erstenmal anzusprechen. ,,Warum ist denn heute ein solcher L?rm im Vorzimmer?" fragte er, w?hrend er den Kaffee eingoss, ,,k?nnte das nicht eingestellt werden? Muss gerade am Sonntag aufger?umt werden?" Trotzdem K. nicht zu Frau Grubach aufsah, bemerkte er doch, dass sie wie erleichtert aufatmete. Selbst diese strengen Fragen K.s fasste sie als Verzeihung oder als Beginn der Verzeihung auf. ,,Es wird nicht aufger?umt, Herr K.," sagte sie, ,,Fr?ulein Montag ?bersiedelt nur zu Fr?ulein B?rstner und schafft ihre Sachen hin?ber." Sie sagte nichts weiter, sondern wartete, wie K. es aufnehmen und ob er ihr gestatten w?rde, weiter zu reden. K. stellte sie aber auf die Probe, r?hrte nachdenklich den Kaffee mit dem L?ffel und schwieg. Dann sah er zu ihr auf und sagte: ,,Haben Sie schon Ihren fr?hern Verdacht wegen Fr?ulein B?rstner aufgegeben." ,,Herr K.," rief Frau Grubach, die nur auf diese Frage gewartet hatte und hielt K. ihre gefalteten H?nde hin. ,,Sie haben eine gelegentliche Bemerkung letzthin so schwer genommen. Ich habe ja nicht im entferntesten daran gedacht, Sie oder irgend jemand zu kr?nken. Sie kennen mich doch schon lange genug, Herr K., um davon ?berzeugt sein zu k?nnen. Sie wissen gar nicht, wie ich die letzten Tage gelitten habe! Ich sollte meine Mieter verleumden! Und Sie, Herr K., glaubten es! Und sagten, ich solle Ihnen k?ndigen! Ihnen k?ndigen!" Der letzte Ausruf erstickte schon unter Tr?nen, sie hob die Sch?rze zum Gesicht und schluchzte laut.

,,Weinen Sie doch nicht, Frau Grubach," sagte K. und sah zum Fenster hinaus, er dachte nur an Fr?ulein B?rstner und daran, dass sie ein fremdes M?dchen in ihr Zimmer aufgenommen hatte. ,,Weinen Sie doch nicht," sagte er nochmals, als er sich ins Zimmer zur?ckwandte und Frau Grubach noch immer weinte. ,,Es war ja damals auch von mir nicht so schlimm gemeint. Wir haben eben einander gegenseitig missverstanden. Das kann auch alten Freunden einmal geschehn." Frau Grubach r?ckte die Sch?rze unter die Augen, um zu sehn, ob K. wirklich vers?hnt sei. ,,Nun ja, es ist so," sagte K. und wagte nun, da nach dem Verhalten der Frau Grubach zu schliessen, der Hauptmann nichts verraten hatte, noch hinzuzuf?gen: ,,Glauben Sie denn wirklich, dass ich mich wegen eines fremden M?dchens mit Ihnen verfeinden k?nnte." ,,Das ist es ja eben, Herr K.," sagte Frau Grubach, es war ihr Ungl?ck, dass sie, sobald sie sich nur irgendwie freier f?hlte, gleich etwas Ungeschicktes sagte. ,,Ich fragte mich immerfort: Warum nimmt sich Herr K. so sehr des Fr?ulein B?rstner an? Warum zankt er ihretwegen mit mir, trotzdem er weiss, dass mir jedes b?se Wort von ihm den Schlaf nimmt? Ich habe ja ?ber das Fr?ulein nichts anderes gesagt, als was ich mit eigenen Augen gesehen habe." K. sagte dazu nichts, er h?tte sie mit dem ersten Wort aus dem Zimmer jagen m?ssen und das wollte er nicht. Er begn?gte sich damit, den Kaffee zu trinken und Frau Grubach ihre ?berfl?ssigkeit f?hlen zu lassen. Draussen h?rte man wieder den schleppenden Schritt des Fr?ulein Montag, welche das ganze Vorzimmer durchquerte. ,,H?ren Sie es?" fragte K. und zeigte mit der Hand nach der T?r. ,,Ja," sagte Frau Grubach und seufzte, ,,ich wollte ihr helfen und auch vom Dienstm?dchen helfen lassen, aber sie ist eigensinnig, sie will alles selbst ?bersiedeln. Ich wundere mich ?ber Fr?ulein B?rstner. Mir ist es oft l?stig, dass ich Fr?ulein Montag in Miete habe, Fr?ulein B?rstner aber nimmt sie sogar zu sich ins Zimmer." ,,Das muss Sie gar nicht k?mmern," sagte K. und zerdr?ckte die Zuckerreste in der Tasse. ,,Haben Sie denn dadurch einen Schaden?" ,,Nein," sagte Frau Grubach, ,,an und f?r sich ist es mir ganz willkommen, ich bekomme dadurch ein Zimmer frei und kann dort meinen Neffen, den Hauptmann, unterbringen. Ich f?rchtete schon l?ngst, dass er Sie in den letzten Tagen, w?hrend derer ich ihn nebenan im Wohnzimmer wohnen lassen musste, gest?rt haben k?nnte. Er nimmt nicht viel R?cksicht." ,,Was f?r Einf?lle!" sagte K. und stand auf, ,,davon ist ja keine Rede. Sie scheinen mich wohl f?r ?berempfindlich zu halten, weil ich diese Wanderungen des Fr?ulein Montag -- jetzt geht sie wieder zur?ck -- nicht vertragen kann." Frau Grubach kam sich recht machtlos vor. ,,Soll ich, Herr K., sagen, dass sie den restlichen Teil der ?bersiedelung aufschieben soll? Wenn Sie wollen, tue ich es sofort." ,,Aber sie soll doch zu Fr?ulein B?rstner ?bersiedeln!" sagte K. ,,Ja," sagte Frau Grubach, sie verstand nicht ganz, was K. meinte. ,,Nun also," sagte K., ,,dann muss sie doch ihre Sachen hin?bertragen." Frau Grubach nickte nur. Diese stumme Hilflosigkeit, die ?usserlich nicht anders aussah als Trotz, reizte K. noch mehr. Er fing an, im Zimmer vom Fenster zur T?r auf und ab zu gehn und nahm dadurch Frau Grubach die M?glichkeit, sich zu entfernen, was sie sonst wahrscheinlich getan h?tte.

Gerade war K. einmal wieder bis zur T?r gekommen, als es klopfte. Es war das Dienstm?dchen, welches meldete, dass Fr?ulein Montag gern mit Herrn K. ein paar Worte sprechen m?chte und dass sie ihn deshalb bitte, ins Esszimmer zu kommen, wo sie ihn erwarte. K. h?rte das Dienstm?dchen nachdenklich an, dann wandte er sich mit einem fast h?hnischen Blick nach der erschrockenen Frau Grubach um. Dieser Blick schien zu sagen, dass K. diese Einladung des Fr?ulein Montag schon l?ngst vorausgesehen habe und dass sie auch sehr gut mit der Qu?lerei zusammenpasse, die er diesen Sonntagvormittag von den Mietern der Frau Grubach erfahren musste. Er schickte das Dienstm?dchen zur?ck mit der Antwort, dass er sofort komme, ging dann zum Kleiderkasten, um den Rock zu wechseln und hatte als Antwort f?r Frau Grubach, welche leise ?ber die l?stige Person jammerte, nur die Bitte, sie m?ge das Fr?hst?cksgeschirr schon forttragen. ,,Sie haben ja fast nichts anger?hrt," sagte Frau Grubach. ,,Ach, tragen Sie es doch weg," rief K., es war ihm, als sei irgendwie allem Fr?ulein Montag beigemischt und mache es widerw?rtig.

Als er durch das Vorzimmer ging, sah er nach der geschlossenen T?r von Fr?ulein B?rstners Zimmer. Aber er war nicht dorthin eingeladen, sondern in das Esszimmer, dessen T?r er aufriss, ohne zu klopfen.

Es war ein sehr langes aber schmales einfenstriges Zimmer. Es war dort nur soviel Platz vorhanden, dass man in den Ecken an der T?rseite zwei Schr?nke schief hatte aufstellen k?nnen, w?hrend der ?brige Raum vollst?ndig von dem langen Speisetisch eingenommen war, der in der N?he der T?r begann und bis knapp zum grossen Fenster reichte, welches dadurch fast unzug?nglich geworden war. Der Tisch war bereits gedeckt, und zwar f?r viele Personen, da am Sonntag fast alle Mieter hier zu Mittag assen.

Als K. eintrat, kam Fr?ulein Montag vom Fenster her an der einen Seite des Tisches entlang K. entgegen. Sie gr?ssten einander stumm. Dann sagte Fr?ulein Montag, wie immer den Kopf ungew?hnlich aufgerichtet: ,,Ich weiss nicht, ob Sie mich kennen." K. sah sie mit zusammengezogenen Augen an. ,,Gewiss," sagte er, ,,Sie wohnen doch schon l?ngere Zeit bei Frau Grubach." ,,Sie k?mmern sich aber, wie ich glaube, nicht viel um die Pension," sagte Fr?ulein Montag. ,,Nein," sagte K. ,,Wollen Sie sich nicht setzen," sagte Fr?ulein Montag. Sie zogen beide schweigend zwei Sessel am ?ussersten Ende des Tisches hervor und setzten sich einander gegen?ber. Aber Fr?ulein Montag stand gleich wieder auf, denn sie hatte ihr Handt?schchen auf dem Fensterbrett liegengelassen und ging es holen; sie schleifte durch das ganze Zimmer. Als sie, das Handt?schchen leicht schwenkend, wieder zur?ckkam, sagte sie: ,,Ich m?chte nur im Auftrag meiner Freundin ein paar Worte mit Ihnen sprechen. Sie wollte selbst kommen, aber sie f?hlt sich heute ein wenig unwohl. Sie m?chten sie entschuldigen und mich statt ihrer anh?ren. Sie h?tte Ihnen auch nichts anderes sagen k?nnen, als ich Ihnen sagen werde. Im Gegenteil, ich glaube, ich kann Ihnen sogar mehr sagen, da ich doch verh?ltnism?ssig unbeteiligt bin. Glauben Sie nicht auch?"

,,Was w?re denn zu sagen?" antwortete K., der dessen m?de war, die Augen des Fr?ulein Montag fortw?hrend auf seine Lippe gerichtet zu sehn. Sie masste sich dadurch eine Herrschaft schon dar?ber an, was er erst sagen wollte. ,,Fr?ulein B?rstner will mir offenbar die pers?nliche Aussprache, um die ich sie gebeten habe, nicht bewilligen." ,,Das ist es," sagte Fr?ulein Montag, ,,oder vielmehr, so ist es gar nicht, Sie dr?cken es sonderbar scharf aus. Im allgemeinen werden doch Aussprachen weder bewilligt, noch geschieht das Gegenteil. Aber es kann geschehn, dass man Aussprachen f?r unn?tig h?lt und so ist es eben hier. Jetzt, nach Ihrer Bemerkung kann ich ja offen reden. Sie haben meine Freundin schriftlich oder m?ndlich um eine Unterredung gebeten. Nun weiss aber meine Freundin, so muss ich wenigstens annehmen, was diese Unterredung betreffen soll, und ist deshalb aus Gr?nden, die ich nicht kenne, ?berzeugt, dass es niemandem Nutzen bringen w?rde, wenn die Unterredung wirklich zustande k?me. Im ?brigen erz?hlte sie mir erst gestern und nur ganz fl?chtig davon, sie sagte hierbei, dass auch Ihnen jedenfalls nicht viel an der Unterredung liegen k?nne, denn Sie w?ren nur durch einen Zufall auf einen derartigen Gedanken gekommen und w?rden selbst auch ohne besondere Erkl?rung, wenn nicht schon jetzt, so doch sehr bald die Sinnlosigkeit des Ganzen erkennen. Ich antwortete darauf, dass das richtig sein mag, dass ich es aber zur vollst?ndigen Klarstellung doch f?r vorteilhaft halten w?rde, Ihnen eine ausdr?ckliche Antwort zukommen zu lassen. Ich bot mich an, diese Aufgabe zu ?bernehmen, nach einigem Z?gern gab meine Freundin mir nach. Ich hoffe nun aber auch in Ihrem Sinne gehandelt zu haben, denn selbst die kleinste Unsicherheit in der geringf?gigsten Sache ist doch immer qu?lend und wenn man sie, wie in diesem Falle, leicht beseitigen kann, so soll es doch besser sofort geschehn." ,,Ich danke Ihnen," sagte K. sofort, stand langsam auf, sah Fr?ulein Montag an, dann ?ber den Tisch hin, dann aus dem Fenster -- das gegen?berliegende Haus stand in der Sonne -- und ging zur T?r. Fr?ulein Montag folgte ihm ein paar Schritte, als vertraue sie ihm nicht ganz. Vor der T?r mussten aber beide zur?ckweichen, denn sie ?ffnete sich und der Hauptmann Lanz trat ein. K. sah ihn zum erstenmal aus der N?he. Es war ein grosser, etwa 40 j?hriger Mann mit braungebranntem fleischigen Gesicht. Er machte eine leichte Verbeugung, die auch K. galt, ging dann zu Fr?ulein Montag und k?sste ihr ehrerbietig die Hand. Er war sehr gewandt in seinen Bewegungen. Seine H?flichkeit gegen Fr?ulein Montag stach auffallend von der Behandlung ab, die sie von K. erfahren hatte. Trotzdem schien Fr?ulein Montag K. nicht b?se zu sein, denn sie wollte ihn sogar, wie K. zu bemerken glaubte, dem Hauptmann vorstellen. Aber K. wollte nicht vorgestellt werden, er w?re nicht imstande gewesen, weder dem Hauptmann noch Fr?ulein Montag gegen?ber irgendwie freundlich zu sein, der Handkuss hatte sie f?r ihn zu einer Gruppe verbunden, die ihn unter dem Anschein ?usserster Harmlosigkeit und Uneigenn?tzigkeit von Fr?ulein B?rstner abhalten wollte. K. glaubte jedoch nicht nur das zu erkennen, er erkannte auch, dass Fr?ulein Montag ein gutes, allerdings zweischneidiges Mittel gew?hlt hatte. Sie ?bertrieb die Bedeutung der Beziehung zwischen Fr?ulein B?rstner und K., sie ?bertrieb vor allem die Bedeutung der erbetenen Aussprache und versuchte es gleichzeitig so zu wenden, als ob es K. sei, der alles ?bertreibe. Sie sollte sich t?uschen, K. wollte nichts ?bertreiben, er wusste, dass Fr?ulein B?rstner ein kleines Schreibmaschinenfr?ulein war, die ihm nicht lange Widerstand leisten sollte. Hiebei zog er absichtlich gar nicht in Berechnung, was er von Frau Grubach ?ber Fr?ulein B?rstner erfahren hatte. Das alles ?berlegte er, w?hrend er kaum gr?ssend das Zimmer verliess. Er wollte gleich in sein Zimmer gehn, aber ein kleines Lachen des Fr?ulein Montag, das er hinter sich aus dem Esszimmer h?rte, brachte ihn auf den Gedanken, dass er vielleicht beiden, dem Hauptmann wie Fr?ulein Montag eine ?berraschung bereiten k?nnte. Er sah sich um und horchte, ob aus irgendeinem der umliegenden Zimmer eine St?rung zu erwarten w?re, es war ?berall still, nur die Unterhaltung aus dem Esszimmer war zu h?ren und aus dem Gang, der zur K?che f?hrte, die Stimme der Frau Grubach. Die Gelegenheit schien g?nstig, K. ging zur T?r von Fr?ulein B?rstners Zimmer und klopfte leise. Da sich nichts r?hrte, klopfte er nochmals, aber es erfolgte noch immer keine Antwort. Schlief sie? Oder war sie wirklich unwohl? Oder verleugnete sie sich nur deshalb, weil sie ahnte, dass es nur K, sein konnte, der so leise klopfte? K. nahm an, dass sie sich verleugne und klopfte st?rker, ?ffnete schliesslich, da das Klopfen keinen Erfolg hatte, vorsichtig und nicht ohne das Gef?hl, etwas Unrechtes und ?berdies Nutzloses zu tun, die T?r. Im Zimmer war niemand. Es erinnerte ?brigens kaum mehr an das Zimmer, wie es K. gekannt hatte. An der Wand waren nun zwei Betten hintereinander aufgestellt, drei Sessel in der N?he der T?r waren mit Kleidern und W?sche ?berh?uft, ein Schrank stand offen. Fr?ulein B?rstner war wahrscheinlich fortgegangen, w?hrend Fr?ulein Montag im Esszimmer auf K. eingeredet hatte. K. war dadurch nicht sehr best?rzt, er hatte kaum mehr erwartet, Fr?ulein B?rstner so leicht zu treffen, er hatte diesen Versuch fast nur aus Trotz gegen Fr?ulein Montag gemacht. Um so peinlicher war es ihm aber, als er, w?hrend er die T?r wieder schloss, in der offenen T?r des Esszimmers Fr?ulein Montag und den Hauptmann sich unterhalten sah. Sie standen dort vielleicht schon, seitdem K. die T?r ge?ffnet hatte, sie vermieden jeden Anschein, als ob sie K. etwa beobachteten, sie unterhielten sich leise und verfolgten K.s Bewegungen mit den Blicken nur so, wie man w?hrend eines Gespr?ches zerstreut umherblickt. Aber auf K. lagen diese Blicke doch schwer, er beeilte sich, an der Wand entlang in sein Zimmer zu kommen.

F?NFTES KAPITEL

DER PR?GLER

Als K. an einem der n?chsten Abende den Korridor passierte, der sein Bureau von der Haupttreppe trennte -- er ging diesmal fast als der letzte nach Hause, nur in der Expedition arbeiteten noch zwei Diener im kleinen Lichtfeld einer Gl?hlampe -- h?rte er hinter einer T?r, hinter der er immer nur eine Rumpelkammer vermutet hatte, ohne sie jemals selbst gesehen zu haben, Seufzer ausstossen. Er blieb erstaunt stehn und horchte noch einmal auf, um festzustellen, ob er sich nicht irrte -- es wurde ein Weilchen still, dann waren es aber doch wieder Seufzer. -- Zuerst wollte er einen der Diener holen, man konnte vielleicht einen Zeugen brauchen, dann aber fasste ihn eine derart unbez?hmbare Neugierde, dass er die T?r f?rmlich aufriss. Es war, wie er richtig vermutet hatte, eine Rumpelkammer. Unbrauchbare alte Drucksorten, umgeworfene leere irdene Tintenflaschen lagen hinter der Schwelle. In der Kammer selbst aber standen drei M?nner, geb?ckt in dem niedrigen Raum. Eine auf einem Regal festgemachte Kerze gab ihnen Licht. ,,Was treibt Ihr hier?" fragte K., sich vor Aufregung ?berst?rzend, aber nicht laut. Der eine Mann, der die andern offenbar beherrschte und zuerst den Blick auf sich lenkte, stak in einer Art dunklen Lederkleidung, die den Hals bis tief zur Brust und die ganzen Arme nackt liess. Er antwortete nicht. Aber die zwei andern riefen: ,,Herr! Wir sollen gepr?gelt werden, weil du dich beim Untersuchungsrichter ?ber uns beklagt hast." Und nun erst erkannte K., dass es wirklich die W?chter Franz und Willem waren, und dass der Dritte eine Rute in der Hand hielt, um sie zu pr?geln. ,,Nun," sagte K. und starrte sie an, ,,ich habe mich nicht beklagt, ich habe nur gesagt, wie es sich in meiner Wohnung zugetragen hat. Und einwandfrei habt Ihr Euch ja nicht benommen." ,,Herr," sagte Willem, w?hrend Franz sich hinter ihm vor dem Dritten offenbar zu sichern suchte, ,,wenn Ihr w?sstet, wie schlecht wir bezahlt sind, Ihr w?rdet besser ?ber uns urteilen. Ich habe eine Familie zu ern?hren und Franz hier wollte heiraten, man sucht sich zu bereichern, wie es geht, durch blosse Arbeit gelingt es nicht, selbst durch die angestrengteste. Eure feine W?sche hat mich verlockt, es ist nat?rlich den W?chtern verboten, so zu handeln, es war unrecht, aber Tradition ist es, dass die W?sche den W?chtern geh?rt, es ist immer so gewesen, glaubt es mir; es ist ja auch verst?ndlich, was bedeuten denn noch solche Dinge f?r den, welcher so ungl?cklich ist, verhaftet zu werden. Bringt er es dann allerdings ?ffentlich zur Sprache, dann muss die Strafe erfolgen." ,,Was Ihr jetzt sagt, wusste ich nicht, ich habe auch keineswegs Eure Bestrafung verlangt, mir ging es um ein Prinzip." ,,Franz," wandte sich Willem zum andern W?chter, ,,sagte ich dir nicht, dass der Herr unsere Bestrafung nicht verlangt hat. Jetzt h?rst du, dass er nicht einmal gewusst hat, dass wir bestraft werden m?ssen." ,,Lass dich nicht durch solche Reden r?hren," sagte der Dritte zu K., ,,die Strafe ist ebenso gerecht als unvermeidlich." ,,H?re nicht auf ihn," sagte Willem und unterbrach sich nur, um die Hand, ?ber die er einen Rutenhieb bekommen hatte, schnell an den Mund zu f?hren, ,,wir werden nur gestraft, weil du uns angezeigt hast. Sonst w?re uns nichts geschehn, selbst wenn man erfahren h?tte, was wir getan haben. Kann man das Gerechtigkeit nennen? Wir zwei, insbesondere aber ich, hatten uns als W?chter durch lange Zeit sehr bew?hrt -- du selbst musst eingestehn, dass wir, vom Gesichtspunkt der Beh?rde gesehn, gut gewacht haben -- wir hatten Aussicht, vorw?rts zu kommen und w?ren gewiss bald auch Pr?gler geworden, wie dieser, der eben das Gl?ck hatte, von niemandem angezeigt worden zu sein, denn eine solche Anzeige kommt wirklich nur sehr selten vor. Und jetzt, Herr, ist alles verloren, unsere Laufbahn beendet, wir werden noch viel untergeordnetere Arbeiten leisten m?ssen, als der Wachdienst ist, und ?berdies bekommen wir jetzt diese schrecklich schmerzhaften Pr?gel." ,,Kann denn die Rute solche Schmerzen machen," fragte K. und pr?fte die Rute, die der Pr?gler vor ihm schwang. ,,Wir werden uns ja ganz nackt ausziehn m?ssen," sagte Willem. ,,Ach so," sagte K. und sah den Pr?gler genau an, er war braun gebrannt wie ein Matrose und hatte ein wildes frisches Gesicht. ,,Gibt es keine M?glichkeit, den zweien die Pr?gel zu ersparen," fragte er ihn. ,,Nein," sagte der Pr?gler und sch?ttelte l?chelnd den Kopf. ,,Zieht Euch aus," befahl er den W?chtern. Und zu K. sagte er: ,,Du musst ihnen nicht alles glauben, sie sind durch die Angst vor den Pr?geln schon ein wenig schwachsinnig geworden. Was dieser hier z. B." -- zeigte auf Willem -- ,,?ber seine m?gliche Laufbahn erz?hlt hat, ist geradezu l?cherlich. Sieh an, wie fett er ist -- die ersten Rutenstreiche werden ?berhaupt im Fett verloren gehn. -- Weisst du, wodurch er so fett geworden ist? Er hat die Gewohnheit, allen Verhafteten das Fr?hst?ck aufzuessen. Hat er nicht auch dein Fr?hst?ck aufgegessen? Nun, ich sagte es ja. Aber ein Mann mit einem solchen Bauch kann nie und nimmermehr Pr?gler werden, das ist ganz ausgeschlossen." ,,Es gibt auch solche Pr?gler," behauptete Willem, der gerade seinen Hoseng?rtel l?ste. ,,Nein," sagte der Pr?gler und strich ihm mit der Rute derartig ?ber den Hals, dass er zusammenzuckte, ,,du sollst nicht zuh?ren, sondern dich ausziehn." ,,Ich w?rde dich gut belohnen, wenn du sie laufen l?sst," sagte K. und zog, ohne den Pr?gler nochmals anzusehn -- solche Gesch?fte werden beiderseits mit niedergeschlagenen Augen am besten abgewickelt -- seine Brieftasche hervor. ,,Du willst wohl dann auch mich anzeigen," sagte der Pr?gler, ,,und auch noch mir Pr?gel verschaffen. Nein, nein!" ,,Sei doch vern?nftig," sagte K., ,,wenn ich gewollt h?tte, dass diese zwei bestraft werden, w?rde ich sie doch jetzt nicht loskaufen wollen. Ich k?nnte einfach die T?r hier zuschlagen, nichts weiter sehn und h?ren wollen und nach Hause gehn; nun tue ich das aber nicht, vielmehr liegt mir ernstlich daran, sie zu befreien; h?tte ich geahnt, dass sie bestraft werden sollen oder auch nur bestraft werden k?nnen, h?tte ich ihre Namen nie genannt. Ich halte sie n?mlich gar nicht f?r schuldig, schuldig ist die Organisation, schuldig sind die hohen Beamten." ,,So ist es," riefen die W?chter und bekamen sofort einen Hieb ?ber ihren schon entkleideten R?cken. ,,H?ttest du hier unter deiner Rute einen hohen Richter," sagte K. und dr?ckte, w?hrend er sprach, die Rute, die sich schon wieder erheben wollte, nieder, ,,ich w?rde dich wahrhaftig nicht hindern, loszuschlagen, im Gegenteil, ich w?rde dir noch Geld geben, damit du dich f?r die gute Sache kr?ftigst." ,,Was du sagst, klingt ja glaubw?rdig," sagte der Pr?gler, ,,aber ich lasse mich nicht bestechen. Ich bin zum Pr?geln angestellt, also pr?gle ich." Der W?chter Franz, der vielleicht in Erwartung eines guten Ausgangs des Eingreifens von K. bisher ziemlich zur?ckhaltend gewesen war, trat jetzt nur noch mit den Hosen bekleidet zur T?r, hing sich niederkniend an K.s Arm und fl?sterte: ,,Wenn du f?r uns beide Schonung nicht durchsetzen kannst, so versuche wenigstens mich zu befreien. Willem ist ?lter als ich, in jeder Hinsicht weniger empfindlich, auch hat er schon einmal vor paar Jahren eine leichte Pr?gelstrafe bekommen, ich aber bin noch nicht entehrt und bin doch zu meiner Handlungsweise nur durch Willem gebracht worden, der im Guten und Schlechten mein Lehrer ist. Unten vor der Bank wartet meine arme Braut auf den Ausgang, ich sch?me mich ja so erb?rmlich." Er trocknete mit K.s Rock sein von Tr?nen ganz ?berlaufenes Gesicht. ,,Ich warte nicht mehr," sagte der Pr?gler, fasste die Rute mit beiden H?nden und hieb auf Franz ein, w?hrend Willem in einem Winkel kauerte und heimlich zusah, ohne eine Kopfwendung zu wagen. Da erhob sich der Schrei, den Franz ausstiess, ungeteilt und unver?nderlich, er schien nicht von einem Menschen, sondern von einem gemarterten Instrument zu stammen, der ganze Korridor st?hnte von ihm, das ganze Haus musste es h?ren. ,,Schrei nicht," rief K., er konnte sich nicht zur?ckhalten, und w?hrend er gespannt in die Richtung sah, aus der die Diener kommen mussten, stiess er den Franz, nicht stark aber doch stark genug, dass der Besinnungslose niederfiel und im Krampf mit den H?nden den Boden absuchte; den Schl?gen entging er aber nicht, die Rute fand ihn auch auf der Erde; w?hrend er sich unter ihr w?lzte, schwang sich ihre Spitze regelm?ssig auf und ab. Und schon erschien in der Ferne ein Diener und ein paar Schritte hinter ihm ein zweiter. K. hatte schnell die T?r zugeworfen, war zu einem nahen Hoffenster getreten und ?ffnete es. Das Schreien hatte vollst?ndig aufgeh?rt. Um die Diener nicht herankommen zu lassen, rief er: ,,Ich bin es." ,,Guten Abend, Herr Prokurist," rief es zur?ck. ,,Ist etwas geschehn?" ,,Nein, nein," antwortete K. ,,es schreit nur ein Hund auf dem Hof." Als die Diener sich doch nicht r?hrten, f?gte er hinzu: ,,Sie k?nnen bei Ihrer Arbeit bleiben." Um sich in kein Gespr?ch mit den Dienern einlassen zu m?ssen, beugte er sich aus dem Fenster. Als er nach einem Weilchen wieder in den Korridor sah, waren sie schon weg. K. aber blieb nun beim Fenster, in die Rumpelkammer wagte er nicht zu gehn und nach Hause gehn wollte er auch nicht. Es war ein kleiner viereckiger Hof, in den er hinuntersah, ringsherum waren Bureaur?ume untergebracht, alle Fenster waren jetzt schon dunkel, nur die obersten fingen einen Widerschein des Mondes auf. K. suchte angestrengt mit den Blicken in das Dunkel eines Hofwinkels einzudringen, in dem einige Handkarren ineinandergefahren waren. Es qu?lte ihn, dass es ihm nicht gelungen war, das Pr?geln zu verhindern, aber es war nicht seine Schuld, dass es nicht gelungen war, h?tte Franz nicht geschrien -- gewiss, es musste sehr weh getan haben, aber in einem entscheidenden Augenblick muss man sich beherrschen -- h?tte er nicht geschrien, so h?tte K., wenigstens sehr wahrscheinlich, noch ein Mittel gefunden, den Pr?gler zu ?berreden. Wenn die ganze unterste Beamtenschaft Gesindel war, warum h?tte gerade der Pr?gler, der das unmenschlichste Amt hatte, eine Ausnahme machen sollen. K. hatte auch gut beobachtet, wie ihm beim Anblick der Banknote die Augen geleuchtet hatten, er hatte mit dem Pr?geln offenbar nur deshalb Ernst gemacht, um die Bestechungssumme noch ein wenig zu erh?hen. Und K. h?tte nicht gespart, es lag ihm wirklich daran, die W?chter zu befreien; wenn er nun schon angefangen hatte, die Verderbnis dieses Gerichtswesens zu bek?mpfen, so war es selbstverst?ndlich, dass er auch von dieser Seite eingriff. Aber in dem Augenblick, wo Franz zu schreien angefangen hatte, war nat?rlich alles zu Ende. K. konnte nicht zulassen, dass die Diener und vielleicht noch alle m?glichen Leute k?men und ihn in Unterhandlungen mit der Gesellschaft in der Rumpelkammer ?berraschten. Diese Aufopferung konnte wirklich niemand von K. verlangen. Wenn er das zu tun beabsichtigt h?tte, so w?re es ja fast einfacher gewesen, K. h?tte sich selbst ausgezogen und dem Pr?gler als Ersatz f?r die W?chter angeboten. ?brigens h?tte der Pr?gler diese Vertretung gewiss nicht angenommen, da er dadurch, ohne einen Vorteil zu gewinnen, dennoch seine Pflicht schwer verletzt h?tte, und wahrscheinlich doppelt verletzt h?tte, denn K. musste wohl, solange er im Verfahren stand, f?r alle Angestellten des Gerichts unverletzlich sein. Allerdings konnten hier auch besondere Bestimmungen gelten. Jedenfalls hatte K. nichts anderes tun k?nnen, als die T?r zuschlagen, trotzdem dadurch auch jetzt noch f?r K. durchaus nicht jede Gefahr beseitigt blieb. Dass er zuletzt noch Franz einen Stoss gegeben hatte, war bedauerlich und nur durch seine Aufregung zu entschuldigen.

In der Ferne h?rte er die Schritte der Diener; um ihnen nicht auff?llig zu werden, schloss er das Fenster und ging in der Richtung zur Haupttreppe. Bei der T?r zur Rumpelkammer blieb er ein wenig stehn und horchte. Es war ganz still. Der Mann konnte die W?chter totgepr?gelt haben, sie waren ja ganz in seine Macht gegeben. K. hatte schon die Hand nach der Klinke ausgestreckt, zog sie dann aber wieder zur?ck. Helfen konnte er niemandem mehr und die Diener mussten gleich kommen; er gelobte sich aber, die Sache noch zur Sprache zu bringen und die wirklich Schuldigen, die hohen Beamten, von denen sich ihm noch keiner zu zeigen gewagt hatte, soweit es in seinen Kr?ften war, geb?hrend zu bestrafen. Als er die Freitreppe der Bank hinunterging, beobachtete er sorgf?ltig alle Passanten, aber selbst in der weitern Umgebung war kein M?dchen zu sehn, das auf jemanden gewartet h?tte. Die Bemerkung Franzens, dass seine Braut auf ihn warte, erwies sich als eine allerdings verzeihliche L?ge, die nur den Zweck gehabt hatte, gr?sseres Mitleid zu erwecken.

Auch noch am n?chsten Tage kamen K. die W?chter nicht aus dem Sinn; er war bei der Arbeit zerstreut und musste, um sie zu bew?ltigen, noch ein wenig l?nger im Bureau bleiben als am Tag vorher. Als er auf dem Nachhauseweg wieder an der Rumpelkammer vorbeikam, ?ffnete er sie aus Gewohnheit. Vor dem, was er statt des erwarteten Dunkels erblickte, wusste er sich nicht zu fassen. Alles war unver?ndert, so wie er es am Abend vorher beim ?ffnen der T?r gefunden hatte. Die Drucksorten und Tintenflaschen gleich hinter der Schwelle, der Pr?gler mit der Rute, die noch vollst?ndig angezogenen W?chter, die Kerze auf dem Regal und die W?chter begannen zu klagen und riefen: Herr! Sofort warf K. die T?r zu und schlug noch mit den F?usten gegen sie, als sei sie dann fester verschlossen. Fast weinend lief er zu den Dienern, die ruhig an den Kopiermaschinen arbeiteten und erstaunt in ihrer Arbeit innehielten. ,,R?umt doch endlich die Rumpelkammer aus," rief er. ,,Wir versinken ja im Schmutz." Die Diener waren bereit, es am n?chsten Tag zu tun, K. nickte, jetzt sp?t am Abend konnte er sie nicht mehr zu der Arbeit zwingen, wie er es eigentlich beabsichtigt hatte. Er setzte sich ein wenig, um die Diener ein Weilchen lang in der N?he zu behalten, warf einige Kopien durcheinander, wodurch er den Anschein zu erwecken glaubte, dass er sie ?berpr?fe, und ging dann, da er einsah, dass die Diener nicht wagen w?rden, gleichzeitig mit ihm wegzugehn, m?de und gedankenlos nach Hause.

SECHSTES KAPITEL

DER ONKEL ? LENI

Eines Nachmittags -- K. war gerade vor dem Postabschluss sehr besch?ftigt -- dr?ngte sich zwischen zwei Dienern, die Schriftst?cke hereintrugen, K.s Onkel Karl, ein kleiner Grundbesitzer vom Lande, ins Zimmer. K. erschrak bei dem Anblick weniger, als er schon vor l?ngerer Zeit bei der Vorstellung vom Kommen des Onkels erschrocken war. Der Onkel musste kommen, das stand bei K. schon etwa einen Monat lang fest. Schon damals hatte er ihn zu sehen geglaubt, wie er, ein wenig geb?ckt, den eingedr?ckten Panamahut in der Linken, die Rechte schon von weitem ihm entgegenstreckte und sie mit r?cksichtsloser Eile ?ber den Schreibtisch hinreichte, alles umstossend, was ihm im Wege war. Der Onkel befand sich immer in Eile, denn er war von dem ungl?cklichen Gedanken verfolgt, bei seinem immer nur eint?gigen Aufenthalt in der Hauptstadt m?sse er alles erledigen k?nnen, was er sich vorgenommen hatte, und d?rfe ?berdies auch kein gelegentlich sich darbietendes Gespr?ch oder Gesch?ft oder Vergn?gen sich entgehen lassen. Dabei musste ihm K., der ihm als seinem gewesenen Vormund besonders verpflichtet war, in allem m?glichen behilflich sein und ihn ausserdem bei sich ?bernachten lassen. ,,Das Gespenst vom Lande" pflegte er ihn zu nennen.

Gleich nach der Begr?ssung -- sich in das Fauteuil zu setzen, wozu ihn K. einlud, hatte er keine Zeit -- bat er K. um ein kurzes Gespr?ch unter vier Augen. ,,Es ist notwendig," sagte er, m?hselig schluckend, ,,zu meiner Beruhigung ist es notwendig." K. schickte sofort die Diener aus dem Zimmer mit der Weisung, niemand einzulassen. ,,Was habe ich geh?rt, Josef?" rief der Onkel, als sie allein waren, setzte sich auf den Tisch und stopfte ohne hinzusehn verschiedene Papiere unter sich, um besser zu sitzen. K. schwieg, er wusste, was kommen w?rde, aber, pl?tzlich von der anstrengenden Arbeit entspannt, wie er war, gab er sich zun?chst einer angenehmen Mattigkeit hin und sah durch das Fenster auf die gegen?berliegende Strassenseite, von der von seinem Sitz aus nur ein kleiner dreieckiger Ausschnitt zu sehen war, ein St?ck leerer H?usermauer, zwischen zwei Gesch?ftsauslagen. ,,Du schaust aus dem Fenster," rief der Onkel mit erhobenen Armen, ,,um Himmels willen, Josef, antworte mir doch. Ist es wahr, kann es denn wahr sein?" ,,Lieber Onkel," sagte K. und riss sich von seiner Zerstreutheit los, ,,ich weiss ja gar nicht, was du von mir willst." ,,Josef," sagte der Onkel warnend, ,,die Wahrheit hast du immer gesagt, soviel ich weiss. Soll ich deine letzten Worte als schlimmes Zeichen auffassen." ,,Ich ahne ja, was du willst," sagte K. folgsam, ,,du hast wahrscheinlich von meinem Prozess geh?rt." ,,So ist es," antwortete der Onkel, langsam nickend, ,,ich habe von deinem Prozess geh?rt." ,,Von wem denn?" fragte K. ,,Erna hat es mir geschrieben," sagte der Onkel, ,,sie hat ja keinen Verkehr mit dir, du k?mmerst dich leider nicht viel um sie, trotzdem hat sie es erfahren. Heute habe ich den Brief bekommen und bin nat?rlich sofort hergefahren. Aus keinem andern Grund, aber es scheint ein gen?gender Grund zu sein. Ich kann dir die Briefstelle, die dich betrifft, vorlesen." Er zog den Brief aus der Brieftasche. ,,Hier ist es. Sie schreibt: Josef habe ich schon lange nicht gesehn, vorige Woche war ich einmal in der Bank, aber Josef war so besch?ftigt, dass ich nicht vorgelassen wurde; ich habe fast eine Stunde gewartet, musste dann aber nach Hause, weil ich Klavierstunde hatte. Ich h?tte gern mit ihm gesprochen, vielleicht wird sich n?chstens eine Gelegenheit finden. Zu meinem Namenstag hat er mir eine grosse Schachtel Schokolade geschickt, es war sehr lieb und aufmerksam. Ich hatte vergessen, es Euch damals zu schreiben, erst jetzt, da Ihr mich fragt, erinnere ich mich daran. Schokolade, m?sst Ihr wissen, verschwindet n?mlich in der Pension sofort, kaum ist man zum Bewusstsein dessen gekommen, dass man mit Schokolade beschenkt worden ist, ist sie auch schon weg. Aber was Josef betrifft, wollte ich Euch noch etwas sagen. Wie erw?hnt, wurde ich in der Bank nicht zu ihm vorgelassen, weil er gerade mit einem Herrn verhandelte. Nachdem ich eine Zeitlang ruhig gewartet hatte, fragte ich einen Diener, ob die Verhandlung noch lange dauern werde. Er sagte, das d?rfte wohl sein, denn es handle sich wahrscheinlich um den Prozess, der gegen den Herrn Prokuristen gef?hrt werde. Ich fragte, was denn das f?r ein Prozess sei, ob er sich nicht irre, er aber sagte, er irre sich nicht, es sei ein Prozess, und zwar ein schwerer Prozess, mehr aber wisse er nicht. Er selbst m?chte dem Herrn Prokuristen gerne helfen, denn dieser sei ein guter und gerechter Herr, aber er wisse nicht, wie er es anfangen sollte, und er m?chte nur w?nschen, dass sich einflussreiche Herren seiner annehmen w?rden. Dies werde auch sicher geschehn und es werde schliesslich ein gutes Ende nehmen, vorl?ufig aber stehe es, wie er aus der Laune des Herrn Prokuristen entnehmen k?nne, gar nicht gut. Ich legte diesen Reden nat?rlich nicht viel Bedeutung bei, suchte auch den einf?ltigen Diener zu beruhigen, verbot ihm, andern gegen?ber davon zu sprechen und halte das Ganze f?r ein Geschw?tz. Trotzdem w?re es vielleicht gut, wenn Du, liebster Vater, bei Deinem n?chsten Besuch der Sache nachgehn wolltest, es wird Dir leicht sein, Genaueres zu erfahren und wenn es wirklich n?tig sein sollte, durch Deine grossen einflussreichen Bekanntschaften einzugreifen. Sollte es aber nicht n?tig sein, was ja das Wahrscheinlichste ist, so wird es wenigstens Deiner Tochter bald Gelegenheit geben, Dich zu umarmen, was sie freuen w?rde." ,,Ein gutes Kind," sagte der Onkel, als er die Vorlesung beendet hatte, und wischte einige Tr?nen aus den Augen fort. K. nickte, er hatte infolge der verschiedenen St?rungen der letzten Zeit Erna vollst?ndig vergessen, sogar ihren Geburtstag hatte er vergessen, und die Geschichte von der Schokolade war offenbar zu dem Zweck erfunden, um ihn vor Onkel und Tante in Schutz zu nehmen. Es war sehr r?hrend, und mit den Theaterkarten, die er ihr von jetzt ab regelm?ssig schicken wollte, gewiss nicht gen?gend belohnt, aber zu Besuchen in der Pension und zu Unterhaltungen mit einer kleinen 18 j?hrigen Gymnasiastin f?hlte er sich jetzt nicht geeignet. ,,Und was sagst du jetzt?" fragte der Onkel, der durch den Brief alle Eile und Aufregung vergessen hatte und ihn noch einmal zu lesen schien. ,,Ja, Onkel," sagte K., ,,es ist wahr." ,,Wahr?" rief der Onkel, ,,Was ist wahr? Wie kann es denn wahr sein? Was f?r ein Prozess? Doch nicht ein Strafprozess?" ,,Ein Strafprozess," antwortete K. ,,Und du sitzt ruhig hier und hast einen Strafprozess auf dem Halse?" rief der Onkel, der immer lauter wurde. ,,Je ruhiger ich bin, desto besser ist es f?r den Ausgang," sagte K. m?de. ,,F?rchte nichts." ,,Das kann mich nicht beruhigen," rief der Onkel, ,,Josef, lieber Josef, denke an dich, an deine Verwandten, an unsern guten Namen. Du warst bisher unsere Ehre, du darfst nicht unsere Schande werden. Deine Haltung," er sah K. mit schief geneigtem Kopfe an, ,,gef?llt mir nicht, so verh?lt sich kein unschuldig Angeklagter, der noch bei Kr?ften ist. Sag mir nur schnell, um was es sich handelt, damit ich dir helfen kann. Es handelt sich nat?rlich um die Bank?" ,,Nein," sagte K. und stand auf, ,,du sprichst aber zu laut, lieber Onkel, der Diener steht wahrscheinlich an der T?r und horcht. Das ist mir unangenehm. Wir wollen lieber weggehn. Ich werde dir dann alle Fragen so gut es geht beantworten. Ich weiss sehr gut, dass ich der Familie Rechenschaft schuldig bin." ,,Richtig," schrie der Onkel, ,,sehr richtig, beeile dich nur, Josef, beeile dich." ,,Ich muss nur noch einige Auftr?ge geben," sagte K. und berief telephonisch seinen Vertreter zu sich, der in wenigen Augenblicken eintrat. Der Onkel in seiner Aufregung zeigte ihm mit der Hand, dass K. ihn habe rufen lassen, woran auch sonst kein Zweifel gewesen w?re. K., der vor dem Schreibtisch stand, erkl?rte dem jungen Mann, der k?hl aber aufmerksam zuh?rte, mit leiser Stimme unter Zuhilfenahme verschiedener Schriftst?cke, was in seiner Abwesenheit heute noch erledigt werden m?sse. Der Onkel st?rte, indem er zuerst mit grossen Augen und nerv?sem Lippenbeissen dabeistand, ohne allerdings zuzuh?ren, aber der Anschein dessen war schon st?rend genug. Dann aber ging er im Zimmer auf und ab und blieb hie und da vor dem Fenster oder vor einem Bild stehen, wobei er immer in verschiedene Ausrufe ausbrach, wie: ,,Mir ist es vollst?ndig unbegreiflich" oder ,,Jetzt sagt mir nur, was soll denn daraus werden." Der junge Mann tat, als bemerke er nichts davon, h?rte ruhig K.s Auftr?ge bis zu Ende an, notierte sich auch einiges und ging, nachdem er sich vor K. wie auch vor dem Onkel verneigt hatte, der ihm aber gerade den R?cken zukehrte, aus dem Fenster sah und mit ausgestreckten H?nden die Vorh?nge zusammenkn?llte. Die T?r hatte sich noch kaum geschlossen, als der Onkel ausrief: ,,Endlich ist der Hampelmann weggegangen, jetzt k?nnen doch auch wir gehn. Endlich!" Es gab leider kein Mittel, den Onkel zu bewegen, in der Vorhalle, wo einige Beamte und Diener herumstanden und die gerade auch der Direktor-Stellvertreter kreuzte, die Fragen wegen des Prozesses zu unterlassen. ,,Also, Josef," begann der Onkel, w?hrend er die Verbeugungen der Umstehenden durch leichtes Salutieren beantwortete, ,,jetzt sag' mir offen, was es f?r ein Prozess ist." K. machte einige nichtssagende Bemerkungen, lachte auch ein wenig und erst auf der Treppe erkl?rte er dem Onkel, dass er vor den Leuten nicht habe offen reden wollen. ,,Richtig," sagte der Onkel, ,,aber jetzt rede." Mit geneigtem Kopf, eine Zigarre in kurzen, eiligen Z?gen rauchend, h?rte er zu. ,,Vor allem, Onkel," sagte K., ,,handelt es sich gar nicht um einen Prozess vor dem gew?hnlichen Gericht." ,,Das ist schlimm," sagte der Onkel. ,,Wie?" sagte K. und sah den Onkel an. ,,Dass das schlimm ist, meine ich," wiederholte der Onkel. Sie standen auf der Freitreppe, die zur Strasse f?hrte; da der Portier zu horchen schien, zog K. den Onkel hinunter; der lebhafte Strassenverkehr nahm sie auf. Der Onkel, der sich in K. eingeh?ngt hatte, fragte nicht mehr so dringend nach dem Prozess, sie gingen sogar eine Zeitlang schweigend weiter. ,,Wie ist es aber geschehn?" fragte endlich der Onkel, so pl?tzlich stehen bleibend, dass die hinter ihm gehenden Leute erschreckt auswichen. ,,Solche Dinge kommen doch nicht pl?tzlich, sie bereiten sich seit langem vor, es m?ssen Anzeichen gewesen sein, warum hast du mir nicht geschrieben. Du weisst, dass ich f?r dich alles tue, ich bin ja gewissermassen noch dein Vormund und war bis heute stolz darauf. Ich werde dir nat?rlich auch jetzt noch helfen, nur ist es jetzt, wenn der Prozess schon im Gange ist, sehr schwer. Am besten w?re es jedenfalls, wenn du dir jetzt einen kleinen Urlaub nimmst und zu uns aufs Land kommst. Du bist auch ein wenig abgemagert, jetzt merke ich es. Auf dem Land wirst du dich kr?ftigen, das wird gut sein, es stehen dir ja gewiss Anstrengungen bevor. Ausserdem aber wirst du dadurch dem Gericht gewissermassen entzogen sein. Hier haben sie alle m?glichen Machtmittel, die sie notwendigerweise automatisch auch dir gegen?ber anwenden; auf das Land m?ssten sie aber erst Organe delegieren oder nur brieflich, telegraphisch, telephonisch auf dich einzuwirken suchen. Das schw?cht nat?rlich die Wirkung ab, befreit dich zwar nicht, aber l?sst dich aufatmen." ,,Sie k?nnten mir ja verbieten, wegzufahren," sagte K., den die Rede des Onkels ein wenig in ihren Gedankengang gezogen hatte. ,,Ich glaube nicht, dass sie das tun werden," sagte der Onkel nachdenklich, ,,so gross ist der Verlust an Macht nicht, den sie durch deine Abreise erleiden." ,,Ich dachte," sagte K. und fasste den Onkel unterm Arm, um ihn am Stehenbleiben hindern zu k?nnen, ,,dass du dem Ganzen noch weniger Bedeutung beimessen w?rdest als ich, und jetzt nimmst du es selbst so schwer." ,,Josef," rief der Onkel und wollte sich ihm entwinden, um stehn bleiben zu k?nnen, aber K. liess ihn nicht, ,,du bist verwandelt, du hattest doch immer ein so richtiges Auffassungsverm?gen und gerade jetzt verl?sst es dich? Willst du denn den Prozess verlieren? Weisst du, was das bedeutet? Das bedeutet, dass du einfach gestrichen wirst. Und dass die ganze Verwandtschaft mitgerissen oder wenigstens bis auf den Boden gedem?tigt wird. Josef, nimm dich doch zusammen. Deine Gleichg?ltigkeit bringt mich um den Verstand. Wenn man dich ansieht, m?chte man fast dem Sprichwort glauben: ,,Einen solchen Prozess haben, heisst ihn schon verloren haben." ,,Lieber Onkel," sagte K., ,,die Aufregung ist so unn?tz, sie ist es auf deiner Seite und w?re es auch auf meiner. Mit Aufregung gewinnt man die Prozesse nicht, lass auch meine praktischen Erfahrungen ein wenig gelten, so wie ich deine, selbst wenn sie mich ?berraschen, immer und auch jetzt sehr achte. Da du sagst, dass auch die Familie durch den Prozess in Mitleidenschaft gezogen w?rde, -- was ich f?r meinen Teil durchaus nicht begreifen kann, das ist aber Nebensache -- so will ich dir gerne in allem folgen. Nur den Landaufenthalt halte ich selbst in deinem Sinn nicht f?r vorteilhaft, denn das w?rde Flucht und Schuldbewusstsein bedeuten. ?berdies bin ich hier zwar mehr verfolgt, kann aber auch selbst die Sache mehr betreiben." ,,Richtig," sagte der Onkel in einem Ton, als k?men sie jetzt endlich einander n?her, ,,ich machte den Vorschlag nur, weil ich, wenn du hier bliebst, die Sache von deiner Gleichg?ltigkeit gef?hrdet sah und es f?r besser hielt, wenn ich statt deiner f?r dich arbeitete. Willst du sie aber mit aller Kraft selbst betreiben, so ist es nat?rlich weit besser." ,,Darin w?ren wir also einig," sagte K. ,,Und hast du jetzt einen Vorschlag daf?r, was ich zun?chst machen soll?" ,,Ich muss mir nat?rlich die Sache noch ?berlegen," sagte der Onkel, ,,du musst bedenken, dass ich jetzt schon 20 Jahre fast ununterbrochen auf dem Lande bin, dabei l?sst der Sp?rsinn in diesen Richtungen nach. Verschiedene wichtige Verbindungen mit Pers?nlichkeiten, die sich hier vielleicht besser auskennen, haben sich von selbst gelockert. Ich bin auf dem Land ein wenig verlassen, das weisst du ja. Selbst merkt man es eigentlich erst bei solchen Gelegenheiten. Zum Teil kam mir deine Sache auch unerwartet, wenn ich auch merkw?rdigerweise nach Ernas Brief schon etwas derartiges ahnte und es heute bei deinem Anblick fast mit Bestimmtheit wusste. Aber das ist gleichg?ltig, das Wichtigste ist jetzt, keine Zeit zu verlieren." Schon w?hrend seiner Rede hatte er auf den Fussspitzen stehend einem Automobil gewinkt und zog jetzt, w?hrend er gleichzeitig dem Wagenlenker eine Adresse zurief, K. hinter sich in den Wagen. ,,Wir fahren jetzt zum Advokaten Huld," sagte er, ,,er war mein Schulkollege. Du kennst den Namen gewiss auch? Nicht? Das ist aber merkw?rdig. Er hat doch als Verteidiger und Armenadvokat einen bedeutenden Ruf. Ich aber habe besonders zu ihm als Menschen grosses Vertrauen." ,,Mir ist alles recht, was du unternimmst," sagte K., trotzdem ihn die eilige und dringliche Art, mit der der Onkel die Angelegenheit behandelte, Unbehagen verursachte. Es war nicht sehr erfreulich, als Angeklagter zu einem Armenadvokaten zu fahren. ,,Ich wusste nicht," sagte er, ,,dass man in einer solchen Sache auch einen Advokaten zuziehen k?nne." ,,Aber nat?rlich," sagte der Onkel, ,,das ist ja selbstverst?ndlich. Warum denn nicht? Und nun erz?hle mir, damit ich ?ber die Sache genau unterrichtet bin, alles, was bisher geschehen ist." K. begann sofort zu erz?hlen, ohne irgend etwas zu verschweigen, seine vollst?ndige Offenheit war der einzige Protest, den er sich gegen des Onkels Ansicht, der Prozess sei eine grosse Schande, erlauben konnte. Fr?ulein B?rstners Namen erw?hnte er nur einmal und fl?chtig, aber das beeintr?chtigte nicht die Offenheit, denn Fr?ulein B?rstner stand mit dem Prozess in keiner Verbindung. W?hrend er erz?hlte, sah er aus dem Fenster und beobachtete, wie sie sich gerade jener Vorstadt n?herten, in der die Gerichtskanzleien waren, er machte den Onkel darauf aufmerksam, der aber das Zusammentreffen nicht besonders auffallend fand. Der Wagen hielt vor einem dunklen Haus. Der Onkel l?utete gleich im Parterre bei der ersten T?r; w?hrend sie warteten, fletschte er l?chelnd seine grossen Z?hne und fl?sterte: ,,8 Uhr, eine ungew?hnliche Zeit f?r Parteienbesuche. Huld nimmt es mir aber nicht ?bel." Im Guckfenster der T?r erschienen zwei grosse schwarze Augen, sahen ein Weilchen die zwei G?ste an und verschwanden; die T?r ?ffnete sich aber nicht. Der Onkel und K. best?tigten einander gegenseitig die Tatsache, die zwei Augen gesehen zu haben. ,,Ein neues Stubenm?dchen, das sich vor Fremden f?rchtet," sagte der Onkel und klopfte nochmals. Wieder erschienen die Augen, man konnte sie jetzt fast f?r traurig halten, vielleicht war das aber auch nur eine T?uschung, hervorgerufen durch die offene Gasflamme, die nahe ?ber den K?pfen stark zischend brannte, aber wenig Licht gab. ,,?ffnen Sie," rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die T?r, ,,es sind Freunde des Herrn Advokaten." ,,Der Herr Advokat ist krank," fl?sterte es hinter ihnen. In einer T?r am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit ?usserst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens w?tend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: ,,Krank? Sie sagen, er ist krank?" und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. ,,Man hat schon ge?ffnet," sagte der Herr, zeigte auf die T?r des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die T?r war wirklich ge?ffnet worden, ein junges M?dchen -- K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgew?lzten Augen wieder -- stand in langer weisser Sch?rze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. ,,N?chstens ?ffnen Sie fr?her," sagte der Onkel statt einer Begr?ssung, w?hrend das M?dchen einen kleinen Knix machte. ,,Komm, Josef," sagte er dann zu K., der sich langsam an dem M?dchen vor?berschob. ,,Der Herr Advokat ist krank," sagte das M?dchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine T?r zueilte. K. staunte das M?dchen noch an, w?hrend es sich schon umgedreht hatte, um die Wohnungst?re wieder zu versperren, es hatte ein puppenf?rmig gerundetes Gesicht, nicht nur die bleichen Wangen und das Kinn verliefen rund, auch die Schl?fen und die Stirnr?nder. ,,Josef," rief der Onkel wieder und das M?dchen fragte er: ,,Es ist das Herzleiden?" ,,Ich glaube wohl," sagte das M?dchen, es hatte Zeit gefunden mit der Kerze voranzugehn und die Zimmert?r zu ?ffnen. In einem Winkel des Zimmers, wohin das Kerzenlicht noch nicht drang, erhob sich im Bett ein Gesicht mit langem Bart. ,,Leni, wer kommt denn," fragte der Advokat, der, durch die Kerze geblendet, die G?ste nicht erkannte. ,,Albert, dein alter Freund ist es," sagte der Onkel. ,,Ach Albert," sagte der Advokat und liess sich auf die Kissen zur?ckfallen, als bed?rfe es diesem Besuch gegen?ber keiner Verstellung. ,,Steht es wirklich so schlecht?" fragte der Onkel und setzte sich auf den Bettrand. ,,Ich glaube es nicht. Es ist ein Anfall deines Herzleidens und wird vor?bergehn wie die fr?hern." ,,M?glich," sagte der Advokat leise, ,,es ist aber ?rger, als es jemals gewesen ist. Ich atme schwer, schlafe gar nicht und verliere t?glich an Kraft." ,,So," sagte der Onkel und dr?ckte den Panamahut mit seiner grossen Hand fest aufs Knie. ,,Das sind schlechte Nachrichten. Hast du ?brigens die richtige Pflege? Es ist auch so traurig hier, so dunkel. Es ist schon lange her, seitdem ich zum letztenmal hier war, damals schien es mir freundlicher. Auch dein kleines Fr?ulein hier scheint nicht sehr lustig oder sie verstellt sich." Das M?dchen stand noch immer mit der Kerze nahe bei der T?r; soweit ihr unbestimmter Blick erkennen liess, sah sie eher K. an als den Onkel, selbst als dieser jetzt von ihr sprach. K. lehnte an einem Sessel, den er in die N?he des M?dchens geschoben hatte. ,,Wenn man so krank ist wie ich," sagte der Advokat, ,,muss man Ruhe haben. Mir ist es nicht traurig." Nach einer kleinen Pause f?gte er hinzu: ,,Und Leni pflegt mich gut, sie ist brav." Den Onkel konnte das aber nicht ?berzeugen, er war sichtlich gegen die Pflegerin voreingenommen und wenn er auch dem Kranken nichts entgegnete, so verfolgte er doch die Pflegerin mit strengen Blicken, als sie jetzt zum Bett hinging, die Kerze auf das Nachttischchen stellte, sich ?ber den Kranken hinbeugte und beim Ordnen der Kissen mit ihm fl?sterte. Er vergass fast die R?cksicht auf den Kranken, stand auf, ging hinter der Pflegerin hin und her, und K. h?tte es nicht gewundert, wenn er sie hinten an den R?cken erfasst und vom Bett fortgezogen h?tte. K. selbst sah allem ruhig zu, die Krankheit des Advokaten war ihm sogar nicht ganz unwillkommen, dem Eifer, den der Onkel f?r seine Sache entwickelt hatte, hatte er sich nicht entgegenstellen k?nnen, die Ablenkung, die dieser Eifer jetzt ohne sein Zutun erfuhr, nahm er gerne hin. Da sagte der Onkel, vielleicht nur in der Absicht, die Pflegerin zu beleidigen: ,,Fr?ulein, bitte, lassen Sie uns ein Weilchen allein, ich habe mit meinem Freund eine pers?nliche Angelegenheit zu besprechen." Die Pflegerin, die noch weit ?ber den Kranken hingebeugt war und gerade das Leintuch an der Wand gl?ttete, wendete nur den Kopf und sagte sehr ruhig, was einen auffallenden Unterschied zu den vor Wut stockenden und dann wieder ?berfliessenden Reden des Onkels bildete: ,,Sie sehen, der Herr ist so krank, er kann keine Angelegenheiten besprechen." Sie hatte die Worte des Onkels wahrscheinlich nur aus Bequemlichkeit wiederholt, immerhin konnte es selbst von einem Unbeteiligten als sp?ttisch aufgefasst werden, der Onkel aber fuhr nat?rlich wie ein Gestochener auf. ,,Du Verdammte," sagte er im ersten Gurgeln der Aufregung noch ziemlich unverst?ndlich, K. erschrak, trotzdem er etwas ?hnliches erwartet hatte, und lief auf den Onkel zu, mit der bestimmten Absicht, ihm mit beiden H?nden den Mund zu schliessen. Gl?cklicherweise erhob sich aber hinter dem M?dchen der Kranke, der Onkel machte ein finsteres Gesicht, als schlucke er etwas Abscheuliches hinunter, und sagte dann ruhiger: ,,Wir haben nat?rlich auch noch den Verstand nicht verloren; w?re das, was ich verlange, nicht m?glich, w?rde ich es nicht verlangen. Bitte gehn Sie jetzt." Die Pflegerin stand aufgerichtet am Bett dem Onkel voll zugewendet, mit der einen Hand streichelte sie, wie K. zu bemerken glaubte, die Hand des Advokaten. ,,Du kannst vor Leni alles sagen," sagte der Kranke zweifellos im Ton einer dringenden Bitte. ,,Es betrifft nicht mich," sagte der Onkel, ,,es ist nicht mein Geheimnis." Und er drehte sich um, als gedenke er in keine Verhandlungen mehr einzugehn, gebe aber noch eine kleine Bedenkzeit. ,,Wen betrifft es denn?" fragte der Advokat mit erl?schender Stimme und legte sich wieder zur?ck. ,,Meinen Neffen," sagte der Onkel, ,,ich habe ihn auch mitgebracht." Und er stellte vor: Prokurist Josef K. ,,Oh," sagte der Kranke viel lebhafter und streckte K. die Hand entgegen, ,,verzeihen Sie, ich habe Sie gar nicht bemerkt. Geh, Leni," sagte er dann zu der Pflegerin, die sich auch gar nicht mehr wehrte, und reichte ihr die Hand, als gelte es einen Abschied f?r lange Zeit. ,,Du bist also," sagte er endlich zum Onkel, der vers?hnt n?hergetreten war, ,,nicht gekommen, mir einen Krankenbesuch zu machen, sondern du kommst in Gesch?ften." Es war, als h?tte die Vorstellung eines Krankenbesuches den Advokaten bisher gel?hmt, so gekr?ftigt sah er jetzt aus, blieb st?ndig auf einen Ellbogen aufgest?tzt, was ziemlich anstrengend sein musste, und zog immer wieder an einem Bartstrahn in der Mitte seines Bartes. ,,Du siehst schon viel ges?nder aus," sagte der Onkel, ,,seitdem diese Hexe draussen ist." Er unterbrach sich, fl?sterte: ,,Ich wette, dass sie horcht" und sprang zur T?r. Aber hinter der T?r war niemand, der Onkel kam zur?ck, nicht entt?uscht, denn ihr Nichthorchen erschien ihm als eine noch gr?ssere Bosheit, wohl aber verbittert. ,,Du verkennst sie," sagte der Advokat, ohne die Pflegerin weiter in Schutz zu nehmen; vielleicht wollte er damit ausdr?cken, dass sie nicht schutzbed?rftig sei. Aber in viel teilnehmenderem Tone fuhr er fort: ,,Was die Angelegenheit deines Herrn Neffen betrifft, so w?rde ich mich allerdings gl?cklich sch?tzen, wenn meine Kraft f?r diese ?usserst schwierige Aufgabe ausreichen k?nnte; ich f?rchte sehr, dass sie nicht ausreichen wird, jedenfalls will ich nichts unversucht lassen; wenn ich nicht ausreiche, k?nnte man ja noch jemanden andern beiziehen. Um aufrichtig zu sein, interessiert mich die Sache zu sehr, als dass ich es ?ber mich bringen k?nnte, auf jede Beteiligung zu verzichten. H?lt es mein Herz nicht aus, so wird es doch wenigstens hier eine w?rdige Gelegenheit finden, g?nzlich zu versagen." K. glaubte kein Wort dieser ganzen Rede zu verstehn, er sah den Onkel an, um doch eine Erkl?rung zu finden, aber dieser sass mit der Kerze in der Hand auf dem Nachttischchen, von dem bereits eine Arzneiflasche auf den Teppich gerollt war, nickte zu allem, was der Advokat sagte, war mit allem einverstanden und sah hie und da auf K. mit der Aufforderung zu gleichem Einverst?ndnis hin. Hatte vielleicht der Onkel schon fr?her dem Advokaten von dem Prozess erz?hlt? Aber das war unm?glich, alles was vorhergegangen war, sprach dagegen. ,,Ich verstehe nicht" -- sagte er deshalb. ,,Ja, habe vielleicht ich Sie missverstanden?" fragte der Advokat ebenso erstaunt und verlegen wie K. ,,Ich war vielleicht voreilig. Wor?ber wollten Sie denn mit mir sprechen? Ich dachte, es handle sich um Ihren Prozess?" ,,Nat?rlich," sagte der Onkel und fragte dann K.: ,,Was willst du denn?" ,,Ja, aber woher wissen Sie denn etwas ?ber mich und meinen Prozess?" fragte K. ,,Ach so," sagte der Advokat l?chelnd, ,,ich bin doch Advokat, ich verkehre in Gerichtskreisen, man spricht ?ber verschiedene Prozesse und auffallendere, besonders wenn es den Neffen eines Freundes betrifft, beh?lt man im Ged?chtnis. Das ist doch nichts Merkw?rdiges." ,,Was willst du denn?" fragte der Onkel K. nochmals. ,,Du bist so unruhig." ,,Sie verkehren in diesen Gerichtskreisen," fragte K. ,,Ja," sagte der Advokat. ,,Du fragst wie ein Kind," sagte der Onkel. ,,Mit wem sollte ich denn verkehren, wenn nicht mit Leuten meines Faches?" f?gte der Advokat hinzu. Es klang so unwiderleglich, dass K. gar nicht antwortete. ,,Sie arbeiten doch bei dem Gericht im Justizpalast, und nicht bei dem auf dem Dachboden," hatte er sagen wollen, konnte sich aber nicht ?berwinden, es wirklich zu sagen. ,,Sie m?ssen doch bedenken," fuhr der Advokat fort, in einem Tone, als erkl?re er etwas Selbstverst?ndliches, ?berfl?ssigerweise und nebenbei, ,,Sie m?ssen doch bedenken, dass ich aus einem solchen Verkehr auch grosse Vorteile f?r meine Klientel ziehe, und zwar in vielfacher Hinsicht, man darf nicht einmal immer davon reden. Nat?rlich bin ich jetzt infolge meiner Krankheit ein wenig behindert, aber ich bekomme trotzdem Besuch von guten Freunden vom Gericht und erfahre doch einiges. Erfahre vielleicht mehr als manche, die in bester Gesundheit den ganzen Tag bei Gericht verbringen. So habe ich z. B. gerade jetzt einen lieben Besuch." Und er zeigte in eine dunkle Zimmerecke. ,,Wo denn?" fragte K. in der ersten ?berraschung fast grob. Er sah unsicher umher; das Licht der kleinen Kerze drang bei weitem nicht bis zur gegen?berliegenden Wand. Und wirklich begann sich dort in der Ecke etwas zu r?hren. Im Licht der Kerze, die der Onkel jetzt hochhielt, sah man dort bei einem kleinen Tischchen einen ?lteren Herrn sitzen. Er hatte wohl gar nicht geatmet, dass er solange unbemerkt geblieben war. Jetzt stand er umst?ndlich auf, offenbar unzufrieden damit, dass man auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Es war, als wolle er mit den H?nden, die er wie kurze Fl?gel bewegte, alle Vorstellungen und Begr?ssungen abwehren, als wolle er auf keinen Fall die andern durch seine Anwesenheit st?ren und als bitte er dringend wieder um die Versetzung ins Dunkel und um das Vergessen seiner Anwesenheit. Das konnte man ihm nun aber nicht mehr zugestehn. ,,Ihr habt uns n?mlich ?berrascht," sagte der Advokat zur Erkl?rung und winkte dabei dem Herrn aufmunternd zu, n?herzukommen, was dieser langsam, z?gernd, herumblickend und doch mit einer gewissen W?rde tat, ,,der Herr Kanzleidirektor -- ach so, Verzeihung, ich habe nicht vorgestellt -- hier mein Freund Albert K., hier sein Neffe Prokurist Josef K. und hier der Herr Kanzleidirektor -- der Herr Kanzleidirektor also war so freundlich, mich zu besuchen. Den Wert eines solchen Besuches kann eigentlich nur der Eingeweihte w?rdigen, welcher weiss, wie der liebe Kanzleidirektor mit Arbeit ?berh?uft ist. Nun, er kam aber trotzdem, wir unterhielten uns friedlich, soweit meine Schw?che es erlaubte, wir hatten zwar Leni nicht verboten, Besuche einzulassen, denn es waren keine zu erwarten, aber unsere Meinung war doch, dass wir allein bleiben sollten, dann aber kamen deine Fausthiebe, Albert, der Herr Kanzleidirektor r?ckte mit Sessel und Tisch in den Winkel, nun aber zeigt sich, dass wir m?glicherweise, d. h. wenn der Wunsch danach besteht, gemeinsame Angelegenheit zu besprechen haben und sehr gut wieder zusammenr?cken k?nnen. -- Herr Kanzleidirektor," sagte er mit Kopfneigen und unterw?rfigem L?cheln und zeigte auf einen Lehnstuhl in der N?he des Bettes. ,,Ich kann leider nur noch ein paar Minuten bleiben," sagte der Kanzleidirektor freundlich, setzte sich breit in den Lehnstuhl und sah auf die Uhr, ,,die Gesch?fte rufen mich. Jedenfalls will ich nicht die Gelegenheit vor?bergehen lassen, einen Freund meines Freundes kennenzulernen." Er neigte den Kopf leicht gegen den Onkel, der von der neuen Bekanntschaft sehr befriedigt schien, aber infolge seiner Natur Gef?hle der Ergebenheit nicht ausdr?cken konnte und die Worte des Kanzleidirektors mit verlegenem, aber lautem Lachen begleitete. Ein h?sslicher Anblick! K. konnte ruhig alles beobachten, denn um ihn k?mmerte sich niemand, der Kanzleidirektor nahm, wie es seine Gewohnheit schien, da er nun schon einmal hervorgezogen war, die Herrschaft ?ber das Gespr?ch an sich, der Advokat, dessen erste Schw?che vielleicht nur dazu hatte dienen sollen, den neuen Besuch zu vertreiben, h?rte aufmerksam, die Hand am Ohre, zu, der Onkel als Kerzentr?ger -- er balancierte die Kerze auf seinem Schenkel, der Advokat sah ?fters besorgt hin -- war bald frei von Verlegenheit und nur noch entz?ckt, sowohl von der Art der Rede des Kanzleidirektors, als auch von den sanften wellenf?rmigen Handbewegungen, mit denen er sie begleitete. K., der am Bettpfosten lehnte, wurde vom Kanzleidirektor vielleicht sogar mit Absicht vollst?ndig vernachl?ssigt und diente den alten Herren nur als Zuh?rer. ?brigens wusste er kaum, wovon die Rede war und dachte bald an die Pflegerin und an die schlechte Behandlung, die sie vom Onkel erfahren hatte, bald daran, ob er den Kanzleidirektor nicht schon einmal gesehn hatte, vielleicht sogar in der Versammlung bei seiner ersten Untersuchung. Wenn er sich vielleicht auch t?uschte, so h?tte sich doch der Kanzleidirektor den Versammlungsteilnehmern in der ersten Reihe, den alten Herren mit den sch?ttern B?rten, vorz?glich eingef?gt.

Da liess ein L?rm aus dem Vorzimmer wie von zerbrechendem Porzellan alle aufhorchen. ,,Ich will nachsehn, was geschehen ist," sagte K. und ging langsam hinaus, als gebe er den andern noch Gelegenheit, ihn zur?ckzuhalten. Kaum war er ins Vorzimmer getreten und wollte sich im Dunkel zurechtfinden, als sich auf die Hand, mit der er die T?r noch festhielt, eine kleine Hand legte, viel kleiner als K.s Hand und die T?r leise schloss. Es war die Pflegerin, die hier gewartet hatte. ,,Es ist nichts geschehn," fl?sterte sie, ,,ich habe nur einen Teller gegen die Mauer geworfen, um Sie herauszuholen." In seiner Befangenheit sagte K.: ,,Ich habe auch an Sie gedacht." ,,Desto besser," sagte die Pflegerin, ,,kommen Sie." Nach ein paar Schritten kamen sie zu einer T?r aus mattem Glas, welche die Pflegerin vor K. ?ffnete. ,,Treten Sie doch ein," sagte sie. Es war jedenfalls das Arbeitszimmer des Advokaten; soweit man im Mondlicht sehen konnte, das jetzt nur einen kleinen viereckigen Teil des Fussbodens an jedem der zwei grossen Fenster stark erhellte, war es mit schweren alten M?belst?cken ausgestattet. ,,Hierher," sagte die Pflegerin und zeigte auf eine dunkle Truhe mit holzgeschnitzter Lehne. Noch als er sich gesetzt hatte, sah sich K. im Zimmer um, es war ein hohes grosses Zimmer, die Kundschaft des Armenadvokaten musste sich hier verloren vorkommen. K. glaubte die kleinen Schritte zu sehn, mit denen die Besucher zu dem gewaltigen Schreibtisch vorr?ckten. Dann aber vergass er daran und hatte nur noch Augen f?r die Pflegerin, die ganz nahe neben ihm sass und ihn fast an die Seitenlehne dr?ckte. ,,Ich dachte," sagte sie, ,,Sie w?rden allein zu mir herauskommen, ohne dass ich Sie erst rufen m?sste. Es war doch merkw?rdig. Zuerst sahen Sie mich gleich beim Eintritt ununterbrochen an und dann liessen Sie mich warten. Nennen Sie mich ?brigens Leni," f?gte sie noch rasch und unvermittelt zu, als solle kein Augenblick dieser Aussprache vers?umt werden. ,,Gern," sagte K. ,,Was aber die Merkw?rdigkeit betrifft, Leni, so ist sie leicht zu erkl?ren. Erstens musste ich doch das Geschw?tz der alten Herren anh?ren und konnte nicht grundlos weglaufen, zweitens aber bin ich nicht frech, sondern eher sch?chtern und auch Sie, Leni, sahen wahrhaftig nicht so aus, als ob Sie in einem Sprung zu gewinnen w?ren." ,,Das ist es nicht," sagte Leni, legte den Arm ?ber die Lehne und sah K. an, ,,aber ich gefiel Ihnen nicht und gefalle Ihnen wahrscheinlich auch jetzt nicht." ,,Gefallen w?re ja nicht viel," sagte K. ausweichend. ,,Oh!" sagte sie l?chelnd und gewann durch K.s Bemerkung und diesen kleinen Ausruf eine gewisse ?berlegenheit. Deshalb schwieg K. ein Weilchen. Da er sich an das Dunkel im Zimmer schon gew?hnt hatte, konnte er verschiedene Einzelheiten der Einrichtung unterscheiden. Besonders fiel ihm ein grosses Bild auf, das rechts von der T?r hing, er beugte sich vor, um es besser zu sehn. Es stellte einen Mann im Richtertalar dar; er sass auf einem hohen Thronsessel, dessen Vergoldung vielfach aus dem Bilde hervorstach. Das Ungew?hnliche war, dass dieser Richter nicht in Ruhe und W?rde dort sass, sondern den linken Arm fest an R?cken- und Seitenlehne dr?ckte, den rechten Arm aber v?llig frei hatte und nur mit der Hand die Seitenlehne umfasste, als wolle er im n?chsten Augenblick mit einer heftigen und vielleicht emp?rten Wendung aufspringen, um etwas Entscheidendes zu sagen oder gar das Urteil zu verk?nden. Der Angeklagte war wohl zu F?ssen der Treppe zu denken, deren oberste, mit einem gelben Teppich bedeckte Stufen noch auf dem Bilde zu sehen waren. ,,Vielleicht ist das mein Richter," sagte K. und zeigte mit einem Finger auf das Bild. ,,Ich kenne ihn," sagte Leni und sah auch zum Bilde auf, ,,er kommt ?fters hierher. Das Bild stammt aus seiner Jugend, er kann aber niemals dem Bilde auch nur ?hnlich gewesen sein, denn er ist fast winzig klein. Trotzdem hat er sich auf dem Bild so in die L?nge ziehen lassen, denn er ist unsinnig eitel, wie alle hier. Aber auch ich bin eitel und sehr unzufrieden damit, dass ich Ihnen gar nicht gefalle." Auf die letzte Bemerkung antwortete K. nur damit, dass er Leni umfasste und an sich zog, sie lehnte still den Kopf an seine Schulter. Zu dem ?brigen aber sagte er: ,,Was f?r einen Rang hat er?" ,,Er ist Untersuchungsrichter," sagte sie, ergriff K.s Hand, mit der er sie umfasst hielt, und spielte mit seinen Fingern. ,,Wieder nur Untersuchungsricher," sagte K. entt?uscht, ,,die hohen Beamten verstecken sich. Aber er sitzt doch auf einem Thronsessel." ,,Das ist alles Erfindung," sagte Leni, das Gesicht ?ber K.s Hand gebeugt, ,,in Wirklichkeit sitzt er auf einem K?chensessel, auf dem eine alte Pferdedecke zusammengelegt ist. Aber m?ssen Sie denn immerfort an Ihren Prozess denken?" f?gte sie langsam hinzu. ,,Nein, durchaus nicht," sagte K., ,,ich denke wahrscheinlich sogar zu wenig an ihn." ,,Das ist nicht der Fehler, den Sie machen," sagte Leni, ,,Sie sind zu unnachgiebig, so habe ich es geh?rt." ,,Wer hat das gesagt?" fragte K., er f?hlte ihren K?rper an seiner Brust und sah auf ihr reiches dunkles fest gedrehtes Haar hinab. ,,Ich w?rde zuviel verraten, wenn ich das sagte," antwortete Leni. ,,Fragen Sie, bitte, nicht nach Namen, stellen Sie aber Ihren Fehler ab, seien Sie nicht mehr so unnachgiebig, gegen dieses Gericht kann man sich ja nicht wehren, man muss das Gest?ndnis machen. Machen Sie doch bei n?chster Gelegenheit das Gest?ndnis. Erst dann ist die M?glichkeit, zu entschl?pfen, gegeben, erst dann. Jedoch selbst das ist ohne fremde Hilfe nicht m?glich, wegen dieser Hilfe aber m?ssen Sie sich nicht ?ngstigen, die will ich Ihnen selbst leisten." ,,Sie verstehen viel von diesem Gericht und von den Betr?gereien, die hier n?tig sind," sagte K. und hob sie, da sie sich allzu stark an ihn dr?ngte, auf seinen Schoss. ,,So ist es gut," sagte sie und richtete sich auf seinem Schoss ein, indem sie den Rock gl?ttete und die Bluse zurechtzog. Dann hing sie sich mit beiden H?nden an seinen Hals, lehnte sich zur?ck und sah ihn lange an. ,,Und wenn ich das Gest?ndnis nicht mache, dann k?nnen Sie mir nicht helfen?" fragte K. versuchsweise. Ich werbe Helferinnen, dachte er fast verwundert, zuerst Fr?ulein B?rstner, dann die Frau des Gerichtsdieners und endlich diese kleine Pflegerin, die ein unbegreifliches Bed?rfnis nach mir zu haben scheint. Wie sie auf meinem Schoss sitzt, als sei es ihr einzig richtiger Platz! ,,Nein," antwortete Leni und sch?ttelte langsam den Kopf, ,,dann kann ich Ihnen nicht helfen. Aber Sie wollen ja meine Hilfe gar nicht, es liegt Ihnen nichts daran, Sie sind eigensinnig und lassen sich nicht ?berzeugen." ,,Haben Sie eine Geliebte?" fragte sie nach einem Weilchen. ,,Nein," sagte K. ,,O doch," sagte sie. ,,Ja, wirklich," sagte K., ,,denken Sie nur, ich habe sie verleugnet und trage doch sogar ihre Photographie bei mir." Auf ihre Bitten zeigte er ihr eine Photographie Elsas, zusammengekr?mmt auf seinem Schoss studierte sie das Bild. Es war eine Momentphotographie, Elsa war nach einem Wirbeltanz aufgenommen, wie sie ihn in dem Weinlokal gern tanzte, ihr Rock flog noch im Faltenwurf der Drehung um sie her, die H?nde hatte sie auf die festen H?ften gelegt und sah mit straffem Hals lachend zur Seite; wem ihr Lachen galt, konnte man aus dem Bild nicht erkennen. ,,Sie ist stark geschn?rt," sagte Leni und zeigte auf die Stelle, wo dies ihrer Meinung nach zu sehen war. ,,Sie gef?llt mir nicht, sie ist unbeholfen und roh. Vielleicht ist sie aber Ihnen gegen?ber sanft und freundlich, darauf k?nnte man nach dem Bilde schliessen. So grosse starke M?dchen wissen oft nichts anderes, als sanft und freundlich zu sein. W?rde sie sich aber f?r Sie opfern k?nnen?" ,,Nein," sagte K., ,,sie ist weder sanft und freundlich, noch w?rde sie sich f?r mich opfern k?nnen. Auch habe ich bisher weder das eine noch das andere von ihr verlangt. Ja, ich habe noch nicht einmal das Bild so genau angesehn wie Sie." ,,Es liegt Ihnen also gar nicht viel an ihr," sagte Leni, ,,sie ist also gar nicht Ihre Geliebte." ,,Doch," sagte K. ,,Ich nehme mein Wort nicht zur?ck." ,,Mag sie also jetzt Ihre Geliebte sein," sagte Leni, ,,Sie w?rden sie aber nicht sehr vermissen, wenn Sie sie verlieren oder f?r jemand andern, z. B. f?r mich, eintauschen w?rden." ,,Gewiss," sagte K. l?chelnd, ,,das w?re denkbar, aber sie hat einen grossen Vorteil Ihnen gegen?ber, sie weiss nichts von meinem Prozess, und selbst wenn sie etwas davon w?sste, w?rde sie nicht daran denken. Sie w?rde mich nicht zur Nachgiebigkeit zu ?berreden suchen." ,,Das ist kein Vorteil," sagte Leni. ,,Wenn sie keine sonstigen Vorteile hat, verliere ich nicht den Mut. Hat sie irgendeinen k?rperlichen Fehler?" ,,Einen k?rperlichen Fehler?" fragte K. ,,Ja," sagte Leni, ,,ich habe n?mlich einen solchen kleinen Fehler, sehen Sie." Sie spannte den Mittel- und Ringfinger ihrer rechten Hand auseinander, zwischen denen das Verbindungsh?utchen fast bis zum obersten Gelenk der kurzen Finger reichte. K. merkte im Dunkel nicht gleich, was sie ihm zeigen wollte, sie f?hrte deshalb seine Hand hin, damit er es abtaste. ,,Was f?r ein Naturspiel," sagte K. und f?gte, als er die ganze Hand ?berblickt hatte, hinzu. ,,Was f?r eine h?bsche Kralle!" Mit einer Art Stolz sah Leni zu, wie K. staunend immer wieder ihre zwei Finger auseinanderzog und zusammenlegte, bis er sie schliesslich fl?chtig k?sste und losliess. ,,Oh!" rief sie aber sofort, ,,Sie haben mich gek?sst!" Eilig, mit offenem Mund erkletterte sie mit den Knien seinen Schoss, K. sah fast best?rzt zu ihr auf, jetzt, da sie ihm so nahe war, ging ein bitterer anfeuernder Geruch wie von Pfeffer von ihr aus, sie nahm seinen Kopf an sich, beugte sich ?ber ihn hinweg und biss und k?sste seinen Hals, biss selbst in seine Haare. ,,Sie haben mich eingetauscht," rief sie von Zeit zu Zeit, ,,sehen Sie, nun haben Sie mich doch eingetauscht!" Da glitt ihr Knie aus, mit einem kleinen Schrei fiel sie fast auf den Teppich, K. umfasste sie, um sie noch zu halten, und wurde zu ihr hinabgezogen. ,,Jetzt geh?rst du mir," sagte sie.

,,Hier hast du den Hausschl?ssel, komm, wann du willst," waren ihre letzten Worte und ein zielloser Kuss traf ihn noch im Weggehn auf den R?cken. Als er aus dem Haustor trat, fiel ein leichter Regen, er wollte in die Mitte der Strasse gehn, um vielleicht Leni noch beim Fenster erblicken zu k?nnen, da st?rzte aus einem Automobil, das vor dem Hause wartete und das K. in seiner Zerstreutheit gar nicht bemerkt hatte, der Onkel, fasste ihn bei den Armen und stiess ihn gegen das Haustor, als wolle er ihn dort festnageln. ,,Junge," rief er, ,,wie konntest du nur das tun! Du hast deiner Sache, die auf gutem Wege war, schrecklich geschadet. Verkriechst dich mit einem kleinen schmutzigen Ding, das ?berdies offensichtlich die Geliebte des Advokaten ist, und bleibst stundenlang weg. Suchst nicht einmal einen Vorwand, verheimlichst nichts, nein, bist ganz offen, l?ufst zu ihr und bleibst bei ihr. Und unterdessen sitzen wir beisammen, der Onkel, der sich f?r dich abm?ht, der Advokat, der f?r dich gewonnen werden soll, der Kanzleidirektor vor allem, dieser grosse Herr, der deine Sache in ihrem jetzigen Stadium geradezu beherrscht. Wir wollen beraten, wie dir zu helfen w?re, ich muss den Advokaten vorsichtig behandeln, dieser wieder den Kanzleidirektor und du h?ttest doch allen Grund, mich wenigstens zu unterst?tzen. Statt dessen bleibst du fort. Schliesslich l?sst es sich nicht verheimlichen, nun, es sind h?fliche gewandte M?nner, sie sprechen nicht davon, sie schonen mich, schliesslich k?nnen aber auch sie sich nicht mehr ?berwinden und da sie von der Sache nicht reden k?nnen, verstummen sie. Wir sind minutenlang schweigend dagesessen und haben gehorcht, ob du nicht doch endlich k?mest. Alles vergebens. Endlich steht der Kanzleidirektor, der viel l?nger geblieben ist, als er urspr?nglich wollte, auf, verabschiedet sich, bedauert mich sichtlich, ohne mir helfen zu k?nnen, wartet in unbegreiflicher Liebensw?rdigkeit noch eine Zeitlang in der T?r, dann geht er. Ich war nat?rlich gl?cklich, dass er weg war, mir war schon die Luft zum Atmen ausgegangen. Auf den kranken Advokaten hat alles noch st?rker eingewirkt, er konnte, der gute Mann, gar nicht sprechen, als ich mich von ihm verabschiedete. Du hast wahrscheinlich im seinem vollst?ndigen Zusammenbrechen beigetragen und beschleunigst so den Tod eines Mannes, auf den du angewiesen bist. Und mich, deinen Onkel, l?sst du hier im Regen, f?hle nur, ich bin ganz durchn?sst, stundenlang warten."

SIEBENTES KAPITEL

ADVOKAT ? FABRIKANT ? MALER

An einem Wintervormittag - draussen fiel Schnee im tr?ben Licht - sass K. trotz der fr?hen Stunde schon ?usserst m?de in seinem Bureau. Um sich wenigstens vor den untersten Beamten zu sch?tzen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer gr?ssern Arbeit besch?ftigt sei. Aber statt zu arbeiten, drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenst?nde auf dem Tisch, liess dann aber, ohne es zu wissen, den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen.

Der Gedanke an den Prozess verliess ihn nicht mehr. ?fters schon hatte er ?berlegt, ob es nicht gut w?re, eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Er wollte darin eine kurze Lebensbeschreibung vorlegen und bei jedem irgendwie wichtigen Ereignis erkl?ren, aus welchen Gr?nden er so gehandelt hatte, ob diese Handlungsweise nach seinem gegenw?rtigen Urteil zu verwerfen oder zu billigen war und welche Gr?nde er f?r dieses oder jenes anf?hren konnte. Die Vorteile einer solchen Verteidigungsschrift gegen?ber der blossen Verteidigung durch den ?brigens auch sonst nicht einwandfreien Advokaten waren zweifellos. K. wusste ja gar nicht, was der Advokat unternahm; viel war es jedenfalls nicht, schon einen Monat lang hatte er ihn nicht mehr zu sich berufen und auch bei keiner der fr?hern Besprechungen hatte K. den Eindruck gehabt, dass dieser Mann viel f?r ihn erreichen k?nne. Vor allem hatte er ihn fast gar nicht ausgefragt. Und hier war doch so viel zu fragen. Fragen war die Hauptsache. K. hatte das Gef?hl, als ob er selbst alle hier n?tigen Fragen stellen k?nnte. Der Advokat dagegen, statt zu fragen, erz?hlte selbst oder sass ihm stumm gegen?ber, beugte sich, wahrscheinlich wegen seines schwachen Geh?rs, ein wenig ?ber den Schreibtisch vor, zog an einem Bartstrahn innerhalb seines Bartes und blickte auf den Teppich nieder, vielleicht gerade auf die Stelle, wo K. mit Leni gelegen war. Hie und da gab er K. einige leere Ermahnungen, wie man sie Kindern gibt. Ebenso nutzlose wie langweilige Reden, die K. in der Schlussabrechnung mit keinem Heller zu bezahlen gedachte. Nachdem der Advokat ihn gen?gend gedem?tigt zu haben glaubte, fing er gew?hnlich an, ihn wieder ein wenig aufzumuntern. Er habe schon, erz?hlte er dann, viele ?hnliche Prozesse ganz oder teilweise gewonnen. Prozesse, die, wenn auch in Wirklichkeit vielleicht nicht so schwierig wie dieser, ?usserlich noch hoffnungsloser waren. Ein Verzeichnis dieser Prozesse habe er hier in der Schublade -- hiebei klopfte er an irgendeine Lade des Tisches --, die Schriften k?nne er leider nicht zeigen, da es sich um Amtsgeheimnisse handle. Trotzdem komme jetzt die grosse Erfahrung, die er durch alle diese Prozesse erworben habe, K. zugute. Er habe nat?rlich sofort zu arbeiten begonnen und die erste Eingabe sei schon fast fertiggestellt. Sie sei sehr wichtig, weil der erste Eindruck, den die Verteidigung mache, oft die ganze Richtung des Verfahrens bestimme. Leider, darauf m?sse er K. allerdings aufmerksam machen, geschehe es manchmal, dass die ersten Eingaben bei Gericht gar nicht gelesen w?rden. Man lege sie einfach zu den Akten und weise darauf hin, dass vorl?ufig die Einvernahme und Beobachtung des Angeklagten wichtiger sei, als alles Geschriebene. Man f?gt, wenn der Petent dringlich wird, hinzu, dass man vor der Entscheidung, bis alles Material gesammelt ist, im Zusammenhang nat?rlich alle Akten, also auch diese erste Eingabe, ?berpr?fen wird. Leider sei aber auch dies meistens nicht richtig, die erste Eingabe werde gew?hnlich verlegt oder gehe g?nzlich verloren und, selbst wenn sie bis zum Ende erhalten bleibt, werde sie, wie der Advokat allerdings nur ger?chtweise erfahren hat, kaum gelesen. Das alles sei bedauerlich, aber nicht ganz ohne Berechtigung. K. m?ge doch nicht ausser acht lassen, dass das Verfahren nicht ?ffentlich sei, es kann, wenn das Gericht es f?r n?tig h?lt, ?ffentlich werden, das Gesetz aber schreibt ?ffentlichkeit nicht vor. Infolgedessen sind auch die Schriften des Gerichts, vor allem die Anklageschrift dem Angeklagten und seiner Verteidigung unzug?nglich, man weiss daher im allgemeinen nicht oder wenigstens nicht genau, wogegen sich die erste Eingabe zu richten hat, sie kann daher eigentlich nur zuf?lligerweise etwas enthalten, was f?r die Sache von Bedeutung ist. Wirklich zutreffende und beweisf?hrende Eingaben kann man erst sp?ter ausarbeiten, wenn im Laufe der Einvernahmen des Angeklagten die einzelnen Anklagepunkte und ihre Begr?ndung deutlicher hervortreten oder erraten werden k?nnen. Unter diesen Verh?ltnissen ist nat?rlich die Verteidigung in einer sehr ung?nstigen und schwierigen Lage. Aber auch das ist beabsichtigt. Die Verteidigung ist n?mlich durch das Gesetz nicht eigentlich gestattet, sondern nur geduldet und selbst dar?ber, ob aus der betreffenden Gesetzesstelle wenigstens Duldung herausgelesen werden soll, besteht Streit. Es gibt daher strenggenommen gar keine vom Gericht anerkannten Advokaten, alle, die vor diesem Gericht als Advokaten auftreten, sind im Grunde nur Winkeladvokaten. Das wirkt nat?rlich auf den ganzen Stand sehr entw?rdigend ein und wenn K. n?chstens einmal in die Gerichtskanzleien gehen werde, k?nne er sich ja, um auch das einmal gesehen zu haben, das Advokatenzimmer ansehn. Er werde vor der Gesellschaft, die dort beisammen sei, vermutlich erschrecken. Schon die ihnen zugewiesene enge niedrige Kammer zeige die Verachtung, die das Gericht f?r diese Leute hat. Licht bekommt die Kammer nur durch eine kleine Luke, die so hochgelegen ist, dass man, wenn man hinausschauen will, wo einem ?brigens der Rauch eines knapp davor gelegenen Kamins in die Nase f?hrt und das Gesicht schw?rzt, erst einen Kollegen suchen muss, der einen auf den R?cken nimmt. Im Fussboden dieser Kammer -- um nur noch ein Beispiel f?r diese Zust?nde anzuf?hren -- ist nun schon seit mehr als einem Jahr ein Loch, nicht so gross, dass ein Mensch durchfallen k?nnte, aber gross genug, dass man mit einem Bein ganz einsinkt. Das Advokatenzimmer liegt auf dem zweiten Dachboden; sinkt also einer ein, so h?ngt sein Bein in den ersten Dachboden hinunter und zwar gerade in den Gang, wo die Parteien warten. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man in Advokatenkreisen solche Verh?ltnisse sch?ndlich nennt. Beschwerden an die Verwaltung haben nicht den geringsten Erfolg, wohl aber ist es den Advokaten auf das strengste verboten, irgend etwas in dem Zimmer auf eigene Kosten ?ndern zu lassen. Aber auch diese Behandlung der Advokaten hat ihre Begr?ndung. Man will die Verteidigung m?glichst ausschalten, alles soll auf den Angeklagten selbst gestellt sein. Kein schlechter Standpunkt im Grunde, nichts w?re aber verfehlter, als daraus zu folgern, dass bei diesem Gericht die Advokaten f?r den Angeklagten unn?tig sind. Im Gegenteil, bei keinem andern Gericht sind sie so notwendig wie bei diesem. Das Verfahren ist n?mlich im allgemeinen nicht nur vor der ?ffentlichkeit geheim, sondern auch vor dem Angeklagten. Nat?rlich nur soweit dies m?glich ist, es ist aber in sehr weitem Ausmass m?glich. Auch der Angeklagte hat n?mlich keinen Einblick in die Gerichtsschriften und aus den Verh?ren auf die ihnen zugrundeliegenden Schriften zu schliessen, ist sehr schwierig, insbesondere aber f?r den Angeklagten, der doch befangen ist und alle m?glichen Sorgen hat, die ihn zerstreuen. Hier greift nun die Verteidigung ein. Bei den Verh?ren d?rfen im allgemeinen Verteidiger nicht anwesend sein, sie m?ssen daher nach den Verh?ren und zwar m?glichst noch an der T?r des Untersuchungszimmers den Angeklagten ?ber das Verh?r ausforschen und diesen oft schon sehr verwischten Berichten das f?r die Verteidigung Taugliche entnehmen. Aber das Wichtigste ist dies nicht, denn viel kann man auf diese Weise nicht erfahren, wenn nat?rlich auch hier wie ?berall ein t?chtiger Mann mehr erf?hrt als andere. Das Wichtigste bleiben trotzdem die pers?nlichen Beziehungen des Advokaten, in ihnen liegt der Hauptwert der Verteidigung. Nun habe ja wohl K. schon aus seinen eigenen Erlebnissen entnommen, dass die allerunterste Organisation des Gerichtes nicht ganz vollkommen ist, pflichtvergessene und bestechliche Angestellte aufweist, wodurch gewissermassen die strenge Abschliessung des Gerichtes L?cken bekommt. Hier nun dr?ngt sich die Mehrzahl der Advokaten ein, hier wird bestochen und ausgehorcht, ja es kamen wenigstens in fr?herer Zeit sogar F?lle von Aktendiebst?hlen vor. Es ist nicht zu leugnen, dass auf diese Weise f?r den Augenblick einige sogar ?berraschend g?nstige Resultate f?r den Angeklagten sich erzielen lassen, damit stolzieren auch diese kleinen Advokaten herum und locken neue Kundschaft an, aber f?r den weitern Fortgang des Prozesses bedeutet es entweder nichts oder nichts Gutes. Wirklichen Wert aber haben nur ehrliche pers?nliche Beziehungen und zwar mit h?hern Beamten, womit nat?rlich nur h?here Beamten der untern Grade gemeint sind. Nur dadurch kann der Fortgang des Prozesses, wenn auch zun?chst nur unmerklich, sp?ter aber immer deutlicher beeinflusst werden. Das k?nnen nat?rlich nur wenige Advokaten und hier sei die Wahl K.s sehr g?nstig gewesen. Nur noch vielleicht ein oder zwei Advokaten k?nnten sich mit ?hnlichen Beziehungen ausweisen wie Dr. Huld. Diese k?mmern sich allerdings um die Gesellschaft im Advokatenzimmer nicht und haben auch nichts mit ihr zu tun. Um so enger sei aber die Verbindung mit den Gerichtsbeamten. Es sei nicht einmal immer n?tig, dass Dr. Huld zu Gericht gehe, in den Vorzimmern der Untersuchungsrichter auf ihr zuf?lliges Erscheinen warte, und je nach ihrer Laune einen meist nur scheinbaren Erfolg erziele oder auch nicht einmal diesen. Nein, K. habe es ja selbst gesehen, die Beamten und darunter recht hohe kommen selbst, geben bereitwillig Auskunft, offene oder wenigstens leicht deutbare, besprechen den n?chsten Fortgang der Prozesse, ja sie lassen sich sogar in einzelnen F?llen ?berzeugen und nehmen die fremde Ansicht gern an. Allerdings d?rfe man ihnen gerade in dieser letzten Hinsicht nicht allzusehr vertrauen, so bestimmt sie ihre neue, f?r die Verteidigung g?nstige Absicht, auch aussprechen, gehen sie doch vielleicht geradewegs in ihre Kanzlei und geben f?r den n?chsten Tag einen Gerichtsbeschluss heraus, der gerade das Entgegengesetzte enth?lt und vielleicht f?r den Angeklagten noch viel strenger ist, als ihre erste Absicht, von der sie g?nzlich abgekommen zu sein behaupteten. Dagegen k?nne man sich nat?rlich nicht wehren, denn das, was sie zwischen vier Augen gesagt haben, ist eben auch nur zwischen vier Augen gesagt und lasse keine ?ffentliche Folgerung zu, selbst wenn die Verteidigung nicht auch sonst bestrebt sein m?sste, sich die Gunst der Herren zu erhalten. Andererseits sei es allerdings auch richtig, dass die Herren nicht etwa nur aus Menschenliebe oder aus freundschaftlichen Gef?hlen sich mit der Verteidigung, nat?rlich nur mit einer sachverst?ndigen Verteidigung, in Verbindung setzen, sie sind vielmehr in gewisser Hinsicht auch auf sie angewiesen. Hier mache sich eben der Nachteil einer Gerichtsorganisation geltend, die selbst in ihren Anf?ngen den geheimen Bericht festsetzt. Den Beamten fehlt der Zusammenhang mit der Bev?lkerung, f?r die gew?hnlichen mittleren Prozesse sind sie gut ausger?stet, ein solcher Prozess rollt fast von selbst auf seiner Bahn ab und braucht nur hier und da einen Anstoss, gegen?ber den ganz einfachen F?llen aber, wie auch gegen?ber den besonders schwierigen, sind sie oft ratlos, sie haben, weil sie fortw?hrend Tag und Nacht in ihr Gesetz eingezw?ngt sind, nicht den richtigen Sinn f?r menschliche Beziehungen und das entbehren sie in solchen F?llen schwer. Dann kommen sie zum Advokaten um Rat und hinter ihnen tr?gt ein Diener die Akten, die sonst so geheim sind. An diesem Fenster h?tte man manche Herren, von denen man es am wenigsten erwarten w?rde, antreffen k?nnen wie sie geradezu trostlos auf die Gasse hinaussahen, w?hrend der Advokat an seinem Tisch die Akten studierte, um ihnen einen guten Rat geben zu k?nnen. ?brigens k?nne man gerade bei solchen Gelegenheiten sehn, wie ungemein ernst die Herren ihren Beruf nehmen und wie sie ?ber Hindernisse, die sie ihrer Natur nach nicht bew?ltigen k?nnen, in grosse Verzweiflung geraten. Ihre Stellung sei auch sonst nicht leicht und man d?rfe ihnen nicht Unrecht tun und ihre Stellung nicht f?r leicht ansehn. Die Rangordnung und die Steigerung des Gerichtes sei unendlich und selbst f?r den Eingeweihten nicht absehbar. Das Verfahren vor den Gerichtsh?fen sei aber im allgemeinen auch f?r die untern Beamten geheim, sie k?nnen daher die Angelegenheiten, die sie bearbeiten, in ihrem fernern Weitergang kaum jemals vollst?ndig verfolgen, die Gerichtssache erscheint also in ihrem Gerichtskreis, ohne dass sie oft wissen, woher sie kommt, und sie geht weiter, ohne dass sie erfahren, wohin. Die Belehrung also, die man aus dem Studium der einzelnen Prozessstadien, der schliesslichen Entscheidung und ihrer Gr?nde sch?pfen kann, entgeht diesen Beamten. Sie d?rfen sich nur mit jenem Teil des Prozesses befassen, der vom Gesetz f?r sie abgegrenzt ist und wissen von dem Weitern, also von den Ergebnissen ihrer eigenen Arbeit meist weniger als die Verteidigung, die doch in der Regel fast bis zum Schluss des Prozesses mit dem Angeklagten in Verbindung bleibt. Auch in dieser Richtung also k?nnen sie von der Verteidigung manches Wertvolle erfahren. Wundere sich K. noch, wenn er alles dieses im Auge behalte ?ber die Gereiztheit der Beamten, die sich manchmal den Parteien gegen?ber in -- jeder mache diese Erfahrung -- beleidigenderweise ?ussert. Alle Beamten seien gereizt, selbst wenn sie ruhig scheinen. Nat?rlich haben kleine Advokaten besonders viel darunter zu leiden. Man erz?hlt z. B. folgende Geschichte, die sehr den Anschein der Wahrheit hat. Ein alter Beamter, ein guter stiller Herr, hatte eine schwierige Gerichtssache, welche besonders durch die Eingaben des Advokaten verwickelt worden war, einen Tag und eine Nacht ununterbrochen studiert -- diese Beamten sind tats?chlich fleissig, wie niemand sonst. Gegen Morgen nun, nach 24st?ndiger, wahrscheinlich nicht sehr ergiebiger Arbeit ging er zur Eingangst?r, stellte sich dort in Hinterhalt und warf jeden Advokaten der eintreten wollte, die Treppe hinunter. Die Advokaten sammelten sich unten auf dem Treppenabsatz und berieten, was sie tun sollten; einerseits haben sie keinen eigentlichen Anspruch darauf, eingelassen zu werden, k?nnen daher rechtlich gegen den Beamten kaum etwas unternehmen und m?ssen sich, wie schon erw?hnt, auch h?ten, die Beamtenschaft gegen sich aufzubringen. Andererseits aber ist jeder nicht bei Gericht verbrachte Tag f?r sie verloren und es lag ihnen also viel daran einzudringen. Schliesslich einigten sie sich darauf, dass sie den alten Herren erm?den wollten. Immer wieder wurde ein Advokat ausgeschickt, der die Treppe hinauflief und sich dann unter m?glichstem, allerdings passivem Widerstand hinunterwerfen liess, wo er dann von den Kollegen aufgefangen wurde. Das dauerte etwa eine Stunde, dann wurde der alte Herr, er war ja auch von der Nachtarbeit schon ersch?pft, wirklich m?de und ging in seine Kanzlei zur?ck. Die unten wollten es erst gar nicht glauben und schickten zuerst einen aus, der hinter der T?r nachsehen sollte, ob dort wirklich leer war. Dann erst zogen sie ein und wagten wahrscheinlich nicht einmal zu murren. Denn den Advokaten -- und selbst der kleinste kann doch die Verh?ltnisse wenigstens zum Teil ?bersehn -- liegt es vollst?ndig ferne, bei Gericht irgendwelche Verbesserungen einf?hren oder durchsetzen zu wollen, w?hrend -- und dies ist sehr bezeichnend -- fast jeder Angeklagte, selbst ganz einf?ltige Leute, gleich beim allerersten Eintritt in den Prozess an Verbesserungsvorschl?ge zu denken anf?ngt und damit oft Zeit und Kraft verschwendet, die anders viel besser verwendet werden k?nnten. Das einzig Richtige sei es, sich mit den vorhandenen Verh?ltnissen abzufinden. Selbst wenn es m?glich w?re, Einzelheiten zu verbessern -- es ist aber ein unsinniger Aberglaube -- h?tte man bestenfalls f?r k?nftige F?lle etwas erreicht, sich selbst aber unermesslich dadurch geschadet, dass man die besondere Aufmerksamkeit der immer rachs?chtigen Beamtenschaft erregt hat. Nur keine Aufmerksamkeit erregen! Sich ruhig verhalten, selbst wenn es einem noch so sehr gegen den Sinn geht! Einzusehen versuchen, dass dieser grosse Gerichtsorganismus gewissermassen ewig in Schwebe bleibt und dass man zwar, wenn man auf seinem Platz selbst?ndig etwas ?ndert, den Boden unter den F?ssen sich wegnimmt und selbst abst?rzen kann, w?hrend der grosse Organismus sich selbst f?r die kleine St?rung leicht an einer andern Stelle -- alles ist doch in Verbindung -- Ersatz schafft und unver?ndert bleibt, wenn er nicht etwa, was sogar wahrscheinlich ist, noch geschlossener, noch aufmerksamer, noch strenger, noch b?ser wird. Man ?berlasse doch die Arbeit dem Advokaten, statt sie zu st?ren. Vorw?rfe n?tzen ja nicht viel, besonders wenn man ihre Ursache in ihrer ganzen Bedeutung nicht begreiflich machen kann, aber gesagt m?sse es doch werden, wie viel K. seiner Sache durch das Verhalten gegen?ber dem Kanzleidirektor geschadet habe. Dieser einflussreiche Mann sei aus der Liste jener, bei denen man f?r K. etwas unternehmen k?nne, schon fast zu streichen. Selbst fl?chtige Erw?hnungen des Prozesses ?berh?re er mit deutlicher Absicht. In manchem seien ja die Beamten wie Kinder. Oft k?nnen sie durch Harmlosigkeiten, unter die allerdings K.s Verhalten leider nicht geh?rte, derartig verletzt werden, dass sie selbst mit guten Freunden zu reden aufh?ren, sich von ihnen abwenden, wenn sie ihnen begegnen, und ihnen in allem m?glichen entgegenarbeiten. Dann aber einmal, ?berraschenderweise, ohne besondern Grund lassen sie sich durch einen kleinen Scherz, den man nur deshalb wagt, weil alles aussichtslos scheint, zum Lachen bringen und sind vers?hnt. Es sei eben gleichzeitig schwer und leicht, sich mit ihnen zu verhalten, Grunds?tze daf?r gibt es kaum. Manchmal sei es zum Verwundern, dass ein einziges Durchschnittsleben daf?r hinreiche, um soviel zu erfassen, dass man hier mit einigem Erfolg arbeiten k?nne. Es kommen allerdings tr?be Stunden, wie sie ja jeder hat, wo man glaubt, nicht das geringste erzielt zu haben, wo es einem scheint, als h?tten nur die von Anfang an f?r einen guten Ausgang bestimmten Prozesse ein gutes Ende genommen, wie es auch ohne Mithilfe geschehen w?re, w?hrend alle andern verlorengegangen sind, trotz alles Nebenherlaufens, aller M?he, aller kleinen scheinbaren Erfolge, ?ber die man solche Freude hatte. Dann scheint einem allerdings nichts mehr sicher und man w?rde auf bestimmte Fragen hin nicht einmal zu leugnen wagen, dass man ihrem Wesen nach gut verlaufende Prozesse gerade durch die Mithilfe auf Abwege gebracht hat. Auch das ist ja eine Art Selbstvertrauen, aber es ist das einzige, das dann ?brigbleibt. Solchen Anf?llen -- es sind nat?rlich nur Anf?lle, nichts weiter -- sind Advokaten besonders dann ausgesetzt, wenn ihnen ein Prozess, den sie weit genug und zufriedenstellend gef?hrt haben, pl?tzlich aus der Hand genommen wird. Das ist wohl das ?rgste, was einem Advokaten geschehen kann. Nicht etwa durch den Angeklagten wird ihnen der Prozess entzogen, das geschieht wohl niemals, ein Angeklagter, der einmal einen bestimmten Advokaten genommen hat, muss bei ihm bleiben, geschehe was immer. Wie k?nnte er sich ?berhaupt, wenn er einmal Hilfe in Anspruch genommen hat, allein noch erhalten. Das geschieht also nicht, wohl aber geschieht es manchmal, dass der Prozess eine Richtung nimmt, wo der Advokat nicht mehr mitkommen darf. Der Prozess und der Angeklagte und alles wird dem Advokaten einfach entzogen; dann k?nnen auch die besten Beziehungen zu den Beamten nicht mehr helfen, denn sie selbst wissen nichts. Der Prozess ist eben in ein Stadium getreten, wo keine Hilfe mehr geleistet werden darf, wo ihn unzug?ngliche Gerichtsh?fe bearbeiten, wo auch der Angeklagte f?r den Advokaten nicht mehr erreichbar ist. Man kommt dann eines Tages nach Hause und findet auf seinem Tisch alle die vielen Eingaben, die man mit allem Fleiss und mit den sch?nsten Hoffnungen in dieser Sache gemacht hat, sie sind zur?ckgestellt worden, da sie in das neue Prozessstadium nicht ?bertragen werden d?rfen, es sind wertlose Fetzen. Dabei muss der Prozess noch nicht verloren sein, durchaus nicht, wenigstens liegt kein entscheidender Grund f?r diese Annahme vor, man weiss bloss nichts mehr von dem Prozess und wird auch nichts mehr von ihm erfahren. Nun sind ja solche F?lle gl?cklicherweise Ausnahmen, und selbst wenn K.s Prozess ein solcher Fall sein sollte, sei er doch vorl?ufig noch weit von einem solchen Stadium entfernt. Hier sei aber noch reichliche Gelegenheit f?r Advokatenarbeit gegeben, und dass sie ausgenutzt werde, dessen d?rfe K. sicher sein. Die Eingabe sei, wie erw?hnt, noch nicht ?berreicht, das eile aber auch nicht, viel wichtiger seien die einleitenden Besprechungen mit massgebenden Beamten und die h?tten schon stattgefunden. Mit verschiedenem Erfolg, wie offen zugestanden werden soll. Es sei viel besser, vorl?ufig Einzelheiten nicht zu verraten, durch die K. nur ung?nstig beeinflusst und allzu hoffnungsfreudig oder allzu ?ngstlich gemacht werden k?nnte, nur soviel sei gesagt, dass sich einzelne sehr g?nstig ausgesprochen und sich auch sehr bereitwillig gezeigt haben, w?hrend andere sich weniger g?nstig ge?ussert, aber doch ihre Mithilfe keineswegs verweigert haben. Das Ergebnis sei also im ganzen sehr erfreulich, nur d?rfe man daraus keine besondern Schl?sse ziehen, da alle Vorverhandlungen ?hnlich beginnen und durchaus erst die weitere Entwicklung den Wert dieser Vorverhandlungen zeigt. Jedenfalls sei noch nichts verloren und wenn es noch gelingen sollte, den Kanzleidirektor trotz allem zu gewinnen -- es sei schon verschiedenes zu diesem Zwecke eingeleitet -- dann sei das Ganze --, wie die Chirurgen sagen, eine reine Wunde und man k?nne getrost das Folgende erwarten.

In solchen und ?hnlichen Reden war der Advokat unersch?pflich. Sie wiederholten sich bei jedem Besuch. Immer gab es Fortschritte, niemals aber konnte die Art dieser Fortschritte mitgeteilt werden. Immerfort wurde an der ersten Eingabe gearbeitet, aber sie wurde nicht fertig, was sich meistens beim n?chsten Besuch als gewisser Vorteil herausstellte, da die letzte Zeit, was man nicht hatte voraussehen k?nnen, f?r die ?bergabe sehr ung?nstig gewesen w?re. Bemerkte K. manchmal, ganz ermattet von den Reden, dass es doch selbst unter Ber?cksichtigung aller Schwierigkeiten, sehr langsam vorw?rtsgehe, wurde ihm entgegnet, es gehe gar nicht langsam vorw?rts, wohl aber w?re man schon viel weiter, wenn K. sich rechtzeitig an den Advokaten gewendet h?tte. Das hatte er aber leider vers?umt und diese Vers?umnis werde auch noch weitere Nachteile bringen, nicht nur zeitliche.

Die einzige wohlt?tige Unterbrechung dieser Besuche war Leni, die es immer so einzurichten wusste, dass sie dem Advokaten in Anwesenheit K.s den Tee brachte. Dann stand sie hinter K., sah scheinbar zu, wie der Advokat mit einer Art Gier tief zur Tasse herabgebeugt den Tee eingoss und trank, und liess im Geheimen ihre Hand von K. erfassen. Es herrschte v?lliges Schweigen. Der Advokat trank, K. dr?ckte Lenis Hand und Leni wagte es manchmal K.s Haare sanft zu streicheln. ,,Du bist noch hier?" fragte der Advokat, nachdem er fertig war. ,,Ich wollte das Geschirr wegnehmen", sagte Leni, es gab noch einen letzten H?ndedruck, der Advokat wischte sich den Mund und begann mit neuer Kraft auf K. einzureden.

War es Trost oder Verzweiflung, was der Advokat erreichen wollte? K. wusste es nicht, wohl aber hielt er es bald f?r feststehend, dass seine Verteidigung nicht in guten H?nden war. Es mochte ja alles richtig sein, was der Advokat erz?hlte, wenn es auch durchsichtig war, dass er sich m?glichst in den Vordergrund stellen wollte und wahrscheinlich noch niemals einen so grossen Prozess gef?hrt hatte, wie es K.s Prozess seiner Meinung nach war. Verd?chtig aber blieben die unaufh?rlich hervorgehobenen pers?nlichen Beziehungen zu den Beamten. Mussten sie denn ausschliesslich zu K.s Nutzen ausgebeutet werden? Der Advokat vergass nie zu bemerken, dass es sich nur um niedrige Beamte handelte, also um Beamte in sehr abh?ngiger Stellung, f?r deren Fortkommen gewisse Wendungen der Prozesse wahrscheinlich von Bedeutung sein konnten. Benutzten sie vielleicht den Advokaten dazu, um solche f?r den Angeklagten nat?rlich immer ung?nstige Wendungen zu erzielen? Vielleicht taten sie das nicht in jedem Prozess, gewiss, das war nicht wahrscheinlich, es gab dann wohl wieder Prozesse, in deren Verlauf sie dem Advokaten f?r seine Dienste Vorteile einr?umten, denn es musste ihnen ja auch daran gelegen sein, seinen Ruf ungesch?digt zu erhalten. Verhielt es sich aber wirklich so, in welcher Weise w?rden sie bei K.s Prozess eingreifen, der, wie der Advokat erkl?rte, ein sehr schwieriger, also wichtiger Prozess war und gleich anfangs bei Gericht grosse Aufmerksamkeit erregt hatte? Es konnte nicht sehr zweifelhaft sein, was sie tun w?rden. Anzeichen dessen konnte man ja schon darin sehn, dass die erste Eingabe noch immer nicht ?berreicht war, trotzdem der Prozess schon Monate dauerte und dass sich alles den Angaben des Advokaten nach in den Anf?ngen befand, was nat?rlich sehr geeignet war, den Angeklagten einzuschl?fern und hilflos zu erhalten, um ihn dann pl?tzlich mit der Entscheidung zu ?berfallen oder wenigstens mit der Bekanntmachung, dass die zu seinen Ungunsten abgeschlossene Untersuchung an die h?hern Beh?rden weitergegeben werde.

Es war unbedingt n?tig, dass K. selbst eingriff. Gerade in Zust?nden grosser M?digkeit, wie an diesem Wintervormittag, wo ihm alles willenlos durch den Kopf zog, war diese ?berzeugung unabweisbar. Die Verachtung, die er fr?her f?r den Prozess gehabt hatte, galt nicht mehr. W?re er allein in der Welt gewesen, h?tte er den Prozess leicht missachten k?nnen, wenn es allerdings auch sicher war, dass dann der Prozess ?berhaupt nicht entstanden w?re. Jetzt aber hatte ihn der Onkel schon zum Advokaten gezogen, Familienr?cksichten sprachen mit; seine Stellung war nicht mehr vollst?ndig unabh?ngig von dem Verlauf des Prozesses, er selbst hatte unvorsichtigerweise mit einer gewissen unerkl?rlichen Genugtuung vor Bekannten den Prozess erw?hnt, andere hatten auf unbekannte Weise davon erfahren, das Verh?ltnis zu Fr?ulein B?rstner schien entsprechend dem Prozess zu schwanken -- kurz, er hatte kaum mehr die Wahl, den Prozess anzunehmen oder abzulehnen, er stand mitten darin und musste sich wehren. War er m?de, dann war es schlimm.

Zu ?bertriebener Sorge war allerdings vorl?ufig kein Grund. Er hatte es verstanden, sich in der Bank in verh?ltnism?ssig kurzer Zeit zu seiner hohen Stellung emporzuarbeiten und sich von allen anerkannt in dieser Stellung zu erhalten, er musste jetzt nur diese F?higkeiten, die ihm das erm?glicht hatten, ein wenig dem Prozess zuwenden und es war kein Zweifel, dass es gut ausgehn m?sste. Vor allem war es, wenn etwas erreicht werden sollte, notwendig, jeden Gedanken an eine m?gliche Schuld von vornherein abzulehnen. Es gab keine Schuld. Der Prozess war nichts anderes als ein grosses Gesch?ft, wie er es schon oft mit Vorteil f?r die Bank abgeschlossen hatte, ein Gesch?ft, innerhalb dessen, wie das die Regel war, verschiedene Gefahren lauerten, die eben abgewehrt werden mussten. Zu diesem Zwecke durfte man allerdings nicht mit Gedanken an irgendeine Schuld spielen, sondern den Gedanken an den eigenen Vorteil m?glichst festhalten. Von diesem Gesichtspunkt aus war es auch unvermeidlich, dem Advokaten die Vertretung sehr bald, am besten noch an diesem Abend, zu entziehen. Es war zwar nach seinen Erz?hlungen etwas Unerh?rtes und wahrscheinlich sehr Beleidigendes, aber K. konnte nicht dulden, dass seinen Anstrengungen in dem Prozess Hindernisse begegneten, die vielleicht von seinem eigenen Advokaten veranlasst waren. War aber einmal der Advokat abgesch?ttelt, dann musste die Eingabe sofort ?berreicht und wom?glich jeden Tag darauf gedr?ngt werden, dass man sie ber?cksichtige. Zu diesem Zwecke w?rde es nat?rlich nicht gen?gen, dass K. wie die andern im Gang sass und den Hut unter die Bank stellte. Er selbst oder die Frauen oder andere Boten mussten Tag f?r Tag die Beamten ?berlaufen und sie zwingen, statt durch das Gitter auf den Gang zu schauen, sich zu ihrem Tisch zu setzen und K.s Eingabe zu studieren. Von diesen Anstrengungen d?rfte man nicht ablassen, alles m?sste organisiert und ?berwacht werden, das Gericht sollte einmal auf einen Angeklagten stossen, der sein Recht zu wahren verstand.

Wenn sich aber auch K. dies alles durchzuf?hren getraute, die Schwierigkeit der Abfassung der Eingabe war ?berw?ltigend. Fr?her, etwa noch vor einer Woche, hatte er nur mit einem Gef?hl der Scham daran denken k?nnen, dass er einmal gen?tigt sein k?nnte, eine solche Eingabe selbst zu machen; dass dies auch schwierig sein konnte, daran hatte er gar nicht gedacht. Er erinnerte sich, wie er einmal an einem Vormittag, als er gerade mit Arbeit ?berh?uft war, pl?tzlich alles zur Seite geschoben und den Schreibblock vorgenommen hatte, um versuchsweise den Gedankengang einer derartigen Eingabe zu entwerfen und ihn vielleicht dem schwerf?lligen Advokaten zur Verf?gung zu stellen und wie gerade in diesem Augenblick die T?r des Direktionszimmers sich ?ffnete und der Direktor-Stellvertreter mit grossem Gel?chter eintrat. Es war f?r K. damals sehr peinlich gewesen, trotzdem der Direktor-Stellvertreter nat?rlich nicht ?ber die Eingabe gelacht hatte, von der er nichts wusste, sondern ?ber einen B?rsenwitz, den er eben geh?rt hatte, einen Witz, der zum Verst?ndnis eine Zeichnung erforderte, die nun der Direktor-Stellvertreter ?ber K.s Tisch gebeugt mit K.s Bleistift, den er ihm aus der Hand nahm, auf dem Schreibblock ausf?hrte, der f?r die Eingabe bestimmt gewesen war.

Heute wusste K. nichts mehr von Scham, die Eingabe musste gemacht werden. Wenn er im Bureau keine Zeit f?r sie fand, was sehr wahrscheinlich war, dann musste er sie zu Hause in den N?chten machen. W?rden auch die N?chte nicht gen?gen, dann musste er einen Urlaub nehmen. Nur nicht auf halbem Wege stehnbleiben, das war nicht nur in Gesch?ften, sondern immer und ?berall das Unsinnigste. Die Eingabe bedeutete freilich eine fast endlose Arbeit. Man musste keinen sehr ?ngstlichen Charakter haben und konnte doch leicht zu dem Glauben kommen, dass es unm?glich war, die Eingabe jemals fertigzustellen. Nicht aus Faulheit oder Hinterlist, die den Advokaten allein an der Fertigstellung hindern konnten, sondern weil in Unkenntnis der vorhandenen Anklage und gar ihrer m?glichen Erweiterungen das ganze Leben in den kleinsten Handlungen und Ereignissen in die Erinnerung zur?ckgebracht, dargestellt und von allen Seiten ?berpr?ft werden musste. Und wie traurig war eine solche Arbeit ?berdies. Sie war vielleicht geeignet, einmal nach der Pensionierung den kindisch gewordenen Geist zu besch?ftigen und ihm zu helfen, die langen Tage hinzubringen. Aber jetzt, wo K. alle Gedanken zu seiner Arbeit brauchte, wo jede Stunde, da er noch im Aufstieg war und schon f?r den Direktor-Stellvertreter eine Drohung bedeutete, mit gr?sster Schnelligkeit verging und wo er die kurzen Abende und N?chte als junger Mensch geniessen wollte, jetzt sollte er mit der Verfassung dieser Eingabe beginnen. Wieder ging sein Denken in Klagen aus. Fast unwillk?rlich, nur um dem ein Ende zu machen, tastete er mit dem Finger nach dem Knopf der elektrischen Glocke, die ins Vorzimmer f?hrte. W?hrend er ihn niederdr?ckte, blickte er zur Uhr auf. Es war 11 Uhr, zwei Stunden, eine lange kostbare Zeit hatte er vertr?umt und war nat?rlich noch matter als vorher. Immerhin war die Zeit nicht verloren, er hatte Entschl?sse gefasst, die wertvoll sein konnten. Die Diener brachten ausser verschiedener Post zwei Visitenkarten von Herren, die schon l?ngere Zeit auf K. warteten. Es waren gerade sehr wichtige Kundschaften der Bank, die man eigentlich auf keinen Fall h?tte warten lassen sollen. Warum kamen sie zu so ungelegener Zeit? -- und warum, so schienen wieder die Herren hinter der geschlossenen T?r zu fragen, verwendete der fleissige K. f?r Privatangelegenheiten die beste Gesch?ftszeit? M?de von dem Vorhergegangenen und m?de das Folgende erwartend, stand K. auf, um den ersten zu empfangen.

Es war ein kleiner munterer Herr, ein Fabrikant, den K. gut kannte. Er bedauerte, K. in wichtiger Arbeit gest?rt zu haben und K. bedauerte seinerseits, dass er den Fabrikanten so lange hatte warten lassen. Schon dieses Bedauern aber sprach er in derartig mechanischer Weise und mit fast falscher Betonung aus, dass der Fabrikant, wenn er nicht ganz von der Gesch?ftssache eingenommen gewesen w?re, es h?tte bemerken m?ssen. Statt dessen zog er eilig Rechnungen und Tabellen aus allen Taschen, breitete sie vor K. aus, erkl?rte verschiedene Posten, verbesserte einen kleinen Rechenfehler, der ihm sogar bei diesem fl?chtigen ?berblick aufgefallen war, erinnerte K. an ein ?hnliches Gesch?ft, das er mit ihm vor etwa einem Jahr abgeschlossen hatte, erw?hnte nebenbei, dass sich diesmal eine andere Bank unter gr?ssten Opfern um das Gesch?ft bewerbe und verstummte schliesslich, um nun K.s Meinung zu erfahren. K. hatte auch tats?chlich im Anfang die Rede des Fabrikanten gut verfolgt, der Gedanke an das wichtige Gesch?ft hatte dann auch ihn ergriffen, nur leider nicht f?r die Dauer, er war bald vom Zuh?ren abgekommen, hatte dann noch ein Weilchen zu den lauteren Ausrufen des Fabrikanten mit dem Kopf genickt, hatte aber schliesslich auch das unterlassen und sich darauf eingeschr?nkt, den kahlen, auf die Papiere hinabgebeugten Kopf anzusehn und sich zu fragen, wann der Fabrikant endlich erkennen werde, dass seine ganze Rede nutzlos sei. Als er nun verstummte, glaubte K. zuerst wirklich, es geschehe dies deshalb, um ihm Gelegenheit zu dem Eingest?ndnis zu geben, dass er nicht f?hig sei, zuzuh?ren. Nur mit Bedauern merkte er aber an dem gespannten Blick des offenbar auf alle Entgegnungen gefassten Fabrikanten, dass die gesch?ftliche Besprechung fortgesetzt werden m?sse. Er neigte also den Kopf wie vor einem Befehl und begann mit dem Bleistift langsam ?ber den Papieren hin- und herzufahren, hie und da hielt er inne und starrte eine Ziffer an. Der Fabrikant vermutete Einw?nde, vielleicht waren die Ziffern wirklich nicht feststehend, vielleicht waren sie nicht das Entscheidende, jedenfalls bedeckte der Fabrikant die Papiere mit der Hand und begann von neuem, ganz nahe an K. heranr?ckend, eine allgemeine Darstellung des Gesch?ftes. ,,Es ist schwierig," sagte K., r?mpfte die Lippen und sank, da die Papiere, das einzig Fassbare, verdeckt waren, haltlos gegen die Seitenlehne. Er blickte sogar nur schwach auf, als sich die T?r des Direktionszimmers ?ffnete und dort nicht ganz deutlich, etwa wie hinter einem Gazeschleier, der Direktor-Stellvertreter erschien. K. dachte nicht weiter dar?ber nach, sondern verfolgte nur die unmittelbare Wirkung, die f?r ihn sehr erfreulich war. Denn sofort h?pfte der Fabrikant vom Sessel auf und eilte dem Direktor-Stellvertreter entgegen, K. aber h?tte ihn noch zehnmal flinker machen sollen, denn er f?rchtete, der Direktor-Stellvertreter k?nnte wieder verschwinden. Es war unn?tze Furcht, die Herren trafen sich, reichten einander die H?nde und gingen gemeinsam auf K.s Schreibtisch zu. Der Fabrikant beklagte sich, dass er beim Prokuristen so wenig Neigung f?r das Gesch?ft gefunden habe und zeigte auf K., der sich unter dem Blick des Direktor-Stellvertreters wieder ?ber die Papiere beugte. Als dann die zwei sich an den Schreibtisch lehnten und der Fabrikant sich daran machte, den Direktor-Stellvertreter f?r sich zu erobern, war es K., als werde ?ber seinem Kopf von zwei M?nnern, deren Gr?sse er sich ?bertrieben vorstellte, ?ber ihn selbst verhandelt. Langsam suchte er mit vorsichtig aufw?rts gedrehten Augen zu erfahren, was sich oben ereignete, nahm vom Schreibtisch ohne hinzusehn eines der Papiere, legte es auf die flache Hand und hob es allm?hlich, w?hrend er selbst aufstand, zu den Herren hinauf. Er dachte hiebei an nichts Bestimmtes, sondern handelte nur in dem Gef?hl, dass er sich so verhalten m?sste, wenn er einmal die grosse Eingabe fertiggestellt h?tte, die ihn g?nzlich entlasten sollte. Der Direktor-Stellvertreter, der sich an dem Gespr?ch mit aller Aufmerksamkeit beteiligte, sah nur fl?chtig auf das Papier, ?berlas gar nicht, was dort stand, denn was dem Prokuristen wichtig war, war ihm unwichtig, nahm es aus K.s Hand, sagte ,,danke, ich weiss schon alles" und legte es ruhig wieder auf den Tisch zur?ck. K. sah ihn verbittert von der Seite an. Der Direktor-Stellvertreter aber merkte es gar nicht oder wurde, wenn er es merkte, dadurch nur aufgemuntert, lachte ?fters laut auf, brachte einmal durch eine schlagfertige Entgegnung den Fabrikanten in deutliche Verlegenheit, aus der er ihn aber sofort riss, indem er sich selbst einen Einwand machte, und lud ihn schliesslich ein, in sein Bureau hin?berzukommen, wo sie die Angelegenheit zu Ende f?hren k?nnten. ,,Es ist eine sehr wichtige Sache," sagte er zum Fabrikanten, ,,ich sehe das vollst?ndig ein. Und dem Herrn Prokuristen" -- selbst bei dieser Bemerkung redete er eigentlich nur zum Fabrikanten -- ,,wird es gewiss lieb sein, wenn wir es ihm abnehmen. Die Sache verlangt ruhige ?berlegung. Er aber scheint heute sehr ?berlastet zu sein, auch warten ja einige Leute im Vorzimmer schon stundenlang auf ihn." K. hatte gerade noch gen?gend Fassung, sich vom Direktor-Stellvertreter wegzudrehn und sein freundliches, aber starres L?cheln nur dem Fabrikanten zuzuwenden, sonst griff er gar nicht ein, st?tzte sich ein wenig vorgebeugt mit beiden H?nden auf den Schreibtisch wie ein Kommis hinter dem Pult und sah zu, wie die zwei Herren unter weiteren Reden die Papiere vom Tisch nahmen und im Direktionszimmer verschwanden. In der T?r drehte sich der Fabrikant noch um, sagte, er verabschiede sich noch nicht, sondern werde nat?rlich dem Herrn Prokuristen ?ber den Erfolg der Besprechung berichten, auch habe er ihm noch eine andere kleine Mitteilung zu machen.

Endlich war K. allein. Er dachte gar nicht daran, irgendeine andere Partei vorzulassen, und nur undeutlich kam ihm zu Bewusstsein, wie angenehm es sei, dass die Leute draussen in dem Glauben waren, er verhandle noch mit dem Fabrikanten und es k?nne aus diesem Grunde niemand, nicht einmal der Diener, bei ihm eintreten. Er ging zum Fenster, setzte sich auf die Br?stung, hielt sich mit einer Hand an der Klinke fest und sah auf den Platz hinaus. Der Schnee fiel noch immer, es hatte sich noch gar nicht aufgehellt.

Lange sass er so, ohne zu wissen, was ihm eigentlich Sorgen machte, nur von Zeit zu Zeit blickte er ein wenig erschreckt ?ber die Schulter hinweg zur Vorzimmert?r, wo er irrt?mlicherweise ein Ger?usch zu h?ren geglaubt hatte. Da aber niemand kam, wurde er ruhiger, ging zum Waschtisch, wusch sich mit kaltem Wasser und kehrte mit freierem Kopf zu seinem Fensterplatz zur?ck. Der Entschluss, seine Verteidigung selbst in die Hand zu nehmen, stellte sich ihm nun schwerwiegender dar, als er urspr?nglich angenommen hatte. Solange er die Verteidigung auf den Advokaten ?berw?lzt hatte, war er doch noch vom Prozess im Grunde wenig betroffen gewesen, er hatte ihn von der Ferne beobachtet und hatte unmittelbar von ihm kaum erreicht werden k?nnen, er hatte nachsehn k?nnen, wann er wollte, wie seine Sache stand, aber er hatte auch den Kopf wieder zur?ckziehn k?nnen, wann er wollte. Jetzt hingegen, wenn er seine Verteidigung selbst f?hren w?rde, musste er sich wenigstens f?r den Augenblick ganz und gar dem Gericht aussetzen, der Erfolg dessen sollte ja f?r sp?ter seine vollst?ndige und endg?ltige Befreiung sein, aber um diese zu erreichen, musste er sich vorl?ufig jedenfalls in viel gr?ssere Gefahr begeben als bisher. H?tte er daran zweifeln wollen, so h?tte ihn das heutige Beisammensein mit dem Direktor-Stellvertreter und dem Fabrikanten hinreichend vom Gegenteil ?berzeugen k?nnen. Wie war er doch dagesessen, schon vom blossen Entschluss, sich selbst zu verteidigen, g?nzlich benommen? Wie sollte es aber sp?ter werden? Was f?r Tage standen ihm bevor! W?rde er den Weg finden, der durch alles hindurch zum guten Ende f?hrte? Bedeutete nicht eine sorgf?ltige Verteidigung -- und alles andere war sinnlos -- bedeutete nicht eine sorgf?ltige Verteidigung gleichzeitig die Notwendigkeit, sich von allem andern m?glichst abzuschliessen? W?rde er das gl?cklich ?berstehn? Und wie sollte ihm die Durchf?hrung in der Bank gelingen? Es handelte sich ja nicht nur um die Eingabe, f?r die ein Urlaub vielleicht gen?gt h?tte, trotzdem die Bitte um einen Urlaub gerade jetzt ein grosses Wagnis gewesen w?re, es handelte sich doch um einen ganzen Prozess, dessen Dauer unabsehbar war. Was f?r ein Hindernis war pl?tzlich in K.s Laufbahn geworfen worden!

Und jetzt sollte er f?r die Bank arbeiten? -- Er sah auf den Schreibtisch hin. -- Jetzt sollte er Parteien vorlassen und mit ihnen verhandeln? W?hrend sein Prozess weiterrollte, w?hrend oben auf dem Dachboden die Gerichtsbeamten ?ber den Schriften dieses Prozesses sassen, sollte er die Gesch?fte der Bank besorgen? Sah es nicht aus wie eine Folter, die, vom Gericht anerkannt, mit dem Prozess zusammenhing und ihn begleitete? Und w?rde man etwa in der Bank bei der Beurteilung seiner Arbeit seine besondere Lage ber?cksichtigen? Niemand und niemals. Ganz unbekannt war ja sein Prozess nicht, wenn es auch noch nicht ganz klar war, wer davon wusste und wie viel. Bis zum Direktor-Stellvertreter aber war das Ger?cht hoffentlich noch nicht gedrungen, sonst h?tte man schon deutlich sehen m?ssen, wie er es ohne jede Kollegialit?t und Menschlichkeit gegen K. ausn?tzen w?rde. Und der Direktor? Gewiss, er war K. gut gesinnt und er h?tte wahrscheinlich, sobald er vom Prozess erfahren h?tte, soweit es an ihm lag, manche Erleichterungen f?r K. schaffen wollen, aber er w?re damit gewiss nicht durchgedrungen, denn er unterlag jetzt, da das Gegengewicht, das K. bisher gebildet hatte, schw?cher zu werden anfing, immer mehr dem Einfluss des Direktor-Stellvertreter, der ausserdem auch den leidenden Zustand des Direktors zur St?rkung der eigenen Macht ausnutzte. Was hatte also K. zu erhoffen? Vielleicht schw?chte er durch solche ?berlegungen seine Widerstandskraft, aber es war doch auch notwendig, sich selbst nicht zu t?uschen und alles so klar zu sehn, als es augenblicklich m?glich war.

Ohne besondern Grund, nur um vorl?ufig noch nicht zum Schreibtisch zur?ckkehren zu m?ssen, ?ffnete er das Fenster. Es liess sich nur schwer ?ffnen, er musste mit beiden H?nden die Klinke drehn. Dann zog durch das Fenster in dessen ganzer Breite und H?he der mit Rauch vermischte Nebel in das Zimmer und f?llte es mit einem leichten Brandgeruch. Auch einige Schneeflocken wurden hereingeweht. ,,Ein h?sslicher Herbst," sagte hinter K. der Fabrikant, der, vom Direktor-Stellvertreter kommend, unbemerkt ins Zimmer getreten war. K. nickte und sah unruhig auf die Aktentasche des Fabrikanten, aus der dieser nun wohl die Papiere herausziehn w?rde, um K. das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Direktor-Stellvertreter mitzuteilen. Der Fabrikant aber folgte K.s Blick, klopfte auf seine Tasche und sagte, ohne sie zu ?ffnen: ,,Sie wollen h?ren, wie es ausgefallen ist. Ich trage schon fast den Gesch?ftsabschluss in der Tasche. Ein reizender Mensch, Ihr Direktor-Stellvertreter, aber durchaus nicht ungef?hrlich." Er lachte, sch?ttelte K.s Hand und wollte auch ihn zum Lachen bringen. Aber K. schien es nun wieder verd?chtig, dass ihm der Fabrikant die Papiere nicht zeigen wollte und er fand an der Bemerkung des Fabrikanten nichts zum Lachen. ,,Herr Prokurist," sagte der Fabrikant, ,,Sie leiden wohl unter dem Wetter. Sie sehn heute so bedr?ckt aus." ,,Ja," sagte K. und griff mit der Hand an die Schl?fe, ,,Kopfschmerzen, Familiensorgen." ,,Sehr richtig," sagte der Fabrikant, der ein eiliger Mensch war und niemanden ruhig anh?ren konnte, ,,jeder hat sein Kreuz zu tragen." Unwillk?rlich hatte K. einen Schritt gegen die T?r gemacht, als wolle er den Fabrikanten hinausbegleiten, dieser aber sagte: ,,Ich h?tte, Herr Prokurist, noch eine kleine Mitteilung f?r Sie. Ich f?rchte sehr, dass ich Sie gerade heute damit vielleicht bel?stige, aber ich war schon zweimal in der letzten Zeit bei Ihnen und habe es jedesmal vergessen. Schiebe ich es aber noch weiterhin auf, verliert es wahrscheinlich vollst?ndig seinen Zweck. Das w?re aber schade, denn im Grunde ist meine Mitteilung vielleicht doch nicht wertlos." Ehe K. Zeit hatte zu antworten, trat der Fabrikant nahe an ihn heran, klopfte mit dem Fingerkn?chel leicht an seine Brust und sagte leise: ,,Sie haben einen Prozess, nicht wahr?" K. trat zur?ck und rief sofort: ,,Das hat Ihnen der Direktor-Stellvertreter gesagt." ,,Ach nein," sagte der Fabrikant, ,,woher sollte denn der Direktor-Stellvertreter es wissen?" ,,Durch Sie?" fragte K. schon viel gefasster. ,,Ich erfahre hie und da etwas von dem Gericht," sagte der Fabrikant, ,,das betrifft eben die Mitteilung, die ich Ihnen machen wollte." ,,So viel Leute sind mit dem Gericht in Verbindung!" sagte K. mit gesenktem Kopf und f?hrte den Fabrikanten zum Schreibtisch. Sie setzten sich wieder wie fr?her und der Fabrikant sagte: ,,Es ist leider nicht sehr viel, was ich Ihnen mitteilen kann. Aber in solchen Dingen soll man nicht das Geringste vernachl?ssigen. Ausserdem dr?ngte es mich aber, Ihnen irgendwie zu helfen, und sei meine Hilfe noch so bescheiden. Wir waren doch bisher gute Gesch?ftsfreunde, nicht? Nun also." K. wollte sich wegen seines Verhaltens bei der heutigen Besprechung entschuldigen, aber der Fabrikant duldete keine Unterbrechung, schob die Aktentasche hoch unter die Achsel, um zu zeigen, dass er Eile habe, und fuhr fort: ,,Von Ihrem Prozess weiss ich durch einen gewissen Titorelli. Es ist ein Maler, Titorelli ist nur sein K?nstlername, seinen wirklichen Namen kenne ich gar nicht. Er kommt schon seit Jahren von Zeit zu Zeit in mein Bureau und bringt kleine Bilder mit, f?r die ich ihm -- er ist fast ein Bettler -- immer eine Art Almosen gebe. Es sind ?brigens h?bsche Bilder, Heidelandschaften und dergleichen. Diese Verk?ufe -- wir hatten uns schon beide daran gew?hnt -- gingen ganz glatt vor sich. Einmal aber wiederholten sich diese Besuche doch zu oft, ich machte ihm Vorw?rfe, wir kamen ins Gespr?ch, es interessierte mich, wie er sich allein durch Malen erhalten k?nne, und ich erfuhr nun zu meinem Staunen, dass seine Haupteinnahmsquelle das Portr?tmalen sei. Er arbeite f?r das Gericht, sagte er. F?r welches Gericht, fragte ich. Und nun erz?hlte er mir von dem Gericht. Sie werden sich wohl am besten vorstellen k?nnen, wie erstaunt ich ?ber diese Erz?hlungen war. Seitdem h?re ich bei jedem seiner Besuche irgendwelche Neuigkeiten vom Gericht und bekomme so allm?hlich einen grossen Einblick in die Sache. Allerdings ist Titorelli geschw?tzig und ich muss ihn oft abwehren, nicht nur weil er gewiss auch l?gt, sondern vor allem, weil ein Gesch?ftsmann wie ich, der unter den eigenen Gesch?ftssorgen fast zusammenbricht, sich nicht noch viel um fremde Dinge k?mmern kann. Aber das nur nebenbei. Vielleicht -- so dachte ich jetzt -- kann Ihnen Titorelli ein wenig behilflich sein, er kennt viele Richter und wenn er selbst auch keinen grossen Einfluss haben sollte, so kann er Ihnen doch Ratschl?ge geben, wie man verschiedenen einflussreichen Leuten beikommen kann. Und wenn auch diese Ratschl?ge an und f?r sich nicht entscheidend sein sollten, so werden sie doch meiner Meinung nach in Ihrem Besitz von grosser Bedeutung sein. Sie sind ja fast ein Advokat. Ich pflege immer zu sagen: Prokurist K. ist fast ein Advokat. Oh, ich habe keine Sorgen wegen Ihres Prozesses. Wollen Sie nun aber zu Titorelli gehen? Auf meine Empfehlung hin wird er gewiss alles tun, was ihm m?glich ist. Ich denke wirklich, Sie sollten hingehn. Es muss nat?rlich nicht heute sein, einmal, gelegentlich. Allerdings sind Sie -- das will ich noch sagen -- dadurch, dass gerade ich Ihnen diesen Rat gebe, nicht im geringsten verpflichtet, auch wirklich zu Titorelli hinzugehn. Nein, wenn Sie Titorelli entbehren zu k?nnen glauben, ist es gewiss besser, ihn ganz beiseite zu lassen. Vielleicht haben Sie schon einen ganz genauen Plan und Titorelli k?nnte ihn st?ren. Nein, dann gehn Sie nat?rlich auf keinen Fall hin. Es kostet gewiss auch ?berwindung, sich von einem solchen Burschen Ratschl?ge geben zu lassen. Nun, wie Sie wollen. Hier ist das Empfehlungsschreiben und hier die Adresse."

Entt?uscht nahm K. den Brief und steckte ihn in die Tasche. Selbst im g?nstigsten Falle war der Vorteil, den ihm die Empfehlung bringen konnte, verh?ltnism?ssig kleiner als der Schaden, der darin lag, dass der Fabrikant von seinem Prozess wusste und dass der Maler die Nachricht weiter verbreitete. Er konnte sich kaum dazu zwingen, dem Fabrikanten, der schon auf dem Weg zur T?r war, mit ein paar Worten zu danken. ,,Ich werde hingehn," sagte er, als er sich bei der T?r vom Fabrikanten verabschiedete, ,,oder ihm, da ich jetzt sehr besch?ftigt bin, schreiben, er m?ge einmal zu mir ins Bureau kommen." ,,Ich wusste ja," sagte der Fabrikant, ,,dass Sie den besten Ausweg finden w?rden. Allerdings dachte ich, dass Sie es lieber vermeiden wollen, Leute wie diesen Titorelli in die Bank einzuladen, um mit ihm hier ?ber den Prozess zu sprechen. Es ist auch nicht immer vorteilhaft, Briefe an solche Leute aus der Hand zu geben. Aber Sie haben gewiss alles durchgedacht und wissen, was Sie tun d?rfen." K. nickte und begleitete den Fabrikanten noch durch das Vorzimmer. Aber trotz ?usserlicher Ruhe war er ?ber sich sehr erschrocken. Dass er Titorelli schreiben w?rde, hatte er eigentlich nur gesagt, um dem Fabrikanten irgendwie zu zeigen, dass er die Empfehlung zu sch?tzen wisse und die M?glichkeiten mit Titorelli zusammenzukommen sofort ?berlege, aber wenn er Titorellis Beistand f?r wertvoll angesehen h?tte, h?tte er auch nicht gez?gert, ihm wirklich zu schreiben. Die Gefahren aber, die das zur Folge haben k?nnte, hatte er erst durch die Bemerkung des Fabrikanten erkannt. Konnte er sich auf seinen eigenen Verstand tats?chlich schon so wenig verlassen? Wenn es m?glich war, dass er einen fragw?rdigen Menschen durch einen deutlichen Brief in die Bank einlud, um von ihm, nur durch eine T?r vom Direktor-Stellvertreter getrennt, Ratschl?ge wegen seines Prozesses zu erbitten, war es dann nicht m?glich und sogar sehr wahrscheinlich, dass er auch andere Gefahren ?bersah oder in sie hineinrannte? Nicht immer stand jemand neben ihm, um ihn zu warnen. Und gerade jetzt, wo er mit gesammelten Kr?ften auftreten wollte, mussten derartige, ihm bisher fremde Zweifel an seiner eigenen Wachsamkeit auftreten! Sollten die Schwierigkeiten, die er bei Ausf?hrung seiner Bureauarbeit f?hlte, nun auch im Prozess beginnen? Jetzt allerdings begriff er es gar nicht mehr, wie es m?glich gewesen war, dass er an Titorelli hatte schreiben und ihn in die Bank einladen wollen.

Er sch?ttelte noch den Kopf dar?ber, als der Diener an seine Seite trat und ihn auf drei Herren aufmerksam machte, die hier im Vorzimmer auf einer Bank sassen. Sie warteten schon lange darauf, zu K. vorgelassen zu werden. Jetzt, da der Diener mit K. sprach, waren sie aufgestanden und jeder wollte eine g?nstige Gelegenheit ausn?tzen, um sich vor den andern an K. heranzumachen. Da man von seiten der Bank so r?cksichtslos war, sie hier im Wartezimmer ihre Zeit verlieren zu lassen, wollten auch sie keine R?cksicht mehr ?ben. ,,Herr Prokurist," sagte schon der eine. Aber K. hatte sich vom Diener den Winterrock bringen lassen und sagte, w?hrend er ihn mit Hilfe des Dieners anzog, zu allen dreien: ,,Verzeihen Sie meine Herren, ich habe augenblicklich leider keine Zeit, Sie zu empfangen. Ich bitte Sie sehr um Verzeihung, aber ich habe einen dringenden Gesch?ftsgang zu erledigen und muss sofort weggehn. Sie haben ja selbst gesehn, wie lange ich jetzt aufgehalten wurde. W?ren Sie so freundlich, morgen oder wann immer wiederzukommen? Oder wollen wir die Sachen vielleicht telephonisch besprechen? Oder wollen Sie mir vielleicht jetzt kurz sagen, um was es sich handelt, und ich gebe Ihnen dann eine ausf?hrliche schriftliche Antwort. Am besten w?re es allerdings, Sie k?men n?chstens." Diese Vorschl?ge K.s brachten die Herren, die nun vollst?ndig nutzlos gewartet haben sollten, in solches Staunen, dass sie einander stumm ansahen. ,,Wir sind also einig?" fragte K., der sich nach dem Diener umgewendet hatte, der ihm nun auch den Hut brachte. Durch die offene T?r zu K.s Zimmer sah man, wie sich draussen der Schneefall sehr verst?rkt hatte. K. schlug daher den Mantelkragen in die H?he und kn?pfte ihn hoch unter dem Halse zu.

Da trat gerade aus dem Nebenzimmer der Direktor-Stellvertreter, sah l?chelnd K. im Winterrock mit den Herren verhandeln und fragte: ,,Sie gehn jetzt weg, Herr Prokurist." ,,Ja," sagte K. und richtete sich auf, ,,ich habe einen Gesch?ftsgang zu machen." Aber der Direktor-Stellvertreter hatte sich schon den Herren zugewendet. ,,Und die Herren?" fragte er. ,,Ich glaube, sie warten schon lange." ,,Wir haben uns schon geeinigt," sagte K. Aber nun liessen sich die Herren nicht mehr halten, umringten K. und erkl?rten, dass sie nicht stundenlang gewartet h?tten, wenn ihre Angelegenheiten nicht wichtig w?ren und nicht jetzt, und zwar ausf?hrlich und unter vier Augen besprochen werden m?ssten. Der Direktor-Stellvertreter h?rte ihnen ein Weilchen zu, betrachtete auch K., der den Hut in der Hand hielt und ihn stellenweise von Staub reinigte, und sagte dann: ,,Meine Herren, es gibt ja einen sehr einfachen Ausweg. Wenn Sie mit mir vorlieb nehmen wollen, ?bernehme ich sehr gerne die Verhandlungen statt des Herrn Prokuristen. Ihre Angelegenheiten m?ssen nat?rlich sofort besprochen werden. Wir sind Gesch?ftsleute wie Sie und wissen die Zeit von Gesch?ftsleuten richtig zu bewerten. Wollen Sie hier eintreten?" Und er ?ffnete die T?r, die zu dem Vorzimmer seines Bureaus f?hrte.

Wie sich doch der Direktor-Stellvertreter alles anzueignen verstand, was K. jetzt notgedrungen aufgeben musste! Gab aber K. nicht mehr auf, als unbedingt n?tig war? W?hrend er mit unbestimmten und, wie er sich eingestehen musste, sehr geringen Hoffnungen zu einem unbekannten Maler lief, erlitt hier sein Ansehen eine unheilbare Sch?digung. Es w?re wahrscheinlich viel besser gewesen, den Winterrock wieder auszuziehn und wenigstens die zwei Herren, die ja nebenan doch noch warten mussten, f?r sich zur?ckzugewinnen. K. h?tte es vielleicht auch versucht, wenn er nicht jetzt in seinem Zimmer den Direktor-Stellvertreter erblickt h?tte, wie er im B?cherst?nder, als w?re es sein eigener, etwas suchte. Als K. sich erregt der T?r n?herte, rief er: ,,Ach, Sie sind noch nicht weggegangen." Er wandte ihm sein Gesicht zu, dessen viele straffe Falten nicht Alter, sondern Kraft zu beweisen schienen, und fing sofort wieder zu suchen an. ,,Ich suche eine Vertragsabschrift," sagte er, ,,die sich, wie der Vertreter der Firma behauptet, bei Ihnen befinden soll. Wollen Sie mir nicht suchen helfen." K. machte einen Schritt, aber der Direktor-Stellvertreter sagte: ,,Danke, ich habe sie schon gefunden," und kehrte mit einem grossen Paket Schriften, das nicht nur die Vertragsabschrift, sondern gewiss noch vieles andere enthielt, wieder in sein Zimmer zur?ck.

Jetzt bin ich ihm nicht gewachsen, sagte sich K., wenn aber meine pers?nlichen Schwierigkeiten einmal beseitigt sein werden, dann soll er wahrhaftig der erste sein, der es zu f?hlen bekommt, und zwar m?glichst bitter. Durch diesen Gedanken ein wenig beruhigt, gab K. dem Diener, der schon lange die T?r zum Korridor f?r ihn offenhielt, den Auftrag, dem Direktor gelegentlich die Meldung zu machen, dass er sich auf einem Gesch?ftsgang befinde, und verliess fast gl?cklich dar?ber, sich eine Zeitlang vollst?ndiger seiner Sache widmen zu k?nnen, die Bank.

Er fuhr sofort zum Maler, der in einer Vorstadt wohnte, die jener, in welcher sich die Gerichtskanzleien befanden, vollst?ndig entgegengesetzt war. Es war eine noch ?rmere Gegend, die H?user noch dunkler, die Gassen voll Schmutz, der auf dem zerflossenen Schnee langsam umhertrieb. Im Hause, in dem der Maler wohnte, war nur ein Fl?gel des grossen Tores ge?ffnet, in dem andern aber war unten in der Mauer eine L?cke gebrochen, aus der gerade, als sich K. n?herte, eine widerliche gelbe, rauchende Fl?ssigkeit herausschoss, vor der sich eine Ratte in den nahen Kanal fl?chtete. Unten an der Treppe lag ein kleines Kind b?uchlings auf der Erde und weinte, aber man h?rte es kaum infolge des alles ?bert?nenden L?rms, der aus einer Klempnerwerkst?tte auf der andern Seite des Torganges kam. Die T?r der Werkst?tte war offen, drei Gehilfen standen im Halbkreis um irgendein Werkst?ck, auf das sie mit den H?mmern schlugen. Eine grosse Platte Weissblech, die an der Wand hing, warf ein bleiches Licht, das zwischen zwei Gehilfen eindrang und die Gesichter und Arbeitssch?rzen erhellte. K. hatte f?r alles nur einen fl?chtigen Blick, er wollte m?glichst rasch hier fertig werden, nur den Maler mit ein paar Worten ausforschen und sofort wieder in die Bank zur?ckgehn. Wenn er hier nur den kleinsten Erfolg hatte, sollte das auf seine heutige Arbeit in der Bank noch eine gute Wirkung aus?ben. Im dritten Stockwerk musste er seinen Schritt m?ssigen, er war ganz ausser Atem, die Treppen ebenso wie die Stockwerke waren ?berm?ssig hoch, und der Maler sollte ganz oben in einer Dachkammer wohnen. Auch war die Luft sehr dr?ckend, es gab keinen Treppenhof, die enge Treppe war auf beiden Seiten von Mauern eingeschlossen, in denen nur hier und da fast ganz oben kleine Fenster angebracht waren. Gerade als K. ein wenig stehenblieb, liefen ein paar kleine M?dchen aus einer Wohnung heraus und eilten lachend die Treppe weiter hinauf. K. folgte ihnen langsam, holte eines der M?dchen ein, das gestolpert und hinter den andern zur?ckgeblieben war, und fragte es, w?hrend sie neben einander weiterstiegen: ,,Wohnt hier ein Maler Titorelli?" Das M?dchen, ein kaum dreizehnj?hriges, etwas buckliges M?dchen, stiess ihn darauf mit dem Ellbogen an und sah von der Seite zu ihm auf. Weder ihre Jugend, noch ihr K?rperfehler hatte verhindern k?nnen, dass sie schon ganz verdorben war. Sie l?chelte nicht einmal, sondern sah K. ernst mit scharfem, aufforderndem Blicke an. K. tat, als h?tte er ihr Benehmen nicht bemerkt, und fragte: ,,Kennst du den Maler Titorelli?" Sie nickte und fragte ihrerseits: ,,Was wollen Sie von ihm?" K. schien es vorteilhaft, sich noch schnell ein wenig ?ber Titorelli zu unterrichten: ,,Ich will mich von ihm malen lassen," sagte er. ,,Malen lassen?" fragte sie, ?ffnete ?berm?ssig den Mund, schlug leicht mit der Hand gegen K., als h?tte er etwas ausserordentlich ?berraschendes oder Ungeschicktes gesagt, hob mit beiden H?nden ihr ohnedies sehr kurzes R?ckchen und lief, so schnell sie konnte, hinter den andern M?dchen her, deren Geschrei schon undeutlich in der H?he sich verlor. Bei der n?chsten Wendung der Treppe aber traf K. schon wieder alle M?dchen. Sie waren offenbar von der Buckligen von K.s Absicht verst?ndigt worden und erwarteten ihn. Sie standen zu beiden Seiten der Treppe, dr?ckten sich an die Mauer, damit K. bequem zwischen ihnen durchkomme und gl?tteten mit der Hand ihre Sch?rzen. Alle Gesichter, wie auch diese Spalierbildung stellten eine Mischung von Kindlichkeit und Verworfenheit dar. Oben an der Spitze der M?dchen, die sich jetzt hinter K. lachend zusammenschlossen, war die Bucklige, welche die F?hrung ?bernahm. K. hatte es ihr zu verdanken, dass er gleich den richtigen Weg fand. Er wollte n?mlich geradeaus weitersteigen, sie aber zeigte ihm, dass er eine Abzweigung der Treppe w?hlen m?sse, um zu Titorelli zu kommen. Die Treppe, die zu ihm f?hrte, war besonders schmal, sehr lang, ohne Biegung, in ihrer ganzen L?nge zu ?bersehn und oben unmittelbar von Titorellis T?r abgeschlossen. Diese T?r, die durch ein kleines, schief ?ber ihr eingesetztes Oberlichtfenster im Gegensatz zur ?brigen Treppe verh?ltnism?ssig hell beleuchtet wurde, war aus nicht ?bert?nchten Balken zusammengesetzt, auf die der Name Titorelli mit roter Farbe in breiten Pinselstrichen gemalt war. K. war mit seinem Gefolge noch kaum in der Mitte der Treppe, als oben, offenbar veranlasst durch das Ger?usch der vielen Schritte, die T?r ein wenig ge?ffnet wurde und ein wahrscheinlich nur mit einem Nachthemd bekleideter Mann in der T?rspalte erschien. ,,Oh!" rief er, als er die Menge kommen sah, und verschwand. Die Bucklige klatschte vor Freude in die H?nde und die ?brigen M?dchen dr?ngten hinter K., um ihn schneller vorw?rtszutreiben.

Sie waren aber noch nicht einmal hinaufgekommen, als oben der Maler die T?r g?nzlich aufriss und mit einer tiefen Verbeugung K. einlud einzutreten. Die M?dchen dagegen wehrte er ab, er wollte keine von ihnen einlassen, so sehr sie baten und so sehr sie versuchten, wenn schon nicht mit seiner Erlaubnis, so gegen seinen Willen einzudringen. Nur der Buckligen gelang es, unter seinem ausgestreckten Arm durchzuschl?pfen, aber der Maler jagte hinter ihr her, packte sie bei den R?cken, wirbelte sie einmal um sich herum und setzte sie dann vor der T?r bei den andern M?dchen ab, die es, w?hrend der Maler seinen Posten verlassen hatte, doch nicht gewagt hatten, die Schwelle zu ?berschreiten. K. wusste nicht, wie er das Ganze beurteilen sollte, es hatte n?mlich den Anschein, als ob alles in freundschaftlichem Einvernehmen geschehe. Die M?dchen bei der T?r streckten eines hinter dem andern die H?lse in die H?he, riefen dem Maler verschiedene scherzhaft gemeinte Worte zu, die K. nicht verstand und auch der Maler lachte, w?hrend die Bucklige in seiner Hand fast flog. Dann schloss er die T?r, verbeugte sich nochmals vor K., reichte ihm die Hand und sagte, sich vorstellend: ,,Kunstmaler Titorelli." K. zeigte auf die T?r, hinter der die M?dchen fl?sterten und sagte: ,,Sie scheinen im Hause sehr beliebt zu sein." ,,Ach, die Fratzen!" sagte der Maler und suchte vergebens sein Nachthemd am Halse zuzukn?pfen. Er war im ?brigen blossf?ssig und nur noch mit einer breiten gelblichen Leinenhose bekleidet, die mit einem Riemen festgemacht war, dessen langes Ende frei hin und her schlug. ,,Diese Fratzen sind mir eine wahre Last," fuhr er fort, w?hrend er vom Nachthemd, dessen letzter Knopf gerade abgerissen war, abliess, einen Sessel holte und K. zum Niedersetzen n?tigte. ,,Ich habe eine von ihnen -- sie ist heute nicht einmal dabei -- einmal gemalt und seitdem verfolgen mich alle. Wenn ich selbst hier bin, kommen sie nur herein, wenn ich es erlaube, bin ich aber einmal weg, dann ist immer zumindest eine da. Sie haben sich einen Schl?ssel zu meiner T?r machen lassen, den sie untereinander verleihen. Man kann sich kaum vorstellen, wie l?stig das ist. Ich komme z. B. mit einer Dame, die ich malen soll, nach Hause, ?ffne die T?r mit meinem Schl?ssel und finde etwa die Bucklige dort beim Tischchen, wie sie sich mit dem Pinsel die Lippen rot f?rbt, w?hrend ihre kleinen Geschwister, die sie zu beaufsichtigen hat, sich herumtreiben und das Zimmer in allen Ecken verunreinigen. Oder ich komme, wie es mir erst gestern geschehen ist, sp?t abends nach Hause -- entschuldigen Sie bitte mit R?cksicht darauf meinen Zustand und die Unordnung im Zimmer -- also ich komme sp?t abends nach Hause und will ins Bett steigen, da zwickt mich etwas ins Bein, ich schaue unter das Bett und ziehe wieder so ein Ding heraus. Warum sie sich so zu mir dr?ngen, weiss ich nicht, dass ich sie nicht zu mir zu locken suche, d?rften Sie eben bemerkt haben. Nat?rlich bin ich dadurch auch in meiner Arbeit gest?rt. W?re mir dieses Atelier nicht umsonst zur Verf?gung gestellt, ich w?re schon l?ngst ausgezogen." Gerade rief hinter der T?r ein Stimmchen, zart und ?ngstlich: ,,Titorelli, d?rfen wir schon kommen?" ,,Nein," antwortete der Maler. ,,Ich allein auch nicht?" fragte es wieder. ,,Auch nicht," sagte der Maler, ging zur T?r und sperrte sie ab.

K. hatte sich inzwischen im Zimmer umgesehen, er w?re niemals selbst auf den Gedanken gekommen, dass man dieses elende kleine Zimmer ein Atelier nennen k?nnte. Mehr als zwei lange Schritte konnte man der L?nge und Quere nach kaum hier machen. Alles, Fussboden, W?nde und Zimmerdecke war aus Holz, zwischen den Balken sah man schmale Ritzen. K. gegen?ber stand an der Wand das Bett, das mit verschiedenfarbigem Bettzeug ?berladen war. In der Mitte des Zimmers war auf einer Staffelei ein Bild, das mit einem Hemd verh?llt war, dessen ?rmel bis zum Boden baumelten. Hinter K. war das Fenster, durch das man im Nebel nicht weiter sehen konnte als ?ber das mit Schnee bedeckte Dach des Nachbarhauses.

Das Umdrehn des Schl?ssels im Schloss erinnerte K. daran, dass er bald hatte weggehn wollen. Er zog daher den Brief des Fabrikanten aus der Tasche, reichte ihn dem Maler und sagte: ,,Ich habe durch diesen Herrn, Ihren Bekannten, von Ihnen erfahren und bin auf seinen Rat hin gekommen." Der Maler las den Brief fl?chtig durch und warf ihn aufs Bett. H?tte der Fabrikant nicht auf das bestimmteste von Titorelli als von seinem Bekannten gesprochen, als von einem armen Menschen, der auf seine Almosen angewiesen war, so h?tte man jetzt wirklich glauben k?nnen, Titorelli kenne den Fabrikanten nicht oder wisse sich an ihn wenigstens nicht zu erinnern. ?berdies fragte nun der Maler: ,,Wollen Sie Bilder kaufen oder sich selbst malen lassen?" K. sah den Maler erstaunt an. Was stand denn eigentlich in dem Brief? K. hatte es als selbstverst?ndlich angenommen, dass der Fabrikant in dem Brief den Maler davon unterrichtet hatte, dass K. nichts anderes wollte, als sich hier wegen seines Prozesses zu erkundigen. Er war doch gar zu eilig und un?berlegt hierhergelaufen! Aber er musste jetzt dem Maler irgendwie antworten und sagte mit einem Blick auf die Staffelei: ,,Sie arbeiten gerade an einem Bild?" ,,Ja," sagte der Maler und warf das Hemd, das ?ber der Staffelei hing, dem Brief nach auf das Bett. ,,Es ist ein Portr?t. Eine gute Arbeit, aber noch nicht ganz fertig." Der Zufall war K. g?nstig, die M?glichkeit vom Gericht zu reden, wurde ihm f?rmlich angeboten, denn es war offenbar das Portr?t eines Richters. Es war ?brigens dem Bild im Arbeitszimmer des Advokaten auffallend ?hnlich. Es handelte sich hier zwar um einen ganz andern Richter, einen dicken Mann mit schwarzem buschigen Vollbart, der seitlich weit die Wangen hinaufreichte, auch war jenes Bild ein ?lbild, dieses aber mit Pastellfarben schwach und undeutlich angesetzt. Aber alles ?brige war ?hnlich, denn auch hier wollte sich gerade der Richter von seinem Thronsessel, dessen Seitenlehnen er festhielt, drohend erheben. ,,Das ist ja ein Richter," hatte K. gleich sagen wollen, hielt sich dann aber vorl?ufig noch zur?ck und n?herte sich dem Bild, als wolle er es in den Einzelheiten studieren. Eine grosse Figur, die in der Mitte ?ber der R?ckenlehne des Thronsessels stand, konnte er sich nicht erkl?ren und fragte den Maler nach ihr. Sie m?sse noch ein wenig ausgearbeitet werden, antwortete der Maler, holte von einem Tischchen einen Pastellstift und strichelte mit ihm ein wenig an den R?ndern der Figur, ohne sie aber dadurch f?r K. deutlicher zu machen. ,,Es ist die Gerechtigkeit," sagte der Maler schliesslich. ,,Jetzt erkenne ich sie schon," sagte K., ,,hier ist die Binde um die Augen und hier die Wage. Aber sind nicht an den Fersen Fl?gel und befindet sie sich nicht im Lauf?" ,,Ja," sagte der Maler, ,,ich musste es ?ber Auftrag so malen, es ist eigentlich die Gerechtigkeit und die Siegesg?ttin in einem." ,,Das ist keine gute Verbindung," sagte K. l?chelnd, ,,die Gerechtigkeit muss ruhen, sonst schwankt die Wage und es ist kein gerechtes Urteil m?glich." ,,Ich f?ge mich darin meinem Auftraggeber," sagte der Maler. ,,Ja gewiss," sagte K., der mit seiner Bemerkung niemanden hatte kr?nken wollen. ,,Sie haben die Figur so gemalt, wie sie auf dem Thronsessel wirklich steht." ,,Nein," sagte der Maler, ,,ich habe weder die Figur noch den Thronsessel gesehn, das alles ist Erfindung, aber es wurde mir angegeben, was ich zu malen habe." ,,Wie?" fragte K., er tat absichtlich, als verstehe er den Maler nicht v?llig, ,,es ist doch ein Richter, der auf dem Richterstuhl sitzt." ,,Ja," sagte der Maler, ,,aber es ist kein hoher Richter und ist niemals auf einem solchen Thronsessel gesessen." ,,Und l?sst sich doch in so feierlicher Haltung malen? Er sitzt ja da wie ein Gerichtspr?sident." ,,Ja, eitel sind die Herren," sagte der Maler. ,,Aber sie haben die h?here Erlaubnis, sich so malen zu lassen. Jedem ist genau vorgeschrieben, wie er sich malen lassen darf. Nur kann man leider gerade nach diesem Bilde die Einzelheiten der Tracht und des Sitzes nicht beurteilen, die Pastellfarben sind f?r solche Darstellungen nicht geeignet." ,,Ja," sagte K., ,,es ist sonderbar, dass es in Pastellfarben gemalt ist." ,,Der Richter w?nschte es so," sagte der Maler, ,,es ist f?r eine Dame bestimmt." Der Anblick des Bildes schien ihm Lust zur Arbeit gemacht zu haben, er krempelte die Hemd?rmel aufw?rts, nahm einige Stifte in die Hand und K. sah zu, wie unter den zitternden Spitzen der Stifte anschliessend an den Kopf des Richters ein r?tlicher Schatten sich bildete, der strahlenf?rmig gegen den Rand des Bildes verging. Allm?hlich umgab dieses Spiel des Schattens den Kopf wie ein Schmuck oder eine hohe Auszeichnung. Um die Figur der Gerechtigkeit aber blieb es bis auf eine unmerkliche T?nung hell, in dieser Helligkeit schien die Figur besonders vorzudringen, sie erinnerte kaum mehr an die G?ttin der Gerechtigkeit, aber auch nicht an die des Sieges, sie sah jetzt vielmehr vollkommen wie die G?ttin der Jagd aus. Die Arbeit des Malers zog K. mehr an, als er wollte; schliesslich aber machte er sich doch Vorw?rfe, dass er so lange schon hier war und im Grunde noch nichts f?r seine eigene Sache unternommen hatte. ,,Wie heisst dieser Richter?" fragte er pl?tzlich. ,,Das darf ich nicht sagen," antwortete der Maler, er war tief zum Bild hinabgebeugt und vernachl?ssigte deutlich seinen Gast, den er doch zuerst so r?cksichtsvoll empfangen hatte. K. hielt das f?r eine Laune und ?rgerte sich dar?ber, weil er dadurch Zeit verlor. ,,Sie sind wohl ein Vertrauensmann des Gerichtes?" fragte er. Sofort legte der Maler die Stifte beiseite, richtete sich auf, rieb die H?nde aneinander und sah K. l?chelnd an. ,,Nur immer gleich mit der Wahrheit heraus," sagte er, ,,Sie wollen etwas ?ber das Gericht erfahren, wie es ja auch in Ihrem Empfehlungsschreiben steht, und haben zun?chst ?ber meine Bilder gesprochen, um mich zu gewinnen. Aber ich nehme das nicht ?bel, Sie konnten ja nicht wissen, dass das bei mir unangebracht ist. O bitte!" sagte er scharf abwehrend, als K. etwas einwenden wollte. Und fuhr dann fort: ,,Im ?brigen haben Sie mit Ihrer Bemerkung vollst?ndig recht, ich bin ein Vertrauensmann des Gerichtes." Er machte eine Pause, als wolle er K. Zeit lassen, sich mit dieser Tatsache abzufinden. Man h?rte jetzt wieder hinter der T?r die M?dchen. Sie dr?ngten sich wahrscheinlich um das Schl?sselloch, vielleicht konnte man auch durch die Ritzen ins Zimmer hereinsehn. K. unterliess es, sich irgendwie zu entschuldigen, denn er wollte den Maler nicht ablenken, wohl aber wollte er nicht, dass der Maler sich allzusehr ?berhebe und sich auf diese Weise gewissermassen unerreichbar mache, er fragte deshalb: ,,Ist das eine ?ffentlich anerkannte Stellung?" ,,Nein," sagte der Maler kurz, als sei ihm dadurch die weitere Rede verschlagen. K. wollte ihn aber nicht verstummen lassen und sagte: ,,Nun, oft sind derartige nicht anerkannte Stellungen einflussreicher als die anerkannten." ,,Das ist eben bei mir der Fall," sagte der Maler und nickte mit zusammengezogener Stirn. ,,Ich sprach gestern mit dem Fabrikanten ?ber Ihren Fall, er fragte mich, ob ich Ihnen nicht helfen wollte, ich antwortete: ,,Der Mann kann ja einmal zu mir kommen," und nun freue ich mich, Sie so bald hier zu sehn. Die Sache scheint Ihnen ja sehr nahe zu gehn, wor?ber ich mich nat?rlich gar nicht wundere. Wollen Sie vielleicht zun?chst Ihren Rock ablegen?" Trotzdem K. beabsichtigte, nur ganz kurze Zeit hierzubleiben, war ihm diese Aufforderung des Malers doch sehr willkommen. Die Luft im Zimmer war ihm allm?hlich dr?ckend geworden, ?fters hatte er schon verwundert auf einen kleinen, zweifellos nicht geheizten Eisenofen in der Ecke hingesehn, die Schw?le im Zimmer war unerkl?rlich. W?hrend er den Winterrock ablegte und auch noch den Rock aufkn?pfte, sagte der Maler sich entschuldigend: ,,Ich muss W?rme haben. Es ist hier doch sehr behaglich, nicht? Das Zimmer ist in dieser Hinsicht sehr gut gelegen." K. sagte dazu nichts, aber es war eigentlich nicht die W?rme, die ihm Unbehagen machte, es war vielmehr die dumpfe, das Atmen fast behindernde Luft, das Zimmer war wohl schon lange nicht gel?ftet. Diese Unannehmlichkeit wurde f?r K. dadurch noch verst?rkt, dass ihn der Maler bat, sich auf das Bett zu setzen, w?hrend er sich selbst auf den einzigen Stuhl des Zimmers vor der Staffelei niedersetzte. Ausserdem schien es der Maler misszuverstehn, warum K. nur am Bettrand blieb, er bat vielmehr, K. m?chte es sich bequem machen und ging, da K. z?gerte, selbst hin und dr?ngte ihn tief in die Betten und Polster hinein. Dann kehrte er wieder zu seinem Sessel zur?ck und stellte endlich die erste sachliche Frage, die K. alles andere vergessen liess. ,,Sind Sie unschuldig?" fragte er. ,,Ja," sagte K. Die Beantwortung dieser Frage machte ihm geradezu Freude, besonders da sie gegen?ber einem Privatmann, also ohne jede Verantwortung erfolgte. Noch niemand hatte ihn so offen gefragt. Um diese Freude auszukosten, f?gte er noch hinzu: ,,Ich bin vollst?ndig unschuldig." ,,So," sagte der Maler, senkte den Kopf und schien nachzudenken. Pl?tzlich hob er wieder den Kopf und sagte: ,,Wenn Sie unschuldig sind, dann ist ja die Sache sehr einfach." K.s Blick tr?bte sich, dieser angebliche Vertrauensmann des Gerichtes redete wie ein unwissendes Kind. ,,Meine Unschuld vereinfacht die Sache nicht," sagte K. Er musste trotz allem l?cheln und sch?ttelte langsam den Kopf. ,,Es kommt auf viele Feinheiten an, in die sich das Gericht verliert. Zum Schluss aber zieht es von irgendwoher, wo urspr?nglich gar nichts gewesen ist, eine grosse Schuld hervor." ,,Ja, ja, gewiss," sagte der Maler, als st?re K. unn?tigerweise seinen Gedankengang. ,,Sie sind aber doch unschuldig?" ,,Nun ja," sagte K. ,,Das ist die Hauptsache," sagte der Maler. Er war durch Gegengr?nde nicht zu beeinflussen, nur war es trotz seiner Entschiedenheit nicht klar, ob er aus ?berzeugung oder nur aus Gleichg?ltigkeit so redete. K. wollte das zun?chst feststellen und sagte deshalb: ,,Sie kennen ja gewiss das Gericht viel besser als ich, ich weiss nicht viel mehr, als was ich dar?ber, allerdings von ganz verschiedenen Leuten, geh?rt habe. Darin stimmten aber alle ?berein, dass leichtsinnige Anklagen nicht erhoben werden, und dass das Gericht, wenn es einmal anklagt, fest von der Schuld des Angeklagten ?berzeugt ist und von dieser ?berzeugung nur schwer abgebracht werden kann." ,,Schwer?" fragte der Maler und warf eine Hand in die H?he. ,,Niemals ist das Gericht davon abzubringen. Wenn ich hier alle Richter nebeneinander auf eine Leinwand male und Sie werden sich vor dieser Leinwand verteidigen, so werden Sie mehr Erfolg haben, als vor dem wirklichen Gericht." ,,Ja," sagte K. f?r sich und vergass, dass er den Maler nur hatte ausforschen wollen.

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