Read Ebook: Wanderschuhe und andere Erzählungen by Schieber Anna
Font size: Background color: Text color: Add to tbrJar First Page Next Page Prev PageEbook has 770 lines and 52344 words, and 16 pagesIn diesen Stunden stahl sich wohl mein Enkelt?chterchen leise zu uns herein und schl?pfte, die Augen auf mich gerichtet, ob ich es nicht verjagen werde, zur Mirza hin. Die fasste die kleine, warme Kinderhand, ohne sich im ?brigen zu r?hren, und das Kind sass gl?cklich dabei, wie ein V?gelein unter Fl?geln sitzt. Auch das nahm sein Ende. Eines Tags im Dezember standen die beiden, Markus Lohrmann und Mirza, vor dem Altar. Draussen wehte es stark, ein scharfer Nordostwind fegte durch die Gassen und ?ber unsere Hochfl?che hin, und ich, als mir bei den wenigen Schritten vom Hause bis zur Sakristei der Kirchenrock flatternd um die Beine schlug, musste es nachsprechen, was ein anderer vor mir gesagt hat: >>weh' dem, der keine Heimat hat.<< Nun, die beiden, die sich in dieser Stunde die H?nde gaben, die hatten ja nicht nur ein Dach ?ber sich, sondern, was erst recht die Heimat macht, ein Herz, um darin daheim zu sein, ein jedes im andern. Zwar dass bei ihm die Leidenschaft st?rker und tiefer war, als bei ihr, das hatte ich schon gesehen. Aber sie hatte sich doch hingebend und nicht ohne eine stille Innigkeit in ihn gefunden und wollte ihm allein geh?ren; das musste genug sein. Seltsam, dass so die Rollen vertauscht waren: unsere Albbauern haben es sonst nicht so stark mit den Gef?hlen, sie sind mehr aufs N?chterne, Praktische gerichtet, und das fremde, dunkel?ugige Volk der Zigeuner, das gilt bei uns eher f?r heissbl?tig und leicht hingerissen. Das war aber nun, wie es war. Mir kamen die beiden nun f?r eine Zeitlang mehr aus den Augen; es war Winter und es gab allerlei Kranke am Ort, die ich zu besuchen hatte. Doch h?rten wir ab und zu, dass dort draussen in dem Hause mit den braunen Balken alles gut gehe, den Schwarzsehern und Ungl?cksraben, die alles B?se hatten prophezeien wollen, zum Trotz. Selbst die alte Burge, die anfangs gemeint hatte, dass nun der Himmel einst?rzen m?sse, liess sich, als gegen den Fr?hling hin eine b?se Grippe ins Dorf kam, gern von den leichten und geschickten H?nden des jungen Weibes pflegen, und mir war, als ich sie besuchte, als ob ihre gr?mlichen, harten Z?ge einen sanfteren Ausdruck gewonnen h?tten. Da kam ich einmal, als die M?rzst?rme mit aller Macht bliesen und auf den h?hergelegenen Fl?chen den Schnee wegfegten, gegen Abend vom Nachbarort her. Es war eine frische, reine Luft, es lag etwas fr?hlinghaftes trotz der Sch?rfe darin und ich blieb stehen, um - den Hut hatte ich abgenommen - ein paar tiefe Z?ge davon einzuatmen und mir auch den alten Kopf ein wenig durchwehen zu lassen. - >>Du weisst, ich bin hart gew?hnt worden da oben,<< unterbrach sich der Erz?hler l?chelnd, >>ihr Jungen h?ttet euch vielleicht dabei einen Schnupfen geholt.<< Da sah ich auf dem kleinen H?gel, den eine einzelne alte Eiche bekr?nt, eine Frauengestalt unbeweglich stehen. Sie wandte mir den R?cken, sie sah in den sinkenden Abend hinein. Dort, im Westen, hingen einige leuchtende Wolken, denen die schon entschwundene Sonne schmale Purpurs?ume gewoben hatte. Ich sah es nun auch, sie ver?nderten ihre Form in rascher Folge, ballten sich zusammen und flossen auseinander, eine reichere Phantasie als die meinige h?tte wohl allerlei Wesenheiten aus ihnen geschaffen. Mir will so etwas nie gelingen. Das aber sah ich, dass die Frau da oben wie in einer starken Bewegung die Arme ausbreitete und so eine kleine Weile regungslos verharrte. Dann, als rasch nacheinander die Purpurfarben am Horizont verl?schten und es dort grau und tr?be wurde, wandte sie sich langsam um und ging mit z?gernden Schritten den schmalen Weg, der zu der Landstrasse f?hrt, herunter. Und ich sah, dass es Mirza sei. W?re es eine Fremde gewesen, ich w?re weitergegangen. So blieb ich noch eine Weile stehen, um sie herankommen zu lassen. Sie sah mich erst, als sie fast vor mir stand. Ich aber sah, dass ihr Gesicht tiefernst war, und dass ihre Augen immer noch in die Ferne gingen, wie in einer grossen Sehnsucht. Als sie mich gewahr wurde, schrak sie zusammen, wie jemand, der in Tr?umen gegangen ist und den man angerufen hat. Dann f?rbte sich ihr Gesicht langsam mit einer dunklen R?te, aber sie fasste sich schnell und streckte mir die br?unliche Hand hin: >>Guten Abend, Herr Pfarrer.<< Ich wollte sie nicht fragen, was sie da draussen zu suchen gehabt habe bei sinkendem Tag; ich fragte nach ihrem Haus und ihrem Mann, nach Burge, die wieder gesund war und sagte scherzweis: >>Und im Pfarrhaus, da l?ssest du dich gar nicht mehr sehen, seit du die Lohrmannsb?urin geworden bist, - oder ist es, seit das Agathlein nicht mehr da ist?<< Das Agathlein, du weisst es, ist das Enkelkind, das sich so schnell in die Fremde verguckt hatte. Sie gab mir auf alles Red' und Antwort, aber doch wie eine, die nur mit M?he dabei ist und neben dem, was es aussprach, schien ihr Mund immer noch etwas zu h?ten, was er verschweigen musste. So kamen wir selbzweit bis an das Haus, unter dessen T?r der Ehemann stand und nach seinem Weibe Ausschau hielt. Er sah heiter aus und bot mir die Hand. >>Ja, nicht wahr, Herr Pfarrer,<< sagte er, >>mein Weib, das f?rchtet sich nicht vor Wind und Wetter.<< Und, als er sah, dass Mirza zusammenzuckte, sagte er mit einem guten L?cheln: >>Ich weiss es wohl, sie ist das Stubensitzen nicht gewohnt, sie muss sich hie und da verl?ften. Aber wart nur, sei's um kurze Zeit, so f?ngt draussen das Ackern an, da kannst du frische Luft haben, und Bewegung, grad genug. Und man hat einen weiten Umblick bei uns da oben.<< Er lachte ein frohes Lachen: >>Das ist dann doch anders, so im Eigenen, mit der Sonne hinaus und mit der Sonne heim.<< Das Weib stand still daneben. Dann, als zwinge sie etwas hinunter, atmete sie auf. >>Du bist gut,<< sagte sie und dr?ngte sich an ihn. Immer wieder: >>Du bist gut.<< Da gingen sie miteinander ins Haus und ich dachte: >>Um die zwei brauchst du keine Sorge zu haben, die wachsen schon zusammen,<< aber ich konnte es doch nicht ?ndern, dass mir hie und da wieder das sehnliche Gesicht vor die Seele trat, das ich da aussen gesehen hatte. Da, es war schon gegen Ende April - auch bei uns, zu denen der Fr?hling erst sp?t kommt, knospeten die Hecken und standen die Veilchen im Grase - kam die B?tin aus dem Nachbarort bei uns vorbei; sie hatte meiner Frau etwas aus der Stadt mitgebracht. >>Ja, ja,<< sagte sie, als sie in der K?che sass und eine grosse Sch?ssel mit heissem Kaffee vor sich auf dem Tisch stehen hatte, >>ja, ja, so geht's, wenn man etwas anderes will, als Seinesgleichen. Die Marie vom Adlerwirt, die w?r ihm nicht davongelaufen, und ist auch eine saubere, postierte Person; es h?tt' nicht gerad eine schwarze Zigeunerin sein m?ssen; aber wer nicht h?ren will.<< Ich kam gerade an der K?che vorbei und h?rte ihr Reden. >>Was sagt sie da, B?tin?<< fragte ich. >>O nichts, als dass der Lohrmann ja jetzt das Nachsehen hat, er hat sie ja nun den Winter ?ber durchgef?ttert.<< Ich wollte nichts mehr h?ren, es durchfuhr mich doch in j?hem Schreck. Und, obgleich es Samstag war und meine Predigt noch nicht fertig, nahm ich Stock und Hut und ging ans Ende des Dorfes, um zu sehen, was es mit der Sache auf sich habe. Der Bauer war in der Scheuer, er machte sich allerlei zu tun, aber ich sah doch auf den ersten Blick, dass seine Gedanken nicht beim Futterschneiden seien. Als er mich gewahrte, sah er mit einem eigenen, stillen Blick auf, darin nichts von der Frohheit der letzten Zeit lag, aber etwas anderes doch, das mir f?r ihn wohl tat, etwas Unentwegtes. Er f?hrte mich wortlos in die Stube; dann erst, als er die T?r hinter sich geschlossen und mir einen Stuhl angeboten hatte, sagte er: >>Ich weiss wohl, warum Sie kommen, Herr Pfarrer; ich dank's Ihnen. Aber wenn's nach mir gegangen w?re, ich h?tt's keinem Menschen gesagt. Sie k?nnen's nur immer nicht schnell genug ausschn?ffeln, die Leut', wenn irgendwo etwas nicht im Gleis ist. Die Burge h?tt' nichts gesagt, die auch nicht. Aber der Fuhrknecht vom Lammwirt, der hat sie gestern in der grauen Morgenfr?he gesehen, wie sie mit einem ganz kleinen B?ndelein in der Hand Blaubeuren zugegangen ist. Und, Herr Pfarrer, sie hat das rote Tuch um Kopf und Schultern gehabt, in dem sie einst hierher gekommen ist. Im Lamm hat er's erz?hlt, sie sei gegangen, wie auf Federn, so leicht, und leis vor sich hingesungen habe sie. Jetzt wissen sie's im ganzen Dorf und das ist mir leid um sie. Denn sie kommt wieder, o Herr Pfarrer, sie kommt wieder, sie kann es gar nicht anders. Es ist nur das Fr?hjahr, ich seh's gut, ich seh' in sie hinein wie in einen Spiegel.<< Und damit stieg ihm wieder etwas von der Freude in die Augen, als ob er sein Weib schon vor sich s?he, wie sie zur T?r herein k?me: da hast du mich wieder. >>Und dann, wenn sie kommt?<< ich fragte es eigentlich ohne Not; denn ich sah es ja, wie er sie aufnehmen w?rde. Da brach es aus seinen blauen Augen wie ein heller Strahl. >>Dann?<< Er ballte gewaltsam die H?nde zu F?usten und presste die Lippen aufeinander, dass sie es nicht hinausschrieen, was dann sei; die Augen mussten es ganz allein sagen mit ihrem Leuchten. Und ich sagte und wandte mich wieder zum Gehen, denn der hier wurde allein fertig: >>ja, ja, Markus, die Liebe muss immer das letzte Wort behalten. Gott geb's, dass sie es auch bei euch tue.<< >>Es ist mir nur um sie. Sie hat so wie so keine Freunde im Dorf; sie werden arg ?ber sie herfallen. Aber was tut's am Ende? Daheim ist sie doch nur bei mir.<< Damit gab mir Markus Lohrmann das Geleite bis vor die T?r und schon als ich ein kleines St?ck weit vom Hause entfernt war, h?rte ich wieder das Klappern der Futterschneidemaschine. Am andern Tag, als wir unseren Sonntagsspaziergang machten in den Fr?hlingswald hinaus, meine Frau und ich, kommen wir an Lohrmanns Haus vorbei: da sass im Sonnenscheine die alte Burge am offenen Fenster. Sie hatte die Brille auf der Nase und das Gesangbuch auf dem Schoss, aber ihre Augen gingen ins Weite, und als sie uns herbeikommen sah, winkte sie m?chtig mit dem Kopf: >>ich bin allein im Haus, der Bauer ist mit seinem Weib hinaus, sie wollen ein bisschen nach der Saat sehen.<< Und, als wir beide uns in freudigem Schrecken nach ihr hinwandten; fuhr sie fort: >>ja, ja, das B?se kommt immer schneller herum, als das Gute, aber heut in aller Gottesfr?he, es waren noch die ?bern?chtigen Sterne am Himmel, da h?re ich doch trotz meiner dicken Ohren, dass etwas draussen am Laden herumtastet. Und da schl?gt auch schon der Hund an und reisst an der Kette, wie toll, aber eh' ich meine R?cke ?berwerfen kann, geht schon die Haust?r und der Bauer tritt ?ber die Schwelle. Geschlafen hat er nicht die zwei N?chte, das weiss ich wohl. >>Ich muss bei der Hand sein, wenn sie kommt,<< hat er gesagt. Und als ich meinen Laden aufstosse, da steht sie richtig draussen und guckt ihn so an, als ob sie heulen und lachen m?chte an einem St?ck, und er nimmt sie nur so an beiden H?nden und sagt: >>komm, komm;<< es hat ihm ganz die Stimme verschlagen. Und er zieht sie so an den H?nden ins Haus herein und l?sst die T?re wieder ins Schloss fallen. Da m?ssen sie lang gestanden sein, denn erst nach einer Viertelstunde hab ich ihre Kammert?r gehen h?ren. Ich bin wieder ins Bett gestiegen, ich bin ein alter Mensch und die N?chte sind kalt. Und es war mir auch, ein drittes sei zu viel dabei: Aber wie ich dann hinauskomme ein paar Stunden sp?ter, da hantierte die Frau schon in der K?che, und der Bauer steht dabei und guckt ihr zu, wie sie die Milch seiht, und der Hund, Gott verzeih' mir's, wenn's eine S?nd' ist, aber der steht daneben und frisst sie fast mit den Augen, ganz gleich wie der Bauer. Und wie ich sag: >>so, so, auch wieder da?<< und dass wir in der Angst gewesen sind, - da hat sie die Augen voll Tr?nen und lacht dazu und sagt: >>Burge, Burge, ihr h?ttet mich sollen nicht ins Haus nehmen, so einen Wandervogel. Ich hab hinaus m?ssen, ich w?r gestorben sonst. Aber, - und dann guckt sie den Bauern an, dass es mir altem Weib ganz siedheiss wird unter dem Kittel - haben m?sst ihr mich jetzt doch, denn ich muss hier daheim sein, das kann man nicht mehr ?ndern. Es ist eine Not.<< Und dann schl?pft sie an ihn hin, wie ein Kind, wenn es Angst hat, und, Herr Pfarrer, ich mag's kaum sagen, aber der Bauer tr?gt sie ja richtig auf seinen Armen in die Stube und sagt: >>mit einem siebenfachen Seil bind' ich dich an, dass du mir nicht entlaufen kannst<<, und sie sagt immer nur: ja, ja, bind mich an, aber mir ist angst, ich komme dir doch noch hinaus.<< Die alte Burge sch?ttelte den Kopf. >>Was soll ein alter Mensch, wie ich bin, dazu sagen? Ich habe in meinem ganzen Leben noch nichts solches gesehen, es ist nicht der Brauch bei uns. Aber so eigentlich b?s sein, das kann man ihnen beiden nicht.<< Und damit nahm das runzelige, trockene Gesicht einen Ausdruck an, den es noch nie gehabt hatte vorher; sie liebte Mirza, wider ihren Willen. >>Sagen, Burge? wir wollen gar nichts sagen.<< Meine Frau war in m?tterlicher Wallung f?r die beiden Menschen. >>Gott beh?t uns alle, wir haben's alle n?tig.<< Und damit setzten wir unseren Weg fort, und als wir von Weitem ein Menschenpaar Hand in Hand durch die hellgr?nen Saatfelder gehen sahen, bogen wir auf ein Seitenweglein ab. Denn wir hatten nichts dabei zu tun. Wir haben es sp?ter erfahren, dass Mirza auf den Blaubeurer Felsen herumgestiegen sei und auch, unter einen ?berhangenden Stein geduckt, frierend dort gen?chtigt habe. Und dass sie, hin- und hergerissen von ausbrechender Wandersehnsucht und von dankbarer Liebe zu dem Mann, der sich selbst und sein Haus zu ihrer Heimat gemacht hatte, umhergewandert sei, bis sie im Talgrund unten einen Wagen mit Leuten ihres Volkes gesehen habe. Da sei es ihr in heissem Schreck ins Herz gefahren, dass sie zu ihnen nicht geh?re, und sie sei atemlos gelaufen bis vor die Schwelle >>seines<< Hauses. Und sie hat ja nicht vergeblich dort geklopft, da die Liebe wach war und auf sie wartete.<< - Der alte Pfarrer stand auf und ging ein paarmal im Zimmer auf und ab. Der Gast wusste, dass er nun eine innere Bewegung und vielleicht auch die Versuchung, eine Nutzanwendung zu dem Gesagten zu machen, in sich unterdr?ckte; so sass er schweigend und wartete. Der Feuerschein aus dem Ofen fiel durch das ge?ffnete T?rchen auf den weissen Stubenboden; draussen war es dunkel. Ursel steckte den Kopf zur T?r herein. >>Bring ein Kr?glein Wein, Ursel. Nein, nicht vom Neuen, von dem kleinen F?sschen im Eck, alten roten. Und dann auch die Lampe.<< Nun kam der Hausherr wieder in Zug. >>Es ist nicht bei dem einenmal geblieben,<< fuhr er fort. >>Sie ist noch hie und da, dem dunklen Trieb in die Ferne gehorchend, auf einen oder zwei Tage aus ihres Mannes Haus verschwunden und immer wieder beim Sternenschein oder beim ersten Hahnenschrei zur?ckgekehrt. Er hat sie jedesmal mit der steten Treue seines Wesens aufgenommen, und sie barg sich dann, wie in wachsender Angst vor sich selber, in seinen Armen. Ich sah aber doch hie und da, dass ein Zug von stiller Schwermut auf dem Gesicht des Mannes lag, bis er eines Tags wie ?bersonnt vor Freude in mein Haus trat. >>Er ist da,<< sagte er, >>der Bub, wir haben einen Buben.<< Ich musste mich mit ihm freuen. >>Das ist ja gut,<< sagte ich und gab ihm die Hand, >>nun wird ja auch die Mutter noch fester bei euch einwurzeln, als sie es bisher getan hat, nun, da sie die Wiege neben dem Bett hat.<< >>Das wird sie, so Gott will,<< sagte der Bauer und wieder brach ein freudiger Strahl aus seinen Augen, >>wir zwei, wir binden sie an auf immer, der Bub und ich.<< Meine Frau konnte dem Drang ihres m?tterlichen Herzens nicht lange widerstehen. Sie wusste es wohl, das fremde junge Weib hatte keine Freundinnen unter den Dorfweibern. Und wenn auch die alte Burge da draussen herumhantierte, - kurz, sie musste hin und nach dem Rechten sehen. Es war ein sonniger M?rztag, als sie den Gang machte. Und als sie an den niedrigen Fenstern vorbeiging, die halbge?ffnet waren, da drang ein leiser, lieblicher Gesang an ihr Ohr. Das war Mirza, die ihrem Kindlein ein Wiegenlied sang, eine fremdartig s?sse Weise, wie deren die wandernden Leute so viele haben. Drinnen soll es lieblich genug ausgesehen haben. Die junge Mutter hatte das B?blein an der Brust und der Vater stand, ein Schnitzmesser in der Hand, unter der T?r, die nach dem Stadel hinausf?hrte und konnte sich nicht ers?ttigen am Anblick der beiden dunkelhaarigen K?pfe, die da so traut beieinander auf den Kissen lagen. Denn das Kindlein hatte einen Wald von schwarzem Kraushaar und die grossen, gl?nzenden Augen der Mutter mit in die Welt hereingebracht. >>So ist er jetzt immer,<< sagte Burge, >>hundertmal l?uft er von allem Gesch?ft weg und guckt die zwei an, als ob sie ihm k?nnten gestohlen werden.<< Aber sie selber machte es nicht viel anders, das konnte man deutlich sehen. Sie versorgte Mirza und wickelte das Kind und besorgte den Hausstand. Es war, als ob sie R?der an ihre alten F?sse bekommen h?tte und ein junges Gesicht dazu. Das machte alles die Freude. >>Viel zu gut habe ich's,<< sagte Mirza. >>Die Frauen meines Volkes - wenn ich denke, wie sie hinter einer Hecke oder auf einem Heuhaufen -,<< sie brach ab, als der Mann mit einer hastigen Bewegung auf sie zukam: >>Dein Volk ist jetzt hier, Mirza, bei uns, bei mir, sonst nirgends mehr.<< Und sie presste das K?pflein des Kindes an sich und sagte: >>ja, ja, das ist es. Aber ich kann's nicht ?ndern, ich muss auch an die andern denken.<< Und leiser, das rote F?ustchen und das sattgetrunkene M?ulchen k?ssend, fuhr sie fort: >>er hat's gut, mein Kleiner. Er ist da geboren, wo er hingeh?rt. Ihn wird es nicht in der Welt herumwerfen - und nicht hinausziehen mit aller Gewalt.<< >>Ja, und du bleibst nun auch da, Mirza, nun bleiben wir alle beieinander,<< sagte der Mann, und es sei eine leise Angst und eine r?hrende Bitte in seinem Ton gelegen, sagte meine Frau. Nun ging ein Jahr hin, - mehr als ein Jahr - ein Sommer und ein Winter und wieder ein Sommer, das war f?r Markus Lohrmann eine gute Zeit. Ich weiss noch einen Sommertag vom vorigen Jahr; es war im Heuet; draussen an der grossen Wiesenbreite gegen die Elchinger Markung hin gingen wir beide, das Agathlein, das zum Besuch gekommen war, und ich, selbander spazieren. Das heisst, das Agathlein h?pfte mir voraus, immer drei Schritte vor und einen zur?ck, und machte einen Strauss aus Heckenrosen und gelbem Ginster und solchem Blumengezeug an den Rainen, das nicht unter der Sense gefallen war. Und dazwischen hinein sah es sich um, ob der Grossvater auch nicht verloren gehe. Aber auf einmal, an einer Wegbiegung, - es stand eine Gruppe von Schlehdorngeb?sch davor, tat das Kind einen Schrei aus seinem freudigen Herzlein heraus und rannte gradeaus ?ber die Wiese hin, bis wo unter einem Vogelbeerbaum ein H?uflein Menschen sass, offenbar beim Vesper. Ich stieg langsamer hintendrein, bei unsereinem pressiert's nicht mehr so stark; da fand ich das Agathlein schon neben seiner Freundin Mirza auf dem moosigen M?uerlein sitzen, das dort die Wiese abschliesst, und es hatte auch wie die andern ein St?ck K?sbrot in der Hand, von dem es fr?hlich herunterbiss. Das schwarzhaarige B?blein, das f?r seine viereinhalb Monate schon pr?chtig herangediehen war, das lag mit weitoffenen Guckaugen auf seiner Mutter Schoss und krabbelte mit den H?ndlein an ihrer Brust herum, als ob es wisse, dass es jetzt dann an die Reihe komme mit der Mahlzeit. Mirza war, wie Burge und wie der Mann und die beiden Tagl?hner, in Hemds?rmeln. Sie unterschied sich durch nichts als durch ihre fremdartige, dunkle Sch?nheit von einer echten Albb?urin. Aber das Sehns?chtige, R?tselhafte in ihren Augen und um ihren Mund, das war jetzt ausgel?scht oder doch zugedeckt durch eine weiche, m?tterliche Freude an dem jungen Leben, das sie in ihrem Schosse hielt, und als sie aufsah und mir die Hand hinstreckte, tat sie es mit einem L?cheln, wie es nur ein Mensch hat, dem es im Herzen wohl ist. Ich bin damals eine gute Vesperviertelstunde lang mit unter dem Eschenbaum gesessen und auf dem Heimweg war mir's warm, nicht von der Sonne allein, auch nicht von dem Glas Bratbirnenmost, das ich nicht hatte ausschlagen wollen; so ein St?ck reifen, guten Sommergl?ckes, das man Menschen, die man gern hat, geniessen sieht, das w?rmt einen im Innersten. Das Agathlein, - das muss ich noch sagen - blieb auf der Wiese zur?ck. >>Ich muss den Marx h?ten, die Mirza muss wieder schaffen,<< rief sie mir nach. Und als ich mich einmal umwandte, da sah ich Markus Lohrmanns Weib, wie sie r?stig neben ihm mit dem Rechen hantierte; er aber konnte es nicht lassen, zwischenhinein seine Augen nach ihr hinzuschicken. Ja, da hatte er gute Zeit. Wenn man sie gegen ein langes Leben hinh?lt, war sie kurz. Aber wie viele gehen ?ber die Erde hin, die nie ein ganzes, volles Leuchten in sich gehabt haben, so eins, das durch dunkle Tage und Jahre hinscheint wie ein Licht: damals bin ich gl?cklich gewesen. Zu denen geh?rt Markus Lohrmann nicht. Wenn er nun mit seinem B?blein in seinem Haus da draussen sitzt und es kommt ihm so leer vor, und das Kind w?chst daher und sollte eine Mutter haben, - ich weiss, dann nimmt er es auf den Schoss und erz?hlt ihm, noch eh' es den Verstand dazu hat, dass einen Sommer und einen Winter und wieder einen Sommer lang sich dunkle Augen in den seinigen gespiegelt haben. Dass eine z?rtliche Stimme sch?ne, seltsame Weisen ?ber seinen ersten Kinderschlaf hingesungen hat, dass sein schwarzes, lockiges K?pfchen im Schoss einer lieben Frau geruht hat, die seine Mutter war. Und wenn er dann auch in vergeblicher Sehnsucht die Arme nach dem fernen Bild ausstrecken wird, es ist doch sein eigen gewesen. Und er wird sein B?blein an der Hand nehmen und<< - >>Du wirst ja ganz poetisch,<< sagte der Gast dazwischen, und dann r?usperte er sich und nahm einen Schluck Wein. Der Pfarrer nahm auch einen. >>Na ja,<< sagte er, >>das ist sonst meine Art nicht. Aber es ist mich so angekommen. Im vergangenen Sommer, - der kleine Marx zog schon sein h?lzernes G?ulchen an einer Schnur hinter sich her und wackelte auf seinen anderthalbj?hrigen F?ssen ums Haus herum - sah ich Mirza eines Tags gegen ihre sonstige Gewohnheit an einem sonnenheissen Tag unter der grossen Linde, die nahe bei ihrem Haus steht, auf der Steinbank sitzen. Sie hatte ein altes, rotes Tuch um die Schultern gelegt und zog es an sich, als ob sie friere. Und ihre Augen sahen m?d und traurig aus. >>Was ist dir, Mirza?<< fragte ich und setzte mich neben sie. >>Du siehst nicht gut aus. Bist du krank?<< Nein, das sei sie nicht, sagte sie, nur m?de, es sei unbegreiflich, und doch auch wieder nicht. Es kam und ging eine dunkle R?te auf ihrem Gesicht. Sie k?mpfte augenscheinlich damit, mir etwas zu sagen, tat aber dann ein paar lange Atemz?ge und strich sich mit der Hand ?bers Gesicht, wie um dort etwas wegzuwischen. >>Wenn dich etwas dr?ckt, Mirza, und du m?chtest's mir gern sagen, - das weisst du wohl, dass ichs gern h?ren will,<< sagte ich. >>Aber freilich, wenn man so einen guten Mann hat, wie du, dann hat man den Beichtvater bei sich im Haus und braucht den Pfarrer nicht dazu.<< Ich versuchte zu scherzen, aber eigentlich war es mir nicht recht um Spass zu tun. Denn die Augen des Weibes neben mir sahen wie in eine dunkle Tiefe oder in eine grosse, weite Ferne. >>Es gibt Sachen, Herr Pfarrer,<< sagte sie tiefernst, >>mit denen muss der Mensch ganz allein ins reine kommen, da hilft das Reden nichts,<< und ich sp?rte, dass es bei ihr so sei. So machte ich mir nur noch ein wenig mit dem B?bchen zu schaffen und freute mich, dass, als ich weiterging, der kleine Bursch vor seiner Mutter auf dem Boden sass und sein eifriges Gesichtlein zu ihr erhob, die seine stammelnde Sprache allein bis jetzt verstand. Einige Tage sp?ter h?rten wir von der alten Burge, die in letzter Zeit wegen zunehmender Kurzatmigkeit einer jungen Magd Platz gemacht hatte, aber gleichwohl noch dort draussen aus- und einging, wie ein Eigenes, dass dem kleinen Marx ein Geschwisterlein sollte geboren werden, vielleicht so gegen den Wintersanfang hin. >>Die Mirza ist nicht recht zuweg,<< sagte sie, >>auch vergn?gt ist sie nicht. Es nimmt mich wunder; sie k?nnen ja gut mehr Kinder verhalten, darum braucht sie sich keine Sorgen zu machen. Aber freilich, ich kenn mich nicht aus bei ihr, es ist wohl nicht ums t?gliche Brot, dass sie so unter dem Druck heruml?uft. Sie hustet auch so viel, ich mein' immer, der Mann solle den Doktor holen. Nur, wenn ich das sage, dann sch?ttelt die Mirza stumm mit dem Kopf und guckt ihn so flehentlich an mit ihren grossen Augen, als ob sie sagen wollte: das, was mich krank macht, das ist nichts f?r den Doktor. Und er - er tut ja, was sie will, da kann unsereins nichts machen.<< Meine Frau tr?stete an der treuen Seele herum. Das sei oft so in diesen Zeiten bei den Frauen, da m?sse man nur warten und Geduld haben, mit dem neuen, jungen Leben werde auch der neue Lebensmut geboren und was man so zu sagen pflegt. Aber es war doch auch uns beiden nicht recht wohl ums Herz, als wir in einer der n?chsten Wochen bei einem Abendspaziergang das junge Weib dort draussen auf dem kleinen H?gel trafen, auf dem ich sie schon einmal hatte stehen sehen, damals im Vorfr?hling. Heute sah sie krank aus, mit ?bergrossen, dunklen Augen, die wie in einer sehnlichen Glut brannten; das sch?ne Gesicht war hager geworden und um die Mundwinkel lag ein fremdes, trauriges L?cheln. Sie wollte sich zwingen, heiter zu sein, als sie, sich dichter in das alte, rote Zigeunertuch h?llend, sagte: >>die Schwalben sammeln sich schon wieder zum Fortgehen. Ich hab ihnen zugesehen, man sieht so weit hinaus da oben.<< Aber es war, als ob eine gefangene Seele die beschnittenen Fl?gel h?be: warum kann nicht auch ich hinausziehen in die grosse, uferlose Weite? Ich wollte nun doch auch einmal mit Markus Lohrmann reden, das nahm ich mir vor; denn ich wusste wohl, dass er in Sorge und Liebe jetzt seine Tage hinbringe, und es war mir auch, als st?nden wir alle vor einem tiefen R?tsel, zu dessen L?sung wir uns die H?nde reichen m?ssten. Aber eh' ich noch, durch allerlei Amtsgesch?fte abgehalten, dazu kam, ihn aufzusuchen, geschah, was geschehen musste, so wie das Leben nun einmal ist. Es war ein Tag im Herbstanfang, so, wie es bei uns da oben viele gibt, blau, sonnig und von einer durchsichtigen Klarheit. Das Agathlein war wieder einmal bei uns. Es stand, als ich von einem Krankenbesuch im Filial heimkam, am Gartenzaun und streckte sein N?schen zwischen den Latten durch. >>Grossvater,<< sagte es, als ich herankam, >>sei einmal ganz still, ich h?re Musik, feine, sch?ne.<< Und ich stellte mich neben das Kind, das den Finger vor den Mund gelegt hatte und sich horchend vorn?berneigte und horchte mit ihm in die blaue Luft hinein. Da h?rte ich es denn auch, es kam n?her und n?her: Klarinetten und eine Geige, und dazwischen die klagenden T?ne des Dudelsacks. Es war eine Zigeunermusik; die halbe Dorfjugend und, so viele ihrer sich ein Gewerbe auf der Strasse machen konnten, auch von den Alten, zogen hinter einigen schwarzhaarigen, br?unlichen Gesellen in malerischen, aber vertragenen Gew?ndern drein. Und bald ging es von Mund zu Mund: heute Abend sollte grosse Tanzmusik droben im Ochsen sein. Draussen vor dem Dorf, in der gleichen Bodensenkung stand nun auch der Wagen der fahrenden Leute wie einst der, der Mirza gebracht hatte. Ein paar Weiber gingen vor die T?ren, allerhand heischend, was es so bei den Bauern gibt; mir war Angst im Herzen um Mirza, an die ich heut immer denken musste, als ob ihr Schlimmes bevorst?nde. Aber, wie so oft schon, ich beruhigte mich bei dem Gedanken, dass sie ja in einer treuen Liebe geborgen sei; die w?rde auch heute um sie wachen. Als ich jedoch am sp?ten Abend von einer Krankenkommunion heimkehrend an Markus Lohrmanns Haus vor?berging, sah ich nur die dunklen Fenster ringsherum und bei n?herer Betrachtung den alten Knecht auf dem B?nklein vor dem Hause, wie er missmutig in seiner Pfeife herumstocherte. Der Bauer sei f?r drei Tage ins Unterland gegangen, er wollte Vieh kaufen und Wein. Und die Frau? Die sei seit einer Stunde fort, wohin, das wisse kein Mensch, und ganz richtig sei es nicht mit ihr und es gehe auch nicht gut, das sage er. Wo nun der kleine Marx sei? fragte ich. Da erhellten sich die Z?ge des Knechts. Ei, der liege in seinem Bettlein und schlafe. Die Frau habe ihn hineingetan und habe bei ihm gesungen, als er schon lang geschlafen habe; es sei gewesen, wie geweint, ihm, dem Zuh?rer da aussen, habe sich alles um und um gedreht im Innern. Er verstehe nichts von so Sachen, aber es sei wahrhaftig gewesen, wie wenn eine arme Seele ums L?sgeld bitte. Und dann sei sie zur hinteren Haust?r hinausgegangen und in ihrem alten, roten Tuch ?bers Feld hinauf in den sinkenden Abend hineingelaufen. >>Sie ist halt anders, als alle dazuland,<< schloss der Knecht, >>aber unrecht, das ist sie nicht, bloss anders.<< Mir kam die Angst aufs neue, die ich bei Tag verscheucht hatte. Denn dieses Menschenkind, das hast du schon gesehen, lag mir am Herzen. Ob wohl ihre fahrenden Stammesgenossen bei ihr gewesen waren? Ob sie die Musik der dunklen Gesellen geh?rt hatte? Und der Mann war nicht da, bei dem sich Mirza sonst wohl in der Not, auch vor sich selbst, geborgen hatte. Es hatte sich ein starker Wind aufgemacht, einer von den Herbstst?rmen, wie sie bei uns da oben so manche Nacht ihr wildes Lied singen. Nach dem sch?nen, sonnigen Tage war es verwunderlich; das Wetter musste rasch umgesprungen sein. Nun trieben schwere Wolken in grossen Heerhaufen am Himmel dahin. Wenn sie den Mond, der hinter ihnen stand, auf Augenblicke freigaben, so warf der sein blasses Gesicht auf ihre zerrissenen, zerkl?fteten Gestalten, die seltsam rasch ?ber ihn dahinflogen. Der Wind rauschte in den B?umen, es war eine andere Musik, als die sie da oben machten im Ochsen. Die klang mir nun auch in die Ohren, je mehr ich mich meinem Hause n?herte, um so st?rker. Ich g?nne meinen Burschen und M?dchen wohl ein Vergn?gen; ich habe selber auch schon zugesehen, wenn sie sich im Reigen drehten, und ich wusste, so, wie heute, bekamen sie nicht oft aufgespielt. Du kennst das kleine Liedchen, wir haben es schon miteinander gelesen: >>Eine braune Geige schluchzt, Und daneben juchajuchzt Eine tolle Fl?te.<< Das fiel mir ein, als ich eine Weile horchend stehen blieb; denn, anstatt in mein Haus zu gehen, liess ich mich von den T?nen noch ein St?ck n?her gegen den Ochsen hinziehen. Es war mir, als m?sse ich sie diesmal still sein heissen; als m?sse ich sagen, es sei ein Krankes um den Weg, das Stille brauche. Als ob die schluchzende Geige, der klagende Dudelsack Mirzas Seele seien, die sich zur Ruhe singen wolle und nicht k?nne. Aber die Instrumente sangen weiter, ein jedes seinen Ton, und nun h?rte ich auch das Stampfen der Stiefel auf dem Saalboden des Ochsenwirts und sah an den hellerleuchteten Fenstern des Oberstocks die Gestalten der Tanzenden vor?bergleiten. Ich wollte wieder umkehren, ich hatte ja eigentlich nichts da oben zu suchen; und dennoch, fast von selber, gingen meine Augen durch die Dunkelheit in allen Winkeln umher; sie suchten dennoch etwas. Da, als ich mich schon zum Gehen wandte, riss eben der Wind, der da oben noch ganz anders hausen mochte, die Wolkendecke wieder einmal auseinander. Und in dem unsteten Licht, das sich aus dem Wolkenspalt heraus ergoss, sah ich, hart an die Wand des gegen?berliegenden Hauses gedr?ckt, eine Frauengestalt in einem roten Tuch, und ein blasses Gesicht, aus dem die Augen, gross nach dem hellen Lichtschein aus dem Tanzsaal gerichtet, fast herausspringen wollten wie in Hunger und vergeblicher Sehnsucht. Ich trat zu ihr hin und f?hlte, als ich ihr die Hand bot, wie sie heftig zusammenschrak. >>Guten Abend, Mirza,<< sagte ich, aber es wollte mir jetzt kein heiterer Ton gelingen. Mir war nur, als m?sse ich mich still neben das arme Weib hinstellen, das die Z?hne zusammenbiss und zitterte, wie in k?rperlichem Schmerz. Wir schwiegen eine Weile miteinander, dann sagte ich: >>Komm, Mirza, ich begleite dich an dein Haus, heim, du musst nicht so im Sturm draussen sein, ich meine, du seist nicht wohl die Zeit daher. - Ums Zusehen beim Tanzen wird dir's ja nicht sein,<< versuchte ich nun doch zu scherzen. Sie sch?ttelte nur stumm den Kopf, es war nicht der M?he wert, darauf zu antworten, es lag so weit ab. Ich wusste es auch wohl, es war nur die Musik, die von der weiten Ferne redete, von dem Lied, das der Herbstwind in den B?umen spielt, von allem Gl?ck und Elend, das im Wandern liegt, - ach, mehr als das, von allem Hinausdr?ngen und Heimbegehren der Menschenseele. Ich sah es wohl, sie trank das alles in sich hinein, - und verging fast daran. Ein wenig z?gerte sie noch, dann ging sie still neben mir her. Ihre Schritte waren schwer, das mochte wohl ihr k?rperlicher Zustand machen, aber nicht er allein. Sie ging wie eine, die eine Last tr?gt und weiss: ich kann sie nicht ablegen, eh' ich mich selbst ablege. Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page |
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