Read Ebook: Jud Süß by Feuchtwanger Lion
Font size: Background color: Text color: Add to tbrJar First Page Next PageEbook has 1443 lines and 167198 words, and 29 pagesLion Feuchtwanger / Jud S?ss Lion Feuchtwanger Jud S?ss Roman Alle Rechte vorbehalten Copyright 1925 by Drei Masken Verlag A. G., M?nchen Erstes Buch Die F?rsten Ein Netz von Adern schn?rten sich Strassen ?ber das Land, sich querend, verzweigend, versiegend. Sie waren verwahrlost, voll von Steinen, L?chern, zerrissen, ?berwachsen, bodenloser Sumpf, wenn es regnete, dazu ?berall von Schlagb?umen unterbunden. Im S?den, in den Bergen, verengten sie sich in Saumpfade, verloren sich. Alles Blut des Landes floss durch diese Adern. Die holperigen, in der Sonne staubig klaffenden, im Regen verschlammten Strassen waren des Landes Bewegung, Leben und Odem und Herzschlag. Es zogen auf ihnen gew?hnliche Postwagen, dachlose Karren, ohne Polster, ohne Lehne, humpelnd, oft zusammengeflickt, und die schnelleren Wagen der Extrapost, viersitzige, mit f?nf Pferden, die bis zu zwanzig Meilen im Tag fahren konnten. Es zogen auf ihnen die Eilkuriere der H?fe und Gesandten, auf guten Pferden, oft wechselnd, mit versiegelten Taschen, und die langsameren Boten der Thurn- und Taxisschen Post. Es zogen Handwerksburschen mit Ranzen, biedere und gef?hrliche, und Studenten, hager und sanft die einen, die andern fest und verwegen, und eng schauende M?nche, verschwitzt in ihren Kutten. Es zogen die Planwagen der grossen Kaufleute und die Handkarren hausierender Juden. Es zog in sechs soliden, etwas sch?bigen Kutschen der K?nig von Preussen, der den s?ddeutschen H?fen Besuch gemacht hatte, und sein Gefolge. Es zogen, ein endloser Wurm von Mensch und Vieh und Wagen, die Protestanten, die der Salzburger F?rstbischof geifernd aus seinem Land verjagt. Es zogen bunte Kom?dianten und Pietisten, n?chtern von Tracht und in sich verloren, und in pr?chtiger Kalesche mit Vorreiter und grosser Bedeckung der hagere, hochm?tig blickende venezianische Gesandte am s?chsischen Hof. Es zogen auf dem Weg nach Frankfurt unordentlich auf m?hsam zusammengestapeltem Fuhrwerk vertriebene Juden einer mitteldeutschen Reichsstadt. Es zogen Magister und Edelleute und seidene Huren und tuchene Referenten des Kammergerichts. Es zog behaglich in vielen Kutschen der dicke, schlau und fr?hlich schauende F?rstbischof von W?rzburg, und es zog abgerissen und zu Fuss ein Professor der bayrischen Universit?t Landshut, der wegen aufs?ssiger und ketzerischer Reden entlassen worden war. Es zogen mit den Agenten einer englischen Schiffahrtsgesellschaft und mit Weib, Hund und Kind schw?bische Auswanderer, die nach Pennsylvanien wollten, es zogen fromm, gewaltt?tig und pl?rrend niederbayrische Wallfahrer auf dem Weg nach Rom, es zogen, den huschenden, scharfen, behutsamen Blick ?berall, Silberaufk?ufer und Vieh- und Getreide-Aufk?ufer des Wiener Kriegsfaktors, und es zogen abgedankte kaiserliche Soldaten aus den T?rkenkriegen und Gaukler und Alchimisten und Bettelvolk und junge Herren mit ihren Hofmeistern auf der Reise von Flandern nach Venedig. Das alles trieb vorw?rts, r?ckw?rts, querte sich, staute sich, hetzte, stolperte, trottete gem?chlich, fluchte ?ber die schlechten Wege, lachte, erbittert oder behaglich spottend, ?ber die Langsamkeit der Post, greinte ?ber die abgetriebenen Klepper, das gebrechliche Fuhrwerk. Das alles flutete vor, ebbte zur?ck, schwatzte, betete, hurte, l?sterte, bangte, jauchzte, atmete. Der Herzog liess die prunkende Kalesche halten, stieg aus, schickte K?mmerer, Sekret?r und Dienerschaft voraus. Auf die verwunderten Blicke seiner Herren hatte er nur ein ungeduldiges Prusten. Da, wo der Weg den sanftgr?nen H?gel hinanstieg, hielten nun die Wagen, warteten. Kammerherren und Sekret?r krochen vor dem feinen, endlosen Regen ins Innere der Kutsche, J?ger, Diener, Leibhusar sprachen ged?mpft aufeinander ein, tuschelten, zoteten, pruschten heraus. Der Herzog Eberhard Ludwig, f?nfundf?nfzig Jahre, ein dicker, grosser Mann, vollwangig, starklippig, blieb zur?ck. Er stapfte schwerf?llig, den Samthut in der Hand, dass der feine, warme Regen die Per?cke st?ubte, und er achtete nicht der Pf?tzen, die ihm die gl?nzenden Stiefel bespritzten und den tiefsch?ssigen, silbergestickten, kostbaren Rock. Er ging langsam, besch?ftigt, blieb oft stehen, in unmutiger Nervosit?t durch die starke, fleischige Nase schnaubend. Er war in Wildbad gewesen, der Gr?fin den Abschied zu geben. War das jetzt erledigt? Eigentlich nicht. Er hatte nichts gesagt. Die Gr?fin hatte auf seine halben Worte nur verschleierte Blicke gehabt, keine Antwort. Aber sie musste doch gemerkt haben, sie war ja so gescheit, sie musste, musste gemerkt haben, was er wollte. Eigentlich war es gut, dass es so ohne Wetter und Geschrei gegangen war. An dreissig Jahre waren es jetzt, dass er mit ihr zusammenlebte. Was hatte seither die Herzogin gejammert, geschrien, gezetert, gewinselt, intrigiert, ihn von der Frau zu l?sen. Was hatten seine Geheimr?te angestellt, der Kaiser, die Pr?laten, das verfluchte Gesindel vom Parlament, die Gesandten von Kurbraunschweig und Kassel. An dreissig Jahre war die Frau verhaftet mit allem, was das Land und er erlebt hatten. Sie war er, sie war W?rttemberg. Dachte man W?rttemberg, so dachte man: die Frau, oder: die Hure, oder: die Gr?fin, oder: die Maintenon von Schwaben. Ob k?hl oder hassend, wie immer interessiert, jeder Gedanke an das Herzogtum war ein Gedanke an die Frau. Bloss er, er allein, und er l?chelte, konnte die Frau denken, gel?st von Politik, gel?st von dem Herzogtum. Nur er konnte denken: Christl, und es war kein Gedanke an Soldaten, Geld, Privilegien, Z?nkereien mit dem Parlament, verpf?ndete Schl?sser und Herrschaften, sondern nur die Frau, allein, l?chelnd, sich ihm entgegenr?kelnd. Und jetzt war es also aus, er wird sich wieder mit der Herzogin vers?hnen, und die Landschaft wird jubeln und ihm ein grosses Pr?sent machen, und der Kaiser wird zufrieden mit dem schlaffen Kopf wackeln, und der grobe, schlecht angezogene K?nig von Preussen wird ihm Gl?ckw?nsche schicken, und die europ?ischen H?fe werden den Skandal vermissen, ?ber den jetzt bereits die zweite Generation klatscht. Und dann wird er der Herzogin einen Sohn machen, und das Land wird einen zweiten richtigen Erben haben, und im Himmel und auf Erden wird Wohlgefallen sein. Er blies heftig durch die Nase. Ein dumpfes W?ten stieg in ihm auf, wenn er an die Freude dachte, mit der das Herzogtum, das ganze Deutschland den Sturz der Frau feiern w?rde. Er h?rte, h?rte, wie das Land aufatmete, er sah die fetten B?rgerkanaillen seines Parlaments, wie sie triumphierend grunzten, breitm?ulig, sich die Schenkel schlagend, er sah die n?chternen, steifleinenen, korrekten Verwandten der Herzogin und ihren magern, sauern, h?hnischen Jubel. Das ganze Geziefer wird herfallen ?ber die Frau wie ?ber ein Aas. Sein Leben lang hat er die Frau gehalten gegen das Gesindel; jetzt, wenn er sie l?sst, er ist f?nfundf?nfzig, wird es ihm das Gesindel als Greisenschw?che ausdeuten. Er hat zahllose Reskripte erlassen, die jedes unehrerbietige Wort gegen die Gr?fin schwer bestrafen, er hat sich mit dem Kaiser brouilliert, er hat seinen Jugendfreund und ersten Minister aus dem Land gejagt wegen eines frechen Wortes ?ber die Frau, er hat sich herumgeschlagen mit seinen R?ten, seinem Parlament, mit dem ganzen Land um Steuern, immer neue Steuern, um Geld, Geld, Geld f?r die Frau. Er hat sie gehalten, gegen Land, Reich und Welt gehalten an dreissig Jahre. Was war das f?r ein Sturm damals durch ganz Europa, als er sich gleich zu Beginn ohne lange Umst?nde die Gr?fin als zweite Gemahlin neben der Herzogin hatte antrauen lassen. Es regnete kaiserliche Bitten, Beschw?rungen, Drohungen, die St?nde kl?fften wie tolle Hunde, die Verwandten der Herzogin, die Baden-Durlachischen, sahen gr?n und blau vor Wut und Verachtung, man wetterte von den Kanzeln gegen ihn, verweigerte ihm das Abendmahl, das ganze Land war ein Gischt und Strudel. Nun gut, er hatte sich gef?gt, er hatte das Eheverl?bnis mit der Gr?fin aufgehoben, hatte sich mit der Herzogin wieder ausges?hnt. Was freilich die Zuneigung betraf und die daraus entstehende eheliche Beiwohnung - er l?chelte, wie er sich der h?bschen Phrase erinnerte, mit der er den Kaiser abgespeist hatte, der Bruder der Gr?fin hatte sie ihm gedrechselt - die Zuneigung also und die daraus entstehende eheliche Beiwohnung war eine Sache, die von Gott und ihm selbst abhing und zu der ein Reichsf?rst durch Fremde nicht gezwungen werden konnte. Und dann auf frische, scharfe Befehle des Kaisers hin hatte er die Christl wirklich weit ausser Landes geschickt und sich von seinem dankbaren Parlament viel Geld daf?r bezahlen lassen, und das ganze Land hatte gejubelt. Aber dann - er schmunzelte, dies war doch der beste Streich seines Lebens - hatte er durch seine Agenten in Wien einen m?rben Trottel von Grafen auftreiben lassen, und mit dem hatte er die Christl verheiratet und ihn zu seinem Landhofmeister gemacht, und als Landhofmeisterin kehrte die Frau zur?ck unter dem Toben des betrogenen W?rttemberg, dieweil der Kaiser ohnm?chtig und bedauernd die Achseln zuckte: wer wollte es einem Reichsf?rsten verwehren, die Frau seines ersten Ministers an seinem Hof zu haben? Und wie hatte die Christl gelacht, als er ihr f?r das Geld, das ihm sein Parlament f?r die Trennung bewilligt hatte, die Herrschaften H?pfigheim und Gomaringen kaufte. Jetzt war es ruhig geworden. Wohl erschien da und dort noch ein Pasquill gegen die Gr?fin, aber seine Verbindung mit ihr war nun an dreissig Jahre eine gegebene Tatsache deutscher, europ?ischer Politik. Die St?nde knurrten, aber sie hatten gewissen Landverschreibungen an die Gr?fin zugestimmt. Die Herzogin residierte kahl, sauer und resigniert im Stuttgarter Schloss, ihre Verwandten, die steifleinernen Markgrafen, hatten sich in ein ?griertes, hochm?tiges Schweigen zur?ckgezogen. Man fand die Tatsachen unerh?rt, aber das tat man schon seit dreissig Jahren, man hatte sich hineingew?hnt, f?gte sich. Und jetzt also, eigentlich ohne bestimmten Anlass, sollten alle Verbindungen mit der Frau sich l?sen, fallen, nicht mehr da sein. Sollten sie? Er hatte nicht gesprochen. Wenn er nicht wollte, war nichts geschehen. Der Herzog stand auf der kotigen Landstrasse, allein, barhaupt, in dem feinen, rieselnden Regen. Er zog den rechten Stulphandschuh ab und schlug ihn mechanisch gegen den Schenkel. Oder war ein Anlass gewesen? War ein Anlass? Der polternde Preussenk?nig hatte ihm, wie er jetzt in Ludwigsburg war, Vorstellungen gemacht. Er solle sich doch mit der Herzogin vers?hnen, dem Land und sich einen zweiten Erben machen, sein Haus nicht auf die zwei Augen des Erbprinzen stellen, wo schon die Katholischen auf das Erl?schen der evangelischen Schwabenherz?ge spitzten. Das war es nicht. Nein, das war es nicht. Soll sich der Preusse nach Haus scheren, zu seinem Sand und seinen Kiefern, mit seiner faden N?chternheit und seinem kahlen, moralischen Sermon, der in jedem dritten Satz von Tod predigte. Er, Eberhard Ludwig, mit seinen F?nfundf?nfzig, war Gott sei dank noch in Saft und Schuss. Mag doch nach seinem Tod wer will das Land und seine Schulden auf den Buckel nehmen und sich mit dem lausigen Gesindel vom Parlament herum?rgern. Darum der Christl den Abschied geben? Dass er ein Narr w?re! Er nahm den Stapfschritt schneller, pfiff falsch und heftig eine Melodie aus dem letzten Ballett. Was hatte der Preusse weiter angef?hrt? Die Gr?fin sei ein schlimmeres Ungl?ck f?r das Herzogtum als alle Franzoseneinf?lle und h?chst beschwerlichen Reichskriege. Alle Drangsal, Jammer und Verwirrung in W?rttemberg, des sei sie Ursach und Stifterin. Sie schr?pfe und quetsche gottserb?rmlich, und aller Schweiss des Landes sei f?r ihre Taschen. Das kannte er. Kotz Donner! Die Melodie pfiff ihm aus hundert Schm?hschriften entgegen, die Sauce servierten ihm seine St?nde jede Woche zum Braten. Wenn D?rre war und Hagelschlag, war nicht auch daran die Frau schuld? Sollten froh sein, die Querulanten und filzig greinenden Pfeffers?cke, dass ihre lumpigen Batzen so pr?chtig in Glanz und Herrlichkeit umgem?nzt wurden. Sie brauchte Geld, ja, ja, und immerzu, soviel Geld gab es im ganzen r?mischen Reich nicht, wie sie brauchte, sie schmeichelte darum, bettelte, winselte, drohte, z?rnte, schmollte, trotzte darum, es war oft ein Jammer und eine Verzweiflung, wenn er nicht wusste, woher mehr nehmen und immer mehr. Aber was war besser, die kahle, sch?bige Haush?lterei der Herzogin, wo kein Pfennig zuviel vertan wurde, oder der rauschende Glanz der Frau, wo die Schl?sser und Forsten und alle Eink?nfte der Kammer wie bunte Funken verprasselten? Nein, mit solchen Argumenten konnte man ihm die Frau nicht verekeln. Er hatte auch dem Brandenburger fein heimgeleuchtet, und er w?re dem Grobian noch viel schw?bischer ?bers Maul gefahren, h?tte er nur die paar tausend Soldaten mehr gehabt, die ihm seine St?nde niemals, ach niemals verwilligen w?rden. Nein, das alles hatte ihm gar keine Impression gemacht, und wenn doch vielleicht der Knauser, der ungehobelte, den Anstoss zur Verabschiedung der Gr?fin gegeben hatte, so war es mit etwas ganz anderem, mit einem viel leiseren Wort, auf das er wahrscheinlich selber kaum Gewicht gelegt hatte. Sie waren, der K?nig und er, auf einen Aussichtspunkt hinaufgefahren, und wie der Brandenburger das weiche, wellige Land sah, die sanften, gr?nen, gesegneten H?gel mit Korn und Frucht und Wein und Forst, da hatte er vor sich hingeseufzt: ,,Wie sch?n! Wie sch?n! Und zu denken, dass ein altes Weib dar?berliegt wie Meltau und Nonnenfrass." An dem Meltau und Nonnenfrass w?re nun Eberhard Ludwig nicht viel gelegen. Aber: ein altes Weib. Das biss sich ihm ins Herz. Er, Eberhard Ludwig, einem alten Weib verhaftet? Alle Fl?che, Drohungen, Beschimpfungen waren an ihm abgeglitten wie Wasser von ge?ltem K?rper. Aber: ein altes Weib? Der Herzog erinnerte sich gewisser verj?hrter Geschichten. Trotz scharfer Edikte hatte sich immer wieder Geschw?tz erhoben, die Frau habe ihn mit Zaubermitteln behext. Einer Sache vornehmlich entsann er sich bis in jede Einzelheit. Eine Zofe der Gr?fin, sogar den Namen wusste er noch, Lampert hatte sie geheissen, war zu dem Hofprediger Urlsperger gelaufen und hatte dem von gottlosen, widerlichen und hexerischen Hantierungen erz?hlt, die die Gr?fin treibe, um den Herzog an sich zu ketten. Der Hofprediger hatte ein Protokoll aufgenommen, von der Lampert unterschreiben lassen, versiegelt, das Geheimnis in seinem Sekret?r verwahrt. Der Herzog war darauf gekommen, eine Untersuchungskommission hatte den Urlsperger seines Amtes entsetzt, die Lampertin mit Ruten peitschen lassen, sie des Landes verwiesen. Aber der Herzog war ?berzeugt, dass nicht nur das Volk, dass die Untersuchungskommission selber den ruchlosen, scheusslichen Unflat glaubte, der in dem Protokoll vereidet war. Darnach habe die Gr?fin in Genf ein Hemd der Herzogin in kleine viereckige St?cke geschnitten, in den mit Branntwein pr?parierten allerfeinsten Wismuth getunkt und hernach auf freche und obsz?ne Manier zu Wischl?ppchen gebraucht. In Urach habe sie sich das neugeborene Kalb einer schwarzen Kuh bringen lassen und ihm eigenh?ndig den Kopf abgehauen, ebenso habe sie es mit drei schwarzen Tauben gemacht, einem Bock aber habe sie die Hoden abgeschnitten, anderer ekelhafter und unsittlicher Hantierung nicht zu gedenken. Durch solche Mittel, hiess es, habe sie ihn dahin gebracht, dass er seine Gemahlin durchaus nicht ausstehen, ohne sie selbst aber nicht mehr habe leben k?nnen, indem er Beklemmungen bekommen, sobald er von ihr entfernt gewesen. Die Esel die, die d?rren, saftlosen! Faseln von Zauberei, k?nnen sich's nicht ohne Hexenhantierung zusammenreimen, wo jedem gesunden Mann auf die nat?rlichste Art das Blut ins Herz und zwischen die Schenkel schiessen muss! Wenn er an Genf dachte, wie die Christl ihm entgegenlachte, damals, in dem blassblauen Zimmer im Gasthof Cerf d'Or, auf dem breiten Bett lagernd, prangend. Da brauchte sie, weiss Gott, keine K?lber zu schlachten und keine Tauben, um sich ihm ins Blut zu brennen. Aber jetzt? Ein altes Weib? Er hatte doch H?nde zu greifen, Augen zu sehen. Sie war etwas beleibt, ja, litt an Asthma: aber war es Teufelei und ruchlos hexerische Manipulation, was ihn weiter an sie kettete? Ihre grauen Augen waren immer noch bei aller Lindigkeit so gross zwingend, wie vor zwanzig Jahren, ihr nussbraunes Haar hatte sich nicht verf?rbt, und in ihrer Stimme l?uteten noch alle Glocken vom ersten Tag. Freilich, die kleinen Narben, die ihn damals so ohne Mass gereizt hatten - die L?sterer behaupteten, die Spuren einer schlechten Krankheit - die versteckte sie jetzt hinter Puder und Schminke. Ein altes Weib? Sie war diesmal so schwerm?tig gewesen, so elegisch. Sie hatte ihn nicht verlacht, ihm keine Szene gemacht, nicht einmal Geld hatte sie verlangt. Sp?rte sie was? Aber wenn sie sanft w?re wie ein eint?giges Lamm: ein altes Weib liebte er nicht. Er, Eberhard Ludwig, nicht. Da k?nnte er gleich zu seiner sauern Herzogin zur?ckkehren und dem Land den zweiten Sohn machen und mit Gott und dem Kaiser und dem Reich und seinem Parlament in Frieden sein. Dann freilich hatte sie Lux zu ihm gesagt, Eberhard Lux, und die Glocken hatten geklungen wie am ersten Tag. Und dann hatte sie sich ?ber die Landschaft moquiert, die aus ihren, der Gr?fin, D?rfern und Herrschaften die Juden verjagt haben wollte, ihre Juden, von denen jeder einzelne am Werktag mehr Hirn im kleinen Finger hatte als die ganze Landschaft am Feiertag im Kopf. Und wie sie sich ?ber die dumm giftige, sackgrobe Petition der Landschaft lustig machte, so keine zweite helle, kluge, heitere Frau, ob jung, ob alt, hatte er nicht mehr erlebt, von T?rkenland bis Paris, von Schweden bis Neapel. Es war doch gut, dass er nichts Entscheidendes zu ihr gesagt hatte. Er winkte, unmittelbar vor ihm hielten seine Wagen. Er liess wenden, er wollte jetzt doch nicht nach Stuttgart fahren, auch nicht nach Ludwigsburg. Nach Nesslach, dem kleinen, verlorenen Jagdhaus. Er wollte Ruhe haben, sich ausl?ften. Er schickte einen L?ufer um den Geheimrat Sch?tz, mit dem wollte er die Aff?re in aller Ruhe nochmals durchsprechen. Ein altes Weib? Noch auf dem Weg nach Nesslach schickte er auch den zweiten J?ger fort. Die neue, blutjunge, ungarische T?nzerin, die vor acht Tagen in Ludwigsburg eingetroffen war, soll unges?umt ins Jagdhaus fahren. Donner und T?rken! Er wird sich den preussischen Besuch vom Leib sp?len. Der herzoglich w?rttembergische Hoffaktor Isaak Simon Landauer war in Rotterdam gewesen, wo er auf Rechnung des kurpf?lzischen Hofes gewisse Kreditgesch?fte mit der niederl?ndisch-ostindischen Gesellschaft geregelt hatte. Von Rotterdam berief ihn ein Eilbote der Gr?fin W?rben dringlich zur?ck nach Wildbad zur Gr?fin. Unterwegs hatte er einen Gesch?ftsfreund getroffen, Josef S?ss Oppenheimer, kurpf?lzischen Oberhof- und Kriegsfaktor, zugleich Kammeragenten des geistlichen Kurf?rsten von K?ln. Josef S?ss, der eine Reihe aufregender und anstrengender Gesch?fte hinter sich hatte, wollte sich in irgendeinem Badeort ausruhen und liess sich von Isaak Landauer leicht bestimmen, mit nach Wildbad zu gehen. Die beiden M?nner fuhren in dem eleganten Privat-Reisewagen des S?ss. ,,Kostet mindestens seine zweihundert Reichstaler j?hrlich, der Wagen," konstatierte mit gutm?tiger, leicht sp?ttischer Missbilligung Isaak Landauer. Hintenauf sass des S?ss Leibdiener und Sekret?r, Nicklas Pf?ffle, ehemaliger Notariatsgehilfe, ein blasser, fetter, phlegmatischer Mensch, den er in Mannheim w?hrend seiner T?tigkeit in der Kanzlei des Advokaten Lanz kennengelernt hatte und den er, den Vielverwendbaren, seither f?r seine pers?nlichen Dienste auf alle Reisen mitnahm. Isaak Landauer schaute mit wohlwollendem Interesse und am?siert den Kollegen auf und ab. Den elegant geschnittenen hirschbraunen Rock, silberbordiert, aus allerfeinstem Tuch, die zierlich und pr?zis gekrauste und gepuderte Per?cke, die z?rtlich gef?ltelten Spitzenmanschetten, die allein ihre vierzig Gulden mochten gekostet haben. Er hatte immer ein Faible f?r diesen S?ss Oppenheimer gehabt, dem die Unternehmungslust und die Lebgier so unb?ndig aus den grossen, rastlosen, kugeligen Augen brannte. Das also war die neue Generation. Er, Isaak Landauer, hatte unendlich viel gesehen, die L?cher der Judengasse und die Lustschl?sser der Grossen. Enge, Schmutz, Verfolgung, Brand, Tod, Unterdr?ckung, letzte Ohnmacht. Und Prunk, Weite, Willk?r, Herrentum und Herrlichkeit. Er kannte wie nur ganz wenige, drei, vier andere im Reich, den Mechanismus der Diplomatie, ?bersah bis ins Kleinste den Apparat des Kriegs und des Friedens, des Regiments ?ber die Menschen. Seine zahllosen Gesch?fte hatten ihm das Auge gesch?rft f?r die Zusammenh?nge, und er wusste mit einem gutm?tigen und sp?ttischen Wissen um die feinen, l?cherlichen Gebundenheiten der Grossen. Er wusste, es gab nur Eine Realit?t auf dieser Welt: Geld. Krieg und Frieden, Leben und Tod, die Tugend der Frauen, die Macht des Papstes, zu binden und zu l?sen, der Freiheitsmut der St?nde, die Reinheit der Augsburgischen Konfession, die Schiffe auf den Meeren, die Herrschgewalt der F?rsten, die Christianisierung der Neuen Welt, Liebe, Frommheit, Feigheit, Ueppigkeit, Laster und Tugend: aus Geld kam alles und zu Geld wurde alles, und alles liess sich in Ziffern ausdr?cken. Er, Isaak Landauer, wusste das, er sass mit an den Quellen, konnte den Strom mit lenken, konnte verdorren lassen, befruchten. Aber er war nicht so t?richt, diese seine Macht herauszukr?hen, er hielt sie heimlich, und ein kleines, seltenes, am?siertes L?cheln war alles, was von seinem Wissen und seiner Macht zeugte. Und eines noch. Vielleicht hatten die Rabbiner und Gelehrten der Judengasse recht, die von Gott und Talmud und Garten des Paradieses und Tal der Verw?nschung als von Tatsachen mit genauen Einzelheiten erz?hlten, er pers?nlich hatte nicht viel Zeit f?r solche Er?rterungen und war eher geneigt, gewissen Franzosen zu glauben, die derartige Dinge mit elegantem Hohn abtaten; auch in seiner Praxis k?mmerte er sich nicht darum, er ass, was ihm beliebte, und hielt den Sabbat wie den Werktag: aber in Tracht und Aussehen klammerte er eigensinnig an dem Ueberkommenen. In seinem Kaftan stak er wie in seiner Haut. So trat er in das Kabinett der F?rsten und des Kaisers. Das war das andere tiefere und heimliche Zeichen seiner Macht. Er verschm?hte Handschuhe und Per?cke. Man brauchte ihn, und dies war Triumph, auch in Kaftan und Haarl?ckchen. Aber da war nun dieser Josef S?ss Oppenheimer, die neue Generation. Da sass er stolz prunkend, mit seinen Schnallenschuhen und seinen Spitzenmanschetten, und bl?hte sich. Sie war plump, diese neue Generation. Von dem feinen Genuss, die Macht heimlich zu halten, sie zu haben und nichts davon zu zeigen, von diesem feineren Genuss des Stillf?rsichauskostens verstand sie nichts. Berlocken und Atlashosen und ein eleganter Reisewagen und Diener hintenauf und die kleinen ?usseren Zeichen des Besitzes, das galt ihr mehr, als in wohlverwahrter Truhe eine Schuldverschreibung der Stadt Frankfurt oder des Markgr?flich Badenschen Kammergutes. Eine Generation ohne Feinheit, ohne Geschmack. Und dennoch mochte er den S?ss gern leiden. Wie er dasass, immer jede Fiber gespannt, gierig, sich aus dem Kuchen Welt sein m?chtig Teil herauszufressen. Er, Isaak Landauer, hatte damals des jungen Menschen Schifflein ins Wasser gestossen, als der trotz aller M?he und wilden Getriebes nicht von Land kommen konnte. Nun, jetzt schwamm das Schifflein, es schwamm in vollem Strom, und Isaak Landauer schaute neugierig und geruhig zu, wie und wohin. Eine Extrapost kam ihnen entgegen. Ein feister Mann sass darin, beh?big, das Gesicht stark, reckenhaft, daneben fett, rund, dumm eine Frau. Es mochte ein Ehepaar sein auf einer Reise zu einer Familienfestlichkeit. W?hrend die Wagen umst?ndlich und unter l?rmenden Gruss-, Scherz- und Fluchreden der Kutscher einander auswichen, schickte der Mann sich an, mit S?ss ein kleines, gem?tliches Reisegespr?ch zu beginnen. Wie er aber Isaak Landauer sah in seiner j?dischen Tracht, lehnte er sich ostentativ zur?ck und spie in weitem Bogen aus. Auch die Frau suchte ihrem dummen, gutm?tigen Gesicht Strenge und Verachtung aufzusetzen. ,,Der Rat Etterlin aus Ravensburg", sagte Isaak Landauer, der alle Menschen kannte, mit einem kleinen, glucksenden Lachen. ,,M?gen die Juden nicht, die Ravensburger. Seitdem sie den Kindermordprozess gehabt haben und ihre Juden gemartert, gebrannt und gepl?ndert, hassen sie uns mehr als das ganze andere Schwaben. Das sind jetzt dreihundert Jahr. Heute hat man humanere Methoden, weniger komplizierte, dem Juden sein Geld zu stehlen. Aber wem man solches Unrecht getan hat, versteht sich, dass man weiter gegen den gereizt ist, auch nach dreihundert Jahr. Nun, wir werden's ?berleben." S?ss hasste den Alten in diesem Augenblick. Die schmuddeligen Haarl?ckchen, den fettigen Kaftan, das gurgelnde Lachen. Er kompromittierte einen mit seinem albernen, altmodischen, j?dischen Gehabe. Er verstand ihn nicht, den da, mit seinen senilen Marotten. Der hatte nun Geld wie Heu, einen unermesslichen Kredit, Beziehungen zu allen H?fen, Vertrauen bei allen F?rsten, er, S?ss, sass vor ihm wie eine Eidechse vor einem Krokodil: und solcher Mann ging in dem schmutzigen Rockelor, forderte Hohnrufe und Gespei heraus, begn?gte sich, Geld zu h?ufen, das Schreiberei in seinen Kontoren blieb. Was war denn Geld, wenn man es nicht wandelte in Ansehen, Pracht, H?user, Pferde, prunkende Kleider, Weiber? Versp?rte dieser Alte nicht Lust, auf andere herunterzuspucken, wie man auf ihn herunterspie, Fusstritte weiterzugeben? Wozu schuf sich einer Macht, wenn er sie nicht zeigte? Der Ravensburger Kindermordprozess! Solches Zeug lag ihm im Sinn! Verstaubt, vermodert, vergraben. Heute war es, Gott sei Dank, besser, gesitteter, zivilisierter. Heute, wenn es der Jud nur schlau anfing, sass er mit den grossen Herren an einem Tisch. Hatte nicht sein Grossvetter, der Wiener Oppenheimer, vor dem R?mischen Kaiser darauf pochen k?nnen: wenn jetzt gegen die T?rken die kaiserlichen Waffen siegreich waren, so war des er, der Jud Oppenheimer, mit die vornehmste Ursach. Und die kaiserliche Kriegskanzlei und der Feldmarschall Prinz Eugen hatte das in bester Form und mit Siegel und Dank best?tigt. Brauchte sich einer nur nicht in alberne Capricen verbeissen und mit Kaftan und Schl?fenl?ckchen herumlaufen. Dann h?tte auch der Ratsherr Etterlin aus Ravensburg seinen Diener und Kompliment gemacht. Isaak Landauer sass immer in der gleichen unbequemen, aufreizend uneleganten Haltung. Er las dem S?ss wohl die Gedanken von der Stirn; aber er schwieg, schloss halb die sp?henden Augen, mummelte. S?ss hatte wirklich die Absicht, sich in Wildbad zu erholen, auszuruhen. Er hatte zwei gef?hrliche, aufregende Aff?ren hinter sich. Einmal die Einf?hrung des Stempelpapiers in der Kurpfalz. Der Kurhut hatte sich eine verdammt hohe Pacht zahlen lassen. Das Volk hatte sich gegen die neue Steuer gewehrt wie ein bissiger Hund. Jenun, er hatte sich nicht einsch?chtern lassen, er hatte wider die Beschimpfungen, Drohungen, Aufl?ufe vor seinen B?ros, Pasquille, T?tlichkeiten das Siegel und die Handschrift des Kurf?rsten, er hatte von seiner Schrift kein Jota abgelassen, und das hatte sich auch gelohnt, er hatte den Vertrag mit einem Gewinn von zw?lftausend Gulden weiterverkauft. Und er hatte sich dann nicht etwa Ruhe geg?nnt, nein, die zw?lftausend Gulden mussten sogleich weiterarbeiten. Entschlossen, schnell und gesammelt - man liess ihm nur zwei Tage Bedenkzeit - war er in den M?nzakkord mit Hessen-Darmstadt hineingesprungen. Ein gef?hrliches Gesch?ft. Sein Bruder, der Baron, der Getaufte, der doch in Darmstadt zu Hause war und das Terrain genau kannte, hatte es nicht gewagt; selbst Isaak Landauer hatte mit dem Kopf gewackelt und sein L?cheln eingestellt. Die Rent?mter von Baden-Durlach, Ansbach, Waldeck, Fulda, Hechingen, Montfort waren erbitterte Konkurrenten und pr?gten, was sie konnten. Noch schlechtere M?nze zu pr?gen, dazu musste man verdammt kaltes Blut haben und eine Stirn, eisern bis zur Verzweiflung. S?ss hatte sie. Und wusste auch dieses Gesch?ft mit Profit und zur rechten Zeit abzustossen. Mochte sich jetzt sein Nachfolger mit den tausend Widerw?rtigkeiten herumschlagen. Er war gedeckt durch ein Dekret des Landgrafen, er war mit gutem Profit, in Gnaden, aus seinen Diensten entlassen worden. Jetzt hatte er sein sch?nes Haus in Frankfurt, in Mannheim, beide schuldenfrei, dazu gewisse Liegenschaften, von denen niemand eine Ahnung hatte, in den ?stlichsten Teilen des r?mischen Reiches. Kapital, Verbindungen, Titel, Kredit. Den Ruf eines findigen Kopfes, einer gl?cklichen Hand. Er durfte sich, weiss Gott, Ruhe und ein Leben aus dem Vollen g?nnen. Er wollte der Welt zeigen, wer der kurpf?lzische Oberhof- und Kriegsfaktor war. Der Luxus selbst seiner Musse wirkte ja f?r sein Gesch?ft, empfahl ihn den grossen Herren. So fest er entschlossen war, die Tage in Wildbad seiner Erholung zu g?nnen, so falsch ihm Isaak Landauers Grunds?tze schienen - seine eigene Art, mit F?rsten und grossen Herren umzugehen, sich ihnen anzuschmiegen, war sicher die zeitgem?sse, einzig richtige -: es w?re Wahnsinn gewesen, von diesem Genie der vorigen Generation, diesem personen- und sachkundigsten Finanzmann nicht auf der Reise zu profitieren. Er fragte also geradezu nach der Gr?fin, ihren Aussichten, Hoffnungen, Schwierigkeiten, ihrer gesch?ftlichen Bonit?t. Isaak Landauer sch?ttelte, sowie von Gesch?ften die Rede war, die Schl?frigkeit ab und richtete kluge, sehr wache, sp?hende Augen auf den Gef?hrten. Es war ihm Gesch?ftsprinzip, wenn m?glich, bei der Wahrheit zu bleiben. Gerade durch seine gewagten und verbl?ffenden Offenheiten hatte er die gr?ssten Profite gemacht. Er wusste, der S?ss mochte die Gr?fin nicht leiden; ihre Geldgier schien ihm unf?rstlich, ordin?r. Was sollte er den Kollegen nicht ein wenig ?rgern, indem er die Sicherheit, die Chancen des Gesch?fts ins vollste Licht r?ckte. Er analysierte kurz, klar, sachlich. Eine gescheite Dame, die Gr?fin. Sinn f?r Realit?ten. Sie hat sich jede Steigerung in der Liebe des Herzogs mit Terrains und Privilegien zahlen lassen, und nahm er ab in der Liebe, dann musste er, wenn er wiederkam, mit Bargeld und Juwelen zahlen. Was hat sie in das Gesch?ft hineingesteckt? Ein h?bsches Gesicht, einen kleinen Adelstitel, ein bisschen problematische Jungfr?ulichkeit. Nicht einmal Kleider hat sie gehabt, wie sie an den Hof kam. Und was hat sie herausgewirtschaftet? Die Gr?fin von W?rben, die Gr?fin von Urach, die Landhofmeisterin Exzellenz, Pr?sidentin des Conseils. Die Oberaufsicht der herzoglichen Schatulle. Achtzehntausend Gulden Apanage. Die Stammkleinodien und Hausjuwelen. Alle Honneurs, Emolumenta und Privilegien einer reichsunmittelbaren F?rstin. Barkapital und Tratten auf Prag, Venedig, Genf, Hamburg. In ihren Schatullen, sagt mir der Sekret?r Pfau, dreihunderttausend Gulden. Sollen es nur zweimalhunderttausend sein, ist auch mitzunehmen. Die Ritterg?ter Freudenthal, Boihingen, die D?rfer Stetten und H?pfigheim, die Herrschaften Wilzheim, Brenz mit Oggenhausen, Marschalkenzimmern. Eine gescheite Frau, eine liebensw?rdige Frau, eine Frau, die weiss, worauf es ankommt. Sie verdiente, J?din zu sein. ,,Sie soll in Disgrace sein," meinte S?ss. ,,Sie hat sich brouilliert mit ihrem Bruder. In der Landschaft tuschelt man, ihr eigener Bruder habe dem Herzog geraten, sie abzuschaffen. Auch der K?nig von Preussen hat auf ihn eingeredt. Sie wird alt, st?rrisch, schwer traktabel. Und so fett. Der Herzog ist nicht mehr f?r soviel Fett in letzter Zeit." ,,Sie kennt sich aus," erwiderte Isaak Landauer. ,,Sie weiss, die Bank von England h?lt sicherer als der Liebesschwur eines geilen Herzogs. Sie ist assekuriert, sie ist besser wie mancher Reichsf?rst. Glaubt mir, Reb Josef S?ss." S?ss verzog den Mund. Was sagte er: Reb Josef S?ss? Warum nicht: Herr Hoffaktor oder: Kollega oder so? Es war schwer, mit dem Alten zu verkehren. Er kompromittierte einen. ,,Wenn der Herzog sie fallen l?sst," sagte er nach einer Weile, ,,wird sie wenig retten k?nnen. Sie ist im Herzogtum angesehen wie Pest und Nonnenfrass. Sie hat den Hass des ganzen Landes gegen sich." ,,Hass des Landes!" sagte Isaak Landauer am?siert, geringsch?tzig, wiegte den Kopf, k?mmte sich mit den Fingern den rotblonden, verf?rbten Ziegenbart, l?chelte. Und S?ss sp?rte, er hatte recht. ,,Wer, so er was taugt, hat nicht den Hass des Landes gegen sich? Wer anders ist als die anderen, hat den Hass des Landes. Hass des Landes hebt den Kredit." S?ss wurde gereizt durch den friedfertig ?berlegenen Ton des anderen. ,,Eine Hure," achselzuckte er, ,,geizig, unf?rstlich von Manieren, dazu fett und alt." ,,Gered, Reb Josef S?ss," sagte Isaak Landauer gelassen. ,,Hure! Ein Wort. Tr?sten sich die tugendhaften alten adeligen Fr?uleins damit, die ihr neidisch sind. Hat auch die K?nigin Esther zuerst nicht wissen k?nnen, ob sie nicht des Ahasverus Kebsweib wird. Ich sag Euch, Reb Josef S?ss, die Frau ist gut f?r f?nfmalhunderttausend Gulden. Sie ist gescheit, sie weiss, was sie will. Hat sie nicht die Juden zugelassen in ihre D?rfer und Herrschaften? Nicht aus Sentimentalit?t, bewahre. Aber sie ist klug, sie riecht, wer klug ist, mit wem man reden kann, handeln, klar, und es kommt was heraus. F?nfmalhundert? Sie ist gut bis zu f?nfmalhundertundf?nfzigtausend!" Mittlerweile fuhr der Wagen beim Gasthof zum Stern in Wildbad vor. Der Sternwirt st?rzte heraus, zog die Kappe. Aber wie er den Kaftan Isaak Landauers sah, warf er patzig hin: ,,Hier ist kein Judenwirt" und wollte in den Torgang zur?ck. Doch der blasse Sekret?r stieg von seinem Sitz. ,,Das sind die Herren Hoffaktoren Oppenheimer und Landauer," sagte er gelassen und ?ber die Achsel, w?hrend er den Herren beim Aussteigen half. Und schon dienerte der Sternwirt mit tiefem B?ckling voraus in die Zimmer. Josef S?ss hatte sich grimmig bew?lkt bei den Grobheiten des Gesellen; aber er schritt schweigend neben Isaak Landauer. ,,Nu," l?chelte der, ,,auch vor einem gallonierten Geheimratsrock h?tte er nicht k?nnen mit seinem Fuss weiter nach hinten auskratzen." Und er l?chelte und k?mmte sich mit den Fingern den sch?tterstr?hnigen, verf?rbten Bart. Die Gr?fin hatte den Herzog an den Wagen geleitet; w?hrend der schwere Mann umst?ndlich in die Kutsche stieg, stand sie in der liebensw?rdigen Sicherheit der an Bewunderung gew?hnten Frau, schwatzte gleitend, freundlich, l?chelte, winkte. Noch als sie sich wandte, die Stufen zu dem blauen Kabinett hinaufstieg, war Schritt und Haltung leicht, elastisch. Dort erst entspannte sie sich, die Schultern fielen, Arme, H?nde hingen kraftlos, der Mund stand halbauf, das Gesicht erschlaffte j?h und erschreckend. Add to tbrJar First Page Next Page |
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