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Munafa ebook

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Read Ebook: Vom Reisen und Reisen lassen by Kaestner Gerhard

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Ebook has 607 lines and 46902 words, and 13 pages

Einleitung.

Ich war noch Lehrling, aber ein ansehnlicher strammer Kerl. Meine Lehrzeit diente ich ab in einem Tuch- und Manufakturwarengesch?ft. Tagt?glich kamen Reisende zu uns, gute und auch recht wenig verl?ssliche. Schliesslich traute ich es mir zu, von vornherein zu beurteilen, ob der oder jener ein Gesch?ft oder eine ,,Pleite" machen werde. Mein Chef war einer der alten Schule. Er hatte vor nichts mehr Respekt als vor einem ?berf?llten Lager. So h?rten selbst die Reisenden bekannter H?user seine st?ndige Redensart: ,,Ich bin mit allem versehen, diesmal brauche ich wirklich nichts." Trotzdem kam es zu manchem guten Gesch?ft f?r die Reisenden. Ich musste oft Muster, die zur?ckgeblieben oder die zu einer engeren Auswahl zur?ckgelassen worden waren, nach dem Hotel tragen, das die Reisenden beherbergte. Wie gut die es hatten! Setzten sich an die ,,reichbesetzte Tafel", tranken, rauchten, spielten Karten und liessen, wie man daheim zu sagen pflegte, den lieben Gott einen guten Mann sein. Damals schon stand es bei mir fest: Ich wollte Reisender werden. Im Geiste sah ich mich dann schon mit grossen Koffern durch die Welt streifen. Nat?rlich verdiente ich auch recht viel Geld und liess es mir wohl sein, -- in Gedanken nat?rlich!

Aussichten und Hoffnungen.

Das Gl?ck war mir g?nstig! Ich lernte im dritten Jahre. Unser junger Mann machte sich selbst?ndig, sein Nachfolger schlug nicht ein, da wurde ich denn feierlichst im letzten halben Lehrjahr zum Reisenden der Firma N. N. ernannt.

Mein Traum war damit nat?rlich noch nicht erf?llt. Statt der ,,grossen Koffer" begleiteten mich zwei, allerdings auch nicht unansehnliche Handkoffer auf meinen Streifz?gen in die Th?ringer D?rfer, denn ich war ,,Detailreisender". Mit hochgespannten Erwartungen ging ich auf die Tour, fl?gellahm stellte ich sie wieder ein, nach ?fteren vergeblichen Ans?tzen, Erfolge zu erzielen. Hatte ich ein Dorf abgeklappert und ging in ein anderes, dann ?berfiel mich die Angst: Wird das Gesch?ft besser werden, als es war? Und es war nicht gut! Nicht ann?hernd erzielte ich den Umsatz, den mein Vorg?nger erzielt hatte. Um Ausreden war ich zwar nicht verlegen. Ich glaubte sie selber. Und da mein Chef mir vertraute, h?tte es noch lange so gehen k?nnen. Zu meinem Gl?ck lernte ich, tr?bselig einmal in der Schenke sitzend, einen ,,ausgepichten" Reisenden kennen. Er war selbst Chef und meine sch?rfste Konkurrenz! So manches mal hatte ich erfahren, dass Kunden, die bei meinem Besuch ,,nichts brauchten", zwei Tage sp?ter bei ihm gekauft hatten. Ich war also nicht gut auf ihn zu sprechen. Dieser Mann nahm mich vor, just wie der Vater seinen Jungen vornimmt. Und ich, ich wurde ganz klein.

Ein guter Rat.

Ich wusste nicht, sollte ich ihm misstrauen? Wollte er mich nur los sein? Wer aber b?rgte denn daf?r, dass mein Nachfolger nicht viel t?chtiger war als ich? So glaubte ich meinem Berater. Heimgekommen erkl?rte ich meinem Chef, dass ich nach beendeter Lehrzeit ausfliegen w?rde. Ich sei kein Reisender, w?rde es +so+ niemals werden, ich m?sste noch viel lernen, ehe ich einmal wieder mit dem Musterkoffer wandern w?rde.

So ging ich und lernte! Und nach vielen Jahren ging mein Traum wirklich in Erf?llung: Ich reiste mit drei grossen Musterkoffern und verdiente ein leidliches Geld. Ich hatte aus Fehlern gelernt! Was ich an Erfahrungen gesammelt habe, das will ich nun, schlicht und einfach, wie es mir gegeben ist, allen Handlungsgehilfen mitteilen, die auch auf der Reise sind, oder doch den sehns?chtigen Wunsch haben, auf die Reise geschickt zu werden.

Denn den Wunsch, der meinen Jugendtraum ausmachte, verstehe ich! Ist auch der Beruf des Reisenden anstrengender als der eines Verkaufs- oder Kontorangestellten, so bringt er doch auch recht viel Abwechslung, er gibt eine freie und selbst?ndige Stellung und -- ein guter Reisender wird noch immer recht gut bezahlt!

Wer soll reisen?

Ich sagte in meiner Einleitung schon, dass eigentlich mein erster Misserfolg die Grundlage abgab daf?r, dass ich sp?ter ein leidlicher Reisender wurde. Ich sagte ebenfalls, dass der Beruf des Reisenden anstrengender ist, als irgend ein anderer kaufm?nnischer Beruf.

Davon will ich auch jetzt ausgehen, wenn ich die Frage beantworte: Wer soll reisen?

Unerw?nschte Abwechslung.

Heute hier, morgen dort! Bald im dumpfen Eisenbahnabteil, in dem man kein Fenster ?ffnen darf, weil es ,,zieht", bald auf den Stationen, beim T?r?ffnen, wirklichem Zug ausgesetzt. Bald unertr?gliche Hitze -- bald wieder empfindliche K?lte. Heute lachender Himmel, morgen das bekannte Hundewetter. Einen Hund, so sagt man, schickt man nicht hinaus! Der Reisende darf nicht fragen, was f?r Wetter ist. Er +muss+ hinaus. Und kommt er m?de in sein Gasthaus, das f?r ihn das Heim darstellen soll, dann merkt er nur allzubald, dass der Geist willig, aber das Fleisch schwach ist. Hier wird so gekocht, dort wieder ganz anders. Heiss und kalt wie das Wetter ist, so geht es auch mit den Speisen, alles durcheinander. Dabei trotzdem eine Speisekarte von f?rchterlicher Eint?nigkeit. Man kommt manchmal auf den Gedanken, dass die Gasth?user ihre Speisekarten mit aller Gewalt vereinheitlichen wollen.

Dann das Zimmer! Feuchte Bettw?sche ist ja vielfach ein Zeichen von Schlamperei! Wo sie zu finden ist, darf man in neun von zehn F?llen getrost annehmen, dass schon ein anderer Adam von diesem Bettlaken verh?llt wurde. Es wurde dann nur angefeuchtet und stark gepresst, damit sich die alten Br?che verloren, und nun soll es traulich den neuen Leib umschliessen. Aber nicht immer ist das so! In der Reisezeit wird in gut besuchten Gasth?usern die W?sche knapp. Ist das Wetter nicht gut, trocknet es schlecht, muss so manchesmal zur wirklich gewaschenen W?sche gegriffen werden, wenn diese noch feucht ist.

Und dann die Nerven! Ein Reisender muss Pferdestr?nge als Nerven haben, sonst reibt er sich beizeiten auf.

Drei angeborene Eigenschaften.

Aus allem dem ist zu erkennen, dass jeder, der reisen will, eine +eiserne Gesundheit+ sein eigen nennen muss. Das ist aber erst +eine+ Vorbedingung!

Wenn mein erster Ausflug nicht von Erfolg begleitet war, dann lag das zu einem guten Teil -- abgesehen von den Kenntnissen, die ich nicht hatte und von denen noch die Rede sein wird -- daran, dass ich eben blutjung war.

So ein junger Guckindiewelt, mag er nun Engros- oder Detailreisender sein, wird immer ?ber die Achsel angesehen. Er kommt von vornherein schlecht ins Gesch?ft. Hat er aber wirklich diese Schwierigkeit ?berwunden, so vermag er doch seinen Worten nicht den ?usseren Nachdruck zu geben, den nur eine in sich gefestigte Pers?nlichkeit auszu?ben vermag. Gewiss kann man auch zu einem jungen Mann Vertrauen haben, aber in der Regel stellt es sich nur dann ein, wenn der junge Reisende bereits bekannter geworden ist. Das Vertrauen, das gar nicht erst hergestellt werden muss, das vielmehr unbewusst da ist, hat das Alter vor der Jugend voraus. Wer deshalb auf die Reise gehen will, soll es nicht tun, wenn er nicht mindestens die ,,Zwanzig" auf dem R?cken hat.

Vom Alter h?ngt n?mlich noch eine dritte Eigenschaft ab, die der Reisende haben muss!

Ich werde in meiner Kauflust immer beeinflusst von dem Aussehen des Ladens, den ich betrete. Ich glaube sagen zu d?rfen, dass es fast jedem K?ufer so geht. Ein freundlicher, solide aussehender Laden, ein gewinnender Verk?ufer bewirken oft einen gr?sseren Einkauf, als wirklich tadellose Waren, die nur das Ungl?ck haben, in einem unfreundlichen Laden zur Schau gestellt und von einem weniger t?chtigen Verk?ufer angepriesen zu werden.

Beim Reisenden liegen die Dinge noch anders. Zun?chst stehen sich hier K?ufer und Verk?ufer durchaus nicht mit der Absicht gegen?ber zu verkaufen und zu kaufen. Die Absicht, zu verkaufen ist wohl immer vorhanden, die Absicht zu kaufen fast nie! Im Laden kommt dem Verk?ufer die bereits ausgestellte Ware, die doch ein gewichtig W?rtlein mitspricht, zu Hilfe. Der Reisende hat oft die Hauptschwierigkeit zu ?berwinden, ehe er den Kunden dazu gebracht hat, die Muster ?berhaupt ansehen zu wollen. Er ist also beim ersten Angriff ganz allein auf seine Person angewiesen. Es gibt Menschen, die man auf den ersten Blick gern hat, sie fl?ssen sofort Vertrauen ein. Es gibt andere, denen man misstraut, denen man unbewusst nicht wohl will. Ein sch?nes Kind wird immer mehr Schokolade bekommen, als ein weniger sch?nes oder gar h?ssliches. Die Schokolade, die den Reisenden erfreut, sind die Auftr?ge. Ein Adonis oder Apoll braucht der Reisende zwar nicht zu sein, aber er soll doch m?glichst k?rperlich +ansehnlich+ sein und ein +sympathisches Aeusseres+ haben.

Mit diesen drei Eigenschaften , die der Reisende selten erwerben kann, die er h?chstens zu verbessern vermag, ist es aber l?ngst nicht getan. Wer reisen will, muss bestimmte +F?higkeiten+ besitzen, ohne die f?r ihn der Erfolg seiner T?tigkeit ausgeschlossen ist.

Es mag wohl einmal eine Zeit gegeben haben, in der man auch im Gesch?ftsleben den guten Freund, der uns besuchte, auf das Kanapee n?tigte und f?r ihn auftrug, was K?che und Keller boten. Vielleicht hatte es aber auch damals schon damit sein Bewenden. Der Reisende sucht seine Kundschaft nicht zu solchem Zweck auf, sondern um Gesch?fte zu machen.

Freundschaft.

Da wird er bald merken, dass nicht nur in Geldsachen die Gem?tlichkeit aufh?rt, sondern auch in Gesch?ftssachen die Freundschaft. Ich habe so manchen Kunden kennen gelernt, der gut bei mir kaufte, so lange unser gegenseitiges Verh?ltnis ein auf Vertrauen gegr?ndetes +gesch?ftliches+ war. Als das anders wurde, als wir uns freundschaftlich n?her traten, da wurde zwar die Freundschaft gr?sser, die Auftr?ge aber -- kleiner. Kein Wunder! Einem Freund kann man mit beweglicheren Klagen kommen, ihn kann man leichter vertr?sten, ihn wird man auch leichter los als den Nur-Gesch?ftsfreund.

Wer heute als Reisender verkaufen will, muss andere Wege gehen, als sie fr?her gangbar waren.

Er muss dem Kunden, den er besucht, klar machen k?nnen, dass er +gerade die+ Ware braucht, die der Reisende zu verkaufen hat, dass die Ware, die er f?hrt, alle Vorz?ge vereint, die nur immer eine Ware haben kann, dass sie vor allem gut und billig ist. +Der Reisende, der so arbeiten will, muss vor allen Dingen seiner Sache sicher sein!+

Reisestimmungen.

Gewiss spielen auch manche Charaktereigenschaften in der Reiset?tigkeit eine Rolle. Wer das Leben von der heiteren Seite nimmt, d. h. wer den Dingen immer eine gute Seite abgewinnen kann, wer den rechten Humor zur rechten Zeit hat, der wird immer lieber gesehen werden, als ein Mensch, der aussieht ,,wie vierzehn Tage Regenwetter". Dann geh?rt zum Reisen ein +offener Blick+. Der Reisende muss wissen, an wen sein Kunde die Waren verkauft. Er muss erkennen, ob die Kundschaft seines Kunden aus Arbeitern, Landwirten oder Angeh?rigen der oberen Zehntausend besteht. Er muss auch in der Lage sein, einem Kunden, der gar zu arg ?ber die schlechten Zeiten klagt, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, er muss f?hlen, wo ihn der Schuh dr?ckt.

Sodann gebraucht der Reisende +Verantwortlichkeitsgef?hl+ und zwar mehr, als irgend ein anderer Angestellter. Bei diesem sorgt immer die gesch?ftliche Ordnung, das Auge des Prinzipals und die Gewohnheit daf?r, dass die Pflicht erf?llt wird. Der Reisende hat keine Gesch?ftszeit, auf ihm ruht nicht das Auge des Prinzipals. +Er hat nur eine Triebfeder: sein Verantwortlichkeitsgef?hl und nur einen Massstab, ob er seine Pflicht erf?llt hat: den Erfolg.+ +Unverdrossen+ muss der Reisende sein und unerm?dlich. Es kommt bei jedem Reisenden einmal eine Zeit, in der die Kommissionen sich nicht einstellen wollen und daf?r die Briefe vom ,,Haus" einlaufen mit der unangenehmen Frage, warum und wieso die letzte Woche keine Erfolge gebracht hat.

Wer da den Mut verliert, ist verloren! Nur nicht mit +der+ Stimmung an das Gesch?ft gehen: Es ist doch vergeblich! Lieber die Tour abbrechen. Ein richtiger Reisender darf sich vom Geschick nicht unterkriegen lassen. Gab es einmal wenig Kommissionen, gut, ein Grund mehr, daf?r zu sorgen, dass sie nun zahl- und umfangreicher kommen. Und auch nicht sagen: Heute geht es nicht, vielleicht geht es morgen besser. Oder: In dem Nest ist doch nichts los, also fort, wo anders hin. Nein! Wenn Kunden an einem Platz nicht gekauft haben, dann gilt es, neue Kundschaft zu suchen, die dann eben den Ausfall decken muss.

Ich sprach schon davon, dass der Reisende seiner Sache sicher sein m?sse. Damit meine ich durchaus nicht nur, dass +er+ die selbstverst?ndliche Gewissheit, die feste Ueberzeugung haben muss, ein gutes und leistungsf?higes Haus zu vertreten. Nein, er muss in der Lage sein, seine Gewissheit und seine Ueberzeugung zu der +seines Kunden+ zu machen.

Dazu braucht er vor allen Dingen

Waren- und Branchenkenntnis.

Muss schon der Verk?ufer in einem Laden genaue Warenkenntnis haben, dann der Reisende erst recht. Der Verk?ufer darf doch bei der Mehrzahl seiner Kunden voraussetzen, dass sie noch weniger Warenkenntnis haben, als er. Anders der Reisende. Seine Kunden kennen in der Regel die Ware, sie lassen sich nicht ein X f?r ein U vormachen. Mein Kollege, von dem ich eben sprach, hatte aber noch einen anderen Fehler begangen. Er vertrat in der Tat eine grosse Fabrik aus dem Elsass. Gerade die Ware, die mein Kunde ansah, bezog aber seine Firma aus einer Th?ringer Weberei. Ich habe mich sp?ter erkundigt und erfahren, dass die Firma des Reisenden zu den gleichen Preisen verkaufte, wie die Weberei direkt den Kleinh?ndlern lieferte. Nur hatte mein Kollege nicht gewusst, dass seine Preise h?her sein mussten, weil zwischen dem Kauf der Ware meines Kunden und seinem versuchten Verkauf eine enorme Baumwollteuerung eingesetzt hatte. Zur Warenkenntnis geh?rt deshalb auch eine genaue Marktkenntnis, die man sich m?helos durch stetes Studium des Handelsteils grosser Zeitungen aneignen kann.

Nehmen wir aber einmal an, es h?tten wirklich Qualit?ts- oder andere Unterschiede zwischen den Futterstoffen bestanden. Dann muss der Reisende sie sofort erkennen. Er muss in der Lage sein, dem Kunden begreiflich zu machen, dass seine Ware deshalb teurer ist, weil sie irgend welche Vorz?ge vor den billigeren hat. Um das nachweisen zu k?nnen, geh?rt oft zur Warenkenntnis die genaue Kenntnis der Herkunft des Rohmaterials.

Falsche Angaben aus Unkenntnis.

Damit aber nicht genug. Der Reisende ist eine Vertrauensperson. In doppelter Hinsicht. Sein Prinzipal hat zu ihm das Vertrauen, dass er Gesch?fte macht und hilft, das Gesch?ft hoch zu bringen, den guten Kundenkreis zu vergr?ssern; der Kunde erwartet und darf es erwarten, dass ihn der Reisende sachverst?ndig ber?t. Besonders gilt das bei neuen Artikeln! Bleiben wir einmal bei der Tuchbranche! Da muss der Reisende zweierlei genau kennen. Das eine f?llt in die Waren-, das andere in das Gebiet der Branchenkenntnis. Auch da erinnere ich mich eines Beispiels. Mein Lehrherr kaufte einmal von einem Leipziger Engros-Haus eine Neuheit, die uns besonders empfohlen wurde. Sie war unzweifelhaft hochmodern und zudem sehr eigenartig. Der Preis war ziemlich gepfeffert. Der Reisende wurde um Auskunft gebeten, ob und wie der Stoff sich tragen w?rde! Gut, sehr gut! war die Antwort. Darauf wurde das Muster in drei Farben in halben St?cken bestellt. Die Stoffe gingen auch flott weg. Sie trugen sich ja gut, sehr gut, wie der Reisende erkl?rt hatte. Da sie teuer waren, kauften sie unsere verw?hntesten Kunden. Ein Schneidermeister, der es nicht mit dem alten Grundsatz hielt, dass man den Schmied im Dorf an dem Haus erkenne, wo das Tor aus der Angel sei, fertigte sich selbst einen Anzug von unserer Neuheit an. Nachdem er den Anzug vier Wochen getragen hatte, besuchte er uns wieder. Ich sehe ihn noch, wie er ganz trockenen Tones bat, wir m?chten ihm doch eine Schere zu dem gekauften Stoff zugeben, er m?sse fortw?hrend F?den abschneiden, die sich von den aufgeworfenen Karos gel?st hatten.

Wir waren leider einzelne Kunden los geworden, der Reisende durfte sich f?r meinen Prinzipal auch einen anderen Kunden suchen.

Wie gesagt muss der Reisende Branchenkenntnis haben. Dazu rechne ich, dass er weiss, was modern ist, dazu rechne ich, dass er auch weiss, wann die g?nstigste Einkaufszeit ist, wann ein Artikel besonders kr?ftig vertrieben werden muss. Niemals soll es sich aber der Reisende beikommen lassen, seine Waren- und Branchenkenntnisse zu missbrauchen. Das kommt immer an den Tag! ,,Povel" muss als ,,Povel" verkauft werden und ein Artikel, der sich nicht bew?hrt hat, bew?hrt sich nicht dadurch, dass man ihn als besonders neu und gut bew?hrt hinstellt.

Wie aber sollen die Branchen- und Warenkenntnisse erworben werden? Die Grundlage muss in der Praxis gelegt werden! Ich pers?nlich stehe auf dem Standpunkt, dass sie zweckm?ssig im Detailgesch?ft gelegt wird. Leider hat unsere Lehre gerade hier empfindliche L?cken und mehr als ein Lernender ist darauf angewiesen, seine Kenntnisse m?hsam ,,aufzupicken", wie der Amerikaner zu sagen pflegt. Aber die Vorbedingung ist f?r ihn in einem Detailgesch?ft g?nstiger, als sie f?r den Lageristen in einem Engrosgesch?ft ist. Hier geht immer die Ware durch die H?nde des Lernenden, dort lernt der Angestellte haupts?chlich die Marke und die Packung kennen. Am besten ist es aber, wenn es der Reisende erm?glichen kann, auch die Fabrikation der von ihm vertriebenen Waren kennen zu lernen. Es ist deshalb sehr zu begr?ssen, dass grosse tonangebende Firmen mehr und mehr die Furcht vor dem Verrat der Fabrikationsgeheimnisse abtun und die Besichtigung ihrer Fabrikationsr?ume gestatten.

Allgemeine Bildung.

Der Reisende muss eine gute +Allgemeinbildung+ haben. Das erleichtert ihm das Gesch?ft, das macht sein Leben inhaltsreicher. Auf keinen Fall soll aber der Reisende unter Allgemeinbildung nur die Kenntnis des politischen Lebens verstehen oder gar die Erz?hlung pikanter Geschichtchen. Im Gegenteil soll sich jeder Reisende im allgemeinen vor politischen Kannegiessereien h?ten. Freilich kann und soll er Bescheid wissen, um nicht durch Unwissenheit aufzufallen. Er muss aber seine Meinung f?r sich behalten k?nnen.

Unter Allgemeinbildung verstehe ich jedoch etwas anderes. Ich will hier +die+ Allgemeinbildung nur streifen, die vielleicht eine +Branche+ besonders fordert. Der Buchhandlungsreisende muss sich mit seinen Kunden ?ber die Literatur unterhalten k?nnen, wer in Musikinstrumenten reist, muss ?ber unsere Musikgr?ssen unterrichtet sein, wer Sportartikel vertreibt, ?ber den Sport und seine Gr?ssen usw. Jeder Reisende muss aber in der Lage sein, sich mit seinem Kunden zu unterhalten, ?ber Dinge, die allgemein besprochen werden. Oft wird er dabei gewahr werden, dass seine Schulbildung durchaus nicht ausreichte, ihm die Bildung zu vermitteln, die er nun im Leben braucht. Da heisst es denn: Lesen, lernen, immer wieder lesen und lernen! In allererster Linie muss der Reisende die kaufm?nnischen Wissenschaften kennen. Lernte er sie nicht in der Schule oder in der Fortbildungsschule kennen, dann gilt es Fachliteratur zu studieren. Es macht einen kl?glichen Eindruck, wenn z. B. ein Prinzipal eben den B?rsenzettel oder den Handelsteil seines Leibblattes studiert, mit dem eben eintretenden Reisenden eine Unterhaltung ankn?pfen will und dieser keine Ahnung von der B?rse, ihren Gewohnheiten und ihren Gesch?ften hat.

Sprachunarten.

Soll ich hervorheben, dass der Reisende ein gutes Deutsch sprechen muss? Leider ist es notwendig, gerade auf diesen Punkt einzugehen. In der Tat sprechen manche Reisenden ein f?rchterliches Deutsch. Besonders dann, wenn sie sich in den Sprachunarten ihres Dialektes gefallen. Der Sachse soll sich immer vor Augen halten, +wo+ er sein geliebtes S?chsisch redet. Was in Sachsen niemand auff?llt, was in Th?ringen leicht ertragen wird, fordert den Spott des Niederdeutschen heraus. Nat?rlich gilt das nicht nur den Sachsen, sondern allen Dialekt sprechenden Volksgenossen. Schlimmer aber als Dialekt-Deutsch ist ein Gemisch von Deutsch und fremdsprachlichen Brocken. Wer eine fremde Sprache nicht ganz beherrscht, soll sich h?ten, sie zu gebrauchen. In meiner Erinnerung haftet immer noch ein Reisekollege, der in vielen Gasth?usern unter dem Spitznamen ,,Dampramang" bekannt war. Und warum? Er war ein lustiger Geselle! War er allzu launig gewesen und wurde zum R?ckzug geblasen, dann war seine immerw?hrende Entschuldigung, sein ,,Dampramang" sei mit ihm durchgegangen. Er hat es gewiss manchmal bedauert, dass sein Temperament mit ihm durchging und ihn immer wieder veranlasste, Fremdw?rter nicht richtig anzuwenden oder falsch auszusprechen.

Dabei will ich durchaus nicht etwa raten, keine Sprachkenntnisse zu erwerben, oder nicht da Dialekt zu sprechen, wo es angebracht ist. Im Gegenteil! Wer jemals das Ausland bereisen will, muss gute, sehr gute Sprachkenntnisse haben, ja, es kann ihm schon im Inland unangenehm werden, wenn er sie nicht hat. Das gilt den Reisenden, die unsere Grenzl?nder bereisen, Elsass, Lothringen und Polen. Ob der Reisende den Dialekt seiner Kundschaft sprechen soll, h?ngt von den Umst?nden ab. Wenn jemand bayerische Handwerksmeister besucht und etwa in Rixdorf daheim ist, der wird gewiss keinen allzu freundlichen Empfang finden. Kann er den Anklang an den bayerischen Dialekt finden, ist er entschieden besser daran. Wer aber weltgewandte Kaufleute besucht, soll sich nicht einreden, mit einem m?hsam eingedrillten Dialekt Eindruck zu machen.

Ganz von selbst achtet der gebildete Mann auf sein Aeusseres. Ganz von selbst wird er in seiner Kleidung das richtige finden und Uebertreibungen vermeiden, die ihn in den Geruch eines Stutzers bringen. Und doch m?chte ich noch ein paar Worte auf das Aeussere des Reisenden verwenden. Wir sind ja Gottlob aus der Gigerlzeit heraus, aber mancherlei ist doch sitzen geblieben. Der Reisende trage stets einen dunklen, modernen, aber nicht fatzkenhaften Anzug. Dass er immer sauber geb?rstet und niemals fleckig sein darf, ist selbstverst?ndlich. Dabei gibt es gewisse Unterschiede! Der Reisende, der Kolonialwarenh?ndler besucht, kann nicht nur, sondern er +soll+ sich gr?ssere Reserve auferlegen, ausfallende Moden mitzumachen, als der Reisende, der mit Modewarenh?ndlern zu tun hat. Ueber zweckm?ssige Kleidung werde ich unter ,,Ausr?stung" noch einiges zu sagen haben.

Eine weitere F?higkeit, die keinem Reisenden abgehen darf, m?chte ich +Lebenskunde+ nennen. Ein Reisender muss unsere sozialen Zeitstr?mungen kennen, er muss in der wirtschaftlichen Gliederung unseres Volkes bewandert sein. Ist er das nicht, kann ihm mancherlei Unbill begegnen. Die Lebenskunde wirkt sehr stark auf das Gesch?ft ein. Hat sie der Reisende nicht, kann es ihm leicht passieren, dass er dem Kunden Waren aufreden will, f?r die sein Abnehmerkreis gar keine Verwendung hat. Dann wundert sich der Reisende ?ber den Kunden, den seine Waren nicht ansprechen; er sollte sich ?ber seine mangelhafte Lebenskunde entr?sten und diese verbessern. Er wird dann keine Ursache mehr haben, sich ?ber seinen Kunden zu wundern. Die Lebenskunde wird den Reisenden ganz von selbst davor bewahren, Unarten zu begehen, die ihm schaden m?ssen. Es ist eine Unart, wenn der Reisende, der Gesch?fte machen will und soll, dem Kunden nicht nur Waren, sondern auch seine politische Meinung aufhalsen will. Es ist eine Unart, wenn ein Reisender gegen Mitreisende unh?flich oder doch nicht voll zuvorkommend ist, weil diese vielleicht ein einfaches Gewand anhaben. Es ist schliesslich auch eine Unart, Sitten und Gebr?uche zu verspotten, ?ber elende Nester zu schimpfen und ?ber verlotterte Wirtschaften zu r?sonieren. Der dadurch verletzte Lokalpatriotismus kann dann f?rchterlich werden; mir scheint, mit Recht.

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