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Munafa ebook

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Words: 87953 in 38 pages

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Memoiren einer Sozialistin

Lehrjahre

Roman

Lily Braun

Albert Langen, M?nchen

An meinen Sohn

Die Rosen bl?hen und die Linden duften. ?ber dunkle W?lder und saftgr?ne Matten ragen die Berge meiner Heimat zum Himmel empor, an dem die Sterne funkeln und strahlen, ungetr?bt von den D?nsten der St?dte und den Nebeln der Niederung. Die grauen Felsriesen schimmern silbern im Mondlicht, und in ihren tausend Furchen und Spalten gl?nzt noch der Schnee.

Das ist die sch?nste Nacht des Jahres, die Nacht, in der's in Wald und Feld von alten M?rchen raunt und fl?stert, die Nacht, mein Sohn, die dich mir geschenkt: ein Sonnwendskind, ein Sonntagskind. Elf Jahre sind es heute. Ist es mir doch, als w?re es erst gestern gewesen, dass du an meiner Brust gelegen, dass du die ersten Worte lautest, zum erstenmal die F?sschen setztest. Und nun bist du ein grosser Junge! Die Kindheit bereitet sich aufs Abschiednehmen vor.

Fast am gleichen Tage war es, und mehr als drei Jahrzehnte sind es her, dass auch ich zu F?ssen dieser Berge meinen elften Geburtstag feierte. Die Tafel bog sich damals unter der F?lle der Geschenke -- auf deinem Tisch, mein Sohn, lagen heute neben dem duftenden Kuchen unsrer alten Marie nur ein paar B?cher! --, und Eltern, Verwandte und Freunde umgaben mich, mit sch?umendem Sekt und schmeichelnden Reden das Geburtstagskind feiernd, -- wir dagegen waren heute allein und hatten nur tiroler Landwein in den Gl?sern. Das Geburtstagskind von damals war ein blasses, langaufgeschossenes M?dchen mit einem alten, hochm?tig-sarkastischen Zug um den Mund, dessen L?cheln der Dankbarkeit nur die Frucht guter Erziehung war; du aber bist ein bl?hender Knabe, der im ?berschwang seiner Freude seine Mutter und die alte Marie abwechselnd in tollem Tanz auf der Wiese umherwirbelte. Nur zweierlei ist sich gleich geblieben -- damals und heute --: auf deinem Tisch wie auf dem meinen lag das erste, langersehnte Tagebuch, dessen weisse Bl?tter so verlockend sind f?r ein elfj?hriges Herz, wie der Eingang ins Zauberreich des Lebens selbst, und vor dir wie vor mir ragten dieselben Bergesriesen, und derselbe Wald umrauschte unsre Kindertr?ume.

Mich hat mein Tagebuch durch's ganze Leben begleitet, und der Gewohnheit, mir allabendlich vor ihm Rechenschaft abzulegen ?ber des Tages Soll und Haben, bin ich immer treu geblieben. Am Schlusse jeden Jahres habe ich an seiner Hand den verflossenen Lebensabschnitt ?berlegt und sein Fazit gezogen. Seine lakonischen Bemerkungen -- ein blosses trockenes Tatsachenmaterial -- bildeten den festen Rahmen, den die Erinnerung mit den bunten Bildern des Lebens f?llte, und unverzerrt durch jene schlechtesten Portr?tisten der Welt -- Hass oder Bewunderung --, blickte mein Ich mir daraus entgegen.

Als ich diesmal aus der Tretm?hle und der Fabrikatmosph?re meines Berliner Arbeitslebens in unsre stille Bergeinsamkeit floh, nahm ich die zweiunddreissig Jahreshefte meines Tagebuches mit mir. Generalabrechnung muss ich halten.

Auf steilem Felsenpfad bin ich bis hierher gestiegen, meinem wegkundigen Blick, meiner Kraft vertrauend, weit entfernt von den Lebenssph?ren, die Tradition und Sitte mit Wegweisern versah, damit auch der Gedankenlose nicht irre gehe. Jetzt aber muss ich stille stehen, muss Atem sch?pfen, denn die grosse Einsamkeit um mich her l?sst mich schaudern. Wohin nun? Hinab zu Tal, zu den Wegweisern? Oder weiter auf selbstgew?hltem Steige?


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