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Munafa ebook

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Read Ebook: Im Herzen von Asien. Erster Band. by Hedin Sven Anders

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Ebook has 1528 lines and 155102 words, and 31 pages

Die andere Angelegenheit, die Islam Bai besorgte, waren verschiedene Eink?ufe f?r die Ausr?stung und den Proviant. Auch eine Menge Chalate, Zeugstoffe, T?cher und M?tzen wurden angeschafft, die zu Geschenken an die Eingeborenen bestimmt waren. Islam kaufte auch 14 aussergew?hnlich sch?ne und grosse Kamele und ein Dromedar. Mit Ausnahme von zweien, die alle Strapazen ?berstanden, waren die Tiere dem Untergange geweiht, aber die Dienste, die sie mir treu und geduldig geleistet, waren hundertmal den Preis wert, den sie gekostet. F?hrer der Kamelkarawane wurde +Nias Hadschi+, der sich trotz seiner Wallfahrt zum Grabe des Propheten als ein Erzschelm erwies. Unter den ?brigen Dienern, die vorl?ufig angestellt wurden, will ich besonders +Turdu Bai+ aus Osch nennen, einen alten Weissbart, der es an Ausdauer mit jedem der j?ngeren Leute aufnehmen konnte und an Treue und T?chtigkeit alle die anderen Mohammedaner, Islam inbegriffen, ?bertraf; er war der einzige, der die ganze Reise mitmachte. +Faisullah+, ebenfalls ein russischer Untertan, gab Turdu Bai in den genannten guten Eigenschaften nur wenig nach, konnte mich aber nur anderthalb Jahre begleiten. Beide waren Spezialisten in der Behandlung der Kamele und geh?rten daher sp?ter immer zum ,,Stabe" der Kamelkarawanen. Ein Kaschgarjunge, +Kader+, wurde mitgenommen, weil er der arabischen Schrift kundig war.

F?r die n?chste Zukunft wurde der Reiseplan so bestimmt, dass die ganze Karawane nach +Lailik+ am Jarkent-darja ziehen sollte. Dort musste eine Teilung stattfinden. Ich selbst wollte mich mit einigen der Leute und einem kleinen Teile des Gep?cks von der Str?mung den +Jarkent-darja+ oder +Tarim+ hinabtragen lassen, w?hrend die Hauptmasse der Karawane auf der grossen Strasse ?ber Maral-baschi, Aksu und Korla ziehen sollte, um mit mir irgendwo im Lop-nor-Gebiete zusammenzutreffen, wo sich nach Verabredung auch die beiden burjatischen Kosaken Ende Dezember einfinden sollten. Petrowskij hielt es f?r gewagt, die ganze grosse Karawane und die bedeutende Silbermenge ohne Bedeckung durch ganz Ostturkestan zu schicken, und stellte mir aus dem Konsulatskonvoi die zwei semirjetschenskischen Kosaken +Sirkin+ und +Tschernoff+ bis zum Zusammentreffen mit den burjatischen Kosaken zur Verf?gung, welches Anerbieten ich dankbarst annahm. W?hrend der folgenden Jahre gaben mir diese beiden M?nner t?glich Beweise von einer Treue und T?chtigkeit, die alle Diener, die ich je gehabt, in den Schatten stellte.

Mit dem Konsul traf ich noch das ?bereinkommen, dass meine im Herbst und Winter in Kaschgar eintreffende Post viermal von Dschigiten nach der Lop-nor-Gegend zu bringen sei, wo es von ihrer eigenen Klugheit abh?ngen w?rde, mich aufzufinden. Der Kurier sollte seinen Lohn erst dann von mir erhalten, nachdem er die Post abgeliefert und seinen Auftrag redlich ausgef?hrt hatte. Der Plan misslang nie, und man kann sich denken, wie angenehm es f?r mich war, auf diese Weise mit den Meinen und der Aussenwelt, wenn auch selten, in Verbindung zu stehen.

So verflossen die Tage unter allerlei Arbeit, die durch Besuche und Einladungen zum Mittagessen unterbrochen wurde. Ziemlich oft war ich bei meinem alten Freunde, dem englischen politischen Agenten +Macartney+, zu Gaste, dessen fr?her einsames Heim jetzt von einer jungen Gattin versch?nt wurde. Es freute mich, den alten Eremiten +Pater Hendriks+, sowie Herrn und Frau +H?gberg+ wiederzusehen, die zur schwedischen Missionsstation zwei neue Mitglieder zugezogen hatten. +Chan Dao Tai+ und +Tsen Daloi+ geh?rten zu meinen alten Bekannten, aber +Tso Daloi+ war eine neue Erscheinung; er versah uns mit zwei Durgas, die daf?r zu sorgen hatten, dass die Dorfbev?lkerung der Karawane alles lieferte, was sie brauchte, nat?rlich gegen angemessene Verg?tung. Auch einen ,,Kunstgenuss" hatte ich, da auf dem Markte ein asiatischer ,,Blondin" vor dem massenhaft herbeigestr?mten Publikum seine K?nste auf dem Seile zeigte .

Ich war nicht der einzige Reisende, der sich in diesen Tagen in Chinas westlichster Stadt befand; am 21. August langte n?mlich Oberst +McSwiney+ dort an, in dessen Gesellschaft ich im Jahre 1895 bei der Pamirgrenzkommission so manchen frohen Tag verlebt hatte. Am Tage darauf trafen zwei franz?sische Reisende ein, Herr +St. Yves+ und ein junger Leutnant, die nach einigen Tagen ?ber Pamir wieder heimkehrten.

Als alle Eink?ufe besorgt waren, wurden die Lasten noch einmal geordnet, abgewogen und dann an einer Art Holzleitern befestigt, deren Oberenden paarweise aneinander gebunden waren, so dass sie leicht auf das liegende Kamel gehoben und ihm wieder abgenommen werden konnten.

Nachdem ich von meinen Freunden in Kaschgar Abschied genommen, brach ich am 5. September gegen 2 Uhr nachmittags auf . Jetzt begann die eigentliche Reise und die grosse, lange Einsamkeit. Noch eine Umarmung, ein letztes Lebewohl, dann ziehen wir bei dem dumpfen, bedeutungsvollen Klange der Glocken, die gleich dem Ticken des Sekundenpendels den Gang der Zeit und die uns dem Ziele zuf?hrenden Schritte angeben, an der westlichen Stadtmauer entlang nach +Kum-d?rwase+, wo ich von den Europ?ern Abschied nahm. Wir hatten gerade die Br?cke erreicht, unter der sich das in Farbe und Dicke an eine Hagebuttensuppe erinnernde Wasser des Kisil-su hinw?lzte, als der Himmel sich im Nordwesten verdunkelte und schwere, dichte Regenvorh?nge sich von den Bergen an ausbreiteten; der Tag war heiss und schw?l gewesen und hatte nichts Gutes verk?ndet. Da kamen die ersten heftigen Windst?sse, und zugleich begann ein Platzregen von ungeheurer Gewalt. Auf dem sonst lebhaften Wege sah man nur ab und zu einen Wanderer, weil die Menschen schleunigst in den n?chsten Geh?ften und Serais Schutz gesucht hatten. Diese waren jedoch f?r unsere grosse Karawane zu klein, und es blieb uns also keine andere Wahl, als unseren Weg fortzusetzen. Das Unwetter hielt mit unverminderter Kraft anderthalb Stunden an; ein Blitz nach dem anderen durchzuckte den Himmel in grellem Zickzack von blendendem blauweissem Feuer, und die Donnerschl?ge krachten mit entsetzlichem Gepolter, st?rker als ich es je zuvor geh?rt. Die Kamele und Pferde nahmen jedoch die Sache ruhig auf, und langsam schritten wir nach S?den zwischen den Weiden hin und tr?steten uns damit, dass wir nicht nasser werden konnten, als wir schon waren.

War der Regen unangenehm gewesen, so waren seine Folgen noch schlimmer. Lange Strecken weit lag der Weg unter Wasser, und der lehmhaltige Boden von feinem Staube war so glatt, dass es den Kamelen mit ihren flachen, weichen Fussschwielen schwer wurde, sich auf den Beinen zu halten; sie glitten aus, stolperten, glitschten, und immer wieder wurde der Marsch dadurch aufgehalten, dass ein Kamel gefallen war. Oft fallen sie so nachdr?cklich, dass sie alle viere von sich strecken, als h?tte ihnen ein unsichtbarer Riese ein Bein gestellt, und dabei poltert die schwere B?rde zu Boden, dass der Schlamm hoch aufspritzt. Von allen Seiten h?rt man schreien und rufen, die Karawane macht Halt, die M?nner eilen herbei, um das Kamel wieder aufzurichten oder es erst von der Last zu befreien und dann wieder zu beladen; die Folge davon ist, dass wir in dem heimt?ckischen Schlamme wie die Schnecken vorw?rtskommen. Am schlimmsten ist es da, wo der Weg uneben ist oder kleine H?gel bildet; dort m?ssen mit Spaten Tritte in die Erde gegraben werden.

Die erste Tagereise von Kaschgar, die eigentlich eine Kleinigkeit h?tte sein m?ssen, war also durchaus nicht leicht. Nie hatte ich diese Stadt unter ung?nstigeren Umst?nden verlassen. Es war, als h?tte eine h?here Macht unseren Aufbruch den unbekannten Gefahren entgegen mit himmlischen donnernden Kanonensch?ssen salutieren und uns mit einem ?berw?ltigenden Knalleffekt daran erinnern wollen, dass man nicht ungestraft unter Ostturkestans Pappeln wandelt. F?r die Zukunft aber sollte ich einen wirklichen Platzregen so bald nicht wiedersehen -- als er das n?chste Mal eintrat, war es in der N?he von Lhasa, nach zwei Jahren!

Inzwischen wurde es dunkel, und in den Basarg?sschen waren die Papierlaternen schon angez?ndet. Gleich hinter der chinesischen Stadt war die Strasse beinahe eine Stunde weit vollst?ndig ?berschwemmt, und wie in einem seichten Flussbette pl?tscherten wir zwischen G?rten, Feldern und Lehmmauern dahin. Die Alleen waren nur als schwarze Schattenrisse zu erkennen, aber der Regen hatte aufgeh?rt, der Weg war jetzt besser, und die Kamele konnten festen Fuss fassen. Es war jedoch schon sp?t, als wir in unserem provisorischen Lager im Dorfe +Musulman-natschuk+ zur Ruhe kamen, nachdem wir des Silbergeldes halber bei dem Gep?ck Nachtwachen aufgestellt hatten.

Den Weg nach Lailik kannte ich zum gr?sseren Teile von 1895 her und will ihn daher nur sehr kurz beschreiben. Der Tagemarsch am 6. September f?hrte uns durch eine ziemlich sp?rlich bewohnte, aber recht gut angebaute Gegend. Von +Chan-arik+ an war der Weg durch eine ?ppige Allee von Maulbeerb?umen, Weiden und Pappeln begrenzt, die dichten, tiefen Schatten spendeten. Die Pappeln werden gek?pft, um nicht in die H?he zu wachsen, und bilden am oberen Teile des Stammes ein massiges B?ndel aufw?rtsstrebender Zweige. Auf weite Strecken hin vermag kein Sonnenstrahl durch das dichte Gr?n zu dringen, unter dessen k?hlem Gew?lbe es sich ausserordentlich angenehm reitet. Der Weg glich an solchen Stellen einem Tunnel, durch welchen die Kamele, an einen Zug von lauter G?terwagen erinnernd, mit ruhigem, gleichm?ssigem Gange hinschreiten und sich von dem gr?nen Hintergrund malerisch abheben. Es liegt etwas Feierliches ?ber dem Marsche einer solchen Karawane dem Tode entgegen, der die meisten Kamele mit Gewissheit irgendwo in den W?sten des fernen Ostens oder in den Berggegenden Tibets erwartet. Die Glocken l?uten ihre abgemessene melancholische Melodie, welche unwillk?rlich an eine Beerdigung erinnert; doch mit philosophischem Blick und ruhiger Haltung messen die pr?chtigen Tiere den Weg mit langen, langsamen Schritten unter ihren im Verh?ltnis zu ihren Kr?ften nicht schweren Lasten. Die Silberkamele tragen die schwersten Lasten, besonders ein Matador, dem allein 40 Jamben zuerteilt worden sind. Die Lasten sind ausgeglichen, und Unterbrechungen des Marsches kommen nicht mehr vor; nur hin und wieder muss, ohne dass das Kamel deshalb stehen zu bleiben braucht, eine Leiter etwas nach der einen oder anderen Seite hin?berger?ckt werden. Die Kamele haben starken Appetit und brandschatzen Weiden und Pappeln im Vorbeigehen, oft auf Kosten des Nasenstrickes. Wenn dieser zu hart angespannt wird, reisst er in der Mitte an seinem schwachen Punkte, wo seine beiden H?lften mit einer d?nneren Schnur zusammengebunden sind, welch letztere reisst, ehe die Nase des Tieres hat Schaden nehmen k?nnen.

Jeder Mann unserer Gesellschaft hat seinen bestimmten Platz im Zuge und seine bestimmte Aufgabe bei der Aufrechterhaltung der Ordnung. Voran reiten die beiden Durgas aus Kaschgar, dann kommt Faisullah auf dem ersten Kamele, an dessen Seite Nias Hadschi ein Pferd reitet; auf dem sechsten Kamele hockt der junge Kader, und hinter dem siebenten reitet Islam. Die zweite Abteilung wird von Turdu Bai gef?hrt, in ihrem ,,Kielwasser" reitet Musa. Die Kosaken decken die Flanken; ich reite gew?hnlich hinterdrein. So geht es vorw?rts durch G?rten und D?rfer, zwischen Mais- und Weizenfeldern hindurch, ?ber Kan?le mit oder ohne Br?cken , ?ber ?de Steppen und kleine Sandfelder, wo vereinzelte, gleichsam verirrte D?nenindividuen von ungef?hr 3 Meter H?he ihre steilen Abh?nge nach Osten kehren . Im Dorfe +Jupoga+, unserer n?chsten Raststelle, suchte man in mehreren Bassins das kostbare Wasser des grossen Kanals Chan-arik aufzufangen.

Am 8. September erhielten die Tiere ihren ersten Ruhetag; ihre Packs?ttel waren seit Kaschgar nicht abgenommen worden, und man muss genau nachsehen, damit auf dem R?cken oder an den Seiten der H?cker, wo der mit Stroh gestopfte Sattel oder ein Teil der Last dicht anliegen und dr?cken kann, keine Scheuerwunden entstehen.

Nach einer ganz sternenklaren Nacht erscheint die Morgenluft beinahe kalt; die Minimaltemperaturen sind in best?ndigem Fallen begriffen, aber die Tagesw?rme steigt allm?hlich, je mehr wir uns von den gut bew?sserten Vegetationsgebieten und den Bergen entfernen. Unterwegs hatten die Dorfbewohner mehrmals Dastarchane aufgetischt in Gestalt von Zucker- und Wassermelonen, in der Hoffnung auf ein anst?ndiges Trinkgeld, eine Artigkeit, die auf die Dauer recht l?stig wird.

Das Dorf ist bald zu Ende; dann folgt die h?gelige Steppe, wo wir zahlreichen Landleuten begegnen, die den Ertrag ihrer ?cker und G?rten auf Eseln, K?hen und Pferden nach dem Markte in Jupoga bringen. Dann und wann wird die Steppe von einer unfruchtbaren D?nenreihe durchkreuzt; dazwischen sieht man Schafherden, Mais- und Baumwollfelder, trockene, j?mmerliche Kan?le, die nur selten von der letzten Flut aus dem Chan-arik noch am Boden feucht sind. Rechts vom Wege zieht sich ein G?rtel h?bsch bl?hender Tamarisken hin, eine wehm?tige Erinnerung an das Heidekraut unserer W?lder. Die staubige Landstrasse geht allm?hlich in einen Pfad ?ber und zeigt damit an, dass der Verkehr nach Osten hin abnimmt. Am Rande von +Terem+ finden wir wieder den langen Bew?sserungskanal Chan-arik mit 4 Meter breitem, g?nzlich trockenem Sandboden und kleinen Br?cken, die verraten, dass hier von Zeit zu Zeit auch Wasser fliesst. Um den langen W?stenmarsch des n?chsten Tages, den ich schon von fr?her her kannte, abzuk?rzen, ritten wir durch das ganze Dorf und lagerten uns bei dem letzten nach der W?ste zu liegenden Geh?fte.

Am 10. September machte ich, f?r eine Zeit von mehreren Monaten, die letzte Reise zu Lande. Die Temperatur fiel w?hrend der Nacht auf 8,3 Grad, was einem nach einem Tage von ?ber 30 Grad im Schatten grimmig kalt vorkommt. Als ich aufstand, war der gr?ssere Teil der Karawane schon marschfertig. Der Tag war heiss, der Marsch lang und erm?dend, und die Wassermelonen, die wir mitgenommen hatten, fanden reissenden Absatz. Steppen- und W?steng?rtel wechseln ab, die D?nen sind bald schwach mit Tamarisken bewachsen, bald v?llig nackt; die ersteren heissen ,,Kara-kum", die letzteren ,,Ak-kum", was schwarzer und weisser Sand bedeutet . Die Nachbarschaft des Flusses macht sich schliesslich bemerkbar, indem kleine Gruppen von Pappeln auftreten und nach und nach immer frischer und laubreicher werden, je mehr wir uns der grossen Wasserstrasse n?hern.

Bei der Poststation +Lenger+ wurden wir von einigen neugierigen Chinesen begafft und in der D?mmerung erreichten wir die breite m?chtige Flut des Jarkent-darja. Der Fluss war hier in Arme geteilt, von denen der linke, an dessen Ufer wir hinzogen, viel zu seicht war. Wir zogen daher noch eine Weile in der Dunkelheit nach Norden weiter; von den Tritten der Kamele knisterte und krachte es in den trockenen Zweigen des Unterholzes und des Gestr?uches. Das Terrain wurde jedoch nicht besser, und als sich das silberne Horn des Mondes im Walde versteckte, machten wir aufs Geratewohl Halt und schlugen, ziemlich m?de von der dreizehnst?ndigen Reise, am Ufer unser Lager auf.

Endlich hatten wir den Fluss erreicht. Nun begann eine neue Abteilung der Reise und dazu eine Reisemethode, die ich bisher noch nicht erprobt hatte.

Drittes Kapitel.

Die Schiffswerft in Lailik.

Jetzt folgte eine knappe Woche f?r die Vorbereitungen zu der langen Flussreise. Islam hatte in Merket eine l?ngere Unterhandlung mit Beks und Kemitschi . Ich hatte gef?rchtet, dass die Chinesen Misstrauen gegen mein Vorhaben hegen w?rden und dass die Erfahrungen der W?stenreise des Jahres 1895, deren Ausgangspunkt Merket ebenfalls gewesen, die Dorfbewohner abschrecken w?rden, uns beim Aufbrechen zu helfen. Denn damals war der Bek zum Dao Tai gerufen, verh?rt und getadelt worden, weil er mir nicht einen zuverl?ssigen F?hrer mitgegeben. Nun aber hatte Merket einen neuen Bek erhalten, dem der Dao Tai Befehl erteilt hatte, uns weiterzuhelfen und uns wie vornehme Leute zu behandeln. Islam kehrte denn auch bald mit dem Bescheid zur?ck, dass ein F?hrmann uns sein Fahrzeug f?r 1 1/2 Jamba zu verkaufen bereit sei.

Mit dem Kosaken Sirkin unternahm ich eine Probefahrt in dem englischen Segeltuchboote auf dem kleinen, abgeschn?rten Flussarme, an dessen Ufer unser Lager aufgeschlagen war. Auch von Mast und Segel machten wir Gebrauch. Bei der schwachen Brise kam die vortreffliche kleine Jolle gut vorw?rts; sie schien ein ziemlich sicheres Boot zu sein. Bei einem kleinen Nebenarme f?hrten wir das Boot nach dem Hauptflusse hinaus, wo es ruhig und elegant, aber ziemlich schnell dahinglitt. Nur unbedeutende, langsam tanzende Wasserringel waren auf der Oberfl?che des Flusses zu sehen und von Stromschnellen war nichts zu h?ren. Es war ein Genuss, sich so forttragen zu lassen, ein Vorgef?hl des Behagens, womit die Flussfahrt sp?ter auf Hunderte von Meilen hin verkn?pft sein sollte. Die Vereinigungsstelle des Seitenarms mit dem Hauptflusse schien noch fern zu sein, und wir hielten es f?r an der Zeit umzukehren. So schleppten wir denn das Boot in dem weichen, z?hen Lehm bis an unseren Seitenarm. Doch auch in diesem herrschte eine Str?mung, die kr?ftig genug war, um das Flussaufw?rtsrudern zu schwer zu machen. Sirkin ging daher an Land und holte einen Mann und zwei Pferde. Mitten im Wasser reitend, zog er das Boot an einem Stricke nach. Manchmal blieb das Pferd in dem z?hen Lehme beinahe stecken, und die Tiefe war stellenweise bedenklich gross. Einmal erreichte das Pferd den Grund nicht mehr; es wurde von der Str?mung fortgerissen und war nahe daran sich zu ?berschlagen; der Reiter sprang ab und schwamm auf das Boot zu, das ich ihm entgegensteuerte. Doch ihm erschwerte die Kleidung die Bewegungen, und gerade als er nach dem Ruder griff, das ich ihm hinhielt, versank er ganz im Wasser. Endlich gewann er jedoch Halt am Bootrande und h?tte die kleine Jolle beinahe umgerissen, als er sich hineinschwang. Alles ging so schnell vor sich, dass ich kaum dazu kam, mich zu beunruhigen. Doch was h?tte es f?r ein Ungl?ck geben k?nnen, wenn mein Kosak einen Starrkrampf bekommen h?tte oder des Schwimmens unkundig gewesen w?re! Am Ufer war das Pferd, das seinen eigenen Weg geschwommen war, nahe daran, in dem z?hen Schlamme umzukommen, aber es arbeitete sich ebenfalls wieder heraus. Sirkin war nach dem Bade ganz matt und angegriffen, aber seine kleine Schwimmtour hatte so einladend ausgesehen, dass ich mich entkleidete und ein erfrischendes Bad nahm.

Unser Versuch, wieder nach dem Lager zu kommen, war also gescheitert; gl?cklicherweise waren aber einige unserer Leute am Ufer flussabw?rts gegangen, um uns zu suchen. Sie mussten uns vom Ufer aus an einer langen Leine ziehen, w?hrend ich das Boot mit dem einen Ruder in der Stromrinne hielt.

Das Lager bot bei unserer Ankunft ein lebhaftes Bild dar. Die Zelte waren von einer ganzen Volksversammlung von Besuchern umgeben . Ich fand dort viele alte Freunde von 1895 wieder, Lailiks On-baschi und ?rt?ngtschis , verschiedene Bewohner von Merket und Frauen in langen Hemden von d?nnem, rotem Zeuge mit ihren Kindern auf dem Arme.

Nachdem die Unterhaltung sich eine gute Weile um jene ungl?ckliche W?stenreise gedreht, wurden die Flussreise und die F?hrfrage Gegenstand einer Diskussion. Um die Sache abmachen zu k?nnen, ritt ich mit einem grossen Gefolge nach der F?hrstelle zwischen Lailik und Merket, wo die von Islam vorgeschlagene F?hre lag. Ich fand sie vorz?glich, von kernfesten, ungehobelten Planken, die von m?chtigen eisernen Krampen zusammengehalten wurden, neu erbaut und ganz dicht. Sie kam mir nur ein bisschen gross und schwer vor, was hier oben gewiss vorteilhaft ist. Doch wer konnte wissen, ob der Fluss ?berall gleich tief und wasserreich w?re, und viel wahrscheinlicher war es, dass es schwierig sein k?nnte, diesen schweren Koloss wieder flott zu machen, wenn er mit Unterwasserb?nken in allzu innige Ber?hrung gekommen w?re. Die Frage wurde mit den Lailiker F?hrleuten von allen Gesichtspunkten aus er?rtert; die meisten rieten uns, das ,,Schiff" zu nehmen, wie es war.

Der Beschluss, der gefasst und schon am folgenden Morgen ins Werk gesetzt wurde, bestand darin, das Schiff nach einem Punkte am rechten Ufer, unserem Lager gerade gegen?ber, zu bringen . Wir mussten eine Schiffswerft anlegen, wo eine Ausr?stung und Rekonstruktion mit wirklichem Vorteil stattfinden konnte. Bei unserem Lager auf dem linken Ufer liess sich dies nicht machen, denn dort floss nur ein Seitenarm, der vom Hauptflusse durch eine tiefliegende, feuchte Schlammzunge, hinter der das Wasser zun?chst seicht war, getrennt war. Auch das rechte Ufer war insofern ungeeignet, als es infolge der Erosion des Flusses eine anderthalb Meter hohe steil abgeschnittene Wand bildete. H?kim Bek aus Merket bot neunzig Landleute auf, die mit ihren Spaten einen nicht allzusteilen Abhang herstellten, auf den Bretter gelegt wurden; auf dieser Unterlage wurde die F?hre unter Gesang und Geschrei mit vereinten Kr?ften aufs Trockene gezogen. Der Bek, dessen Adern reicher an chinesischem als an muhammedanischem Blute waren, stand die ganze Zeit ?ber mitten auf der F?hre; sie wurde dadurch gerade nicht leichter, aber er imponierte durch seine hohe Gegenwart, hielt eine lange Rute in der Hand, klatschte und schlug nach allen Seiten und kommandierte wie ein Zirkusdirektor. Die Kinder des W?stenrandes verdoppelten ihre Kr?fte, und der schwere Prahm wurde ruckweise auf ebenen Boden gezogen, wo er zwischen den Hagedornb?schen auf einigen Querbalken ruhte.

Als wir soweit gekommen waren, ?berlegten wir eine Weile, denn jetzt sollte der Beschluss gefasst werden, der f?r den Ausgang der ganzen Reise wichtig sein konnte. Ein Mann erz?hlte n?mlich, dass der gr?ssere Teil der an Lailik vor?berstr?menden Wassermasse sich in einem breiten, seichten Arme in die kleinen Seen von Maral-baschi ergiesse, deren Wasser durch Kan?le auf die Felder dieser Oase geleitet werden. Das eigentliche Bett des Jarkent-darja dagegen habe einen ?stlicheren Lauf nach Tschahrbag zu und sollte nur wenig Wasser in einem schmalen Bette mit grossem Gef?lle haben. Infolge dieser Aufkl?rungen wurde f?r den Anfang beschlossen, die oberste Planke an den beiden L?ngsseiten und die entsprechenden Teile vorn und hinten zu entfernen, wo dann mittelst der eisernen Zapfen neue Querh?lzer festgemacht werden sollten. F?r den Fall, dass wir infolge zu geringer Wassermenge die grosse F?hre w?rden im Stiche lassen m?ssen, wurde eine kleine Reservef?hre gebaut. Zu dieser wollten wir im Notfalle unsere Zuflucht nehmen, damit wir die Flussreise nach dem Lop-nor, die ich um jeden Preis ausf?hren wollte, nicht abzubrechen brauchten.

Um jeden Augenblick vom Lager nach der Werft hin?berkommen zu k?nnen, mieteten wir eine der F?hren, die die Verbindung zwischen den Ufern auf dem Wege von Lailik nach Merket aufrechthalten. Ich befand mich meistens bei der Werft, um die Arbeit zu ?berwachen und die F?hre so zu bekommen, wie ich sie w?nschte, bequem und gem?tlich, wie mein schwimmendes Heim f?r lange Monate sein musste.

Die Werft entwickelte sich allm?hlich zu einer Werkstatt, wo frisch gearbeitet wurde . Schreiner aus Merket und sachverst?ndige Leute aus Jarkent versammelten sich hier mit ihren Werkzeugen und verdienten so gut wie kaum je zuvor. Eine Schmiede mit einer kleinen, aus Ziegelsteinen aufgemauerten Esse und einem Blasebalge wurde zwischen den B?schen angelegt, und die Funken spr?hten von den eisernen Krampen, die gerade geh?mmert wurden. Der Bek war allgegenw?rtig und f?hrte mit milder Hand das Regiment ?ber die, welche an der Arche zimmerten.

Aus d?nnen Planken von trockenem, starkem Pappelholz sollte das Vorderdeck der F?hre gebaut werden, eine Plattform, auf der mein Zelt aufgeschlagen werden sollte und von deren vorderem Teile aus ich einen freien Ausblick auf den Fluss haben w?rde.

Hinter dem Vorderdeck wurde aus Stangen und Zweigen das Gerippe einer w?rfelf?rmigen Kaj?te erbaut, die ich anf?nglich zum Schlafzimmer f?r mich bestimmte; sie musste in den kalten Herbstn?chten leichter warm zu halten sein als das Zelt . Sie erhielt jedoch schon w?hrend des Ganges der Arbeit eine ganz andere Aufgabe zu erf?llen, indem sie als photographische Dunkelkammer eingerichtet wurde. Drei kleine, mit Scheiben versehene l?ngliche Fensterrahmen wurden in die W?nde der Kaj?te eingesetzt. In den einen Rahmen, mitten in der Wand, die an das Zelt grenzte, kamen dunkelrote Glasscheiben. Wenn ich nachts an diesem Fenster mit Entwickeln besch?ftigt war, wurde draussen ein Stearinlicht davor, d. h. in das Zelt hinein, gestellt; vor Zug und Wind wurde die Flamme teils durch das Zelttuch, teils mittelst einer Holzkiste, die es wie ein Schilderhaus umgab, gesch?tzt.

Die beiden anderen Fenster mit weissem Glase wurden an der Aussenwand und an der Hinterwand angebracht; wenn man aufrecht stand, hatte man bei Tag durch sie die Aussicht auf den Fluss und das rechte Ufer; sie waren aber so eingerichtet, dass sie beim Entwickeln vollst?ndig bedeckt werden konnten. An der Hinterwand lief eine niedrige Bank entlang, auf der vier ziemlich grosse, eigens zu photographischen Zwecken gekaufte Zuber mit reinem Wasser standen. Was das Waschen der Platten anbetraf, so wurde folgende praktische Einrichtung getroffen. Auf der vorderen Backbordecke des Kaj?tendaches wurde auf eine verst?rkte Plattform ein Bottich gestellt, von dessen Boden ein Gummischlauch in die Kaj?te hinabf?hrte und in einen Samowar m?ndete, unter dessen Hahn ich die Platten bequem absp?len konnte. Wenn der Samowar gef?llt war, wurde der Zufluss mittelst einer Klemme am Schlauche abgesperrt, und wenn der Bottich leer wurde, brauchte ich nur der Wache zuzurufen, ihn wieder zu f?llen. Das Flusswasser, das stets tr?bgrau von Schlamm und Staub ist, war nat?rlich f?r photographische Zwecke unbrauchbar, doch ganz kristallklares Wasser zu finden, war keine Kunst; es gab solches l?ngs des ganzen Weges flussabw?rts in kleinen, abgeschn?rten Uferlagunen. Dagegen konnte das gebrauchte Waschwasser nicht entfernt werden; es ?berschwemmte nach meinen Arbeitsn?chten den Boden der F?hre und machte am n?chsten Morgen ein Aussch?pfen notwendig. Mich selbst bel?stigte der feuchte Boden der Kaj?te gar nicht, denn ich hielt mich meistens im Zelte auf, dessen Fussboden einen Meter ?ber dem Boden der F?hre schwebte.

Als das Holzgerippe der Kaj?te fertig war, wurde es mit einer doppelten Schicht von schwarzen Filzmatten, die festgenagelt wurden, bekleidet; auch die T?r?ffnung konnte mit an ihrem oberen Teile befestigten Filzvorh?ngen verdeckt werden. Noch in der Mitte des September war die Hitze in der schwarzen Kaj?te bei Tag unertr?glich; es dauerte aber nicht lange, bis der Herbst daf?r sorgte, dass dieser Unannehmlichkeit abgeholfen wurde. Bei Tage hatte ich dort selten zu tun, es sei denn, um zum Trocknen aufgestellte Platten zu ?berwachen oder Instrumente und andere im Laboratorium verwahrte Sachen zu holen.

In der Mitte des Schiffes, hinter der Kaj?te, wurden etwas Proviant, ein paar S?ttel und die Sachen der Leute aufgestapelt; f?r meine Diener war reichlich Platz im Achter der F?hre, wo eine kleine, runde Herdplatte von Lehm aufgemauert wurde, die K?che. Da es im Sp?therbst und noch mehr im Anfang des Winters sehr kalt wurde, z?ndeten die M?nner dort ordentliche Scheiterhaufen an.

So kleideten sich denn nach und nach meine Pl?ne in die Gestalt der Wirklichkeit, und schneller, als ich es zu hoffen gewagt, lag das stolze Drachenschiff fertig auf seinem Bette und sehnte sich, in sein Element zur?ckkehren zu d?rfen. W?hrend seiner Instandsetzung waren wir auf anderen Gebieten auch nicht unt?tig gewesen. In der Schmiede schmiedete Sirkin ein Paar fester Anker oder richtiger Dregganker mit sechs Armen, die uns sp?ter oft von grossem Nutzen waren; namentlich war der kleinere Anker, der f?r die englische Jolle bestimmt war, jedesmal n?tig, wenn die Geschwindigkeit des Wassers mitten im Flusse gemessen wurde und das Boot also still liegen musste. Die kleinere F?hre wurde auch bald fertig. Ziemlich beunruhigend war es, zu sehen, wie der Wasserstand mit jedem Tage, der dahinging, ein paar Finger breit fiel; wir beeilten uns aber desto mehr und hofften, dass, wenn es uns nur gel?nge, gl?cklich an den schmalen Stellen bei Maral-baschi vorbeizukommen, wir auch bis ans Ende des Flusses gelangen w?rden.

W?hrend der letzten zwei Tage in Lailik wurden alle Vorbereitungen abgeschlossen. Das Gep?ck wurde geordnet, und es handelte sich jetzt darum, nur das Allernotwendigste mitzunehmen, das jedoch drei grosse Kisten f?llte. Als alles fertig war, erhielten die Schmiede und Schreiner, die uns behilflich gewesen, reichlichen Lohn; der Bek aber war zugegen und sah zu, dass keine unberechtigten Forderungen gestellt wurden. Am 15. September liefen beide F?hren von Stapel; mit der gr?sseren machte ich eine kleine Probefahrt, die in jeder Hinsicht befriedigend ausfiel. Es war ein Festtag f?r die D?rfler der ganzen Gegend, die sich bei der Werft massenweise versammelten, um dem feierlichen Stapellaufe beizuwohnen. Alle brachten ,,Geschenke" ~in natura~ mit, Schafe, H?hner, Eier und Brot, Melonen, Trauben und Aprikosen; auf diese Weise wurden wir auf mehrere Tage verproviantiert. Abends veranstaltete ich den Vornehmeren des Dorfes und unseren Arbeitern ein Gastmahl; es gab Reispudding und Schaffleisch, Tee und Obst, und w?hrend der Mahlzeit hatten wir Tafelmusik von unserem grossen Symphonion. In der Dunkelheit wurden zwischen den Zelten Papierlaternen aufgeh?ngt, und nun ert?nten die bizarren T?ne der Nagara , Dutar und anderer Saitenspiele schwerm?tig durch die klare, stille Nacht und riefen meine alten Erinnerungen aus dieser Gegend wieder ins Leben. Auch 1895 hatte ich eine bedeutungsvolle Reise mit Lailik und Merket als Ausgangspunkt angetreten. Doch wie verschieden waren die beiden Reisen. Damals waren wir nach dem unheimlichen, m?rderischen W?stenmeere aufgebrochen, jetzt schlugen wir eine Richtung ein, wo wir wenigstens nicht an Wasser Mangel leiden w?rden. Und dieselben Spielleute weihten auch die neue Reise ein, und T?nzerinnen in langen weissen Hemden, die dicken schwarzen Z?pfe ?ber den R?cken herabh?ngend, mit kleinen Zipfelm?tzen und nackten F?ssen tanzten zum Takte der Musik ihren stossweisen, langsamen Kreistanz. Sie wurden am Tage darauf photographiert, nahmen sich aber im Tageslicht weniger vorteilhaft aus als bei dem versch?nernden Lichte der Lampions .

Noch ein Tag wurde Lailik geopfert wegen verschiedener Messungen und zur Feststellung einiger Werte, die uns sp?terhin von Nutzen sein konnten. Mit Bandmassen wurde l?ngs des rechten Ufers, dessen scharf abgeschnittener Rand 2 1/2 Meter ?ber der Wasserfl?che lag, eine Basislinie von 1250 Meter L?nge abgesteckt. Um diese Strecke zu treiben, brauchte die F?hre 26 Minuten, die kleine Jolle 22 Minuten 17 Sekunden; der Unterschied beruhte darauf, dass sich die F?hre nicht w?hrend der ganzen Zeit in der st?rksten Str?mung halten liess, in deren Sauggebiete man jedoch die kleine Jolle leicht festhalten konnte. Die Str?mung betrug also auf dieser Strecke zirka 50 Meter in der Minute oder etwas ?ber 80 Zentimeter in der Sekunde. Um die gemessene Wegstrecke in gew?hnlichem Marschtempo zur?ckzulegen, brauchte ich 13 Minuten 45 Sekunden und machte im Durchschnitt 1613 Schritte; also waren 64 von meinen Schritten 50 Meter. Die Wassermenge des Flusses betrug hier bis zu 98,2 Kubikmeter in der Sekunde, die Maximaltiefe war 2,74 Meter , das Bett war 134,70 Meter breit, und die gr?sste Stromgeschwindigkeit betrug 0,893 Meter in der Sekunde. F?r die Karte nahm ich als Norm an, dass 1 Minute Drift 50 Meter Wegl?nge und 1 Millimeter auf der Karte entspr?che; es versteht sich aber von selbst, dass die Drift sp?ter bedeutend variierte, was auf die berechneten Entfernungen jedoch nicht einwirkte, da ich auf der ganzen Fahrt t?glich mehrmals die Stromgeschwindigkeit mass.

Der Orientierung halber teile ich auch die wichtigsten Dimensionen der F?hre mit. Sie war 11,51 Meter lang, 2,37 Meter breit und 0,83 Meter hoch, wovon 0,23 Meter unter der Wasserlinie lagen, wenn das Schiff volle Last hatte und bemannt war. Bei 20 Zentimeter Wassertiefe mussten wir also festfahren, was auch t?glich geschah. Die Reservef?hre war 6 Meter lang und 1 Meter breit. --

Der 17. September war der grosse Tag der Abreise, und in fr?her Morgenstunde wurde die Karawane beladen. Die Kosaken und Nias Hadschi erhielten Auftrag, sie ?ber Aksu und Korla nach Argan am untersten Laufe des Tarim zu f?hren, wo sie nach dritthalb Monaten eintreffen mussten und wo es uns nicht schwer werden konnte, durch Kuriere voneinander Nachrichten zu erhalten. Sie hatten Empfehlungsbriefe von Generalkonsul Petrowskij an die Aksakale der beiden genannten St?dte und ein paar gewaltige P?sse vom Dao Tai mit und wurden von ein paar chinesischen Untertanen, gew?hnlich muhammedanischen Beks oder Gendarmen, von Stadt zu Stadt eskortiert. Sirkin erhielt den Auftrag, ein kurzgefasstes Tagebuch zu f?hren; er und Tschernoff bekamen ein Geldgeschenk und sollten, solange sie die Karawane eskortierten, ganz freie Station haben, so dass sie bei der R?ckkehr nach Kaschgar ihren stehengebliebenen Lohn ohne Abzug einstreichen konnten.

Die Kamele befanden sich in bestem Wohlsein und hatten sich in dem jungen Walde fettgegrast. Auf dem Wege nach Lop sollten sie mit der gr?ssten Sorgfalt gepflegt und nicht ?beranstrengt werden; wir waren der Ansicht, dass sie beim Eintreten des Winters in wenigstens ebenso guter Verfassung wie jetzt sein und den Feldz?gen in den Sandw?sten ohne Schwierigkeit entgegengehen k?nnten. Nias Hadschi erhielt 4 1/2 Jamben zum Unterhalt der ganzen Karawane und zum Einkaufen grosser Vorr?te an Reis, Mehl und anderen Dingen, deren wir sp?ter bed?rfen w?rden. Sirkin sollte ?ber die Ausgaben der Karawane Buch f?hren. Als alles fertig war, nahmen sie Abschied, schwangen sich auf den Sattel und verschwanden langsam im Unterholz, bis das Glockengel?ute nach einer Weile in der Ferne erstarb.

Mich begleiteten nur Islam, Koch, Bedienter und Faktotum in einer Person, und Kader, der eigentlich ein muhammedanischer Schreiber war, meistens aber als Islams Laufbursche fungierte. Die Besatzung der Flottille bestand aus vier mit langen, starken Stangen bewaffneten M?nnern . Einer hatte seinen Platz im Vorderschiffe, zwei im Achter der grossen F?hre. Von ihnen wurde ununterbrochenes Aufpassen verlangt, denn an Stellen mit starker Str?mung und scharfen Ecken zeigte die F?hre Neigung, gegen den stark unterwaschenen Uferwall zu stossen, und dann musste rechtzeitig von den Stangen Gebrauch gemacht werden. Der vierte Kemitschi f?hrte die kleine F?hre und ging an der Spitze der Flottille, um die Tiefe zu untersuchen und uns vor seichten Stellen zu warnen; diese F?hre war vollgeladen mit Proviant, Mehl, Reiss?cken und Fr?chten. Die F?hrleute, die sich die ganze Zeit ?ber vortrefflich f?hrten, hatten 10 S?r im Monat und alles frei, doch war es nicht leicht, sie zu ?berreden, mit nach Lop zu kommen; sie hegten eine kindische Furcht vor diesen fernen Gegenden, von denen sie noch nie hatten reden h?ren.

Nun wurde die letzte Hand an die Ausr?stung und M?blierung der F?hre gelegt, das Gep?ck an Bord gebracht und das K?chengeschirr in der N?he des Herdes auf dem Achterdeck geordnet. Das Zelt wurde auf der Plattform aufgeschlagen, seine herabh?ngenden S?ume an den Aussenr?ndern des Bretterfussbodens festgenagelt und im Inneren ein in munteren Farben gehaltener Teppich ausgebreitet. Das M?blement wurde so eingerichtet, dass das Feldbett an die Backbordl?ngsseite gestellt wurde und an seinem Fussende eine der Kisten stand; die beiden anderen standen auf der Steuerbordseite und dienten auch als Tische, auf denen stets eine Menge Instrumente, Karten und andere Dinge in malerischer Unordnung umherlagen. Am vorderen Rande der Plattform, in der Zelt?ffnung selbst, hatte ich meinen aus der Prober?hrenkiste bestehenden Arbeitstisch, dessen Untergestell ein Koffer mit Winterkleidern bildete. Das Futteral des grossen photographischen Apparates diente mir als Arbeitsstuhl. ?ffnete ich die hintere Zeltt?r, so hatte ich freien Zutritt zum Kaj?tendach, auf dem allerlei Sachen, die nicht vom Wind fortgeweht werden konnten, wie Segel und Ruder, Strommesser u. dgl., aufbewahrt wurden. Hier war auch das Wetterh?uschen aufgestellt. Es umschloss den Baro- und Thermographen, die Maximal- und Minimalthermometer, das Psychrometer und drei Aneroide. Der Windmesser stand obendrauf; doch was er w?hrend der Flussreise mitzuteilen hatte, war von geringer Bedeutung, denn das Flusstal war durch W?lder und hohe Ufer gesch?tzt, die den Wind zum grossen Vorteile f?r den ungest?rten Gang des Schiffes abhielten. Was Baro- und Thermograph auf vierzehnt?gigen Streifen aufzeichneten, war von gr?sserem Interesse: man sah deutlich, wie das Barogramm das langsame Abfallen des Flusses nach Osten angab, w?hrend die gez?hnte Linie des Thermogrammes immer niedriger wurde, je weiter der Herbst vorschritt und je mehr der Winter herannahte.

Die F?hre lag dem linken Ufer so nahe, als es die hier angeh?ufte Sandbank erlaubte. Doch um dorthin zu gelangen, musste man eine ziemliche Strecke in dem seichten Wasser waten. Mit aufgekrempelten Kleidern zog eine ganze Karawane von D?rflern und Kindern zum letzten Lebewohl hinaus und best?rmte uns noch einmal mit Geschenken, die eiligst bezahlt wurden .

Das Bild, das sich dem Blicke an Bord darbot, war so ansprechend und urgem?tlich, dass ich die, welche im Wasser stehen blieben und uns lautlos die grosse Wasserstrasse hinunterziehen sahen, beinahe bedauerte. Sie hatten den Vorbereitungen mit skeptischer Miene zugesehen und waren erstaunt dar?ber, wie gut sich schliesslich alles gestaltet hatte. Es war Punkt 2 Uhr, als ich Befehl zum Aufbruch gab. Die F?hrleute stiessen das Schiff mit ihren langen Stangen in die Stromrinne hinaus, die Ufer glitten vorbei, und nach der ersten Biegung verschwanden die erinnerungsreichen Gegenden von Lailik und Merket.

Ich liess mich sofort am Schreibtische nieder, wo ich monatelang wie festgenietet sitzen sollte; hier hatte ich meine Kommandobr?cke und meinen Observationsplatz . Ein St?ck weisses Papier lag bereit; das erste Kartenblatt, Kompass, Uhr, Diopter, Zirkel, Feder, Messer, Gummi, Fernglas usw., alles war zur Hand, und der Tisch stand so weit vor in der Zelt?ffnung, dass ich sowohl nach vorn wie nach den Seiten freie Aussicht auf die Landschaft hatte. Jolldasch und Dowlet f?hlten sich vom ersten Augenblick an v?llig heimisch; w?hrend der heissen Stunden des Tages lagen sie keuchend unter Deck, in der D?mmerung aber kamen sie hervor und leisteten mir im Zelte Gesellschaft.

Wenn der Leser sich wundert, weshalb ich eigentlich diese Flussreise unternahm, und fragt, welchen Gewinn in geographischer Hinsicht ich von ihr erwartete, so antworte ich, dass dies erstens der einzige Weg durch ganz Ostturkestan war, den ich noch nicht kannte, und dass zweitens bisher noch nie eine Karte vom Laufe des Tarim aufgenommen worden war. Von Maral-baschi bis Jarkent waren Pjewzoff, ich und noch ein paar andere Reisende auf dem Karawanenwege am Flusse hingezogen, zwischen Schah-jar und Karaul waren Carey und Dalgleish und sp?ter auch ich durch die Uferw?lder gegangen, und l?ngs des untersten Teiles des Laufes war zuerst Prschewalskij, dann Prinz Heinrich von Orl?ans und Bonvalot, Pjewzoff, Littledale und zuletzt ich entlang gewandert. Aber die Wege und Stege, die dem Flusse folgen, ber?hren nur hin und wieder seine Kr?mmungen: die Wege sind, als w?ren sie zwischen den ?ussersten Kurven der Flussbiegungen auf einem der Ufer gezogen worden. Durch sie erh?lt man keinen Begriff von dem Verlaufe, dem Aussehen und den sonstigen Eigent?mlichkeiten des Flusses. Unsere Kenntnis des Tarim war bisher auf derartige fl?chtige Beobachtungen von geringem Werte gegr?ndet gewesen. Als ich schliesslich meine grosse Karte vom Tarim fertig hatte, fand ich, wie un?hnlich ihr das bisherige Bild des Flusses war. Es war dies eine geographische Eroberung, die der Monate, die ihr geopfert worden, wohl wert war. Nie ist die Karte eines aussereurop?ischen Flusses so genau aufgenommen worden. Und wie interessant war es, das ganze Leben des Flusses so eingehend zu studieren, sein Steigen und Fallen, sein von verschiedenen Ursachen herr?hrendes Pulsieren, seine launenhaften Formationen und sein wechselndes Aussehen in verschiedenem Terrain! Nicht allein, dass ich so in t?glicher, ununterbrochener Arbeit Material zu einer ausserordentlich eingehenden Monographie ?ber den gr?ssten Fluss des innersten Asien sammelte und einen Weg w?hlte, dem bisher noch nie jemand gefolgt war, sondern ich machte auch eine so idyllische, so angenehme Reise wie noch nie. Wenn man gewohnt ist, zu Pferd zu reisen oder die Gegenden von dem R?cken eines sich wiegenden Kameles aus zu betrachten, ist es ein Genuss sondergleichen, sich von der Str?mung eines ruhigen, friedlichen Flusses bef?rdern zu lassen, die ganze Zeit an seinem Arbeitstische im Schatten zu sitzen und sich die Landschaft entgegenkommen zu lassen, die sich selbst aufrollt wie ein st?ndig wechselndes Panorama, dem man wie von seiner abonnierten Theaterloge aus folgt und zusieht. Und es war ein grosser Genuss, die ganze Zeit zu Hause zu sein, sein Arbeitszimmer, seine Schlafstube und seine Instrumente Tag und Nacht bei sich zu haben und sein Haus wie eine Schnecke durch das ganze innerste Asien mitzunehmen.

Meiner Ansicht nach hatte ich es weit besser und gem?tlicher als auf einem europ?ischen oder amerikanischen Flussdampfer. Denn erstens war ich allein und brauchte mich vor niemand zu genieren. Wenn es mir zu heiss wurde, konnte ich mich entkleiden und vom Schreibtische direkt ins Wasser springen, was auf einem europ?ischen Dampfer nicht ?blich ist, und ich konnte bleiben, wo und wie lange ich wollte, wenn wir an einer Stelle vorbeiglitten, die in irgendeiner Beziehung einladend aussah. Meine Mahlzeiten wurden mir am Schreibtische serviert, wann es mir passte, und wenn sie auch weniger lukullisch waren als die europ?ischen, so haben mir diese dagegen selten so gut geschmeckt wie die an Bord meiner eigenen F?hre. Frisches Wasser und eine Luft, die der balsamische Duft der Pappeln alle Augenblicke erf?llte, hatten wir reichlich zur Verf?gung. Ich hatte Bilder von denen, welche ich liebte und f?r die ich betete, in meiner N?he aufgestellt und begegnete t?glich ihren Blicken, die mich auf meiner einsamen Wanderung mit ihrer Liebe und guten W?nschen begleiteten, und es war herrlich, sich ausser H?rweite der Verleumdung und der eingebildeten Klugheit zu wissen, welche der Unternehmungslust ebenso treu und sicher folgen wie die Delphine im Kielwasser eines Schiffes. Auf den provisorischen Tischen, die jedoch ihren Zweck vollst?ndig erf?llten, lagen B?cher; ich hatte aber selten Zeit, darin zu lesen, denn jede Minute war von Arbeiten, die getan werden mussten, in Anspruch genommen. Und diese Arbeiten interessierten mich in solchem Grade, dass der Fluss doppelt so lang h?tte sein k?nnen.

Viertes Kapitel.

Zweitausend Kilometer auf dem Tarim.

Unwiderstehlich trug die langsam und schwer dahingleitende Wassermasse unser Schiff auf ihrem breiten R?cken vorw?rts; dass wir ebenso schnell wie die Str?mung trieben, sah man leicht an den Treibholzst?cken auf dem Flusse, die uns stundenlang begleiteten. Es war warm und still. Nur dann und wann ert?nte das Gurgeln eines Wasserwirbels oder das Rauschen des Wassers gegen einen an einer Sandbank h?ngengebliebenen Baumzweig; ab und zu wurde die Stille von den Stangen unterbrochen, wenn die F?hrleute, vom Avisomann Kasim gewarnt, sie ins Wasser stiessen, um einer Untiefe auszuweichen.

Wir waren noch nicht lange unterwegs, als auch schon Gruppen von Landleuten und Frauen mit ihren Melonen, Schafen und anderen Dingen die Ufer garnierten. Aber dies lockte uns nicht mehr; wir wollten nicht bleiben und brauchten keine Verst?rkung unserer mehr als reichlichen Verproviantierung. Der Tarim macht die tollsten Kr?mmungen; nacheinander treiben wir nach Nordwesten, S?dosten, Norden, Nordwesten und Nordosten. Schon lange Strecken vorher sieht man an den Grenzlinien des Waldes, wo sich der Flusslauf seinen Weg im Terrain gesucht hat. Bei +Kalmak-jilgasi+ hatten sich eine Menge Leute versammelt. Da wir auch hier nicht hielten, liefen sie uns mit ihren Gaben nach, wateten schliesslich an einer seichten Stelle in den Fluss , kletterten auf die F?hre und legten ihre Waren auf dem Vorderdeck neben meinem Arbeitstische nieder. Es stellte sich heraus, dass es Frauen, Kinder und Verwandte unserer Bootsleute waren, die uns so ?berlistet hatten. Es gab keinen anderen Ausweg als anzunehmen, sich zu bedanken und zu bezahlen, was ich um so freigebiger tat, als ich es war, der die vier M?nner ihren Familien entrissen hatte.

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