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Munafa ebook

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Read Ebook: Die Hexe: Eine Erzählung by Weigand Wilhelm

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Ebook has 114 lines and 15203 words, and 3 pages

ter unter der Zelt?ffnung stand und jede Bewegung der Tanzenden mit gierigem Blick verschlang. Sie verlor ihren rechten Schuh und tanzte im weissen Strumpfe auf dem Rasen weiter; sie sp?rte es nicht, dass sich ihr Busentuch l?ste und wie ein gebl?htes Segel zu den F?ssen gestrenger M?tter hinfiel; sie f?hlte im rasenden Drehen und Schweben nur das eine: dass eine seltsame Traurigkeit in ihr aufquoll, durch die ein bitterer Groll wie ein W?sserlein unter Steinen in ihr emporsickerte. Und als ihr T?nzer sie ins Zelt zur?ckbegleitete, blieb sie mit gesenkten Augen vor der Tafel stehen, wo die Herren noch immer beim Weine sassen und w?rdige Gespr?che pflogen. Sie atmete erst auf, als dumpfes Grollen ein nahendes Gewitter verk?ndete und die ganze Gesellschaft in das Zelt zusammenscheuchte. Da die Festkutschen erst gegen Abend aus der Stadt erwartet wurden, mussten die G?ste vor dem Unwetter in einem nahen Bauernhause Schutz suchen, und die M?dchen kamen erst zu Beginn der D?mmerung wie durchn?sste M?use vor dem Tore an, wo sie kichernd und lachend auseinanderhuschten. Der Junker Emmerich bekam Babette nicht mehr zu Gesicht; er nahm feierlichen Abschied von dem Domherrn von Hutten und gab seinem Kutscher Befehl, mit dem Reisewagen in einer Stunde vorzufahren.

Als Babette das alte Haus am Lochgraben, in dem sie mit ihrer Tante Lioba Hippler, der Witwe des st?dtischen Kellers wohnte, in der D?mmerung betrat, fand sie die alte Frau in heller Aufregung. Die Lioba Hippler war seit zehn Jahren auf beiden Augen blind und pflegte ihre ganze Zeit mit Spinnen zu verbringen. Sie sass dabei mit ihrem m?chtigen Spinnrad auf einem erh?hten Fenstersitz, von wo aus sie alle Ger?usche des stillen Stadtwinkels h?ren konnte. Jeder Ton, den sie vernahm, ging wie ein Licht oder ein Zucken ?ber das friedliche Gesicht der alten Frau, die jeden Nachbarn an seinem Schritt erkannte. Heute aber fand Babette ihre Tante in seltsamer Unruhe: ,,Gott sei Dank, dass du nur da bist," sagte die Alte, die ihr bis an die T?r entgegenkam und dann sofort auf ihren Fenstersitz zuging, um das geliebte Spinnrad wieder in Bewegung zu setzen. ,,Ich hab mit einem Male eine solche Angst gef?hlt, wie wenn dir was passiert w?r."

Babette strich ihr z?rtlich ?ber die Backen und erz?hlte mit ruhigen Worten von dem herrlichen Feste, ohne des Junkers von Collenberg mit einem Worte zu erw?hnen; dann huschte sie, leicht wie ein Hauch, die Bodentreppe hinauf in ihr Gemach, um ein anderes Kleid anzuziehen. Sie blieb ein Weilchen im blossen Hemd vor ihrem Spiegel stehen, legte ein feines Kettlein, an dem ein Herzchen mit Haaren von ihrer verstorbenen Mutter hing, um den Hals, probierte eine Stutzhaube, deren breite Atlasb?nder bis an ihre Kniee niederwallten, und zog aus dem schadhaften Haubenboden einen vergoldeten Draht heraus, den sie mit versonnenem L?cheln um ihren linken Zeigefinger wickelte. Dann warf sie einen Blick in den gef?llten Schrank, in dem das duftige Linnenzeug ihrer Ausstattung geh?uft beisammenlag, und fuhr mit z?rtlichen Fingern ?ber die bl?hweissen T?cher, die alle von ihrer Mutter stammten. W?hrend sie dann in dem schmalen Giebelgelasse wieder vor dem Spiegel sass, zuckte es wieder wie ein feines Possenspiel um ihr schmollendes M?ndchen: sie probierte die Miene, mit der sie Friedrich Lerch am Abend, wenn er k?me, zu empfangen gedachte, und das Armes?nderbewusstsein, das sich, fast gegen ihren Willen, f?r einen Augenblick auf ihre Z?ge legte, erf?llte sie j?hlings mit solchem ?bermut, dass sie hell auflachte und voll seliger Unrast aufstand, um in dem schmalen Gemach, wo ihre ganze m?tterliche Habe in Schr?nken und Kommoden verwahrt lag, in halbem Tanzschritt auf und ab zu schreiten. Sie zweifelte keinen Augenblick, dass der neue Stadtschreiber auch heute, wie gew?hnlich gegen acht Uhr, kommen werde, um ein St?ndchen bei ihr und ihrer blinden Tante zu versitzen; sie hielt schon ihre sch?nsten Blicke f?r ihn bereit und nahm sich vor, ihn auch noch dahin zu bringen, dass er sie um Verzeihung f?r sein m?rrisches Wesen bat, das doch allein schuld an ihrem Spiel mit dem lustigen Junker war. W?hrend eine geheime Z?rtlichkeit ihr Aug mit sehns?chtigem Leuchten f?llte, beschloss sie, ihn auch noch ein Weilchen mit allerlei Anspielungen auf den vornehmen Courmacher zu qu?len, und ihm dann, zum Seelentrost, ein Sch?lchen voll eingemachter Kirschen vorzusetzen, die der Schlecker gerne ass, und ihm ihr eigenes Kinderl?ffelchen dazu zu geben. Als jedoch pl?tzlich ?ber die abendlichen D?cher her das Horn eines Postillions aufklang, der das alte Lied blies:

Komm heraus, komm heraus, du sch?ne, sch?ne Braut, Deine guten Tage sind alle, alle aus, O weiele weh!

da schnitt Babette eine Fratze und lief, die Melodie vor sich hinsingend, im sch?nsten Sommerstaat zu ihrer Tante herab, die noch immer vor ihrem Spinnrad sass. Es war ihr, als sie das dunkle Gemach betrat, so wohlig zumute wie seit langem nicht, obwohl eine leise Sehnsucht ihr Herz mit seltsamer Unruh erf?llte. Die Blinde fuhr ihr, nach ihrer Gewohnheit, zum Gruss ?ber das rosige Gesichtchen, und als ihre H?nde nichts Besonderes fanden, netzte sie den Finger an ihrem welken Munde, um schweigend weiterzuspinnen. Das leise Schnurren des Rades erf?llte den Raum mit einem Laut, der Babettes Gedanken, die mit der sinkenden D?mmerung immer ernster wurden, wie eine leise Musik begleitete und ihre Erwartung immer sehns?chtiger stimmte. So sass sie, m?uschenstill und auf nahende Schritte lauschend, auf einem niederen St?hlchen da; und nur einmal schlich sie auf den Zehenspitzen an das Fenster, um auf die Gasse zu sp?hen, aus deren Dunkel ein leises M?dchenlachen zu ihr emporklang. Als jedoch der Abend weiter vorr?ckte und Friedrich Lerch noch immer nicht kam, riss sie in j?h aufwallender Wut ihr Batistt?chlein von den Schultern und nahm sich vor, dem Unversch?mten das n?chste Mal, und wenn er auch als reuiger S?nder k?me, ?berhaupt keinen Blick zu g?nnen. --

Doch Friedrich Lerch liess sich weder an diesem noch an den folgenden Tagen in dem alten Hause am Lochgraben sehen, und es war nicht Groll, was ihn von der Geliebten fernhielt, sondern ein kummervolles Gef?hl der Scham, weil jene gegen das Bild gefrevelt hatte, das er von ihr in seiner Seele trug. --

Babette aber verlor mit einem Male die Lust am Singen, und in Frankenthal trugen sich, von heute auf morgen, ganz seltsame Dinge zu: am Montag streckte die beste Milchkuh des B?chsenmachers Kaspar Bundschuh pl?tzlich alle viere von sich, und die Augen, mit denen die Verreckte vor sich hinstarrte, zeigten jedem, der etwas von der Sache verstand, klipp und klar, dass sie den leibhaftigen B?sen vorher gesehen hatten; am Dienstag weigerten sich die Geissen des lutherischen Totengr?bers Johannes Felgentreff, Milch zu geben, und weder g?tliches Zureden, noch das beste Gr?nfutter vermochte die meckernde Gesellschaft von ihrer h?llischen Halsstarrigkeit abzubringen; in der Nacht von Mittwoch auf den Donnerstag entstand in dem H?hnerstall des Br?ckenbecken Wiedehopf ein solcher Aufruhr, dass die ganze Nachbarschaft aus dem Schlafe aufgeschreckt wurde, und als die Beckin am Morgen das aufgeregt gackernde H?hnervolk aus dem Stalle liess, fand sie, dass die gelegten Eier samt und sonders hohl waren.

Am meisten Anlass zu Gerede bot das Verhalten des B?rgermeistersohnes Kaspar Lienlein: der sass wie von einem b?sen Geist besessen stumm und st?ckisch in einem Winkel seines Zimmers, und wenn seine Mutter mit seinen Lieblingsspeisen kam, um ihn zu tr?sten, sah er sie mit b?sen Augen an oder fletschte seine Z?hne wie ein Hund, dem man seinen Mittagsfrass st?rt. Dazu brachte jeder Tag, trotzdem der Mai noch nicht zu Ende war, ein Unwetter nach dem andern, und alte und junge Weiber schwelgten in dem Geraun und Gerede, dass solche Kieselwetter teuflisch Hexenwerk seien. In ganz Kleinfranken, in Gerolzhofen, in Prozelten, in Freudenberg und anderen Orten waren die Teufelsweiber am Werke, und im niederen Volke zweifelte bald niemand, dass auch Frankenthal eine Hexe beherbergte. Bald wurde auch der Name der Hexe, der Stadt und Gegend die allt?glichen Kieselwetter verdankte, heimlich genannt, und die Br?ckenbeckin erz?hlte jedem, der es h?ren wollte, dass sie selbst in der Nacht vor dem ersten Mai ein faselnacktes Hexlein um den T?rmersturm habe fliegen sehen: es sei ganz zusammengekauert auf einem langen Besenstiel gehockt, und sein loses Haar sei wie ein feuriger Schweif hinter ihm dreingeflogen, als es mit ein paar feuer?ugigen Eulen hinter dem Stadtwald, dem St?ckicht, verschwand. Aber die schlimmste Verhexung war doch, wie alle munkelten, dem Sohn des B?rgermeisters Lienlein, dem roten Kaspar, passiert, der wie zerschlagen in der Stadt herumging und jeden mit Augen anschaute, aus denen der leibhaftige Teufel in die Welt guckte. --

Nach acht Tagen waren alle Hexengl?ubigen dar?ber einig, dass die Stadt in der Babette Glock ein ausb?ndiges Hexlein bekommen habe, und schon fingen die kleinen Buben an, ,,Hexle, hex" hinter ihr herzuschreien, wenn sie mit ihrem K?rbchen am Arm durch die Gassen ging, um eine Freundin zu besuchen oder Gew?rz beim Kr?mer einzukaufen.

An einem heissen Juniabend, am Tage vor Fronleichnam, liess sich endlich auch der Kanzler Friedrich Lerch bei der blinden Hipplerin sehen. Babette, die gerade an einem Kuchenteig knetete, g?nnte ihm keinen Blick, als er eintrat und sich, nach einem scheuen Grusse, zu der Blinden setzte. Diese streichelte ihm das Gesicht und verlangte zu wissen, warum er so lange weggeblieben sei. Der Stadtschreiber entschuldigte sein Fernbleiben mit Arbeit und der Sorge um seine Stellung; denn seine Best?tigung war noch immer nicht erfolgt, und noch immer sah er sich einer ungewissen Zukunft gegen?ber. Als Babette einen Augenblick hinausging, um den Teig an einen warmen Ort zu stellen, folgte ihr Friedrich Lerch auf den Flur, wo er stehen blieb, bis sie aus der K?che zur?ckkam.

,,Der Herr Stadtschreiber will schon gehen?" sagte sie schnippisch, w?hrend sie ihre Hand an ihrer weissen Sch?rze abwischte.

,,Die Jungfer Babett hat Verwandte in Aschaffenburg," entgegnete er, indem er scheu auf die Seite blickte. ,,Ich w?rde Ihr raten, eine Sommerreise dahin zu machen."

Diese feierliche Haltung und der Umstand, dass er sie nicht mehr duzte, erbitterte Babette aufs heftigste; sie h?hnte: ,,Wenn ich das t?t, bek?me ich den Herrn Stadtschreiber nicht mehr zu sehen, und das br?ch mir das Herz." Sie funkelte ihn dabei mit zornigen Augen an; er aber ?berlegte, ob er das wilde Wesen seinem Schicksal ?berlassen solle oder nicht, und sagte dann: ,,Es gibt in der Stadt alte Weiber, die an Hexen glauben."

Sie lachte h?hnisch: ,,So sag Er doch gleich, dass ich eine Hex bin! Hat Er nicht geh?rt, dass ich erst vorgestern auf der Galgenweide beim Hexentanz gewesen bin? Und weiss Er auch, dass der Gr?ne, der ein Fl?tchen, nein, ein H?rnchen -- ein H?rnchen geblasen hat, Ihm ?hnlich sieht? Ja -- ja --."

Friedrich Lerchs Gem?t wurde weich: ,,Jungfer Babett," sagte er leise, ,,man soll mit dem Ungl?ck nicht spassen."

Dieses gedr?ckte Wesen brachte Babette noch mehr auf; sie lachte: ,,Wenn ich nur w?sst, wo eine Hexenschul w?r, ging ich noch heut hinein. Kann Er mir keinen Rat geben? Er ist doch in der Welt 'rumgekommen --"

Da ging Friedrich Lerch, den dieses Wesen in der Seele qu?lte, ohne ein Wort weiterer Entgegnung die h?lzerne Treppe hinunter: er gedachte, eine g?nstigere Stunde abzuwarten, um Babette zu warnen und zu einer Reise zu bewegen. Babette blieb j?h verstummend an der Treppe stehen: sie wusste nicht, was sie von dieser Flucht halten sollte, und dachte einen Augenblick daran, den Jugendgespielen zur?ckzurufen; aber sie brachte es nicht ?ber sich, ein Wort zu sagen, und der Stadtschreiber h?rte beim Beschreiten der Haust?rschwelle nur ein gelles Lachen, das ihn auf seinem Gang durch die Stadt verfolgte. --

Am n?chsten Morgen aber, in aller Fr?he, kamen zwei Stadtknechte, um die Barbara Glock, die noch im Schlummer lag und just von ihrer eigenen Hochzeit tr?umte, aus dem Bett zu holen und in Gewahrsam zu nehmen. Sie schrie und heulte und stampfte mit dem Fusse, als die Knechte mit dem Befehl des Rates in ihr St?bchen drangen und sie aus dem Bette zerrten; allein kein Weinen und kein Bitten half, und auch die blinde Hipplerin, ?ber deren runzelige Backen die dicksten Tr?nen herabliefen, versuchte vergeblich, ihre Nichte loszubitten. Die Gefangene wurde mit gebundenen H?nden in den Hexenturm gebracht, wo sie der st?dtische Stockmeister sofort mit einer langen Eisenkette an einen Mauerring anschloss. Sie konnte sich in kleinem Umkreis umherbewegen und sich am Tisch, der nicht weit von der tiefen Fensternische in einer dunklen Ecke stand, auf einen Stuhl setzen. Sonst geschah ihr vorerst nichts; denn die Frankenthaler pflegten ihre Hexen, zum Unterschied von anderen St?dten, gut zu behandeln, solange sie noch nicht des Vergehens der Hexerei gest?ndig oder ?berf?hrt waren.

Da sass nun die lachende Babette und hatte Zeit, ?ber ihr Schicksal nachzudenken. Sie ahnte, von welcher Seite der Schlag kam, der sie aus heiterem Himmel traf; aber sie war emp?rter gegen den Stadtschreiber als gegen den rothaarigen Sohn des B?rgermeisters, dem sie es doch verdankte, dass sie gefesselt und gefangen im Hexenturme sass. Wenn sie des Gef?hls gedachte, das jener verschm?ht hatte, st?rzten ihr Tr?nen der Wut in die Augen, und jedesmal, wenn sie sich eines lieben Augenblicks in seiner Gesellschaft erinnerte, stampfte sie mit dem Fusse und warf einen Blick nach der T?re, als ob er jeden Augenblick hereintreten m?sste, um seine Strafe in Empfang zu nehmen. Aber es kam niemand, und der lange Tag erschien ihr wie eine ?de Ewigkeit. Erst gegen Abend, als es schon d?mmerte, trat der Stockmeister, ein klapperd?rres Hutzelm?nnchen mit schielenden Triefaugen, ein und setzte ein gebranntes Mehls?pplein als Hexenfutter auf den wurmstichigen Holztisch. Er zwinckerte vergn?gt vor sich hin, als er Babette mit einer Handbewegung einlud, das Sch?sselchen auszul?ffeln; denn in seiner Erinnerung gl?nzte noch das letzte Hexenmahl, das der Rat, altem Brauch zufolge, den Stadtknechten und dem T?rmer nach der Verbrennung zu geben verpflichtet war, als herrlichstes der Frankenthaler Feste her: es hatte einundzwanzig Gulden gekostet, und der Stockmeister schnalzte im Gedanken an die Leckerbissen, die damals aufgefahren wurden, noch jetzt mit der Zunge. Babette floh in die tiefe Fensternische zur?ck und starrte mit w?tenden Augen auf den verhutzelten Hexent?rmer, der nah und n?her an sie herantrat. Hundertmal war sie fr?her an dem Hexenturm vorbeigegangen und hatte den Stockmeister gesehen, wie er mit seiner Frau, einer kahlk?pfigen Alten, zankend und keifend auf einem h?lzernen B?nklein vor der Turmt?r sass; nun erf?llte sie der Blick des schielenden Alten mit Wut und Abscheu; sie stampfte mit dem Fusse und schrie: ,,Geh, geh, du Aff!"

Doch der T?rmer blieb vor der Nische stehen und zwinkerte sie lieb?ugelnd an: ,,Wo hast denn das Hexen gelernt, M?dle?" fragte er mit meckernder Stimme; ,,h?tt net gedacht, dass ich auf meine alten T?g noch mal erleb, dass man eine Hex f?ngt. Die Hexen werden immer rarer. Am Himmelfahrtstag sind's f?nfunddreissig Jahr her, seit wir die letzte auf dem Marktplatz verbrannt haben. Wenn ich dir einen Rat geben d?rf, so gesteh nur gleich. Was sein muss, muss sein. Hihi, wir Frankenthaler haben noch keine Hex verbrannt, ohne dass sie gestanden h?tt. Verbietet auch die hochnotpeinliche Gerichtsordnung, dass eine Hex ans Feuerlein kommt, ehe sie alles bis auf das Tipfele gestanden hat, hehe. Ich weiss, -- ich bin net dumm, -- ich weiss, du denkst: die k?nnen lang warten, bis ich sag, was ich weiss. Aber da legen sie dir die Daumenschrauben an: die pressen dir die Kn?chle, dass du alle Engel im Himmel singen h?rst. Dann wirst du in die spanischen Stiefel geschn?rt. Wenn ich dich aus der Stube lassen d?rft, k?nnt ich dir das gekerbte Brettle zeigen, das sich beim Zuschrauben ans Schienbein legt. Und wenn du dann noch nicht sagst, wann du's letztemal mit dem Junker Federkiel getanzt hast, kommst du auf die Leiter, die ist ?rger wie's Fegfeuer. Du wirst mit Winden in die H?h gezogen, und an die F?ss h?ngt man dir ein volles Essigf?ssle. -- Ich hab in meiner Jugend baumstarke M?nner gesehen, wo von der Leiter runterkommen sind und gest?hnt haben: Wir w?llen lieber zehnmal sterben als einmal die Leiter besteigen! Und wenn du von der Leiter 'runterkommst und immer noch dein Hexeng?schle h?ltst, bekommst du den gespickten Hasen zu schmecken. --"

Babette h?rte nicht mehr, was der T?rmer sprach; sie hielt sich die Ohren zu und blickte durch das verstaubte Gitterfensterchen auf den Stadtwall, wo in der sinkenden D?mmerung ein paar Dutzend Gassenbuben standen und warteten, ob das einget?rmte Hexlein vielleicht geneigt sei, seine K?nste zu zeigen und einen Ausflug zu wagen. Die schadenfrohe Lustigkeit der Stadtjugend erschien ihr ertr?glicher als die Folteraugen des Alten, der nun mit einem Mal zu jammern begann: ,,Ja, ja, die Zeiten werden immer schlechter, und die Taxordnung is kein Hellerle wert. Weisst, M?dle, was ich f?rs Ohrabschneiden bekomm? Zwei Schilling und sechs Pfennig. Und f?r jeden Brand zwei Schilling zw?lf Pfennig. F?rs Auspeitschen gibt mir der Rat nur den Gotteslohn, und wenn ich nicht am Salben was verdienen t?t, k?nnt ich kein Sch?pple G?tzberger trinken --"

Nun aber fuhr Babette mit solchen Augen auf das M?nnlein los, dass dieses den R?ckzug antrat und vor sich hinmeckernd die schmale Gef?ngnist?r mit den m?chtigen Riegeln verschloss. Sie lehnte ihre Wange an die verstaubten Scheiben und liess ihre Tr?nen stillschweigend auf ihre H?nde herunterfallen, die gekreuzt in ihrem Schosse lagen. So blieb sie die ganze Nacht hindurch sitzen, als ob alles, alles Leben aus ihr geflohen w?re, und erst am Morgen warf sie sich auf den h?lzernen Schragen, der anstatt eines Bettes in einem Winkel des Turmgemaches stand.

Obwohl sich die Frankenthaler sonst zu allem Zeit und Ruhe liessen, schien es dem hochm?genden Rate doch geboten, das Verh?r der Barbara Glock schon am n?chsten Morgen zu beginnen. In aller Herrgottsfr?he durchschritt ein Ratsknecht mit der Schelle die Strassen, um den Einwohnern die hochnotpeinliche Vernehmung anzuk?ndigen, indem er mit lauter Stimme zu den Fenstern der Gerichtsherren hinaufsang:

,,H?ret, ihr Ratsherrn, jung und alten, Heut fr?h wird Halsgericht gehalten ?ber eine gefangene Person, Die grosse ?beltat geton! Zu solchem Rechtstag sollt ihr kommen, Gemeinem Wesen zu Nutz und Frommen."

Als der Spitalpfleger Christopher Kemmeter die Ratsschelle h?rte, befahl er seiner Schwester Margret, die ihm den Haushalt f?hrte, ein starkes Weins?pplein zu kochen und, zu besonderer S?ssung, geh?rig Zimt und Zucker hineinzutun. Dann zog er seinen B?rgerrock an, stopfte sich eine holl?ndische Kreidepfeife und nahm ein altes Buch zur Hand, in dem die besonderen Rechtsf?lle der Stadt seit dem Jahre 1594 verzeichnet standen. Nicht ohne Seufzen ?ffnete er das dickleibige Werk: er wusste, was er von der Frankenthaler Festfreude erwarten durfte, wenn die Leidenschaft des Volkes erregt war, und hegte keinen Zweifel, dass dieser Streich gegen das h?bsche Babettle von den Anh?ngern des B?rgermeisters Lienlein ausging, den er nicht riechen konnte; denn der Gestrenge trug die Schuld, dass er mit seiner Schwester als Junggeselle hausen musste, weil er ihm, als er auf Freiersf?ssen ging, sein Sch?tzlein, die ehrsame Jungfer Katharina Ziegenspeck, vor der Nase wegstibitzt hatte. Von diesem Erlebnis war ihm nicht nur ein alter Groll gegen den regierenden Herrn, sondern auch eine Geringsch?tzung der Weiber geblieben, denen er lange Haare und kurze Gedanken nachsagte, obwohl er seiner leiblichen Schwester einen scharfen Verstand zubilligen musste: von der Jungfer Margret Kemmeter hiess es in der Stadt, sie sei mit Haaren auf den Z?hnen auf die Welt gekommen und schlafe wie ein Drache auf dem Strumpf, in dem sie ihre Reichstaler verwahre. Als die Schwester des Ratsherrn mit dem dampfenden Weins?pplein in das Zimmer trat, sah sie, dass die Runzeln in dem Gesicht ihres Bruders seltsam zuckten: sie kannte dieses Schelmengesicht, auf dem das Lachen nicht zum Ausbruch kam, und gab dem vergn?gten Kracher einen Rippenstoss, den er mit einem meckernden Gel?chter beantwortete; aber er war nicht zu bewegen, das Geheimnis, das ihn in heimliches Behagen versetzte, preiszugeben, und als er sein s?sses S?ppchen ausgel?ffelt hatte, nahm er sofort Hut und Stock, um, wie er sagte, auf die Ratsstube zu gehen und da vor der Hexengerichtssitzung noch einen Herrenschoppen zu stechen und f?r die Kehlenkl?rung des hochweisen Gerichtskollegiums zu sorgen. Er machte aber, da es noch zeitig am Tage war und er nicht tief in die Kanne zu steigen gedachte, einen Umweg durch die Talg?rten, wo er dem staatsm?ssig in schwarzen Str?mpfen und mit dem Dreispitz unterm Arm einherwandelnden Stadtschreiber Lerch begegnete.

,,Er sucht sich wohl ein Taubenhaus aus, wo Er nach der Hochzeit mit Seiner Lalage schn?beln kann?" fragte er den Tr?bseligen, und f?gte dann hinzu:

,,Es geht doch, sagt mir, was ihr wollt, Nichts ?ber Wald- und Gartenleben, Und schl?rfen ein dein trinkbar Gold, O Morgensonn', und sorglos schweben Daher im frischen Blumenduft Und mit dem sanften Weben Der freien Luft, Als wie aus tausend offnen Sinnen Dich in sich ziehn, Natur, und ganz in dir zerrinnen."

,,Es ist schrecklich," entgegnete der Stadtschreiber.

,,Meint Er das alamodische Carmen?" entgegnete der Alte, den das gedr?ckte Wesen seines Sch?tzlings reizte. Und pl?tzlich fuhr er auf: ,,Seh Er sich nach einem andern Sch?tzchen um. Was hat Er an dem kecken Ding? Ein h?bsches L?rvchen und ein Spatzenseelchen, weiter nichts."

,,Sie werden sie verbrennen," seufzte Friedrich Lerch wieder.

,,Hat Er's aus hochm?gendem Mund geh?rt, oder hat Er's aus den Akten herausgefischt, dass die Frankenthaler noch jede Hexe verbrannt haben? Er ist ein gewissenhafter Mensch; deswegen sollte Er auch wissen, dass es noch viele andere h?bsche Frauenzimmer in der Welt gibt. Ob Er nun hier oder sonstwo an eine Hexe ger?t, ist gleich: denn Hexen sind sie alle. Ich bin in meinem Leben mindestens zehnmal verhext worden, aber durch die Gnade unseres Herrgotts immer heil und gesund davongekommen."

Friedrich Lerch l?chelte s?uerlich, um seinem G?nner zu zeigen, dass er dessen Scherze verstehe und zu w?rdigen wisse; aber in Wirklichkeit war ihm wund und weh zumute: denn seit Babette im Hexenturm gefangen sass, qu?lte ihn die Frage, ob er ihr im Geist doch nicht unrecht getan habe, in einem fort, und die Erinnerung an die Stunden stummen Gl?cks, da er beim Surren des Spinnrades an ihrer Seite gesessen, erf?llte ihn mit qu?lender Sehnsucht.

Als der Ratsherr sah, dass sein Sch?tzling zu keinem Gespr?ch zu bringen war, liess er ihn unwirsch stehen, um noch einen Blick in die Ratstrinkstube zu werfen, wo die zw?lf Gerichtsherren vor der Sitzung jeweils einen geh?rigen Fr?htrunk zu tun pflegten. Er fand die Trinkstube voll wie an h?chsten Festtagen. Es sassen da w?rdige M?nner, die mit ihrer Meinung, dass sich die Stadt mit dieser Hexengeschichte ein b?ses S?pplein eingebrockt und, zum mindesten, l?cherlich gemacht habe, nicht hinterm Zaun hielten; aber daf?r fehlte es unter den alten Hochm?genden auch nicht an solchen, die sich im Auftischen saftiger Hexenst?cklein gar nicht genug tun konnten, und wer von ihnen selbst nicht behext worden war, wusste zu berichten, dass wenigstens sein Urgrossvater oder dessen Geschwisterkind die sch?nsten Hexen, wie es keine mehr gebe, gekannt habe.

Der Ratsherr Kemmeter h?ngte seinen Dreispitz an einen Nagel und stopfte umst?ndlich seine holl?ndische Pfeife; dann liess er sich von dem Ratsk?fer einen Becher Fasswein reichen und ging von einem der alten Stecher zum andern, und sein Becher klang beim Anstossen so klar und regelrecht wie die kleinen Glocken der Kilianskirche. Aber jeder der Herren, mit dem er anstiess, bekam eine Bosheit zu h?ren, ohne dass die Kracher aus dem H?uschen gerieten: denn sie kannten die Gewohnheit des alten Spitalpflegers, allen Leuten einen Floh ins Ohr zu setzen, und die Alten lasen aus den Mienen Kemmeters einen Spass heraus, von dem sie sicher waren, dass er zu dem bevorstehenden Hexenspektakel passte. Die Gerichtsherren waren samt und sonders voll s?ssen und sauern Weins, als sie endlich auf schwankenden Ratsherrnbeinen in die grosse Gerichtsstube hinaufstiegen, wo der neue Kanzler Friedrich Lerch, dem auch das Amt eines Zehntschreibers oblag, mit k?seweissem Gesicht schon hinter seinem Amtstische sass. Er hielt eine neugeschnittene Rabenfeder in der Hand, und auf seinen Z?gen lag ein solcher Kummer, dass der alte Kemmeter auf ihn zuging und ihn derb am Ohre zupfte. --

Babette war schon vorher, nach altem Frankenthaler Rechtsbrauche, aus dem Hexenturm in eine ,,feine Stube" des Rathauses verbracht worden, wo der Dekan Lotter ihrer wartete, um sie durch geistlichen Zuspruch auf das Verh?r in dem Hexenrichtercollegio vorzubereiten. Der geistliche Herr nahm es gelassen hin, dass sein Beichtkind alle Schuld bestritt; aber es missstimmte ihn, dass Babette allem Zuspruch ein hartn?ckiges Schweigen entgegensetzte, die Hand, mit der er ihr die Backe streicheln wollte, voller Abscheu wegschlug und sich mit gesenktem K?pfchen an die T?r stellte, wo der Stockmeister auf einem h?lzernen St?hlchen hockte. Die Tr?nen liefen ihr noch wie helle Perlen ?ber die Wangen, als sie, von zwei Ratsknechten gef?hrt, in die Gerichtsstube trat, wo die zw?lf Richter hinter einem langen Tische beisammen sassen. Auf Befragen des uralten Hexenrichters G?tz Schlegelmilch erkl?rte sie schluchzend, dass jedermann sie kenne: sie sei von ihrer Tante in christlicher Zucht und Ehrbarkeit erzogen worden; sie habe wohl geh?rt, dass es Hexen gebe; aber sie wisse nicht, was Hexerei sei, und glaube auch nicht, dass in Frankenthal Hexen zu finden seien. Da erhob sich der Gerichtsherr Valtin Zipfel und sagte stammelnd aus, als er aus der Trinkstube gekommen, habe er pl?tzlich, im Vorraum vor dem Gerichtssaal, einen solchen unterirdischen Ruch von Rosen um sich gesp?rt, dass er vermeine, solches k?nne nur die Frucht des teuflischen Hexenwerks sein.

Darauf erkl?rte der Ratsherr Kemmeter, auch er habe diesen Ruch mit seiner Nase wahrgenommen; aber der sei, wie er beim Evangelio beschw?ren k?nne, aus den zinnernen Bechern der Ratsstube emporgestiegen, von einem Jahrgang Wein, den er, vor zehn Jahren, zu sechs Gulden das Fuder und also um einen Jammerpreis, an den hochm?genden Rat geliefert habe. Im ?brigen m?sse er bemerken, dass der Stechheber, mit dem der Ratsk?fer den Schoppenwein aus den hahnenlosen F?ssern ziehe, schon l?ngst schadhaft sei, weil er nicht genug geputzt und gescheuert werde; er selbst habe hie und da mit Abscheu beim ersten Schluck ein vermischtes Geschm?cklein auf der Zunge verschmeckt, was, gegen alles st?dtische Herkommen, aus zwei F?ssern zugleich stammte, und eine solche Schlamperei sei dazu angetan, Geschmack und Wein der Stadt in schlechten Geruch bei den Nachbarn zu bringen.

Dies brachte den Hexenrichter G?tz Schlegelmilch in Harnisch: er bekundete, dass er j?ngst, als er von einem Nachttrunk heimgekehrt, aus der Hottenlochgasse ein solch teuflisches Get?se, Toben, Schreien, Singen vernommen, dass er nicht anders meine, als diese Lustbarkeit sei von dem Erzfeind und Teufel wider alles Verbot der Obrigkeit angestellt worden, um eine Hexe zu feiern und sein Reich zu heben. Worauf der Ratsherr Kemmeter zwinkernd im Kreis umherblickte und erkl?rte: Dass Weins?mpfe doppelt s?hen, habe er gewusst; dass sie doppelt h?rten, habe er nun erfahren. Im ?brigen r?hre aber dies Geschrei, das guten B?rgern die Nachtruhe st?re, von den welschen Arbeitern am Schlossbau her, die mit ihren Menschern die halbe Nacht durchtanzten und das Messer los im Sacke tr?gen.

Doch der Gerichtsherr Schlegelmilch blieb bei seiner Aussage und verlangte, dass die Malefikantin Barbara Glock alsogleich, nach altem Brauch, zu Recht nackt ausgezogen, auf ihre Hexenmale untersucht und, wenn solche nicht gefunden w?rden, mit Schrauben gepresst werde.

Worauf der Ratsherr Christopher Kemmeter erwiderte: Er m?sse die Schuld an besagter Augentr?bung des Hexenrichters noch einmal auf den schlecht gehaltenen Wein schieben, der es bewirkt habe, dass er seine eigenen Mitr?te auf dem Vorplatz f?r Hexenmeister genommen habe; er schlage vor, den Ratsk?fer ~edictaliter~ zu zitieren, um ihn zu christlicher Verwaltung seines Amtes zu vermahnen, die F?llung der Weinf?sser durch ein wohlbestalltes Kollegium pr?fen zu lassen und zwei Stechheber, einen f?r die Katholiken und einen f?r die Evangelischen, auf Kosten der Republik Frankenthal anzuschaffen.

W?hrend die Ratsherren die K?pfe zusammensteckten, um ?ber die vorgebrachten Antr?ge zu beraten, liess der Stadtschreiber Friedrich Lerch Babette nicht aus dem Auge. Der Anblick des blassen K?pfchens, das seinen Blicken auswich, erf?llte ihn mit unendlichem Mitleid, und immer wieder gedachte er der Augenblicke, wo ihm das Licht ihrer Augen das wunderbarste Gl?ck verhiess.

Das eifrige Getuschel und Gerede der Gerichtsherren fand jedoch ein j?hes Ende, als sich der alte Kemmeter wieder erhob und mit fl?tenweicher Stimme erkl?rte, er m?sse, noch ehe ein Bescheid des Hohen Collegii ergehe, die hochm?genden Gerichtsherren auf eine alte Verordnung vom 13. Aprilis de anno 1563 hinweisen, wonach es den Katholischen nicht erlaubt sei, eine Hexe allein der hochnotpeinlichen Halsgerichtsbarkeit zu ?berliefern, sondern wonach es zu Recht bestehe, dass die Lutherischen ebenfalls eine Hexe beizubringen h?tten, wenn den Katholischen der Fang eines solchen Tierleins gelungen w?re, und so verlange er, als Bekenner der Augsburger Konfession, dass man das peinliche Verfahren aussetze, bis es auch den Evangelischen beliebe, eine Hexe ihres Glaubens aufzust?bern und der von Gott mit scharfem Verstand begabten Obrigkeit zu peinlicher Rechtfertigung oder Aburteilung zu ?bergeben. Seit der Glaube an die h?llische Hexenzunft bestehe, sei in Frankenthal niemals eine Hexe allein geschwemmt oder verbrannt worden, und dies gleichzeitige Verfahren habe dem Stadts?ckel manchen Batzen erspart, der dann auf schicklichere Weise, in einem guten Trunk oder Schmaus, vertan worden sei. Auch sei es in Frankenthal von alters her der Brauch, dass vor Vernehmung einer beschuldigten Person ein dreit?giges Fasten f?r die Gerichtsherren aufzuschreiben sei, womit verhindert werde, dass ?ble D?nste aus dem Magen aufw?rts steigen und die Helligkeit des Hirns tr?ben. Er heische ?brigens noch einmal die Herbeif?hrung eines Ratskonklusums ?ber die Anschaffung zweier neuer Stechheber, und falls sie der Ratsk?fer in Zukunft nicht parit?tisch blank und sauber halte, solle er, zu Pfingsten und zu Weihnachten, gest?upt und bei widerspenstiger Beharrung in seiner Faulheit seines Amtes zu Ungnaden enthoben werden. Die Ratsherren sahen sich mit langen Gesichtern an: der eine oder der andere hatte von der alten Verordnung munkeln geh?rt, und da die Reichsstadt wegen der Treue, mit der sie an den Verordnungen der V?ter hing, in ganz Franken ber?hmt war, so erging denn zun?chst der Bescheid, dass Babette Glock, die ob des Geh?rten an allen Gliedern zitterte, ohne Verweilen zu weiterem Gewahrsam in den Hexenturm zur?ckgebracht werde. --

Inzwischen redeten und schrien die Hochm?genden, die nun deutlich in zwei feindliche Gegnerschaften auseinander traten, mit vorgestreckten Gesichtern und spitzen Fingern aufeinander ein. Der alte Kemmeter aber stand wie ein Fels dazwischen, rieb sich die H?nde und zwinkerte den Stadtschreiber Lerch mit vergn?gten ?uglein an: er wusste zwar noch nicht, wie die Regierenden seinen Antrag aufnehmen w?rden und was daraus entstehen mochte; allein die Tatsache, dass er den hochm?genden Herren einen richtigen Kemmeterstreich gespielt und einen Stein in den Frankenthaler Karpfenteich geworfen habe, erf?llte ihn mit einer wahren Weinfreude: entweder, so sagte er sich, gingen seine Glaubensgenossen selbst daran, eine lutherische Hexe in den Turm zu liefern, damit das hochnotpeinliche Gericht seinen Fortgang nehmen konnte, und dann sah sich der Propst Schlegelmilch, der aus seinem gel?uterten Rationalismus kein Hehl machte, in einer ?blen Lage; oder die Katholiken machten sich selbst auf die Hexenjagd, um ein evangelisches Hexenst?ck zu erwischen, und dann konnte es geschehen, dass Mord und Todschlag einrissen. Zwar waren die Evangelischen in fr?heren Zeiten immer von dem l?blichsten Wetteifer geplagt gewesen, nicht weniger Hexen zu liefern als ihre katholischen Mitb?rger; aber sie hatten es stets aus freien St?cken getan, ohne dass der hie und da aufflammende Glaubenszwist der beiden Konfessionen bei diesen Hexenstreitigkeiten eine Milderung erlitten h?tte; ja, er war gerade bei derartigen Gelegenheiten in solche Heftigkeit ausgeartet, dass sogar die Hexen beim Verh?r erz?hlten, es habe niemals eine lutherische Hexe mit einer katholischen auf einem Maientanz tanzen m?gen. Auch war es vorgekommen, dass die Aussagen der Hexen ?ber die Gebr?uche bei den Walpurgisnachtt?nzen manchmal, je nach dem Glauben der Beklagten, ganz wesentlich voneinander abwichen: bei dem grossen Hexenbrand im Jahre 1617 war, wie aus den Aufzeichnungen des ehrsamen Ratschreibers Veit Unruh hervorging, ein gewaltiger Streit zwischen den beiden angeklagten Hexen entstanden, weil die lutherische Hexe steif und fest behauptete, bei dem Hexenmahl sei s?sser Wein getrunken worden, w?hrend die katholische selbst in den spanischen Stiefeln nicht von ihrer Aussage abzubringen war, der Wein, den ein rothaariger K?fer mit einer Feder hinter dem Ohr auf den Tisch gestellt habe, sei so sauer gewesen, dass sie ihn heimlich, damit der Gr?ne es nicht sehe, weggespien habe. --

An den nun folgenden Tagen summte und brummte die alte Reichsstadt wie ein Bienenkorb vor dem Schw?rmen. Meister und Gesellen verliessen ihre Arbeit und standen feiernd an den Strassenecken beieinander. Die breitesten Gassen rochen wie eine dampfende Wurstk?che, und die zahlreichen Becken, die ein ererbtes Schenkrecht aus?bten, sowie die Zunftk?fer und Weinwirte des niederen Volkes mussten ihre ?ltesten F?sser anstechen, um den Hexenbrand der Meister und Gesellen zu l?schen, die sich hinter den Kannen mit listigen ?uglein massen. Die alten evangelischen Mainfischer schrien in ihrer Mundart, dass sie sich kein Brotkr?mlein von ihrem Rechte abzwicken liessen; denn es sei eine Frechheit, wenn die Katholischen sich herausn?hmen, ein eigenes Hexenrecht zu schaffen. Die Aufgekl?rten, die sich in solche Konventikel verirrten, suchten die wilden M?nner zu beruhigen, indem sie erkl?rten, dass es in Frankenthal schon seit einer halben Ewigkeit keine Hexen mehr gebe, weil die Vorv?ter, in vorausschauender Weisheit, die ganze Brut schon l?ngst mit Stumpf und Stiel ausgerottet h?tten. Daraufhin erkl?rten die Parteig?nger des B?rgermeisters Lienlein, dass man schon eine protestantische Hexe finden k?nne, wenn man nur wolle: denn dass noch ungefangene Hexenweiber in Frankenthal herumgingen, beweise der Umstand, dass der Sohn des B?rgermeisters in der Nacht zuvor, als er an dem Hexenturm vorbeigegangen, von unsichtbaren F?usten so zerbl?ut worden sei, dass er die blau und gelben Male noch an seinem K?rper trage. Bald hiess es auch, dass Kaspar Lienlein, der seit einer Woche die halbe Nacht in dem Weinhaus ,,Zur warmen Wand" liege, mit seinen Freunden auf eigene Faust und Gefahr ein evangelisches Hexlein zu fangen gedenke, damit die einget?rmte Babette Glock endlich dem Urteil ?berantwortet und geschwemmt oder zu Asche verbrannt werde. Indessen ging es auf dieser Jagd dem Sohne des B?rgermeisters schlecht: er wurde von unbekannten H?nden in eine randvolle Jauchengrube geworfen, und als man den j?mmerlich Schreienden herauszog, fand es sich, dass ihm sein rechtes Auge heraushing. --

Da unter solchen Umst?nden der B?rgerkrieg in Frankenthal drohte, traten die beiden Geistlichen, der protestantische Propst Ehrw?rden Veit Schlegelmilch und der katholische Dekan Kilian Lotter, zu einer Beratung zusammen. Die beiden Herren l?chelten s?ss, als sie sich in einem Ratszimmer trafen, um diese leidige Sache zu erw?gen und mit Gottes Hilfe einen Ausweg zu finden. Der Dekan Lotter, dessen feistes Pr?latengesicht den Himmel auf Erden widerspiegelte, beklagte zun?chst den Umstand, dass man ein Kind seines Glaubens der Hexerei bezichtige; aber weder seine Miene noch seine Worte verrieten die geringste Unruhe: er erkl?rte, er habe dem f?rstbisch?flichen Kommissariat einen Bericht erstattet und sehe nun allen Weiterungen mit der Ruhe eines guten Gewissens entgegen. Da jedoch in jedem geistlichen Gem?t ein Flickereien Rost gl?nzt oder ein Tr?pfchen Bosheit giert, belehrte er den Propst, dass schon der Pater Friedrich Spee sein Leben daran gesetzt habe, den greulichen Hexenwahn zu bek?mpfen, und der Eindruck, den der fromme Priester von dem Elend der Hexenprozesse gewonnen, sei so gross gewesen, dass sein Haar im sch?nsten Mannesalter weiss wie frischer Schnee geworden sei, wie aus seinem Buche ,,~Cautio criminalis~" hervorgehe. Und als Gegenst?ck zu dieser frommen Lichtgestalt liess er den s?chsischen Kanzler und Protestanten Carpzow auftauchen, der allein das Todesurteil von zwanzigtausend Hexen unterzeichnet habe.

Der Propst Schlegelmilch h?rte diese Unterweisung mit mildem evangelischen L?cheln an; sein Gem?t war zwiesp?ltig: w?hrend er einem gem?ssigten Vernunftglauben zuneigte, ging seine Seele heimlich in verschlossenen Seeleng?rtchen spazieren, wo Liebeswunder herrnhutischen Gepr?ges geschahen und Weltliches und Geistliches wie Rosen- und Liliend?fte ineinanderflossen. Er bedauerte den Geist der Stadt, der allzusehr an Altem h?nge und nicht davor zur?ckschrecke, um eines Festes willen sein Seelenheil aufs Spiel zu setzen; aber im stillen gelobte er sich, seinem katholischen Amtsbruder die Anspielung auf den lutherischen Kanzler Carpzow bei Gelegenheit mit Zins und Zinseszinsen heimzuzahlen und bei der Verteilung des st?dtischen Deputatholzes darauf zu sehen, dass die katholischen Holzknechte nicht die sch?nsten Scheite ihrem Seelenhirten zu ?berm?ssigen Klaftern schichteten. --

So verlief die Unterredung der beiden Geistlichen, ohne eine Wendung im Schicksal der Babette Glock herbeizuf?hren. Daf?r beschlossen die beiden Gerichtsherren Unruh und Zipfel, bei dem st?rrischen Babettchen selbst auf den Busch zu klopfen, um aus ihrem Munde zu erfahren, mit welchen Hexen sie zu Pfingsten auf der Galgenweide getanzt und geschmaust habe. Sie fanden die Gefangene blass, aber gefasst in der Fensternische ihres Turmes sitzen: sie dachte just des Tages, da ihr Jugendgespiele Friedrich Lerch, von der Akademie heimkehrend, zum erstenmal in die Stube bei ihrer Tante getreten war, und ein Gef?hl gl?cklicher Erwartung erquoll aufs neue in ihrer Brust. Als die beiden Kracher von dem Hexentanz anfingen, flammte das alte Wesen in ihr auf: sie ging mit geballten F?usten auf die Alten los, so dass diese mit aufgehobenen H?nden bis an die schwere Eisent?r des Verliesses zur?ckwichen, von wo aus sie erschreckt und zitternd auf das bebende M?dchen blickten.

Der Ratsherr Zipfel begann als erster zu lachen: ,,He, Jungfer Glock, nichts f?r ungut, mit Euch m?cht ich selbst ein Hexent?nzchen wagen." Und er spitzte den Mund, als ob er ein Schm?tzlein pfl?cken wolle. Im stillen war er jedoch voll ?rgers, dass er nicht allein gekommen war, um dem sch?nen Kind das Hexenherzchen schwer zu machen. Er trat, da Babette ruhig blieb, wieder einen Schritt n?her und fuhr meckernd fort: ,,Aber so sagt uns doch nur, mit welchen Hexen Ihr beim letzten Tanz zusammen waret. Ist kein lutherisch Hexle dabei gewesen? Aus der Hottenlochgasse, wo die Hexen von alters her wachsen? So sagt es doch. Verbrannt werdet Ihr doch; denn es ist noch niemals erlebt worden, dass eine Frankenthaler Hexe freigekommen ist."

Da ging Babette in j?h ausbrechender Wut wieder auf die Alten los, und aus ihren Augen flammte ein solches Licht, dass die Gerichtsherren z?hneklappernd die Flucht ergriffen. Sie vergassen sogar, die eichene Gef?ngnist?re mit dem Schl?ssel zu schliessen, und keiner wusste zu sagen, wie er die ausgetretene Wendeltreppe heruntergekommen war. Der Ratsherr Unruh erz?hlte am Abend in der Ratsstube, er habe nun auch den Rosengeruch gesp?rt, der den Gerichtsherren dazumalen, beim Gang aus der Ratstrinkstube, in die Nase gestiegen sei; aber es sei ihm dabei so elendiglich zumute geworden, dass er in seiner Seele nicht mehr froh geworden, bis er bei seinem ehelichen Weib zu Hause gesessen und drei Rosenkr?nze nebst der lauretanischen Litanei gebetet habe. --

Unterdessen geschah es in der aufgew?hlten Stadt, dass bald diese oder jene Frankenthalerin als Hexe genannt wurde. Infolge dieses heimlichen Geredes kam es an verschiedenen Abenden zu blutigen Schl?gereien zwischen Katholiken und Evangelischen, und da auch die Frankenthalerinnen ihre Zungen gehen liessen, gerieten die Gem?ter in solche Erhitzung, dass bald jede Frau in jeder andern eine heimliche Hexe sah.

Indessen sass Babette weltverlassen in ihrem Turm und br?tete in wechselnder Gem?tsart vor sich hin. Sie konnte es nicht begreifen, dass kein Wunder geschah und Tag um Tag verging, ohne dass der Geliebte erschien, um sie aus dem Jammer fortzuf?hren. Der Blick, den er ihr zugeworfen, als sie den Rathaussaal verlassen hatte, wo die leibhaftigen Teufel in Ratsherrengestalt auf ihren hochlehnigen St?hlen hockten, gl?nzte noch immer vor ihr her, und wenn sie unwillig wegen seiner Sch?chternheit werden wollte, die alles verschuldet habe, l?schte dieser lange Blick jeden Groll in ihrer Seele aus. Sie schloss ihre Augen, um diesen Blick immer wieder mit vollem Herzen zu geniessen, und das Gl?ck, das sie ersehnte, stand dabei so klar vor ihrer Seele, dass sich ihre Wangen mit brennendem Rot f?rbten, wenn sie seiner gedachte. Von einem Augenblicke seligen Beisammenseins spann sich ein goldenes F?dchen in ?hnliche Augenblicke sp?teren Daseins hin?ber, und wenn sie die Augen aufschlug und das blecherne Essgeschirr vor sich stehen sah, floh sie eiligst in die Mauernische, wo sie nur den Schrei der Dohlen vernahm, die den Knauf des alten Hexenturms umschw?rmten. Dann quoll ein seltsames Mitleid mit sich selbst, das doch nicht ohne S?sse war, in ihrem Herzen auf, und die Gassenbuben, die vom Stadtwall aus nach dem Hexenturm her?berblickten, erschienen ihr, wie durch einen Schleier hindurch, zum Greifen nah und doch unendlich ferne.

Als aber Tag f?r Tag verfloss, ohne dass der Geliebte ein Zeichen seines Daseins oder seiner Hilfsbereitschaft gab, flammte wieder die alte Emp?rung gegen dessen ganzes Wesen in ihr auf, und nun wandte sich ihr Sehnen und Denken der Gestalt des Junkers Emmerich zu, dem sie nun in hellem Trotz alle Mannesherrlichkeit, allen Wagemut und alle Liebestreue andichtete. Sie durchlebte noch einmal die Stunden des Festes der Grundsteinlegung mit sehnendem Gem?te, und der Ton der Stimme, die sie zu h?ren glaubte, drang wie ein Strahl himmlischer Wonne in ihr Herz. Sie zweifelte nicht, dass jener auf den ersten Ruf erscheinen werde, um sie aus diesem Kerker, in dem nur alte trief?ugige M?nner Zutritt hatten, hinwegzuf?hren. Doch die Tage vergingen, ohne dass ein Zeichen sorgender Liebe in das muffige D?ster des Hexengemaches drang. Als einziges Liebeszeichen legte eines Abends der Stockmeister ein St?ck Kuchen neben die blecherne Suppensch?ssel; da wusste sie, dass die blinde Tante ihrer gedachte, und brach in bittere Tr?nen aus, die noch flossen, als sie wie in einem Traum den ersten Biss in den frischen Kuchen tat. --

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