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Munafa ebook

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Read Ebook: Die Hexe: Eine Erzählung by Weigand Wilhelm

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Ebook has 114 lines and 15203 words, and 3 pages

Als aber Tag f?r Tag verfloss, ohne dass der Geliebte ein Zeichen seines Daseins oder seiner Hilfsbereitschaft gab, flammte wieder die alte Emp?rung gegen dessen ganzes Wesen in ihr auf, und nun wandte sich ihr Sehnen und Denken der Gestalt des Junkers Emmerich zu, dem sie nun in hellem Trotz alle Mannesherrlichkeit, allen Wagemut und alle Liebestreue andichtete. Sie durchlebte noch einmal die Stunden des Festes der Grundsteinlegung mit sehnendem Gem?te, und der Ton der Stimme, die sie zu h?ren glaubte, drang wie ein Strahl himmlischer Wonne in ihr Herz. Sie zweifelte nicht, dass jener auf den ersten Ruf erscheinen werde, um sie aus diesem Kerker, in dem nur alte trief?ugige M?nner Zutritt hatten, hinwegzuf?hren. Doch die Tage vergingen, ohne dass ein Zeichen sorgender Liebe in das muffige D?ster des Hexengemaches drang. Als einziges Liebeszeichen legte eines Abends der Stockmeister ein St?ck Kuchen neben die blecherne Suppensch?ssel; da wusste sie, dass die blinde Tante ihrer gedachte, und brach in bittere Tr?nen aus, die noch flossen, als sie wie in einem Traum den ersten Biss in den frischen Kuchen tat. --

In der Nische, wo sie tags?ber sass und in das Gr?n des nahen Waldhangs hin?berblickte, hausten Spinnen, kleine schwarze Tierlein. Als sie zum ersten Male ihrer gewahr wurde, hatte sie voller Abscheu ihre zarten Gewebe zerst?rt, die wie gebauschte Segel in den verstaubten Ecken hingen. Als aber die schwarzen Spinnerinnen sofort wieder daran gingen, einen Faden zu ziehen und ihr Fangnetz in der halben D?mmerung aufzuh?ngen, liess sie die Emsigen gew?hren und sah neugierig zu, wie zuweilen ein M?cklein in das gebauschte Netz geriet und von der Spinne zu k?nftigem Frasse eingewickelt wurde. Ja, es regte sich bei diesem Spiel eine seltsame Grausamkeit in ihr, und diese b?sartige Regung wurde schw?rend, als sie eines Tages von ihrer Nische aus drei ihrer besten Freundinnen erblickte, die Arm in Arm auf dem Waldpfad ?ber dem Stadtgraben standen und nach dem Fenster des Gemaches her?ber?ugten, in dem Babette gefangen sass. Sie floh in den hintersten Winkel des Hexengemaches zur?ck, um diesem Anblick zu entgehen, und w?nschte, voll j?hen Grimms, wirklich eine Hexe zu sein, um diesen Docken jedes ?bel anzutun; aber das helle Lachen ihrer Freundinnen trieb sie wieder ans Fenster zur?ck, und als bald darauf die M?dchen singend weitergingen und im Wald verschwanden, ?berfiel sie ein Fr?steln, das nicht weichen wollte. Und wieder suchten ihre Gedanken Trost und Zuflucht bei dem Junker, dessen Gestalt bei dem Gedanken, dass er in Mainz in Glanz und Ehren weile, mit ?berw?ltigendem Zauber vor ihre Seele trat. --

Doch als auch dieser Seelentrost wie ein Schein erblich, regte sich in ihrer Seele ein seltsam G?ren und Schw?ren: alles was sie an Spinnabenden von Knechten und M?gden ?ber Hexen und Hexenbr?uche, Marient?nze, Salben und Wettermachen geh?rt hatte, begann ihr Denken in einen Hexenring zu ziehen. Und wenn sie voll heimlichen Grauens sich selber fragte, ob es wirklich Frauen gebe, die zum Heuberg oder zur Galgenweide f?hren, vermischte sich der Durst nach Rache an ihren Peinigern wie ein s?sses Labsal mit diesem Denken und Sinnen. Und noch s?sser als der Wunsch, die ganze Stadt in einem Kieselwetter zu ers?ufen, erschien ihr der Gedanke, sich dem Geliebten, der sie in solchem Jammer schmachten liess, als triumphierende Hexe zu zeigen und sich an seinem staunenden Entsetzen zu erg?tzen und zu laben. Indessen nahm auch dieses Spiel mit Hohn und Bitterkeit ein Ende, und da der geifernde Hexent?rmer wieder von der Folterung zu faseln begann, geriet sie in eine verzweiflungsvolle Erwartung unentrinnbar nahen Entsetzens.

Da fuhr sie, eines Tages, in aller Fr?he aus einem bleiern schweren Schlummer auf: ganz deutlich h?rte sie, aus naher Ferne her, das Horn des Kutschers, der das Lied von der jungen sch?nen Braut blies, unter dessen Kl?ngen einst der Junker Emmerich R?dt von Collenberg aus den Toren der Stadt gefahren war. Endlich war ihr Retter erschienen! Sie sprang von dem Schragen auf und lief an die verriegelte T?re und pochte mit den F?sschen an die dicken Bohlen. Und da der Ton des Posthorns laut und lauter n?her kam, hielt sie fast den Atem an, und ein klarer Plan reifte j?hlings in ihrem Gem?t. Als der Hexent?rmer gleich darauf mit dem gebrannten Morgens?pplein daherhumpelte, verlangte sie, stammelnd vor Hast, vor ihre Richter gef?hrt zu werden. Der Alte, der ein Gest?ndnis witterte und nun seinen Hexenschmaus ganz nah ger?ckt sah, schlurfte eilends davon, und eine Stunde darauf wusste schon die halbe Stadt, dass die Hexe Babette Glock endlich m?rb geworden sei und ihre Hexereien gestehen wolle. Die Katholiken unter den Hexengl?ubigen hofften, endlich zu erfahren, ob nicht doch eine evangelische Hexe unter ihnen weile, und die Evangelischen versahen sich mit St?cken und Pr?geln, um lose M?uler mit ungebrannter Asche zu stopfen. Um neun Uhr schon waren die zw?lf Gerichtsherren und der ganze Rat auf dem Rathaus versammelt. Wie eine Mauer aber stand das Volk, der Hexe harrend, links und rechts auf dem Platze vor dem Hexenturm, und als endlich der Schl?ssel knarrte und Babette, bleich und abgezehrt, wie ein Schatten, ?ber die Schwelle trat, legte sich auf die Harrenden eine atemlose Stille, in die, ?ber die nahen D?cher her, pl?tzlich wieder, klar und kr?ftig, das Posthorn hereinklang. Die M?tter dr?ckten ihre Kinder an die Brust, damit der Blick der Hexe ihnen kein Unheil antun k?nne, und die m?nnliche Jugend, der beim Anblick der h?bschen Babette das Wasser im Mund zusammenlief, blickte sich zwinkernd an.

Hinter der Hexe ging der T?rmer, mit einem alten H?tchen auf dem Kopf, und hielt den Strick, an dessen Enden die H?nde der Gefangenen gefesselt waren, in seinen zitternden F?usten fest.

Da aber geschah etwas Unerwartetes: das bleiche M?dchen, das vor den Blicken der Menge den Blick niedergeschlagen und nur z?gernd den Fuss auf die Gasse gesetzt hatte, erhob beim Aufklingen des Posthorns j?hlings den Kopf: dieser Ton bedeutete Heil und Rettung, und mit einem j?hen Ruck riss sich Babette los und flog wie eine aufgescheuchte Taube zwischen der erstarrten Menge hindurch. Niemand wagte es, in der ersten ?berraschung, nach der Fliehenden zu greifen, und erst als sie in einem Seiteng?sschen verschwunden war, brach die Menge zusammenflutend in ein wildes Geheul aus. Ein altes M?nnlein schrie, es h?tte den Atem des leibhaftigen Satans gesp?rt; den jungen Frauen tanzten schon die H?llenfunken vor den Augen, und die alten guckten gleich in die H?he, denn sie zweifelten keinen Augenblick, dass die Hexe sofort ein Wetter machen werde, um die Stadt in einer Sintflut zu ers?ufen.

Doch nichts von alledem geschah. Wie der Wind durcheilte Babette ein paar winkelige Gassen und G?sschen, um den Marktplatz zu erreichen, wo der Gasthof ,,Zum Elefanten" stand, in dem die vornehmen Fremden abzusteigen pflegten. Auf dem weiten Platze blieb sie einen Augenblick stehen, um zu verschnaufen. Ihr einziger Gedanke war gewesen, den Reisewagen des Junkers von Collenberg vor dem Gasthaus zu erreichen; da aber kein Fuhrwerk vor der Treppe hielt, flog sie weiter, um durch das Falkentor zu entkommen. Doch schon gellte der Volksruf: ,,Fangt die Hexe!" hinter ihr her und erregte die Aufmerksamkeit einiger Fuhrknechte, die vor dem halbverschlossenen Tore beieinander standen und rasch die Arme ausstreckten, um die Fliehende abzufangen. Da bog sie wie der Wind in ein anderes Seiteng?sschen ein; doch ?berall, wohin sie sich auch wenden mochte, ?berall begegnete sie feindseligen oder lachenden Gesichtern: denn den Frankenthalern war es inzwischen zum Bewusstsein gekommen, dass f?r die Hexe kein T?rlein zum Entwischen offen stand, und nun gedachten sie die Atemlose wie eine Maus bis zu letzter Ersch?pfung im Kreise herumzuhetzen und sie erst zu fangen, wenn sie keinen Fuss mehr heben konnte.

So gelangte sie in wilder Hatz ein zweites Mal vor das Falkentor, ?ber dessen Zinnendach nun der Ton des Posthorns noch einmal wie ein ersterbender Hauch aus weitester Ferne hereinklang. Einen Augenblick stand die Atemlose still, um sich zu besinnen: da h?rte sie, wie sich das Gejohl und Geschrei ihrer Verfolger nah und n?her w?lzte, wie es gellend und pfeifend aus allen Gassen zusammenbrauste und ?ber den D?chern zusammenschlug. In j?her Todesangst floh sie in den Turm und st?rmte die schmale Holztreppe empor, die aus der Torhalle auf den uralten Wehrgang hinter der Stadtmauer f?hrte, und eilte unter der niederen Bedachung des Umgangs weiter. Und wie ein himmlischer Schutzort gl?nzte ganz pl?tzlich das Haus des Ratsherrn Kemmeter vor ihr her, dessen Garten, wie ihr nun einfiel, an die Stadtmauer grenzte. Sie musste allerdings, um in den Garten zu gelangen, einen Sprung in die Tiefe wagen. Da sie aber schon die Tritte der Verfolger zu h?ren glaubte, liess sie sich ohne langes Besinnen von der h?lzernen Br?stung des Wehrganges auf ein umgegrabenes Beet fallen und gelangte, bis zum Tode ersch?pft, vor die Hintert?re des Flures, deren Klinke dem Drucke ihrer Hand nachgab. Margret, die Schwester des Spitalpflegers, die gerade eine Windel f?r ein Waisenkindchen s?umte, machte grosse Augen, als Babette Glock wie ein gehetztes Wild in die Stube st?rzte und mit hauchloser Stimme um einen Zufluchtsort bat. Die alte Jungfer sah nicht gerade mit liebevollen Augen auf das M?dchen, das als keckes, mundfertiges Wesen in ihrem Ged?chtnis lebte und nun, da sie als Fl?chtige kam, vielleicht Sorge und Bel?stigung in das Haus brachte. Da sie nicht wusste, was der n?chste Augenblick bringen w?rde, und sie gewohnt war, nichts ohne ihren Bruder zu tun, l?ste sie den Strick von den H?nden der Ersch?pften und sperrte, ohne ein Wort zu sagen, das still vor sich hinweinende M?dchen in eine Bodenkammer. Dann verschloss sie, der weiteren Dinge harrend, die Gassent?re des Hauses. Nach einer Weile h?rte sie, wie eine johlende Menge in dem Wehrgang ?ber dem Garten hin und her st?rmte; aber es erschien niemand in dem Hause, um nach der Entflohenen zu sp?hen, und so hielt sie es f?r angebracht, die dumpf vor sich Hinbr?tende zu heiligem Schweigen zu mahnen, da die Magd bald vom Markte heimk?me. Sie fragte unwirsch, ob Babette ein Gl?schen Wein wolle, und brummte wie ein Hausdrache vor sich hin, als die Ersch?pfte mit aufgehobenen H?nden und erloschener Stimme nach dem Ratsherrn verlangte. --

Als der Spitalpfleger eine Stunde sp?ter nach Hause kam, liess sich die Jungfer Margret erst die Flucht der Hexe erz?hlen, und dann geleitete sie, ohne einen Muckser von sich zu geben, ihren Bruder in die Kammer, wo Babette mit weiten Augen und schwer atmend auf einer niedern Truhe sass. Sie hatte in dem dunklen Gelass jede Hoffnung auf Rettung verloren und war gew?rtig, jeden Augenblick ergriffen zu werden.

,,Du hast uns da ein h?bsches S?pple eingebrockt," sagte der Ratsherr unwirsch, als er gewahrte, wie die Tr?nen ?ber die Wangen der Gehetzten niederrannen. ,,Und ich soll's ausessen, gelt? Aber so ist die Jugend: nur wenn sie uns braucht, kommt sie zu uns, damit wir die F?dchen, an denen sie zappelt, zu einem seidenen Stricklein drehen, um das Gl?ck an ein rechtes Handgelenk zu binden. Wenn wir aber auch am Tischle sitzen wollen, wo sie aus vollen Bechern trinkt, dann heisst es: Geh, du hast dein Teil gehabt! Die Jungfer weiss vielleicht, dass ich franz?sisch parlieren kann und zwei Jahre auf der Akademie in Strassburg gemeines und kirchliches Recht studiert hab? Aber Sie weiss nicht, dass ich mich da auch um andere Dinge gek?mmert habe, die auf keinem Kirschbaum wachsen. Und einen Trost von da hab ich mitgebracht: Es kommt immer anders! Die Jungfer muss erst Grossmutter werden, eh Sie versteht, was das besagen will. Was aber sollen wir mit Ihr anfangen? Nun, was das Hexens?pplein anbelangt, so soll mir der Rat beim Essen helfen und t?chtig blasen, damit er sich die Zunge nicht verbrennt und, ~vel votando vel consulendo~, lernt, wie Hexenm?hlchen schmecken. He, Jungfer Glock, Ihr k?nnt Euch r?hmen, den alten Bienenkorb fein in Aufruhr gebracht zu haben. H?rt Ihr den L?rm? Nun wird sich zeigen, ob Seine Ehrw?rden der Propst recht hat, wenn er behauptet, die Zeit himmlischer Erleuchtung sei nie n?her gewesen als heute, Apokalypse dies oder jenes Kapitel. Es w?re zum Lachen, wenn ein fliehendes Frauenzimmerchen den Herren dieses Lichtlein aufgesteckt h?tte, damit sie auch sehen, welches S?pplein sie blasen. Und auch die Zunft der Bader wird heut zu tun bekommen."

Da Babette schwieg, hob Christopher Kemmeter das Kinn der Sitzenden empor und lachte dann: ,,Was seht Ihr mich an? Habt Ihr vielleicht schon einen sch?neren J?ngling gesehen? Was w?rdet Ihr sagen, wenn ich Euch bei der keuschen Susanna im Bad ersuchte, meine liebwerte Ehefrau zu werden? Ich m?chte auch einmal, wenn ich abends aus dem Ratskeller nach Hause komme, von weichen Pfoten gekrault werden. Meine Schwester ist ein altes Fegefeuer und hat nicht die Hand dazu."

,,Der Herr von Collenberg ist durchgefahren?" fragte Babette, mit einem Blick, aus dem fast kein Leben leuchtete.

,,Mit einer Braut, die sich der Batzenschmelzer aus Mainz geholt hat. Lasst ihn fahren; den seht Ihr niemals wieder."

Babette Glock sank auf die Truhe zur?ck und starrte vor sich hin: was sie da vernahm, stiess sie wieder in den Jammer ?der Hoffnungslosigkeit zur?ck, und doch wunderte es sie selbst, dass sie keinen tieferen Schmerz ob dieser Nachricht empfand. Der Spitalpfleger scherzte indessen weiter: ,,Und ich gefall Euch nicht?"

Da ?berkam die Reglose j?hlings ein Gef?hl der Beruhigung, und pl?tzlich erwachte die Schelmin in ihr: ,,Ich will keine Wittib werden," sagte sie seufzend, w?hrend ihr die hellen Tr?nen in die Augen schossen.

Der Ratsherr zwinkerte mit den ?uglein unter seinen buschigen Brauen: ,,Ihr verurteilt mich ja zu einem raschen Sterben! Aber was habt Ihr, wenn Ihr einen ver?ngstigten Hungerleider nehmt, der nicht lachen kann und seine Bettelsuppe mit saurem Gesicht isst?"

,,Ich hab zuviel gelacht," seufzte sie, worauf sie in ihre vorige Tr?bsal zur?cksank.

,,Wenn es der Geiss zu wohl wird, geht sie gern aufs Eis. Nichts f?r ungut, Jungfer: Ihr habt ein Schelmenaug, das schlimmere Dinge verr?t, als ein roter M?dchenmund sagen kann. Ich w?rde Euch gern einen Mann schicken, der meine Sache f?hren soll; aber ich kenne keinen: zu Frankenthaler Kanzlern nimmt man niemals aufrechte M?nner, weil man sie in diesem Amt nicht brauchen kann."

,,Ihr sollt nichts Schlimmes ?ber ihn sagen," bat Babette mit leiser Stimme.

,,Frauenwille, Gotteswille," drohte Christoph Kemmeter mit erhobenem Finger, und in ausbrechender Sorge f?gte er hinzu: ,,Nun aber halt dich still. Es darf keine Seele erfahren, dass wir ein Hexlein beherbergen. Und muckse nicht, wenn unsere Magd, die alte Urschel, auf dem Speicher rumort: den Schl?ssel zu der Kammer da hab ich verloren, wenn sie ihn verlangt. Und deiner Tante will ich zur Gem?tsberuhigung sagen, sie soll uns doch noch einen Hochzeitskuchen, einen echten Frankenthaler Blatz mit Weinbeeren, backen."

Da sass nun Babette zum zweiten Male in Gefangenschaft und hatte Musse, ?ber das Wesen der Menschen nachzudenken. Von dem schmalen Giebelfensterchen aus konnte sie einen Teil des Gartens ?berblicken, der sich hinter dem Hause des Spitalpflegers bis an die Mauer erstreckte, und wenn sie das K?pfchen aus dem Fenster streckte, konnte sie den Duft der Blumen riechen, der aus der stillen Mauergartenwelt in ihre Kammer emporstieg. In dem ummauerten Garten herrschte ein geheimnisvolles Leben: die Amseln huschten zankend ?ber die Beete, ein Br?nnlein perlte in ein zerborstenes Becken, und die ersten Rosen gl?hten aus der gr?nen Tiefe. Einmal sah sie auch den alten Kemmeter, wie er mit einem K?nnchen von Beet zu Beet ging und dann die Faust gegen den Wehrgang sch?ttelte, ?ber dessen Br?stung von Zeit zu Zeit neugierige Gesichter lugten. Da zog sie sich in das Innere zur?ck. Sie hatte gehofft, der alte Ratsherr werde in einem St?ndchen schon mit dem Geliebten daherkommen, damit sie gemeinsam berieten, wie sie zu ihrer Base in Zell entkommen k?nne; doch die Stunden zogen sich hin, und erst gegen Abend erschien der Ratsherr mit der Nachricht, der Herr Stadtschreiber habe sich bei einem Hexengespr?ch gegen jede W?rde hinreissen lassen, in einer Weinstube die Hand gegen ein paar Laffen aus der Freundschaft des B?rgermeisters zu erheben, und liege nun mit einer Stirnwunde zu Bette.

,,Sie hat den Heldengeist in ihm geweckt," scherzte der Alte, und Babette entgegnete leise, aber fest: ,,Ich werde noch ganz andere Dinge in ihm wecken." Aber sie zeigte, zum Erstaunen des Ratsherrn, weiter keine Neugier, N?heres ?ber diese Schl?gerei zu erfahren, sondern fragte nur: ,,Wann kann ich ihn sehen?"

Der Alte versprach, ihren Wunsch zu erf?llen; er habe ihr Versteck noch nicht verraten; aber er werde den Helden am n?chsten Tage lebendig oder tot herbeischaffen, und Babette, die in dieser Nacht zum erstenmal wieder traumlos ruhig schlief, erbat sich am n?chsten Morgen ein N?hzeug, um ihr Busentuch auszubessern. Die Jungfer Margret sah ihr dabei ein Weilchen zu und brachte dann ein paar Waisenhemdchen herbei, die Babette s?umen sollte. Sie hatte sich vorgenommen, dem kecken Ding geh?rig auf die Finger zu gucken; aber wenn Babette die leuchtenden Augen aufschlug, blieben der alten Jungfer die Scheltworte in der Kehle stecken, und nur ein Knurren der Abziehenden verriet, dass sie mit sich selber unzufrieden war.

Mit sinkender Nacht betrat Friedrich Lerch, den Dreispitz tief auf die Stutzper?cke gedr?ckt, das Haus des Spitalpflegers. Dieser liess sich zuerst des weiten und breiten berichten, was die Frankenthaler ?ber die verschwundene Hexe hin und her redeten und wem das Fell von Pr?geln juckte; dann ging er h?stelnd in dem Gemach auf und ab, guckte in ein Schr?nkchen und schloss es wieder zu, stopfte seine holl?ndische Pfeife und holte endlich aus dem Keller eine Kanne Wein, aus der er dem Stadtschreiber fleissig einschenkte. Als er selbst ein paar Gl?ser getrunken hatte, fing er an: ,,Friedrich Lerch, ich hab Seinen Vater gekannt, und weiss Er, was mir mein guter Freund, der selige Kammerdirektor Lerch, eines Tages, auf einer Schweinshatz, sagte: ,Ich hab sieben Buben, und einen, der ist zu allem unbrauchbar. Nicht einmal zum Haferschneiden weiss er sich anzuschicken.' -- Ich tr?stete den Vater dieses Sorgenbuben und sagte: ,Lasst ihn lateinisch lernen!' Hat Er's gelernt? Weiss Er, was Horaz vom Tage sagt? ~Carpe diem!~"

Ein bitteres L?cheln umflog den Mund des unbest?tigten Kanzlers; doch der Alte fuhr fort: ,,Hat Er so an den Kosttischen gel?chelt, die Er in Altdorf ausgefressen? Nichts f?r ungut: dass Er mit Seinen Br?dern nicht aus dem Vollen sch?pfen konnte, kam daher, dass sich mein getreuer Freund, Sein seliger Vater, zu fr?h aus dem Staub gemacht hat in ein besseres Jenseits. Nicht ohne Grund: denn ich k?nnte allerlei Geschichten erz?hlen, wie man an kleinen H?fen lebt und seine Leute presst. Als ich das letztemal bei Seinem Herrn Vater in Weiningen weilte, gab er mir ein Reskript zu lesen, dessen Wortlaut ich mir eingepr?gt habe. ,Von Gottes Gnaden, Wir Ulrich Ernst, F?rst von Weiningen . Lieber, Getreuer! Nachdem Unsere F?rstliche Gemahlin Durchlaucht eine Reise ins Bad nach Pyrmont vorzunehmen gn?digst beschlossen haben, hiezu aber noch ein Reisezuschuss von 500 Dukaten in Gold unumg?nglich erforderlich ist, also befehlen Wir dir in Gnaden, besagte Summe aus deiner Amtskasse, in Ermanglung deren aber aus eigenen Mitteln, binnen vierundzwanzig Stunden, bei Vermeidung der Exekution, herbeizuschaffen.'

Und weiss Er, was Sein Vater tat? Er meldete, dass er aus seinem eigenen S?ckel bereits 150 Gulden in die Hofk?che gespendet, worauf ihm ein Schreiben zukam: ,Wir u. s. w. Lieber, Getreuer! Nachdem Wir aus deinem untert?nigen Bericht ~de dato hesterno et praesentato hodierno~ in Gnaden ersehen haben, dass ~Pars prima rescripti nostri~ nicht in Anwendung zu bringen, also hat es bei ~Pars secunda~ desselben sein unausbleibliches Bewenden.' Das wollte besagen, dass die besagten 500 Dukaten von dem Kammerdirektor Lerch beschafft werden mussten, und dass Seine Mutter sp?ter mit der Rentkasse im Streit lag, um ihren hungrigen Buben das Vorgeschossene zu erstreiten. Er weiss auch, dass Sein Vater l?ngere Zeit gel?hmt dalag und nur noch das eine Wort ,Hundsf?tter' hervorbringen konnte. Ich weiss nicht, wen er damit meinte, kann mir's aber denken. -- Hundsf?tter und Herrg?tter gibt einen Reim, womit ich ?brigens keine Blasphemie gegen unsern lieben alten Herrgott und Seligmacher an den Mann gebracht haben m?chte. Doch nun frag ich Ihn: Was gedenkt Er zu tun?"

Friedrich Lerch zuckte die Achseln.

Doch der Alte fuhr fort, und aus seiner Stimme klang es wie Hohn und Grimm: ,,Er ist ein studierter Mann. Weiss Er nicht, dass alle Dinge an ein F?dchen gekn?pft und so miteinander verstrickt und verwoben sind, dass man kein M?schlein aufl?sen kann, ohne ein L?chlein in das Geweb zu machen? Und dass, wer A sagt, auch B sagen muss? Und dass des Herrgotts Boten so leis zur T?r hereinkommen, dass wir gar keine Zeit finden, sie hinauszuwerfen, ehe sie ihre Botschaft an den Mann gebracht haben? Er ist eine brave, aber furchtsame Seele. Hat Er sich's schon ?berlegt, dass man damit den Weibsen nicht in die Augen sticht?"

Friedrich Lerch seufzte.

,,So denkt Er immer noch an die Hexe? Schlag Er sich das Frauenzimmer aus dem Sinn. Er ist nicht gemacht, um mit Hexen zu leben. Ich rate Ihm, eine gestandene Jungfer zu nehmen, die eine doppelte Aussteuer in ihrer Kammer, einen G?ltbrief in ihrem Laden und hundert Kronentaler in ihrem Strumpf versteckt hat. Zw?lf Kinder soll Er bekommen, und beim dreizehnten kann Er mich zum Dot bitten."

,,Sie werden sie wieder fangen," seufzte der Stadtschreiber, der in einem fort an Babette dachte.

,,O, la la," lachte der Alte.

,,Und ich k?nnte sie alle an den Galgen bringen, wenn es noch Recht und Gerechtigkeit g?be," schrie Friedrich Lerch, in dem nun der Wein zu wirken begann, ganz pl?tzlich auf. ,,Ich habe erst einen Blick in die Vetterleswirtschaft am Ort getan und weiss doch schon, dass sie alle, die hochm?genden Herren, Taschen mit doppelten B?den haben. Der hat einen Sohn und jener eine Tochter, die alle meinen, es schmecke kein Kuchen so s?ss als der, den sie aus dem Stadtmehl backen. --"

Der Ratsherr lachte aus vollem Halse: ,,Er ist toll. Weiss Er am End auch schon, dass man am weichsten auf dem Leder geht, das man aus dem R?cken der anderen schneidet? Hat Er dar?ber nachgedacht, warum wir von der gleichen Konfession die gleiche Anzahl Ratsherren, Pfaffen, Stadtausrufer, Hochzeitansager, B?chsenmacher, Glockengiesser, Apotheker, ?rzte und Scharfrichter haben, warum aber nur ein B?rgermeister regiert? Hat Er noch nicht bemerkt, dass der katholische Totengr?ber seine Leute mit einem anderen Gesicht eingr?bt als der lutherische? Und was will Er machen, wenn Er, wie ich als Armenadvokat, eines Tages zum Waisenvater und Rentmeister des Waisenhauses zugleich ernannt wird und in die seltsamste Zwickm?hle ger?t? Setz Er den Fall, der Waisenvater -- Er -- befehle dem Rentmeister -- Ihm --, den ungl?cklichen Waisenkindern einen Osterkuchen aus Weizenmehl backen zu lassen, und der Rentmeister weigere sich, Seinem Befehl zu gehorchen, weil kein Geld in der Kasse ist? Wird Er den L?mmel nicht koramisieren? Wird Er -- als Waisenvater -- dulden, dass der Rentmeister Ihm auf ein ungeschriebenes ~Promemoria~ von hundert Seiten keine Antwort gibt, sondern Ihn vielleicht gar auf die immerw?hrende Frankenthaler Kirchweih l?dt? Wenn Er in solchen Lagen, wie ich sie zu hundert Malen durchgemacht habe, nicht zum voraus Bescheid weiss, versteht Er nichts ~in politicis~, und ich rat Ihm als guter Freund, lieber heut als morgen eine gut dotierte Stellung in dem Utopien des weiland Kanzlers Morus zu suchen, nicht aber in einer parit?tischen Republik, deren Verfassung auf dem Westf?lischen Frieden gutgeheissen wurde und dem kaiserlichen Hofrat in Wien auch heut noch zuweilen den heiligen Amtsschlaf st?rt. Ich will Ihm, falls Er als Scriba beim Amt zu bleiben und das Juramentum zu leisten gedenkt, einen guten Rat geben: Trag Er nur fein immer den Hut in der Hand, wenn Er dem regierenden Herrn B?rgermeister oder einem hochm?genden Ratsherrn begegnet, und katzenbuckle Er wie ein Hungerleider, der Schlehen f?r Pflaumen frisst, wenn die Not an den Mann geht. Und wenn von der hochm?genden Obrigkeit die Rede ist, die, wie ich j?ngst in einem alten Hexenurteil gelesen, von Gott eingesetzt und mit scharfem Verstand begabt ist, so sitz Er mit ehrf?rchtigem Gesicht da und lass Er Seine Ohren h?ngen, wie es die bockigen Esel tun. Sollte Er zuf?llig ein Weinglas vor sich stehen haben, so kann Er trinken; aber Er lasse es nicht merken, dass Er es vielleicht tut, um Seinen ?rger hinabzusp?len. Vor allem aber mach Er sich nie mit der Geistlichkeit zu schaffen; denn da wird Er, wie ich Ihm auf Eid und Treu versichern kann, immer den k?rzeren ziehen, obwohl ich Leute kenne, welche die wohlehrw?rdigen, grossachtbaren und hochgelahrten Herren mit und ohne Beffchen zu eigenem Gaudio hie und da h?bsch gezaust haben, hihi. Und wenn Er Geld hat, lass Er es nie merken, sondern sperre Seine errackerten Kronentaler in einen Strumpf ohne Loch; denn die Str?mpfe sind nicht dazu da, dass man darauf gehe, sondern dass man sie voller Batzen im Bettstroh verstecke. Und wenn Er, was nicht immer ein Gl?ck ist, S?hne bekommt, so lass Er sie nicht in den metaphysischen ~Terris incognitis~ herumvagieren, sondern lass Er sie wieder Stadtschreiber werden, welches Amt mit Gehalt und Gef?llen seinen Mann redlich und k?mmerlich n?hrt in Ewigkeit. Amen."

,,Sie hat keinen Menschen auf der Welt," jammerte der Stadtschreiber, der immer wieder an Babette dachte, weiter.

,,Will Er um eines Weibsbilds willen auf die sch?nste Stadtschreiberei in der sch?nsten Stadt Kleinfrankens verzichten, ?ber deren Rathaustor die vielsagenden Buchstaben ~S. P. Q. F.~, das heisst ~Senatus Populusque Frankenthalensis~, eingemeisselt stehen? Weiss Er, wie Hunger tut, und wie kleine Kinder schreien, wenn sie kein Brot haben? Meint Er, Verliebte leben von Nektar und Ambrosia? Oder will Er wirklich in der Welt draussen Seinen gelahrten Mann stellen und sehen, wie Er sich in den H?ndeln ein Haus zimmert?"

,,Den Bettel werf ich ihnen vor die F?sse," schrie der Kanzler.

,,Weiss Er, dass man an weltlichen H?fen kriechen und an geistlichen ein Aug zudr?cken muss, falls man eine sch?ne Frau mitbringt?"

,,Heut noch geh ich aus der Stadt."

,,Will Er das wirklich? Nun, vielleicht ist Er der Mann, um an einem geistlichen Hof besser fortzukommen als in dieser Stadt, von der ihre Nachbarn seit Methusalems Zeiten absonderliche Schw?nke erz?hlen. Es heisst, unter dem Krummstab ist gut wohnen, und die hochgeborenen Domherren in Mainz, W?rzburg oder Bamberg haben Leute, die nach dem Verse ,~On trouve avec le ciel des accommodements~' leben, nicht ungern um sich. Aber wenn Er solche Pl?ne in Seinem Cerebro w?lzt, so nehm Er sich auch gef?lligst eine gute Lehre von dem Mohren mit, der auf unserem alten Wachturm dem ganzen heiligen r?mischen Reich die Zunge zeigt und den Leuten mit dieser Geste verk?ndet, was ein Biedermann von ihnen und der Welt ~sub rosa~ zu denken hat. Aber eh Er Seine H?hle aufsucht, will ich Ihm noch etwas H?bsches zeigen."

Ehe er sich erhob, blickte Christopher Kemmeter mit gespitztem Mund in die Kanne, um zu sehen, ob sie leer sei, und dann nahm er den wild dreinblickenden Kanzler am Arm, f?hrte ihn eine knarrende Holztreppe hinauf und stiess ihn in eine Ger?mpelkammer, wo Babette blass und gefasst bei einer geschn?belten ?llampe am Tische sass und ein Waisenhemdlein s?umte. Sie wollte aufflammen, als Friedrich Lerch stolpernd eintrat; als sie aber sein gedr?cktes Wesen bemerkte, warf sie sich in seine Arme und brach in herzzerreissendes Weinen aus. Er streichelte ihr z?rtlich die blassen abgemagerten Backen; aber er wagte noch lange kein Wort zu reden, bis sie endlich tief aufseufzte und fragte: ,,Was soll nun werden?"

Da erwachte der Mann in Friedrich Lerch, und er besass mit einem Male eine Menge von Talenten und Schlichen, mit deren Hilfe er es zu einem sch?nen ?mtchen in einem der zahllosen L?ndchen des Gaus zu bringen gedachte. Er tat, als ob er zeit seines Lebens nur mit Domherren, Kammerdirektoren, Rentmeistern und Sekret?ren Umgang gepflogen h?tte, und liess sein R?sslein immer wilder steigen. Babette h?rte ernsthaft zu; als er aber mit dem Auskramen seiner Pl?ne fertig war und wieder in seine alte Mutlosigkeit zur?cksinken wollte, gab sie ihm einen z?rtlichen Rippenstoss, und als er ihre schimmernden Augen gewahrte, empfand er die tr?stliche Gewissheit, dass die alte Babette noch lebe, und gl?ckselig schloss er die Ergl?hende zum erstenmal in seinem Leben in die Arme.

So sassen sie eine Weile wortlos da, bis die wie ein V?gelein sich duckende Babette sich pl?tzlich losmachte und fragte: ,,Wenn ich nun aber doch ein Hexle w?r?" Und als Friedrich Lerch leise lachte, verzog sie schmollend ihr bl?hendes M?ndchen und seufzte: ,,Ach ja, das kommt davon!"

Die Wahl des Friedrich Lerch zum Stadtschreiber wurde von den hochm?genden Regierenden in Frankenthal nicht best?tigt. Die Evangelischen setzten es durch, dass, nach altem Recht und Brauch, einer der Ihrigen an die Stelle kam, und zu ihrem Erstaunen erhob der Spitalpfleger Christopher Kemmeter keine Einsprache. Er wurde ?berhaupt in diesen Tagen selten in der Stadt und im Rat gesehen, und wenn Gaffer kamen, um nach ihm zu sehen, erz?hlte er ihnen des langen und breiten, dass sein guter Freund, der Abt von Fulda, drei F?sser Zypernwein bei ihm bestellt habe, die er in n?chster Zeit zu liefern gedenke. Wenn die Rede auf die verschwundene Hexe kam, spielte er den Schwerh?rigen, und wenn ihm einer auf den Kopf zusagte, dass er bei dem Handel die Hand im Spiele habe, brummte er, ihm tue nur leid, dass die Gerichtsherren um ihr dreit?gig Fasten gekommen seien. Er wusste, dass die Anh?nger des B?rgermeisters sein Haus umschlichen und auch draussen, vor den Mauern, ihre Sp?her hatten; allein die Sp?her fanden es doch in der Ordnung, dass eine Woche nach dem Verschwinden Babettes ein Wagen mit drei F?ssern vor dem Keller des Ratsherrn hielt, und kein Mensch ahnte, dass Babette unter dem mittleren, das keinen Boden hatte, sass und mit angstvollen Ohren dem Spiel des Postillions lauschte, der eine fromme Weise blies, als er langsam aus dem Falkentore fuhr. --

Friedrich Lerch selbst war eines Tages ohne Sang und Klang aus der Stadt verschwunden, und ein Ger?cht wollte bald darauf wissen, er sei mit der Hexe Babette Glock in Bischofsheim gesehen worden.

Der Ratsherr Christoph Kemmeter erbot sich daraufhin, bei dem kurmainzischen Oberamtmann, dem Herrn Hans R?dt von Collenberg, Klage zu erheben, falls das Ger?cht von dem s?ndhaften Hexenschutz auf Wahrheit beruhen sollte. Als er in einem alten Roquelaure, der seit zwanzig Jahren unben?tzt im Schranke hing und da und dort Mottenl?cher sehen liess, in den Postwagen steigen wollte, h?rte er, dass zwei W?scherinnen im Nachbarsgarten die Hexe Babette Glock gesehen haben wollten, wie sie, mit fliegendem Haar und auf einem Besenstiel reitend, dreimal um den T?rmersturm geflogen sei und dem zungenreckenden Mohren ihr spitzes Z?nglein gezeigt habe. Die beiden Gevatterinnen schwuren hoch und teuer, dass ihnen das Luder nicht mehr entwischen werde, wenn sie sie wieder fangen w?rden. Der Herr Spitalpfleger liess sich die Geschichte zweimal erz?hlen und bemerkte dann, die N?rnberger h?tten noch nie eine Hexe verbrannt, ohne sie zu haben, und so riet er auch den beiden Gevatterinnen, doch ja den Rat daf?r zu stimmen, dass dieser l?bliche Rechtsbrauch der N?rnberger nicht in Verfall gerate.

Da in diesem Augenblicke Friedrich Lerch aus der Rentstube daherkam, um seinen G?nner zu begr?ssen, ben?tzte dieser die Gelegenheit zu einem Scherze; er rief: ,,Er kommt gelegen. Er kennt doch die Geschichte von dem Gebetsstuhl, den mir der Herr Baron soeben zum Gebrauch f?r eine Hochzeit angeboten? So sag Er mir doch, welchen Bescheid Er h?tte ergehen lassen, wenn Er Geheimer Rat des durchlauchtigsten Erzkanzlers gewesen w?r."

Friedrich Lerch sah Babette an und entgegnete nach einer Weile: ,,Wir Johann Karl Friedrich von Gottes Gnaden, des Heiligen R?mischen Reiches durch Germanien Erzkanzler und Kurf?rst etc. f?gen Unserm lieben getreuen Amtmann zu wissen, dass der beklagte Gebetsstuhl in Unserer Pfarrkirche zu Bischofsheim an seinem Platz zu bleiben hat; aber Wir geben ihm den wohlmeinenden Rat, den Vorhang offen zu halten, wenn der Herr Dekan predigt oder das Hochamt zelebriert, und die beklagte Schliessung des Vorhangs, die Wir seiner christlichen Demut zugute halten wollen, f?r die Predigten und stillen Messen der Vikare und Kapl?ne zu versparen --"

Der Ratsherr lachte: ,,Er hat etwas gelernt! Er wird Sein Gl?ck an einem Hof machen."

Doch da mischte sich Babette ins Gespr?ch: ,,Und wie haben wir uns im Betstuhl zu verhalten?"

Der Frankenthaler Ratsherr entgegnete: ,,Die Jungfer wird nie das Gel?sten haben, den Vorhang zuzuziehen; denn die Frauenzimmer wollen auch beim Beten gesehen werden."

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