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Munafa ebook

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Words: 167198 in 34 pages

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Lion Feuchtwanger / Jud S?ss

Lion Feuchtwanger

Jud S?ss

Roman

Alle Rechte vorbehalten Copyright 1925 by Drei Masken Verlag A. G., M?nchen

Erstes Buch Die F?rsten

Ein Netz von Adern schn?rten sich Strassen ?ber das Land, sich querend, verzweigend, versiegend. Sie waren verwahrlost, voll von Steinen, L?chern, zerrissen, ?berwachsen, bodenloser Sumpf, wenn es regnete, dazu ?berall von Schlagb?umen unterbunden. Im S?den, in den Bergen, verengten sie sich in Saumpfade, verloren sich. Alles Blut des Landes floss durch diese Adern. Die holperigen, in der Sonne staubig klaffenden, im Regen verschlammten Strassen waren des Landes Bewegung, Leben und Odem und Herzschlag.

Es zogen auf ihnen gew?hnliche Postwagen, dachlose Karren, ohne Polster, ohne Lehne, humpelnd, oft zusammengeflickt, und die schnelleren Wagen der Extrapost, viersitzige, mit f?nf Pferden, die bis zu zwanzig Meilen im Tag fahren konnten. Es zogen auf ihnen die Eilkuriere der H?fe und Gesandten, auf guten Pferden, oft wechselnd, mit versiegelten Taschen, und die langsameren Boten der Thurn- und Taxisschen Post. Es zogen Handwerksburschen mit Ranzen, biedere und gef?hrliche, und Studenten, hager und sanft die einen, die andern fest und verwegen, und eng schauende M?nche, verschwitzt in ihren Kutten. Es zogen die Planwagen der grossen Kaufleute und die Handkarren hausierender Juden. Es zog in sechs soliden, etwas sch?bigen Kutschen der K?nig von Preussen, der den s?ddeutschen H?fen Besuch gemacht hatte, und sein Gefolge. Es zogen, ein endloser Wurm von Mensch und Vieh und Wagen, die Protestanten, die der Salzburger F?rstbischof geifernd aus seinem Land verjagt. Es zogen bunte Kom?dianten und Pietisten, n?chtern von Tracht und in sich verloren, und in pr?chtiger Kalesche mit Vorreiter und grosser Bedeckung der hagere, hochm?tig blickende venezianische Gesandte am s?chsischen Hof. Es zogen auf dem Weg nach Frankfurt unordentlich auf m?hsam zusammengestapeltem Fuhrwerk vertriebene Juden einer mitteldeutschen Reichsstadt. Es zogen Magister und Edelleute und seidene Huren und tuchene Referenten des Kammergerichts. Es zog behaglich in vielen Kutschen der dicke, schlau und fr?hlich schauende F?rstbischof von W?rzburg, und es zog abgerissen und zu Fuss ein Professor der bayrischen Universit?t Landshut, der wegen aufs?ssiger und ketzerischer Reden entlassen worden war. Es zogen mit den Agenten einer englischen Schiffahrtsgesellschaft und mit Weib, Hund und Kind schw?bische Auswanderer, die nach Pennsylvanien wollten, es zogen fromm, gewaltt?tig und pl?rrend niederbayrische Wallfahrer auf dem Weg nach Rom, es zogen, den huschenden, scharfen, behutsamen Blick ?berall, Silberaufk?ufer und Vieh- und Getreide-Aufk?ufer des Wiener Kriegsfaktors, und es zogen abgedankte kaiserliche Soldaten aus den T?rkenkriegen und Gaukler und Alchimisten und Bettelvolk und junge Herren mit ihren Hofmeistern auf der Reise von Flandern nach Venedig.

Das alles trieb vorw?rts, r?ckw?rts, querte sich, staute sich, hetzte, stolperte, trottete gem?chlich, fluchte ?ber die schlechten Wege, lachte, erbittert oder behaglich spottend, ?ber die Langsamkeit der Post, greinte ?ber die abgetriebenen Klepper, das gebrechliche Fuhrwerk. Das alles flutete vor, ebbte zur?ck, schwatzte, betete, hurte, l?sterte, bangte, jauchzte, atmete.

Der Herzog liess die prunkende Kalesche halten, stieg aus, schickte K?mmerer, Sekret?r und Dienerschaft voraus. Auf die verwunderten Blicke seiner Herren hatte er nur ein ungeduldiges Prusten. Da, wo der Weg den sanftgr?nen H?gel hinanstieg, hielten nun die Wagen, warteten. Kammerherren und Sekret?r krochen vor dem feinen, endlosen Regen ins Innere der Kutsche, J?ger, Diener, Leibhusar sprachen ged?mpft aufeinander ein, tuschelten, zoteten, pruschten heraus.

Der Herzog Eberhard Ludwig, f?nfundf?nfzig Jahre, ein dicker, grosser Mann, vollwangig, starklippig, blieb zur?ck. Er stapfte schwerf?llig, den Samthut in der Hand, dass der feine, warme Regen die Per?cke st?ubte, und er achtete nicht der Pf?tzen, die ihm die gl?nzenden Stiefel bespritzten und den tiefsch?ssigen, silbergestickten, kostbaren Rock. Er ging langsam, besch?ftigt, blieb oft stehen, in unmutiger Nervosit?t durch die starke, fleischige Nase schnaubend.

Er war in Wildbad gewesen, der Gr?fin den Abschied zu geben. War das jetzt erledigt? Eigentlich nicht. Er hatte nichts gesagt. Die Gr?fin hatte auf seine halben Worte nur verschleierte Blicke gehabt, keine Antwort. Aber sie musste doch gemerkt haben, sie war ja so gescheit, sie musste, musste gemerkt haben, was er wollte.


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